Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Sonderzuwendung - dauernde Arbeitsunfähigkeit während des Bezugszeitraums

 

Orientierungssatz

§ 15 des Manteltarifvertrages Staatsgüter der DDR vom 30.8.1990 sieht keine Kürzung des 13. monatlichen Arbeitsentgelts für Zeiten von Krankheit vor.

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung vom 28.10.1993; Aktenzeichen 1 Sa 686/92)

ArbG Rostock (Entscheidung vom 14.10.1992; Aktenzeichen 7 Ca 101/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Sonderzuwendung (13. monatliches Arbeitsentgelt) für das Jahr 1991.

Der Kläger ist seit dem 1. März 1957 bei der Beklagten beschäftigt; er ist Leiter des Trockenwerks. Der Kläger war zumindest die letzten 12 Monate vor November 1991 krankheitsbedingt arbeitsunfähig.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung sowie einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag vom 30. August 1990 zwischen dem Verband der Staatsgüter der DDR e.V. und der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft Anwendung (im folgenden: MTV Staatsgüter).

§ 15 des MTV Staatsgüter regelt den Anspruch auf die tarifliche Sonderzuwendung (13. monatliches Arbeitsentgelt) wie folgt:

"Sonderzuwendungen

1. Anspruchsberechtigte

a) Arbeitnehmer und Auszubildende, die jeweils

am Auszahlungstag im Unternehmen ununter-

brochen 12 Monate beschäftigt sind, haben

in jedem Kalenderjahr Anspruch auf ein 13.

monatliches Arbeitsentgelt.

Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krank-

heit oder Unfall, Urlaub sowie Freistellun-

gen gelten nicht als Unterbrechung der Be-

schäftigung im Sinne dieser Bestimmungen.

b) Arbeitnehmer und Auszubildende, deren Ar-

beitsrechtsverhältnis am Auszahlungstag we-

niger als 12 Monate besteht, haben für

jeden Monat, in dem sie voll beschäftigt

waren, einen anteiligen Anspruch auf 1/12

der Sonderzuwendung.

c) Kampagneaushilfskräfte erhalten für je

vollgearbeitete 15 Arbeitstage 1/24 der

Sonderzuwendung, sofern sie ihren Arbeits-

vertrag erfüllt haben.

d) Teilzeitbeschäftigte erhalten unter den

Voraussetzungen der Ziffern a), b) und c)

die Sonderzuwendung anteilig entsprechend

den tatsächlich im Rahmen der regelmäßigen

tariflichen Arbeitszeit geleisteten Ar-

beitsstunden.

e) Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag wegen

Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Er-

reichens der Altersgrenze oder wegen Inan-

spruchnahme des vorgezogenen Altersruhegel-

des am Auszahlungstag noch besteht, jedoch

nach diesem endet, erhalten die volle Son-

derzuwendung.

f) Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag wegen

Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Er-

reichens der Altersgrenze oder wegen Inan-

spruchnahme des vorgezogenen Altersruhegel-

des vor dem jeweiligen Auszahlungstag been-

det wurde, haben für jeden vollen Beschäf-

tigungsmonat einen anteiligen Anspruch auf

1/12 der Sonderzuwendung.

2. Als Auszahlungstag gilt der Tag der Auszahlung

des Arbeitsentgeltes für den Monat November.

Der Auszahlungstag für 1990 kann durch eine

Betriebsvereinbarung abweichend geregelt wer-

den.

3. Berechnungsgrundlage

Die Sonderzuwendung beträgt 100 % des durch-

schnittlichen Monatsbruttolohnes der letzten

12 Monate.

4. Bei der Berechnung der Sonderzuwendungen zum

Auszahlungstag 1990 sind im Jahre 1990 bereits

erfolgte Zahlungen, die diesen Sonderzuwendun-

gen entsprechen, zu verrechnen."

