Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Handelt der zur Geschäftsführung befugte Gesellschafter einer bürgerlich rechtlichen Gesellschaft beim Abschluß eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages mit der Vertragspartnerin in kollusivem Zusammenwirken zu Lasten der Gesellschaft, und konnte oder mußte die Vertragspartnerin dies erkennen, so kann sie sich auf die Wirksamkeit des Vertrages nicht berufen (im Anschluß an BAG Urteil vom 9. März 1978 – 3 AZR 577/76 – AP Nr. 1 zu § 126 HGB).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 123, 138, 142, 242, 826; ZPO § 543 Abs. 1, § 550

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 24.01.1995; Aktenzeichen 2 Sa 97/93)

ArbG Hamburg (Urteil vom 13.09.1993; Aktenzeichen 27 Ca 201/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 24. Januar 1995 – 2 Sa 97/93 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit 1977 als Bürokauffrau bei den Beklagten zu 1) als Gesellschafter einer in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Grundstückverwaltung und außerdem bei dem Beklagten zu 2) persönlich angestellt. Letzterer führt die Geschäfte der Grundstücksverwaltung und betrieb früher eine Arztpraxis, in der die Klägerin bereits seit 1974 tätig war.

Im März 1993 kam es zwischen den Beklagten, vertreten durch ihren Sohn, den Rechtsanwalt Dr. P. H., und der Klägerin zu Verhandlungen über die Beendigung der Anstellungsverhältnisse. Diese endeten mit einem Aufhebungsvertrag, der auf den 24. September 1992 datiert ist, und wonach der Klägerin gemäß Ziff. 3 eine Abfindung in Höhe von 64.500,– DM – fällig am 1. April 1993 – zustehen sollte. In Ziff. 4 dieser Aufhebungsvereinbarung ist geregelt, daß die Klägerin nach Aufforderung noch geringfügige Abwicklungsarbeiten zu übernehmen habe. Mit Schreiben vom 30. April 1993 erklärten die Beklagten die Anfechtung der Aufhebungsvereinbarung, weil die Klägerin den als Vertreter der Beklagten auftretenden Sohn bei Abschluß des Vertrages darüber getäuscht habe, daß sie mit dem Beklagten zu 2) ein intimes Verhältnis gehabt habe. Gleichzeitig kündigten die Beklagten die Arbeitsverhältnisse ordentlich und mit Schreiben vom 23. Juni 1993 außerordentlich fristlos, nachdem die Klägerin eine zuvor bereits ausgesprochene fristlose Kündigung vom 17. Juni 1993 mangels Vollmachtsvorlage mit Schreiben vom 18. Juni 1993 zurückgewiesen hatte.

Die Klägerin hat ein Anfechtungsrecht der Beklagten bestritten; eine arglistige Täuschung liege nicht vor. Ende 1992 habe sie sich einem anderen Mann zugewandt, womit sich der Beklagte zu 2) nicht habe abfinden wollen. Dieser habe sie bedrängt, mit ihm zusammenzuziehen. Zur Klärung der Angelegenheit sei es zu einem Treffen im Familienkreis gekommen, an dem der Beklagte zu 2) und seine beiden Kinder, der Rechtsanwalt Dr. H. und Frau K., teilgenommen hätten. Dabei sei klar gewesen, daß die Kinder von dem Verhältnis gewußt hätten. In den danach geführten Gesprächen zwischen ihr und dem Sohn des Beklagten zu 2), die zu dem rückdatierten Aufhebungsvertrag geführt hätten, sei zu keinem Zeitpunkt geäußert worden, es sei unabdingbare Voraussetzung der Aufhebungsvereinbarung, daß sie mit dem Beklagten zu 2) kein Verhältnis gehabt hätte. Die Arbeitsverhältnisse seien nicht aus betrieblichen Gründen, sondern auf Initiative von Frau H. beendet worden, damit sie, die Klägerin, nicht weiter mit deren Ehemann, dem Beklagten zu 2), zusammenarbeite. Bei alledem sei es für Frau H. nur darum gegangen, ihr Gesicht vor der Familie zu wahren; tatsächlich sei sie mehrfach mit ihrem Ehemann in ihrer, der Klägerin, Wohnung gewesen, u.a. am 24. April 1993 um zahlreiche Liebesgedichte ihres Ehemannes herauszuverlangen. Sie bestreite, daß es eine Weisung von Frau H. gegeben habe, nur bei Nichtbestehen eines Verhältnisses eine Aufhebungsvereinbarung abzuschließen; danach sei sie jedenfalls von Rechtsanwalt H nicht gefragt worden. Nach Abschluß der Vereinbarung sei sie nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen, habe aber gleichwohl mit Schreiben vom 26. April 1993 ihre Arbeitskraft angeboten.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, eine Abfindung in Höhe von 64.500,– DM nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag ab 1. April 1993 zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die Aufhebungsvereinbarung vom 24. September 1992 trotz der Anfechtung mit Schreiben vom 30. April 1993 wirksam ist,
  3. hilfsweise festzustellen, daß weder durch die Kündigung mit Schreiben vom 30. April noch durch die Kündigung mit Schreiben vom 17. Juni 1993 das Arbeitsverhältnis beendet ist, sondern bis zum 31. Dezember 1993 fortbesteht.

