Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche aus Annahmeverzug - Verjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Nichtbetreiben des Prozesses im Sinne des § 211 Abs 2 BGB liegt vor, wenn die Parteien ohne triftigen Grund untätig bleiben.

2. Betreibt der Arbeitnehmer wegen einer vorgreiflichen Kündigungsschutzklage den Prozeß auf Zahlung des Entgelts aus Annahmeverzug des Arbeitgebers im Hinblick auf weitere ausgesprochene und beim Arbeitsgericht angegriffene Kündigungen trotz rechtskräftiger Erledigung der vorgreiflichen Kündigungsschutzklage auf eigenen Antrag nicht weiter, so endet damit die Wirkung einer Verjährungsunterbrechung (§ 209 BGB).

3. Mit dem Ende der Unterbrechung beginnt sofort und nicht erst zum Jahresende (§ 201 BGB) eine neue zweijährige Verjährungsfrist.

 

Normenkette

BGB §§ 201, 209, 615, 211 Abs. 2, § 196 Abs. 1 Nr. 8

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.09.1989; Aktenzeichen 2 Sa 78/88)

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 17.05.1988; Aktenzeichen 2 Ca 183/79)

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten zu 1. seit dem 1. Januar 1971 als kaufmännischer Angestellter zuletzt gegen ein monatliches Gehalt von 4.750,-- DM brutto beschäftigt. Die Beklagte versuchte seit Ende 1976 erfolglos, sich durch mehrere Kündigungen vom Kläger zu trennen. Sämtliche Kündigungen wurden in teilweise bis zum Bundesarbeitsgericht geführten Gerichtsverfahren für unwirksam erklärt, bis auf eine (vorläufig) letzte Kündigung vom 11. Oktober 1984 zum 30. November 1984. Insoweit ist noch ein Rechtsstreit beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 2. November 1987 - 3 Ca 446/84 -) anhängig. Der Kläger, der durch Bescheid vom 18. Juli 1977 als Schwerbehinderter anerkannt ist, wird seit der ersten Kündigung vom 18. November 1976 von der Beklagten zu 1. nicht mehr beschäftigt.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Annahmeverzug der Beklagten u.a. für die Zeit von 1977 bis 30. November 1984 im Gesamtbetrag von 476.154,-- DM brutto, auf die sich der Kläger für den jeweiligen Zeitraum erzielte Zwischenverdienste von insgesamt 230.000,--DM brutto sowie erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 38.740,60 DM und Konkursausfallgeld in Höhe von 11.696,04 DM anrechnen läßt.

Der Kläger hat jährlich die im Streit stehenden Entgeltansprüche durch Klageerweiterung geltend gemacht. Die Klageerweiterung laut Schriftsatz vom 27. Februar 1984 für die Ansprüche aus dem Jahre 1983 ist den Beklagten versehentlich nicht formell zugestellt worden.

Das Arbeitsgericht Reutlingen hat den Rechtsstreit durch Beschluß vom 27. Juni 1979 bis zur Entscheidung des Verfahrens 7 AZR 1063/77, in dem über die Kündigungen vom 18. November 1976 zum 31. Dezember 1977 und vom 17. Februar 1977 zum 31. März 1977 (hilfsweise zum 31. Dezember 1978) befunden wurde, gemäß § 148 ZPO ausgesetzt. Nachdem das Bundesarbeitsgericht in jenem Verfahren am 7. Dezember 1979 zu Lasten der Beklagten entschieden hatte, empfahl das Arbeitsgericht am 31. Januar 1980 den Parteien, den Zahlungsrechtsstreit weiterhin ruhen zu lassen, bis die Akten 7 AZR 1063/77 vorlägen. Entsprechend wurde verfahren, zumal inzwischen auch wegen der Kündigung vom 10. November 1977 zum 31. Dezember 1978 ein weiterer Rechtsstreit beim Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19.Januar 1983 - 7 AZR 44/81 -) und wegen der Kündigung vom 29. Dezember 1977 zum 31. Dezember 1978 beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 2 Sa 208/83 - anhängig war. Unter dem 3. Januar 1984 fragte der Vorsitzende des Arbeitsgerichts bei den Parteien an, ob eine Gesamtentscheidung über die Zahlungsansprüche nach rechtskräftigem Abschluß des Rechtsstreits 2 Sa 208/83 herbeigeführt werden solle. Auf Antrag des Klägers vom 27. Februar 1984 und im Einverständnis der Beklagten wurde daraufhin ein zum 3. April 1984 anberaumter Termin wieder abgesetzt. In seiner Klageerweiterung vom 30. Dezember 1986 teilte der Kläger mit, eine Terminierung werde bis zum Ausgang des noch anhängigen Rechtsstreits (wegen der neuen Kündigung vom 11. Oktober 1984) nicht für erforderlich gehalten. Die Beklagten haben sich hierzu nicht geäußert. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 1988 bat der Kläger um Terminsanberaumung: Es könne durch Teilurteil über seine Entgeltansprüche bis 30. November 1984 entschieden werden. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben: Nachdem der im Jahre 1979 anhängig gemachte Rechtsstreit zunächst infolge eines Aussetzungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Reutlingen und alsdann aufgrund einer Parteivereinbarung im Februar/März 1984 zum Stillstand gekommen sei, habe der Kläger ihn ohne triftigen Grund erst Anfang 1988 wieder aufgenommen, obwohl nach Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 4. Juli 1984 (2 Sa 208/83) am 25. September 1984 der Rechtsstreit für die bis 30. November 1984 geltend gemachten Ansprüche hätte weiter betrieben werden können; diese Ansprüche würden durch die letzte Kündigung vom 11. Oktober 1984 zum 30. November 1984 nicht berührt.