Der Kläger hat für das Jahr 1991 das tarifliche 13. monatliche Arbeitsentgelt nicht erhalten; er macht diesen Anspruch mit der Klage geltend. Er hat unstreitig in dem Zeitraum von 12 Monaten vor der Fälligkeit der Sonderzuwendung im November 1991 von der Beklagten aufgrund seiner langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit kein Gehalt bezogen. Das Monatsgehalt des Klägers hätte 2.048,84 DM brutto betragen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Anspruch auf die tarifliche Sonderzuwendung hänge nicht davon ab, daß er im Bezugszeitraum gearbeitet habe. Für die Berechnung des Anspruchs komme es auch nicht darauf an, daß er tatsächlich ein Gehalt bezogen habe. Nach der tariflichen Regelung sei für die Berechnung des Anspruchs der Lohn anzusetzen, den er erhalten hätte, wenn er nicht krank gewesen wäre. Hierfür spreche § 15 Ziffer 1 Buchst. a) 2. Absatz, wonach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht als Unterbrechung der Beschäftigung anzusehen seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.048,84 DM

brutto zuzüglich 4 % Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, der Kläger habe zwar grundsätzlich nach § 15 Ziffer 1 Buchst. a) des MTV Staatsgüter einen Anspruch auf die Sonderzuwendung; nach Ziffer 3 des § 15 errechne sich der Anspruch jedoch auf 0,-- DM, da der Kläger in den letzten 12 Monaten nicht gearbeitet und somit auch keinen Monatsbruttolohn bezogen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb beim Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf das tarifliche 13. monatliche Arbeitsentgelt in der geltend gemachten Höhe zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger erfülle zwar die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung der Sonderzuwendung nach § 15 Ziffer 1 Buchst. a) des MTV Staatsgüter, die Anwendung der in § 15 Ziffer 3 vorgesehenen Berechnungsgrundlage führe jedoch dazu, daß der Kläger eine tarifliche Sonderzuwendung nicht verlangen könne. Da sich nach dieser Berechnungsvorschrift die Sonderzuwendung nach der Höhe des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts richte, wobei die letzten 12 Monate vor der Fälligkeit der tariflichen Sonderzuwendung zugrunde zu legen seien, ergebe sich kein Anspruch des Klägers, weil er in diesem Zeitraum aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt erhalten habe. Aus der Bestimmung, daß Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht als Unterbrechung der Beschäftigung gelten, folge keine andere Berechnungsweise der tariflichen Sonderzuwendung.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, insbesondere zur Auslegung der Tarifvorschrift in § 15 Ziffer 3 des MTV Staatsgüter, vermag der Senat nicht zu folgen.

II. Dem Kläger steht für das Jahr 1991 die tarifliche Sonderzuwendung (13. monatliches Arbeitsentgelt) in der von ihm errechneten und zwischen den Parteien unstreitigen Höhe von 2.048,84 DM brutto zu.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht zunächst angenommen, daß der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die tarifliche Sonderzuwendung erfüllt, da er im Unternehmen der Beklagten ununterbrochen mindestens 12 Monate beschäftigt war. Ohne Bedeutung ist dabei, daß der Kläger bereits längere Zeit arbeitsunfähig ist; nach § 15 Ziffer 1 Buchst. a) 2. Absatz des MTV Staatsgüter sind Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht als Unterbrechung der Beschäftigung anzusehen.

Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß er im Bezugszeitraum durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Nach der Regelung in § 15 des MTV Staatsgüter ist es nicht erforderlich, daß der Kläger im Bezugszeitraum überhaupt oder in nennenswertem Umfang gearbeitet hat. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung annimmt, ist das Erfordernis einer tatsächlichen Arbeitsleistung nur dann der Zahlung einer tariflichen Sonderzuwendung zugrunde zu legen, wenn die Tarifvertragsparteien dies ausdrücklich geregelt bzw. ausdrücklich bestimmt haben, für welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung der Anspruch auf die tarifliche Sonderzuwendung gemindert oder ausgeschlossen werden soll. Haben die Tarifvertragsparteien eine solche Regelung nicht getroffen, kann nicht davon ausgegangen werden, daß Voraussetzung für den Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung auf jeden Fall eine nicht ganz unerhebliche tatsächliche Arbeitsleistung im Bezugszeitraum ist (BAGE 71, 78 = AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation; von da an ständige Rechtsprechung des Zehnten Senats, vgl. insbesondere Urteil vom 16. März 1994 - 10 AZR 669/92 - AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

Da § 15 des MTV Staatsgüter eine Kürzung des 13. monatlichen Arbeitsentgelts für Zeiten der Krankheit nicht vorsieht, ist es für den Anspruch auf die tarifliche Sonderzuwendung dem Grunde nach unerheblich, daß der Kläger während der letzten 12 Monate vor Auszahlung der tariflichen Sonderzuwendung 1991 wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet hat.

