Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung einer Versorgungsanwartschaft - Nachversicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossener Tarifvertrag, der beim Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis eine Abfindung zugunsten des Arbeitnehmers vorsah, kann wirksam abgelöst werden durch einen Tarifvertrag, der den Arbeitgeber zur Nachversicherung nach Maßgabe des § 18 Abs 6 BetrAVG verpflichtet.

2. Verweist ein Arbeitsvertrag auf die jeweils gültigen Versorgungsvereinbarungen, handelt es sich um eine dynamische Verweisung. Anzuwenden sind die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis maßgeblichen tariflichen Bestimmungen.

3. Wollen die Parteien des Arbeitsvertrages keine dynamische Verweisung, sondern bestimmte tarifliche Versorgungsregelungen zum Inhalt des Arbeitsvertrages machen (statische Verweisung), müssen sie dies wegen weitreichenden Folgen einer solchen Verweisung (keine betriebseinheitlichen Versorgungsregelungen) eindeutig klarstellen.

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 08.01.1990; Aktenzeichen 4 Sa 114/88)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 03.08.1988; Aktenzeichen 24 Ca 173/88)

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt eine Abfindung "wegen Ausscheidens aus dem Dienst der Beklagten vor Eintritt des Versorgungsfalles".

Der am 16. Mai 1944 geborene Kläger war vom 1. April 1971 bis zum 31. Dezember 1973 in einem befristeten und vom 1. Januar 1974 bis 31. Dezember 1987 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Kündigung des Klägers. Er war bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Mitglied der DAG.

Der Arbeitsvertrag enthält unter anderem folgende Vereinbarung:

"§ 7

Der NDR gewährt Versorgungsleistungen nach Maßga-

be der jeweils gültigen tarifvertraglichen Ver-

sorgungsvereinbarungen. Die Versorgungsvereinba-

rung gilt für alle Arbeitnehmer des NDR, die in

einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und

bei ihrem letzten Eintreten in die Dienste des

NDR das 55. Lebensjahr - bei weiblichen Arbeit-

nehmern das 50. Lebensjahr - noch nicht vollendet

haben.

§ 11

(Besondere Vereinbarungen)

...

Im übrigen gelten die Bestimmungen des jeweils

vom NDR angewandten Tarifvertrages und die beim

NDR geltenden Ordnungen und Richtlinien in ihrer

jeweiligen Fassung."

Am 1. April 1974 erteilte die Beklagte dem Kläger "eine unwiderrufliche Versorgungszusage nach Maßgabe der Versorgungsvereinbarung, die in der Anlage abgedruckt ist". In der Anlage war die auch vom Bundesvorstand der DAG unterzeichnete tarifliche Versorgungsvereinbarung vom 1. November 1973 abgedruckt. Sie enthielt folgende Abfindungsregelung:

"§ 11

Abfindung beim Ausscheiden

aus dem Dienste des NDR

vor Eintritt eines Versorgungsfalles

(1) Der Berechtigte erhält bei seinem Ausschei-

den aus dem Dienste des NDR eine Abfindung.

Eine Abfindung wird nicht gewährt, wenn das

Arbeitsverhältnis infolge fristloser Kündi-

gung durch den NDR endet aus Gründen, die

der Berechtigte zu vertreten hat,

oder

der Berechtigte nach seinem Ausscheiden bei

einer anderen deutschen Rundfunkanstalt

oder ARD-Gemeinschaftseinrichtung tätig

wird und die beim NDR verbrachte Be-schäf-

tigungszeit dort auf einen Versorgungs-an-

spruch angerechnet wird.

(2) Die Höhe der Abfindung beträgt:

a)8/100 des Grundgehaltes, das der Be-

rechtigte ab Beginn des zweiten Jahres

im unbefristeten Anstellungsverhältnis

bezogen hat, sofern der Berechtigte ver-

heiratet ist oder mindestens für ein

Kind Kinderzuschlag vom NDR erhält.

b)6/100 des Grundgehaltes, das der Be-

rechtigte ab Beginn des zweiten Jahres

im unbefristeten Anstellungsverhältnis

bezogen hat, sofern die Voraussetzungen

nach a) nicht gegeben sind.