Der Kläger hat erstinstanzlich noch 246.154,-- DM brutto (476.154,-- DM minus 230.000,-- DM) abzüglich 50.436,64 DM netto (Arbeitslosen- und Konkursausfallgeld) geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 17. Mai 1988 über die bis 30. November 1984 rechtshängig gemachten Ansprüche teils ablehnend rechtskräftig (Urlaubsabgeltung, Gehaltserhöhungsanteile), teils zusprechend (333.739,21 DM brutto Gehalt für 70 Monate x 4.750,--DM zuzüglich 1.239,12 DM für die Zeit vom 24. bis 31. Januar 1979, 33.250,-- DM Weihnachtsgeld und 18.660,69 DM zusätzliche Urlaubsvergütung abzüglich 230.000,-- DM brutto und 50.436,64 DM netto) entschieden. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Ansprüche auf Gehalt (333.739,21 DM brutto) unter Ermäßigung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldanspruchs auf 43.088,42 DM (zusammen 376.827,54 DM brutto abzüglich 230.000,--DM brutto) in Höhe von 146.827,54 DM brutto abzüglich 50.436,64 DM netto weiter verfolgt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht bis auf einen Betrag von 47.250,--DM brutto abzüglich 22.694,84 DM netto (Gehalt für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 30. November 1984) die übrige Klage wegen der Ansprüche aus den Jahren 1977 bis 1983 infolge Verjährung abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils mit dem in der Berufungsinstanz ermäßigten Betrag, während die Beklagten um Zurückweisung der Revision bitten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Gehaltsansprüche für die Jahre 1977 bis 1983 wegen der von den Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen. Dabei läßt der Senat dahingestellt, ob dies für die Ansprüche aus dem Jahre 1983 mangels formgerechter Zustellung schon mit Wirkung vom 31. Dezember 1985 gilt (vgl. §§ 196 Abs. 1 Ziff. 8, 201 BGB). Denn auch für diesen Zeitraum ist die Verjährung jedenfalls deshalb eingetreten, weil der Kläger seine Ansprüche in der Zeit vom 25. September 1984 bis zum 30. Dezember 1986 ohne triftigen Grund nicht weiterverfolgt hat (§ 211 Abs. 2 BGB).

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Entgeltansprüche des Klägers für das Jahr 1983 seien schon deshalb am 31. Dezember 1985 verjährt (§§ 196 Abs. 1 Ziff. 8, 201 BGB), weil mangels formgerechter Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes vom 27. Februar 1984 keine Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB eingetreten sei; es fehle insofern an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung nach § 253 Abs. 1 ZPO.