Die Beklagten haben zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, man habe sich aus betrieblichen Gründen von der Klägerin trennen wollen, um die Verwaltungsarbeit einem professionellen Verwalter zu übertragen. Obwohl das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar gewesen sei, habe man wegen der langen persönlichen Verbundenheit und im Interesse, die Vertragsbeziehung zügig zu beenden, der Klägerin eine Abfindung angeboten. Sie hätten deshalb ihren gemeinsamen Sohn beauftragt, mit der Klägerin zu verhandeln, wobei Frau H. ihren Sohn darauf hingewiesen habe, sie hätte den Verdacht, daß die Klägerin und der Beklagte zu 2) ein Verhältnis hätten; sie, Frau H., sei aber nicht bereit, eine Abfindung zu zahlen, wenn dieser Verdacht nicht ausdrücklich ausgeräumt würde. Deshalb sei es zwischen Rechtsanwalt H. und der Klägerin zu drei Gesprächen gekommen, wobei bei allen Gesprächen das Verhältnis der Klägerin mit dem Beklagten zu 2) Gegenstand gewesen und die Klägerin darauf hingewiesen worden sei, ein Aufhebungsvertrag scheide aus, wenn es intime Beziehungen gegeben habe. Die Klägerin habe „hoch und heilig” versichert, daß dies nicht der Fall sei. Entsprechendes habe sie zuvor auch gegenüber Frau H. geäußert; erst Ostern 1993 habe sie sowohl gegenüber Frau H. als auch deren Sohn zugegeben, daß ihre Zusicherung falsch gewesen sei.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, ein gegebenenfalls kollusives Zusammenwirken zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) könne den Beklagten zu 1) nicht angelastet werden. Sie haben hilfsweise die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen der Frau H. in Höhe von 27.286,72 DM erklärt. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Einkünfte in den beiden Arbeitsverhältnissen entfielen von dem Abfindungsbetrag 9.926,55 DM auf das Beschäftigungsverhältnis mit dem Beklagten zu 2) und 54.573,45 DM auf das Beschäftigungsverhältnis mit den Gesellschaftern der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft. Da diese an der Gesellschaft zu gleichen Teilen beteiligt seien, entspreche der zur Aufrechnung gestellte Betrag der Hälfte des auf Frau H entfallenden Abfindungsbetrages.

Im übrigen habe die Klägerin sie auch insoweit hintergangen, als ein Großteil der aufgetragenen Arbeiten seit November 1992 nicht erledigt worden sei, wofür sie, die Beklagten zu 1), der Firma W. Grundstücksverwaltung 11.015,09 DM hätten zahlen müssen. Herrn Rechtsanwalt H. gegenüber habe die Klägerin indessen den Eindruck erweckt, es handele sich nur noch um geringfügige Abwicklungsarbeiten, wie dies auch in Ziff. 4 der Aufhebungsvereinbarung zum Ausdruck gekommen sei.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen zu 1 und 2 erkannt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), weil noch nicht feststeht, ob möglicherweise ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft vorliegen könnte, das sich die Beklagten zu 1) als Gesellschaft nicht zurechnen lassen müssen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Aufhebungsvereinbarung mit Datum vom 24. September 1992 sei nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden. Bei der Beurteilung der Anfechtungserklärung sei nämlich nicht auf das Wissen des Rechtsanwalts H., sondern auf das des vertretenen Beklagten zu 2) abzustellen. Dieser könne nicht getäuscht worden sein, weil er das Verhältnis mit der Klägerin kannte. Auch die Beklagten zu 1) müßten sich die Kenntnis des Beklagten zu 2) zurechnen lassen, und zwar in seiner Eigenschaft als deren Gesellschafter. Etwas anderes gelte auch nicht unter dem Gesichtspunkt des kollusiven Zusammenwirkens der Klägerin und des Beklagten zu 2), denn in diesem Falle verletze der Gesellschafter seine gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem anderen Gesellschafter, wobei dieser innerhalb der Gesellschaft Schadensausgleich verlangen könne.