2. Dem Landesarbeitsgericht kann jedoch nicht zugestimmt werden, soweit es für die Berechnung des Anspruchs des Klägers davon ausgegangen ist, daß es auf einen tatsächlich erzielten Durchschnittslohn der letzten 12 Monate ankommt und mangels eines tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts sich ein Anspruch auf das 13. monatliche Arbeitsentgelt nicht errechnet.

a) Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend von der Rechtsprechung des Senats ausgegangen, daß die Tarifvertragsparteien bei der Regelung einer tariflichen Sonderzuwendung zur Berechnung dieser Zahlung auf den tatsächlichen Verdienst im Bezugszeitraum abstellen und hierdurch auch den Fall abschließend regeln können, wie sich Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung auf die tarifliche Sonderzahlung auswirken (BAG Urteil vom 5. August 1992 - 10 AZR 171/91 - AP Nr. 144 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 24. März 1993 - 10 AZR 487/92 - AP Nr. 155 zu § 611 BGB Gratifikation). Liegt eine Regelung vor, wonach sich eine tarifliche Sonderzuwendung nach einem tatsächlich erzielten durchschnittlichen Monatseinkommen des Arbeitnehmers im laufenden Kalenderjahr oder Bezugszeitraum oder aus dem tatsächlichen Arbeitsverdienst errechnet, so folgt daraus, daß Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung den monatlichen Durchschnittsverdienst mindern und Arbeitnehmer, die während des gesamten zugrunde zu legenden Berechnungszeitraums arbeitsunfähig krank waren und für diese Zeiten keine Lohnfortzahlung erhalten haben, keine tarifliche Sonderzuwendung bekommen; da der Arbeitnehmer in diesem Fall kein Arbeitsentgelt erzielt hat, würde sich ein Betrag der tariflichen Sonderzuwendung von 0,-- DM errechnen (BAG Urteil vom 17. Dezember 1992 - 10 AZR 427/91 - AP Nr. 148 zu § 611 BGB Gratifikation).

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben, weil der MTV Staatsgüter in der Berechnungsvorschrift der Ziffer 3 des § 15 lediglich auf den durchschnittlichen Monatsbruttolohn und nicht auf den tatsächlich erzielten durchschnittlichen Monatsbruttolohn abstellt. Aus dieser tariflichen Vorschrift folgt im Wege der Auslegung entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, daß das durchschnittliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers im "Normal"-Fall, also wenn er nicht arbeitsunfähig erkrankt ist, der Berechnung der tariflichen Sonderzuwendung zugrunde zu legen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen; zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den Tarifvorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223 ff. = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 a der Gründe). Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG Urteil vom 23. September 1992 - 4 AZR 66/92 - AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel).

Nach diesen Grundsätzen ergibt sich, daß die Berechnungsvorschrift in § 15 Ziffer 3 des MTV Staatsgüter nicht auf einen tatsächlich verdienten durchschnittlichen Monatsbruttolohn abstellt.

aa) Dieses Ergebnis folgt allerdings nicht schon aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung. Danach ist lediglich der durchschnittliche Monatsbruttolohn angesprochen. Ob es um einen tatsächlich verdienten durchschnittlichen Monatsbruttolohn oder um einen fiktiven durchschnittlichen Monatsbruttolohn geht, ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen.

bb) Aus Sinn und Zweck der Zuwendungsregelung und dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt jedoch, daß die Tarifvertragsparteien in § 15 Ziffer 3 MTV Staatsgüter den fiktiven durchschnittlichen Monatslohn der Berechnung der Sonderzuwendung zugrunde gelegt haben.

