Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungszeit - Feststellungsinteresse

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats:

"Beschäftigungszeit - Feststellungsklage - Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit 4. November 1965 - 2 AZR 65/65 - AP BAT § 19 Nr 1."

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des

Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 31. Juli 1997 - 6 Sa

44/97 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und

Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das

Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 2. Mai 1977 bis zum 31. August 1990, in der der Kläger als Lehrmeister für Polytechnik in der Betriebsschule des VEB K ., später: E . GmbH, angestellt war, als Beschäftigungszeit des Klägers nach § 19 BAT-O anzurechnen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beschäftigungszeiten des Klägers seit dem

2. Mai 1977 zählen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig. Ihr fehle das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil kein aktueller Anlaß für die Klärung der Dauer der Beschäftigungszeit erkennbar sei. Die Klage sei auch unbegründet. Die vor dem 1. September 1990 liegenden Zeiten seien nicht nach § 19 BAT-O als Beschäftigungszeit des Klägers anzurechnen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klage sei unzulässig. Ihr fehle das erforderliche Feststellungsinteresse. Nach § 256 Abs. 1 ZPO könne eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung habe. Nur das Rechtsverhältnis selbst, nicht seine Vorfragen oder einzelne Elemente könnten Gegenstand der Feststellungsklage sein. Auf die Klärung einer solchen Vorfrage richte sich das Begehren des Klägers. Aus der Beschäftigungszeit selbst ergäben sich für ihn unmittelbar keine Rechte. Sie sei nur ein Element arbeitsvertraglicher Ansprüche. Außerdem habe der Kläger kein Interesse an einer alsbaldigen, zeitnahen Klärung der Dauer der Beschäftigungszeit. Unstreitig sei, daß die Beschäftigungszeit für das Arbeitsverhältnis nur hinsichtlich der Jubiläumszuwendung, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und der Dauer der Kündigungsfrist Bedeutung erlangen könne. Für die Jubiläumszuwendung rechne die Beklagte die Zeit seit Mai 1977 an. Was die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall betreffe, sei der höchstmögliche Bezugszeitraum bereits nach dreijähriger Beschäftigungsdauer erreicht, so daß es auf die vor dem 1. September 1990 liegende Zeit nicht ankomme. Soweit die Beschäftigungszeit bei der Ermittlung der Kündigungsfrist Bedeutung erlangen könne, sei unstreitig, daß die Beklagte eine Kündigung zur Zeit nicht beabsichtigte. Deshalb sei dem Kläger zuzumuten, diese Frage notfalls in einem künftigen Kündigungsschutzprozeß klären zu lassen.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klage zulässig, insbesondere ist das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 19 BAT und § 19 BAT-O kann der Angestellte nach § 256 ZPO auf Feststellung klagen, daß bestimmte Vordienstzeiten als Beschäftigungszeit anzurechnen sind, wenn der Arbeitgeber - wie hier - die Dauer der Beschäftigungszeit festgesetzt hat und er die Berücksichtigung weiterer Zeiten ablehnt. Für eine solche Klage besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, weil die Beschäftigungszeit den Status oder Besitzstand des Angestellten im öffentlichen Dienst prägt und für eine große Anzahl von Ermessensentscheidungen des Arbeitgebers, wie die dienstliche Verwendung, die Heranziehung zu Vertretungen oder die Zuteilung des Arbeitsplatzes, bedeutsam ist (BAG 4. November 1965 - 2 AZR 65/65 - AP BAT § 19 Nr. 1 mit zust. Anm. v. Spiertz; 14. Dezember 1995 - 8 AZR 380/94 - AP BAT-O § 19 Nr. 2; 15. Mai 1997 - 6 AZR 40/96 - BAGE 86, 1; 11. Dezember 1997 - 6 AZR 281/96 - AP BAT-O § 1 Nr. 14).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlaß, davon abzuweichen. Daß die Beschäftigungszeit des Klägers für Ermessensentscheidungen der genannten Art durch die Beklagte ausnahmsweise keine Bedeutung haben könnte, ist nicht ersichtlich. Dadurch, daß die Beklagte die Dauer der Beschäftigungszeit des Klägers festgesetzt hat, hat sie selbst dokumentiert, daß sie diese als für die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses bedeutsam ansieht. Deshalb besteht für den Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Frage, ob weitere Zeiten als Beschäftigungszeit anzurechnen sind. Er kann nicht darauf verwiesen werden, abzuwarten, bis die Beklagte eine konkrete Maßnahme auf eine nach seiner Auffassung unzutreffende Berechnung der Beschäftigungszeit stützt (BAG 15. Mai 1997 aaO, mwN).

2. Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits ist dem Senat nicht möglich, weil das Landesarbeitsgericht die für die Dauer der Beschäftigungszeit des Klägers maßgeblichen Tatsachenfeststellungen nicht getroffen hat.

a) Nach § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das Parteivorbringen in Schriftsätzen und Anlagen, auf die im Berufungsurteil Bezug genommen ist sowie Parteivorbringen, das in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wiedergegeben ist (vgl. BAG vom 14. Juni 1967 - 4 AZR 282/66 - BAGE 19, 342; BGH 17. Januar 1985 - VII ZR 257/83 - LM ZPO § 543 Nr. 7; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 75 Rn. 15). Die Berücksichtigung weiteren Parteivorbringens ist in der Revisionsinstanz - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - ausgeschlossen.

b) Die für die Dauer der Beschäftigungszeit des Klägers im Sinne des § 19 BAT-O maßgebenden Tatsachen sind weder dem Tatbestand noch den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils noch dem Sitzungsprotokoll über die Berufungsverhandlung vom 31. Juli 1997 zu entnehmen. Das Landesarbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung auch nicht auf die Schriftsätze der Parteien oder den sonstigen Akteninhalt nach § 543 Abs. 2 ZPO Bezug genommen, sondern nur den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien wiedergegeben und ausdrücklich von der weiteren Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. Die erforderlichen Tatsachenfeststellungen müssen daher vom Landesarbeitsgericht nachgeholt werden. Der Rechtsstreit war deshalb zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.

Dr. Peifer

Dr. ArmbGräfl Reimann

Gebert

 

Fundstellen

Haufe-Index 610998

ZTR 2000, 267

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