Dasselbe gelte bezüglich der Kenntnis des Beklagten zu 2) vom Stand der Mietverwaltung, denn dem Beklagten zu 2) sei es kraft seiner Organisationsgewalt jederzeit möglich gewesen, sich über den Stand der Arbeiten zu informieren. Die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche stünden den Beklagten nicht zu. Der Abschluß eines rechtswirksamen Aufhebungsvertrages stelle keine positive Forderungsverletzung gegenüber der BGB-Gesellschaft dar, ebensowenig wie ein Anspruch nach § 826 BGB begründet sei. Auch eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten seitens der Klägerin könne nicht festgestellt werden.

II. Dem folgt der Senat nicht in allen Teilen der Begründung. Die von der Revision ursprünglich erhobenen formellen Rügen (nachfolgend zu 1) sind teils erledigt, teils greifen sie – anders als die materielle Rüge (nachfolgend zu 2) – nicht durch.

1. Die Rüge der Verletzung des § 551 Nr. 7 ZPO hat die Revision nicht aufrechterhalten ebenso wie die Rüge, das Urteil des Landesarbeitsgerichts enthalte keinen Tatbestand und damit fehle es für das Revisionsgericht an einer tatsächlichen Beurteilungsgrundlage (§§ 550, 565 Abs. 3 Nr. 1, § 561 ZPO). Unabhängig davon war jedoch von Amts wegen zu prüfen (siehe auch BAG Urteil vom 21. April 1993 – 5 AZR 413/92 – EzA § 543 ZPO Nr. 8), welcher Tatbestand der Beurteilung des Revisionsgerichts gemäß § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt.

Das Landesarbeitsgericht hat – wenn auch recht mißverständlich – mit seinem Hinweis unter der Überschrift Tatbestand zwar selbst von der Fertigung eines Tatbestandes abgesehen, jedoch denjenigen des Arbeitsgerichts in Bezug genommen. Die Formulierung des Landesarbeitsgerichts

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO unter Hinweis auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung abgesehen

ist auslegungsfähig. Soweit § 543 ZPO angesprochen wird, sieht diese Vorschrift in Abs. 1 gerade vor, daß von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen werden kann. Die Erwähnung dieser Bestimmung könnte also dafür sprechen, daß das Landesarbeitsgericht eine wie auch immer geartete Sachdarstellung seinen Entscheidungsgründen nicht voranstellen wollte. Dann allerdings wäre die Überschrift und der „Hinweis auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung”, der von seinem inhaltliche Gehalt her dem nach § 543 Abs. 1 ZPO ermöglichten Absehen von der Fertigung eines Tatbestandes zumindest teilweise widerspräche, als unsinnig anzusehen. Das kann aber dem Landesarbeitsgericht nicht unterstellt werden. Mit der Revisionserwiderung ist daher richtigerweise davon auszugehen, daß der besagte Hinweis eine Bezugnahme auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung enthält. Daraus ergibt sich die oben im Tatbestand des Revisionsgerichts wiedergegebene Beurteilungsgrundlage, ohne daß noch erörtert werden muß, ob und gegebenenfalls welche punktuellen Feststellungen sich den Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts entnehmen lassen, die einen – wenn auch unvollständigen – Tatbestand im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO enthalten könnten (vgl. dazu Senatsurteile vom 20. Mai 1988 – 2 AZR 682/87 – BAGE 59, 32, 38 = AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung, zu C I 2 a der Gründe und vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 251/94 –, nicht veröffentlicht).

2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Klägerin der aufgrund der auf den 24. September 1992 datierten Aufhebungsvereinbarung zugebilligte Abfindungsbetrag in Höhe von 64.500,– DM gegen die Beklagten zu 1) – unabhängig von dem Fortbestand gegenüber dem Beklagten zu 2), der sich für seine Person nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen kann, – zusteht, wenn diese Vereinbarung nicht wegen der Anfechtungserklärung der Beklagten gemäß §§ 123, 142 BGB als nichtig anzusehen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB; BAGE 75, 77 = AP Nr. 38, aaO) kann außer dem Arbeitsvertrag auch ein Aufhebungsvertrag durch Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB beendet werden. Das Anfechtungsrecht wird nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt. Der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, daß der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn zur Abgabe einer Willenserklärung veranlaßt. Die Täuschung muß sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen, während subjektive Werturteile nicht genügen. Die Täuschung kann durch positives Tun, also insbesondere durch Behaupten, Unterdrücken oder Entstellen von Tatsachen erfolgen. Sie kann aber auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zur Offenbarung der fraglichen Tatsache verpflichtet ist.