(3) Anstatt einer Abfindung bleiben dem Berech-

tigten, sofern er das 50. Lebensjahr über-

schritten und eine Beschäftigungszeit im

Sinne des § 4 Ziffer 4 von mindestens

20 Jahren hat, die Ansprüche aus dieser

Versorgungsvereinbarung - mit Ausnahme der

Bestimmung des § 6 Ziffer 1 Satz 2 - für

den Zeitpunkt des Versorgungsfalles erhal-

ten, wenn er dieses spätestens bis zum Tage

seines Ausscheidens aus den Diensten des

NDR schriftlich beantragt.

(4) Auf Antrag des Berechtigten kann der Aus-

zahlungstermin der Abfindung gemäß Ziffer 2

in das auf den Ausscheidungszeitpunkt fol-

gende Kalenderjahr verlegt werden."

Durch Tarifvertrag vom 12. März 1982 wurde § 11 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Versorgungsvereinbarung beim NDR wie folgt neu gefaßt:

"(1) Der Berechtigte erhält bei seinem Ausschei-

den aus dem Dienst des NDR eine Abfindung,

es sei denn,

a)der Anspruch auf Versorgungsleistungen ist

unverfallbar nach dem Gesetz zur Verbesse-

rung der betrieblichen Altersversorgung vom

19. Dezember 1974,

..."

Der Änderungstarifvertrag vom 29. Juli 1985 beließ es beim neugefaßten Wortlaut des § 11 Abs. 1 der Versorgungsvereinbarung und fügte lediglich mit Buchstaben c in einem weiteren Halbsatz einen zusätzlichen Ausschlußtatbestand an. Die Beklagte erläuterte den Inhalt des Änderungstarifvertrags vom 29. Juli 1985 in einem Rundschreiben, in dem unter Nr. 2.1 ausgeführt wird:

"Der Änderungstarifvertrag vom 29.07.1985 zur

Versorgungsvereinbarung vom 08.11.1973 verändert

das bewährte Versorgungssystem der betrieblichen

Altersversorgung des NDR nicht. Unverändert um-

faßt die betriebliche Altersversorgung folgende

Leistungen:

...

Abfindung bzw. Nachversicherung beim Ausscheiden

vor Erreichung der Altersgrenze (§ 11)."

Die Beklagte versicherte den Kläger gemäß § 18 Abs. 6 BetrAVG bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach und entrichtete hierfür 32.507,79 DM an Beiträgen und Umlagen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte müsse ihm den Unterschiedsbetrag zwischen der Abfindung nach § 11 der Versorgungsvereinbarung vom 1. November 1973 in Höhe von 56.801,30 DM und dem Aufwand der Beklagten für die Nachversicherung in Höhe von 32.507,79 DM, also 24.293,51 DM zahlen. Der Abfindungsanspruch beruhe auf einer einzelvertraglichen Zusage und sei durch die späteren Tarifvertragsänderungen nicht mehr beeinträchtigt worden. Ein Eingriff der Tarifvertragsparteien in die Rechte des Klägers wäre nicht wirksam gewesen. Die Klageforderung ergäbe sich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Beklagte einem im Januar 1982 ausgeschiedenen Arbeitnehmer eine Abfindung abzüglich der für die Nachversicherung aufgewandten Beiträge und Umlagen bezahlt habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

24.293,51 DM zuzüglich 5 % Zinsen seit dem

8. März 1988 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe kein Abfindungsanspruch zu, weil der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltende Tarifvertrag anzuwenden sei und gegen die zwischenzeitlichen Tarifvertragsänderungen keine rechtlichen Bedenken bestünden. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz lasse sich keine weitergehende Zahlungspflicht herleiten, zumal der Arbeitnehmer, der eine Abfindung abzüglich der Beiträge und Umlagen für die Nachversicherung erhalten habe, bereits am 11. Januar 1982 und damit vor Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages vom 12. März 1982 ausgeschieden sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht zur Zahlung der geforderten Abfindung verpflichtet.