Auch die Ansprüche aus den Jahren 1977 bis 1982 (Gehaltsansprüche erst ab 24. Januar 1979) seien verjährt, weil der Kläger den Prozeß wegen dieser Ansprüche in der Zeit vom 25. September 1984 (Rechtskraft des LAG-Urteils vom 4. Juli 1984 - 2 Sa 208/83 - Baden-Württemberg) bis zum 30. Dezember 1986 ohne triftigen Grund nicht betrieben habe (§ 211 Abs. 2 BGB). Zwar sei der Prozeß aufgrund der gerichtlichen Aussetzung laut Beschluß des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 27. Juni 1979 sowie der gerichtlichen Anregungen vom 30. Januar 1980 und 3. Januar 1984 im Hinblick auf die vorgreiflichen Kündigungen aus dem Jahre 1977 zunächst aus sachlichem Grund nicht betrieben worden. Dieser Grund sei aber seit Rechtskraft der letzten Entscheidung zu den bis dahin ausgesprochenen Kündigungen entfallen, so daß infolge Stillstands des Prozesses die Unterbrechung der Verjährung am 25. September 1984 geendet, mithin die Verjährungsfrist wieder zu laufen begonnen habe. Da der Kläger erstmalig mit der Klageerweiterung vom 30. November 1986 den Prozeß wieder aufgerufen habe, sei die zweijährige Verjährungsfrist am 25. September 1986 abgelaufen. Daß der Kläger im Hinblick auf die neue Kündigung vom 11. Oktober 1984 zum 30. November 1984 den Prozeß nicht betrieben habe, könne als triftiger Grund nicht anerkannt werden, da die Entscheidung über diese Kündigung für die bis 30. November 1984 geltend gemachten Ansprüche nicht vorgreiflich sei. Die Beklagten verstießen mit der Verjährungseinrede auch nicht gegen Treu und Glauben, weil sie keinen Anlaß dazu gegeben hätten, den Zahlungsprozeß seit dem 25. September 1984 nicht zu betreiben.

Dagegen seien die Ansprüche aus dem Jahre 1984 nicht verjährt, weil mit der Klageerweiterung vom 30. November 1986 die Verjährung diesbezüglich wiederum unterbrochen worden sei (§§ 201, 209 BGB) und weil der Kläger innerhalb der neuen zweijährigen Frist mit Schriftsatz vom 29. Januar 1988 den Prozeß wieder aufgerufen habe.

II. Dem ist zuzustimmen, wobei wegen der Gehaltsansprüche für 1984 unter den Parteien - mangels Anschlußrevision - kein Streit herrscht.

1. Die vom Kläger für die Jahre 1977 bis 1983 geltend gemachten Entgeltansprüche sind nach den §§ 611, 196 Abs. 1 Ziff. 8 BGB verjährt. Die jeweils am Ende des Jahreszahlungszeitraums begonnene Verjährung (§ 201 BGB) ist durch Klageerhebung bzw. Klageerweiterung zwar zunächst unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB). Ob dies auch für die mit dem Klageerweiterungsschriftsatz vom 27. Februar 1984 geltend gemachten Ansprüche aus dem Jahre 1983 gilt, kann dahingestellt bleiben. Denn auch bezüglich der Entgeltansprüche aus 1983 ist ebenso wie für diejenigen aus den Vorjahren Verjährung deswegen eingetreten, weil der Prozeß vom Kläger in der Zeit vom 25. September 1984 bis zum 30. Dezember 1986 ohne triftigen Grund nicht betrieben worden ist. Gemäß § 211 Abs. 2 BGB wirkte die ursprünglich eingetretene Unterbrechung nicht fort, sondern die zweijährige Verjährungsfrist begann mit dem Wegfall des bis 24. September 1984 bestehenden Betreibungshindernisses erneut zu laufen.

a) Entgegen der Auffassung der Revision dauerte die mit dem gerichtlichen Beschluß vom 27. Juni 1979 begonnene Aussetzung und das auf den gerichtlichen Anfragen vom 31. Januar 1980 und vom 3. Januar 1984 beruhende fortgesetzte Ruhen des Rechtsstreits bis zur Erledigung der vorgreiflichen Kündigungsprozesse nicht unbefristet fort. Dabei ist dem Landesarbeitsgericht zunächst darin zu folgen, daß das auf gerichtlicher Aussetzung (§ 148 ZPO) und auf gerichtlicher Anregung beruhende Nichtbetreiben des Prozesses die Verjährungsunterbrechung (§ 211 Abs. 1) nicht aufgehoben hat. Das entspricht unter Berücksichtigung der Motive zum BGB (Band I S. 333) der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung (so RGZ 145, 240; BGH NJW 1954, 1883; BGH NJW 1983, 2496; BGHZ 106, 295; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 211 Rz. 5; Soergel/Walter, BGB, 12. Aufl., § 211 Rz 7; Palandt/Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 211 Anm. 3).