a) In dieser Hinsicht besteht nach dem Berufungsurteil keine ausreichende Tatsachengrundlage, um sowohl das Vorliegen einer Täuschung wie der Arglist zu bejahen. Die Klägerin hat bestritten, daß der für die Beklagten handelnde Vertreter Rechtsanwalt Peter H. nicht von ihrem intimen Verhältnis zu seinem Vater Kenntnis gehabt habe; dies sei vielmehr ausdrücklich Gegenstand des Gesprächs vom 10. März 1993 wie auch der nachfolgenden Gespräche gewesen. Zur Täuschungshandlung als solcher wie auch zum Vorliegen einer Arglist seitens der Klägerin sind keine Feststellungen getroffen. Insofern wäre auch von Bedeutung, ob die Klägerin über das anfängliche Bestreiten eines intimen Verhältnisses hinaus aus Anlaß der Aufhebungsvereinbarung in Richtung auf eine bestimmte Abfindungslösung initiativ geworden ist.

Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr eine Täuschungshandlung als zutreffend unterstellt.

b) Das Landesarbeitsgericht hat bei dem von ihm unterstellten Sachverhalt im Ansatz richtigerweise auf § 166 Abs. 2 BGB abgestellt, wonach, wenn im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt hat, dieser sich in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen kann. Das Berufungsgericht geht nach dem unstreitigen Sachverhalt davon aus, daß der Beklagte zu 2) ohne Zweifel wußte, daß er ein Verhältnis mit der Klägerin hatte und folglich über das Vorliegen eines intimen Verhältnisses nicht getäuscht werden konnte. Unterstellt man mit dem Landesarbeitsgericht, daß Rechtsanwalt Dr. Peter H. von beiden Beklagten zum Abschluß der Aufhebungsvereinbarung durch Rechtsgeschäft bevollmächtigt worden ist und seinerseits von dem Verhältnis keine Kenntnis hatte, so kam es in der Tat darauf an, ob er nach bestimmten Weisungen des Beklagten zu 2) gehandelt hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Vertreter im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht ein Rechtsgeschäft abschließt, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber – wie hier die Beklagten – veranlaßt hat (so auch BGHZ 38, 65, 68; 50, 364, 368; MünchKomm-Schramm, 3. Aufl., § 166 BGB Rz 38, 40; Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 166 Rz 11; Staudinger/Schilken, BGB, 13. Aufl., § 166 Rz 26; Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 166 Rz 28).

aa) Richtig ist auch, daß sich der Umstand, daß der Beklagte zu 2) die erforderliche Kenntnis hatte, also in Bezug auf die Aufhebungsvereinbarung nicht getäuscht werden konnte, unmittelbar im Verhältnis zu ihm auswirkt, ebenso wie dies insofern erheblich ist, als seine Kenntnis als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft zuzurechnen ist. Das führt mittelbar dazu, daß auch die andere Gesellschafterin, Frau H., sich die Kenntnis des Beklagten zu

2) als Mitgesellschafter grundsätzlich zurechnen lassen muß.

bb) Zutreffend weist allerdings die Revision darauf hin, daß sich eine Gesellschaft das rechtsgeschäftliche Handeln ihres (vertretungsberechtigten) Gesellschafters nicht unter allen Umständen zurechnen lassen muß; handelt der Vertreter vorsätzlich gegen die Interessen der Gesellschaft und geschieht das unter so verdächtigen Begleitumständen, daß der Vertragspartner – hier die Klägerin – die Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis und die unlauteren Absichten des Vertreters – hier des Beklagten zu 2) – erkannte oder sie hätte erkennen müssen, so gilt die Berufung auf einen solchen Vertrag als unzulässige Rechtsausübung und genießt nicht den Schutz der Rechtsordnung (BAG Urteil vom 9. März 1978 – 3 AZR 577/76 – AP Nr. 1 zu § 126 HGB, zu I 3 der Gründe, m.w.N.; BGH Urteil vom 27. März 1985 – BGHZ 94, 132 = NJW 1985, 2409, 2410; BGH Urteil vom 19. Mai 1980 – II ZR 241/79 – WM 1980, 953, 954; siehe auch Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 177 Rz 18, 19; Schlegelberger-Karsten Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 126 Rz 21, 22, m.w.N.; Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 126 Rz 11). Wie der Senat bereits im Zulassungsbeschluß vom 13. Juni 1996 – 2 AZN 338/96 – ausgeführt hat, weicht die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens eines Gesellschafters mit einem Vertragsgegner gebe es allenfalls einen Ausgleich im Innenverhältnis der BGB-Gesellschaft, von dieser Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts ab. Der erkennende Senat schließt sich der vom 3. Senat (aaO) vertretenen Auffassung an, weil sie bei einem sog. kollusiven Zusammenwirken, also einem bewußten Zusammenwirken zwischen Gesellschafter und Vertragsgegner zum Nachteil der Gesellschaft, in Grenzfällen einer sittenwidrig vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) bzw. einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) ein notwendiges Korrektiv gestattet (vgl. zum Ganzen auch Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 10 II 2 c).