I. Ein tariflicher Abfindungsanspruch besteht nicht.

1. Die tariflichen Regelungen sind sowohl kraft Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) als auch aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung (§ 7 Satz 1 des Arbeitsvertrages) anzuwenden. Die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.

2. Als der Kläger aus dem Dienste der Beklagten ausschied, galt nicht mehr die Versorgungsvereinbarung in der Fassung des Tarifvertrags vom 1. November 1973, sondern eine geänderte Fassung.

a) Der neugefaßte § 11 Abs. 1 der Versorgungsvereinbarung erfaßt auch die Arbeitnehmer, die bereits vor Inkrafttreten der Änderungstarifverträge vom 12. März 1982 und 29. Juli 1985 eine Versorgungszusage erhalten hatten. Soweit die Neuregelungen für Berechtigte mit älteren Versorgungszusagen nicht gelten sollten, haben dies die Tarifvertragsparteien in Besitzstands- und Übergangsregelungen ausdrücklich festgelegt (vgl. Abschnitt B des Tarifvertrags vom 1. November 1973, § 16 des Tarifvertrags vom 29. Juli 1985). Eine derartige Bestimmung haben die Tarifvertragsparteien für den neugefaßten § 11 Abs. 1 der Versorgungsvereinbarung bewußt nicht vorgesehen. Die Arbeitnehmer sollen in den Fällen des § 11 Abs. 1 Buchst. a der Versorgungsvereinbarung keine Abfindung mehr erhalten, sondern nur noch gemäß § 18 Abs. 6 BetrAVG nachversichert werden.

b) Nach § 11 Abs. 1 Buchst. a der Versorgungsordnung steht dem Berechtigten keine Abfindung zu, wenn der Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung unverfallbar ist. Dieser Ausschlußtatbestand ist gegeben. Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG erfüllt. Der Kläger war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (31. Dezember 1987) 43 Jahre alt und seine Versorgungszusage hatte 13 Jahre bestanden.

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Änderung des § 11 Abs. 1 der tariflichen Versorgungsvereinbarung für wirksam erachtet.

a) Grundsätzlich können tarifliche Ruhegeldordnungen den veränderten Gegebenheiten und tarifpolitischen Vorstellungen auch zum Nachteil der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer angepaßt werden. Für das Verhältnis zwischen einem früheren und einem späteren Tarifvertrag gilt das Ablösungsprinzip (BAG Urteil vom 1. Juni 1970 - 3 AZR 166/69 - AP Nr. 143 zu § 242 BGB Ruhegehalt; zu II 3 c der Gründe; BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstände zu II 3 der Gründe). Eine Billigkeitskontrolle findet nicht statt (BAG Urteil vom 20. August 1986 - 4 AZR 256/85 - AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben. Sie haben lediglich zu kontrollieren, ob die Grenzen der Tarifautonomie überschritten wurden (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 566/80 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Deputat). Tarifverträge sind von den Gerichten nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen zwingende Rechtssätze verstoßen (vgl. BAGE 41, 163, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstände, zu II 3 der Gründe).

b) Die Änderung des § 11 Abs. 1 der tariflichen Versorgungsvereinbarung ohne Übergangs- und Besitzstandsregelung verletzt weder das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des Klägers noch die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.

aa) Die Ausgestaltung des Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung unterliegt der Normsetzung der Tarifvertragsparteien. Sie haben bei der Inhaltsbestimmung einen weiten Gestaltungsspielraum, der im vorliegenden Fall nicht überschritten wurde.