b) Nachdem am 25. September 1984 rechtskräftig feststand, daß durch die Kündigungen der Jahre 1976/77 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst war, hätte der Zahlungsanspruch für die Jahre 1977 bis 1983 weiter verfolgt werden können und zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung auch fortgesetzt werden müssen. Dies galt für den Kläger um so mehr, als die gerichtliche Anfrage vom 3. Januar 1984 sich deutlich nur auf das Verfahren 2 Ca 25/78 Arbeitsgericht Reutlingen, also die Kündigung vom 29. Dezember 1977 zum 31. Dezember 1978 bezog, worüber das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit dem rechtskräftigen Urteil vom 4. Juli 1984 abschließend entschieden hatte.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anfrage des Vorsitzenden des Arbeitsgerichts nicht einmal als Handeln des Gerichts als solches zu werten ist (so BGH, Urteil vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82 -, NJW 1983, 2496, zu II 2 a der Gründe) und dies demnach nur zu einer Vereinbarung der Parteien im Sinne des § 211 Abs. 2 BGB geführt hat, die schon jetzt die Beendigung der Verjährungsunterbrechung herbeiführte. Diese Wirkung ist jedenfalls aber mit dem Zeitpunkt (25. September 1984), in dem das angesprochene Verfahren 2 Ca 25/78 Arbeitsgericht Reutlingen rechtskräftig erledigt war (ebenso BGHZ 106, 295, 298), eingetreten. Denn anschließend hat der Prozeßvertreter des Klägers prozessual nichts unternommen: Bis zum Eingang des Schriftsatzes vom 30. Dezember 1986 findet sich kein Eingang in den Akten, nicht einmal eine Erklärung, warum trotz Rechtskraft der früheren Kündigungsverfahren die Zahlungsklage für die Jahre 1977 bis 1984 nicht betrieben werde. Erst der Schriftsatz vom 30. Dezember 1986 enthält im Nachhinein den Hinweis, eine Terminierung werde bis zum Ausgang des noch anhängigen Rechtsstreits (wegen der Kündigung vom 11. Oktober 1984 zum 30. November 1984) nicht für erforderlich gehalten. In der Zwischenzeit war also allenfalls zu mutmaßen, der Kläger habe im Hinblick auf diese Kündigung seinerseits an der Fortsetzung des Zahlungsprozesses kein Interesse.

c) Tatsächlich war aber diese Kündigung für den Zahlungsprozeß nicht vorgreiflich. Spätestens mit Wirkung vom 25. September 1984 ging also die Verantwortung für das Betreiben bzw. Nichtbetreiben des Prozesses mit der Wirkung des § 211 Abs. 2 BGB vom Gericht auf den Kläger über. Ob es unter den gegebenen Umständen vertretbar war - sinnvoll war es wegen des weiteren Zeitverlustes keinesfalls -, den Ausgang des Verfahrens wegen der Kündigung vom 11. Oktober 1984 abzuwarten (dasselbe könnte dann übrigens für jede weitere noch mögliche Kündigung gelten), ist ohne Belang. Denn dadurch allein wird die Vorschrift des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB noch nicht unanwendbar. Zwar ist Zweck dieser Bestimmung, eine Umgehung der Verjährungsvorschriften zu verhindern. Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäfte weder ausgeschlossen noch erschwert werden (§ 225 BGB). Dieser Erfolg soll auch nicht auf dem Umweg erreicht werden, einen Prozeß zwar zu beginnen, dann aber nicht mehr zu betreiben (so schon RGZ 136, 193, 195; ferner BGH NJW 1983, 2496, 2497, zu II 2 d der Gründe; BGH NJW 1987, 371, 372).

Als Voraussetzung der Beendigung der Verjährungsunterbrechung ist nicht zusätzlich in das Gesetz aufgenommen worden, daß die Parteien den Verfahrensstillstand subjektiv in Umgehungsabsicht herbeigeführt haben müßten. Wegen der einschneidenden Wirkung des § 211 Abs. 2 BGB ist die Beurteilung der Voraussetzungen dieser Vorschrift nach objektiven Kriterien - nämlich dem Verfahrensstillstand im Verantwortungsbereich der Parteien - geboten (vgl. auch BGH NJW 1979, 2307), weil das Motiv der Parteien für ihre Verfahrensweise oft schwer feststellbar ist. Deswegen kann auch ein bewußtes, aber von keiner besonderen Umgehungsabsicht getragenes Nichtbetreiben des Verfahrens zu der vom Gesetzgeber mißbilligten Folge führen, daß sich die in den Prozeß gezogenen Ansprüche "verewigen" (so Motive zum BGB, Bd. I, S. 332; BGH Urteil vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82 -, NJW 1983, 2496, zu II 2 d der Gründe sowie BGH Urteil vom 20. Oktober 1987 - VI ZR 104/87 - MDR 1988, 214 und BGHZ 106, 295, 299).

2. Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe § 211 Abs. 2 BGB falsch ausgelegt, indem es die Absicht nicht berücksichtigt habe, nach Abschluß des neuen Kündigungsrechtsstreits, der offenbar heute noch nicht erledigt ist, eine einheitliche Gesamtsaldierung vorzunehmen. Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, die Entgeltansprüche des Klägers bis 30. November 1984 überwögen eindeutig das erzielte anderweitige Einkommen (§§ 615 Satz 2 BGB, 11 KSchG), so daß eine Anrechnung auf Ansprüche nach dem 30. November 1984 von vornherein ausscheide (vgl. BAGE 5, 217 = AP Nr. 1 zu § 9 KSchG, mit Anm. von Herschel; KR Becker, 3. Aufl., § 11 KSchG Rz 33). Inwiefern das angesichts der vorliegenden unstreitigen Zahlen, die in der ersten Instanz immerhin zu einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 155.649,81 DM brutto abzüglich 50.436,64 DM netto geführt haben, nicht plausibel sein soll, ist nicht ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht entschieden, ein triftiger Grund für das Nichtbetreiben des Zahlungsprozesses in der Zeit vom 25. September 1984 bis 30. Dezember 1986 liege nicht vor.

3. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, bei der Anwendung des § 211 Abs. 2 BGB sei nicht erneut § 201 BGB heranzuziehen, wonach die Verjährung im Laufe des Jahres fällig gewordener Ansprüche erst mit dem Jahresschluß beginnt. Denn § 211 Abs. 2 BGB enthält insoweit eine Sondervorschrift im Verhältnis zu § 201 BGB. Der Senat teilt die in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretene Auffassung, nach der mit dem Ende der Unterbrechung (25. September 1984) sofort eine neue zweijährige Verjährung beginnt (BAGE 24, 122 = AP Nr. 1 zu § 211 BGB, mit Anmerkung Schnorr von Carolsfeld; BGH NJW 1960, 1947, 1948; RGZ 128, 76, 80; RGRK-Johannsen, BGB, 12. Aufl., § 211 Rz 10; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 211 Rz 9; Soergel/Walter, aa0, § 211 Rz 11; Schnorr von Carolsfeld in Anm., aa0, spricht von einer Fortsetzung der bereits begonnenen Verjährung).

4. Die Revision rügt ersichtlich nicht die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, mit der im Jahre 1988 erhobenen Verjährungseinrede verstießen die Beklagten auch nicht gegen Treu und Glauben, denn sie hätten nach Rechtskraft der Entscheidung über die letzte vorgreifliche Kündigung zum 31. Dezember 1978 den Kläger in keiner Weise gehindert, den Rechtsstreit hinsichtlich der bis 1984 fälligen Entgeltansprüche zu betreiben. Die Ausführungen der Revision befassen sich insoweit nur mit der bereits oben (Ziffer 2) abgehandelten Frage des Zuwartens wegen einer Gesamtverrechnung. Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge im Sinne des § 554 Abs. 3 Ziff. 3 ZPO liegt insoweit nicht vor.

5. Es liegt insoweit auch kein materiellrechtlicher Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vor: Die Beklagten haben in der Tat keine Veranlassung gegeben, auch noch über den 25. September 1984 hinaus mit der Weiterverfolgung der Zahlungsansprüche zuzuwarten. Die bloße Untätigkeit der Beklagten nach Eintritt der Rechtskraft des einvernehmlich wegen des Rechtsstreites 2 Sa 208/83 LAG Baden-Württemberg zum Ruhen gebrachten Zahlungsprozesses begründet noch nicht die Einrede des Rechtsmißbrauchs (ebenso BGH Urteil vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82 - NJW 1983, 2496, 2498, zu II 4 der Gründe). Es wäre vielmehr Sache des Klägers gewesen, entweder eine Vereinbarung über ein Stillhalteabkommen herbeizuführen oder rechtzeitig das Verfahren weiter zu betreiben. Da die damalige Prozeßvertretung des Klägers (DGB) dies nicht besorgt hat, ist die Klage zu Recht wegen Verjährung der Ansprüche aus den Jahren 1977 bis 1983 abgewiesen worden.

Hillebrecht Triebfürst Bitter

Nipperdey Dr. Bobke

 

Fundstellen

Haufe-Index 438015

DB 1990, 1524-1524 (Leitsatz 1-3)

NJW 1990, 2578

NJW 1990, 2578-2579 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EWiR 1990, 651 (Leitsatz 1-3)

JR 1990, 528

NZA 1991, 230-232 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

RdA 1990, 256

RzK, I 13a Nr 36 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AP § 196 BGB (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 11

AR-Blattei, ES 1680 Nr 52 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AR-Blattei, Verjährung Entsch 52 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EzA § 211 BGB, Nr 1 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

JuS 1991, 697-698 (Leitsatz 2 und Gründe)

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