cc) Ob die Voraussetzungen eines solchen kollusiven Zusammenwirkens (vgl. dazu außerdem z.B. BGH Urteil vom 11. Dezember 1995 – II ZR 220/94 – DB 1996, 421; siehe ferner MünchKomm-Mertens, § 826 BGB Rz 127; Palandt/Thomas, aaO, § 826 Rz 52; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 826 Rz 174) vorliegend überhaupt gegeben sind, hat das Landesarbeitsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft. Hierzu fehlen jegliche Feststellungen. Dem erstinstanzlichen Vorbringen ist nur zu entnehmen, daß die Beklagten seinerzeit vorgetragen haben, ein gegebenenfalls kollusives Zusammenwirken zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) könne den Beklagten zu 1) nicht angelastet werden. Worin ein solches kollusives Zusammenwirken angeblich bestand, haben die Beklagten ausweislich der Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht vorgetragen. Entsprechendes Vorbringen könnte allenfalls in der Berufungsinstanz nachgetragen worden sein. Insofern liegen aber, wie oben ausgeführt worden ist, weder eine Bezugnahme auf das Berufungsvorbringen, noch für den Senat nach § 561 ZPO verbindliche Feststellungen vor. Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin erscheint dies äußerst zweifelhaft, weil sie sich ab November 1992 vom Beklagten abgewandt haben will, obwohl dieser die Trennung nicht habe akzeptieren wollen. Wenn es bei dieser Sachlage – mit oder ohne vollständige Kenntnis von dem Intimverhältnis – auf Seiten der Familie des Beklagten zu 2) zu einer Klärung in dem Sinne gekommen ist, daß die Klägerin aus den Arbeitsverhältnissen mit den Beklagten gegen Zahlung einer Kündigungsabfindung ausschied und damit gleichzeitig die „Gefahr” einer Fortsetzung des Intimverhältnisses mit dem Beklagten zu 2) gemindert wurde, so spricht dies eher gegen das von den Beklagten angeführte kollusive Zusammenwirken; dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn – wie die Klägerin vorträgt – die Initiative für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses von dem rechtsgeschäftlichen Vertreter der Beklagten ausging. Gegen ein kollusives Zusammenwirken der Klägerin mit dem Beklagten zu 2) spricht auch, daß dieser rechtsgeschäftliche Vertreter der Beklagten – als Rechtsanwalt – mit der Klägerin im Aufhebungsvertrag vereinbarte, die Klägerin dürfe nach dem 1. April 1993 ein neues Arbeitsverhältnis mit den Beklagten nicht ohne seine vorherige Zustimmung aufnehmen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Vereinbarung rechtlich überhaupt Bestand hat (§§ 138, 242 BGB). Einer endgültigen Würdigung dieser Umstände wie auch des zu den Aufrechnungsansprüchen vorgetragenen Sachverhalts durch das Landesarbeitsgericht kann der Senat nicht vorgreifen.

c) Eine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB dürfte dagegen nicht in Betracht kommen. Zwar ist § 138 Abs. 1 BGB neben § 123 BGB anwendbar (BGH Urteil vom 7. Juni 1988 – IX ZR 245/86 – AP Nr. 33 zu § 123 BGB; ebenso Senatsurteil vom 30. September 1993 – 2 AZR 268/93 – BAGE 74, 281 = AP Nr. 37, aaO). Da aber die arglistige Täuschung durch § 123 BGB eine rechtliche Sonderregelung erfahren hat, müßten besondere Umstände hinzukommen, um die Annahme zu rechtfertigen, die Aufhebungsvereinbarung sei nach ihrem Gesamtcharakter gemäß § 138 BGB als sittenwidrig und damit als nichtig anzusehen. Solche Umstände sind bisher nicht ersichtlich, da die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, ein langjähriges Arbeitsverhältnis im wesentlichen wohl auf Veranlassung des Arbeitgebers – noch dazu ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – aufzulösen.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Piper, Fischer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1126900

BAGE, 131

NJW 1997, 1940

NZA 1997, 485

SAE 1998, 156

ZIP 1997, 603

MDR 1997, 578

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