Der Tarifvertrag, auf den sich der Kläger beruft, stammt aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes. Die im Tarifvertrag vom 1. November 1973 vorgesehene Abfindung diente zum Ausgleich dafür, daß der Arbeitnehmer mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles seine Versorgungsansprüche verlor. § 18 Abs. 6 BetrAVG schreibt nunmehr für Arbeitnehmer mit unverfallbarer Versorgungsanwartschaft im Öffentlichen Dienst vor, daß sie nachzuversichern sind. Damit ist ein nach den Wertungen des Gesetzgebers ausreichender Schutz erreicht und dem Zweck der bisherigen Abfindungsregelung Genüge getan.

bb) Bis zum Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages vom 12. März 1982 mag zwar ein Anspruch der vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer auf Abfindung abzüglich des für die vorgeschriebene Nachversicherung aufgewandten Betrags bestanden haben (vgl. BAGE 37, 198, 205 = AP Nr. 3 zu § 18 BetrAVG, zu II 2 der Gründe). Ein solcher Anspruch könnte aber nur als Ergänzung der lückenhaft gewordenen Regelung bis zu einer Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien anerkannt werden. Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien wird durch eine derartige Zwischenlösung nicht eingeschränkt. Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, daß Abfindung und Nachversicherung nebeneinander aufrechterhalten bleiben. Vielmehr mußte er damit rechnen, daß die Abfindung bei einer Anpassung des Tarifvertrags an die veränderte Rechtslage entfallen würde, weil die gesetzlich vorgeschriebene Nachversicherung den bisherigen Schutz ausscheidender Arbeitnehmer auf andere Weise erreichte.

Da der maßgebliche Änderungstarifvertrag am 12. März 1982 geschlossen wurde, hatte der zum 31. Dezember 1987 ausscheidende Kläger genügend Zeit, sich auf das neue Tarifrecht einzustellen. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers ist nicht verletzt worden. Im übrigen konnte der Kläger allenfalls darauf vertrauen, daß ihm die Abfindung in der Höhe erhalten bleibe, die er bis zum Abschluß des Änderungstarifvertrags vom 12. März 1982 erdient hatte. Dieser Betrag liegt jedoch unter dem Aufwand der Beklagten für die Nachversicherung.

II. Die Parteien haben nicht einzelvertraglich vereinbart, daß dem Kläger unabhängig von späteren Tarifvertragsänderungen die in § 11 der Versorgungsvereinbarung vom 1. November 1973 vorgesehene Abfindung zustehen solle.

a) In § 7 Satz 1 des Arbeitsvertrages vom 10./12. Dezember 1973 haben die Parteien vereinbart, daß die Versorgungsleistungen "nach Maßgabe der jeweils gültigen tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarungen gewährt" werden. Auch nach § 11 Satz 2 des Arbeitsvertrages (besondere Vereinbarungen) gelten, soweit der Arbeitsvertrag keine Regelung enthält, die Bestimmungen des "jeweils" von der Beklagten angewandten Tarifvertrags. Der Arbeitsvertrag enthält nach diesem eindeutigen Wortlaut keine statische, sondern eine dynamische Verweisung.

b) Die Versorgungszusage vom 1. April 1974 ändert daran nichts. Der Beklagte hat dem Kläger am 1. April 1974 eine schriftliche "unwiderrufliche Versorgungszusage nach Maßgabe der Versorgungsvereinbarung, die in der Anlage abgedruckt ist", erteilt.

In dieser Versorgungszusage fehlen zwar bei der Bezugnahme auf die Versorgungsvereinbarung die Worte "jeweils gültige". Daraus ergibt sich aber keine statische Verweisung. Die Versorgungszusage enthält auch nicht die Worte "derzeit gültige". Sie verweist nur ohne weiteren Zusatz auf die tarifliche Versorgungsvereinbarung. Wenn die Versorgungszusage in Abweichung vom Arbeitsvertrag keine dynamische, sondern eine statische Verweisung enthalten sollte, müßte es sich um eine Vertragsänderung handeln. Dafür liefert jedoch der Wortlaut der Versorgungszusage keine ausreichenden Anhaltspunkte. Anlaß und Zweck der Versorgungszusage sprechen vielmehr dagegen:

Die Beklagte kam mit der Aushändigung der Versorgungszusage vom 1. April 1974 lediglich ihren tariflichen Pflichten nach. Nach Rz 721 des Manteltarifvertrages vom 1. Januar 1983 hatte die Beklagte dem Kläger eine Versorgungszusage entsprechend ihrer Versorgungsvereinbarung zu geben. Nach Abschnitt A (3) des Tarifvertrages vom 1. November 1973 ist nach einjähriger Betriebszugehörigkeit im unbefristeten Arbeitsverhältnis allen Arbeitnehmern, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, eine Versorgungszusage auszuhändigen, es sei denn, daß keine Rechte auf Versorgungsleistungen mehr entstehen. Die formularmäßig erteilte Versorgungszusage hat die tariflichen und arbeitsvertraglichen Ansprüche des Klägers nicht erweitert, sondern sie nur in einem Dokument festgehalten. Eine einzelvertragliche Abkoppelung von der weiteren Tarifentwicklung und eine entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages bringen Arbeitsvertragsparteien wegen der weitreichenden Bedeutung deutlich zum Ausdruck. Sie wäre ganz ungewöhnlich, zumal eine statische Verweisung zu unterschiedlichen Versorgungsregelungen führt. Sie widerspräche damit dem Interesse des Arbeitgebers, durch einheitliche tarifliche Bestimmungen eine gleichmäßige Handhabung und einen vereinfachten Verwaltungsvollzug zu erreichen. Gerade bei der betrieblichen Altersversorgung kommt dem Streben nach Einheitlichkeit und Anpassung an veränderte Umstände besondere Bedeutung zu. Ohne besondere Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Arbeitsvertragsparteien eine "Versteinerung" der Altersversorgung anstreben.

c) Aus Nr. 2.1 des Rundschreibens der Beklagten zur Erläuterung des Änderungstarifvertrages vom 29. Juli 1985 kann der Kläger keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des in der Versorgungsvereinbarung vom 1. November 1973 vorgesehenen Abfindungsanspruchs herleiten. Das Rundschreiben enthält keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern soll lediglich die Tarifvertragsänderungen verdeutlichen. Nr. 2.1 des Rundschreibens gibt den Inhalt des geänderten Tarifvertrages auch richtig wieder. Der Änderungstarifvertrag vom 29. Juli 1985 hat das Versorgungssystem der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten nicht verändert. Die betriebliche Altersversorgung umfaßt bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis nach wie vor "Abfindung bzw. Nachversicherung". Die Abfindungsmöglichkeit wurde nicht durch Tarifvertrag vom 29. Juli 1985, sondern bereits durch Änderungstarifvertrag vom 12. März 1982 eingeschränkt. Im Tarifvertrag vom 1. November 1973 war eine Nachversicherung überhaupt nicht vorgesehen. Aus der Erwähnung der Nachversicherung in Nr. 2.1 des Rundschreibens ist zu ersehen, daß der Änderungstarifvertrag vom 29. Juli 1985 insoweit auf einer zwischenzeitlich veränderten Rechtslage aufbaut.

III. Der Kläger kann den geltend gemachten Abfindungsanspruch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Der Arbeitnehmer, dem die Beklagte eine Abfindung abzüglich des Nachversicherungsaufwandes bezahlte, war im Januar 1982, also vor Abschluß des Änderungstarifvertrags vom 12. März 1982, aus dem Dienste der Beklagten ausgeschieden. Selbst wenn die Beklagte nicht nur einem Arbeitnehmer, sondern allen Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis vor dem Abschluß des Änderungstarifvertrags beendeten, derartige Leistungen gewährte, dürfte sie den Kläger anders behandeln, weil er sein Arbeitsverhältnis erst mehr als fünf Jahre nach Inkrafttreten der Tarifvertragsänderung kündigte. Die getroffene Differenzierung war nicht sachfremd, sondern trug dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer Rechnung. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Abschluß des Änderungstarifvertrages endete, konnten sich im Gegensatz zum Kläger nicht rechtzeitig auf die neue Rechtslage einstellen.

Dr. Heither Griebeling Kremhelmer

Dr. Reinfeld Paul-Reichart

 

Fundstellen

Haufe-Index 438595

DB 1991, 1836-1837 (LT1-3)

NZA 1991, 563-565 (LT1-3)

RdA 1991, 191

AP § 18 BetrAVG (LT1-3), Nr 23

EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, Nr 6 (LT1-3)

PersV 1991, 546 (L)

VersR 1991, 1433-1435 (LT1-3)

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