Dies zeigen insbesondere die Regelungen über die Sonderzuwendung für solche Arbeitnehmer und Auszubildende, die im Laufe des Bezugszeitraums in das Arbeitsverhältnis eingetreten sind (§ 15 Ziffer 1 Buchst. b) MTV Staatsgüter) und für die sog. Kampagne-Aushilfskräfte (§ 15 Ziffer 1 Buchst. c) MTV Staatsgüter). Wenn für diese Arbeitnehmer das tarifliche 13. Arbeitsentgelt gekürzt bzw. anteilig ausgezahlt wird, kann der Berechnung nicht das in den letzten 12 Monaten tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden, weil sich sonst eine doppelte Kürzung der Sonderzuwendung ergäbe. Würde bei der Berechnung der Sonderzuwendung nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 12 Monate bereits berücksichtigt, daß der Arbeitnehmer beispielsweise nur sieben Monate beschäftigt war, so würde bei Zugrundelegung des tatsächlichen Verdienstes der letzten 12 Monate die Sonderzuwendung lediglich 7/12 des Monatsverdienstes betragen. Nach § 15 Ziffer 1 Buchst. b) MTV Staatsgüter erhielte der Arbeitnehmer von dieser Sonderzuwendung - dann zum zweiten Mal gekürzt - lediglich entsprechend der Dauer seiner Beschäftigung 7/12.

Auch aus der Regelung über die Sonderzuwendung für Teilzeitkräfte in § 15 Ziffer 1 Buchst. d) MTV Staatsgüter folgt, daß die Tarifvertragsparteien das fiktive durchschnittliche Monatsentgelt der Berechnung zugrunde gelegt haben und nicht einen tatsächlich erzielten durchschnittlichen Monatsbruttolohn. Hier stellen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich auf die tatsächlich gearbeiteten Stunden ab. Allein daraus folgt schon, daß das tarifliche 13. monatliche Arbeitsentgelt entsprechend den tatsächlich gearbeiteten Stunden anteilig gekürzt wird. Daneben würde es keinen Sinn machen, wenn nach § 15 Ziffer 3 MTV Staatsgüter bei der Berechnung der Sonderzuwendung auf den - entsprechend der Teilzeitbeschäftigung schon anteilig gekürzten - Bruttolohn abgestellt würde. Eine praktisch bedeutungslose Regelung ist aber im Zweifel von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt (BAG Urteil vom 25. Oktober 1994 - 3 AZR 149/94 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Auch den Regelungen in § 15 Ziffer 1 Buchst. e) und f) MTV Staatsgüter über die Sonderzuwendung für Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ... oder wegen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes endet, ist nur sinnvoll, wenn bei der Berechnung der Sonderzuwendung auf den fiktiven durchschnittlichen Monatsbruttolohn abgestellt wird. Anderenfalls würde sich in all denjenigen Fällen, in denen vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit lange Zeiten der Arbeitsunfähigkeit liegen, keine tarifliche Sonderzuwendung ergeben; dafür, daß die Tarifvertragsparteien dies gewollt haben, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Auch andere Regelungen im MTV Staatsgüter stützen dieses Ergebnis. Wenn in § 14 Ziffer 3 MTV Staatsgüter als Berechnungsgrundlage für das nach dieser Vorschrift zu zahlende Sterbegeld auf das durchschnittliche Monatsbruttolohnentgelt der letzten drei Monate abgestellt wird, so kann auch das nur bedeuten, daß von dem fiktiven durchschnittlichen Monatsbruttolohnentgelt der letzten drei Monate auszugehen ist. Anderenfalls wäre in all denjenigen Fällen kein Sterbegeld zu zahlen, in denen der Arbeitnehmer vor seinem Ableben, sei es aufgrund Krankheit oder anderer Umstände, keinen Monatslohn erzielt hat.

Andererseits haben die Tarifvertragsparteien in § 13 Ziffer 9 MTV Staatsgüter für die Berechnung der Urlaubsvergütung durch die Bezugnahme auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen auf den tatsächlich erzielten durchschnittlichen Arbeitsverdienst (§ 11 Abs. 1 BUrlG) abgestellt.

Das Auslegungsergebnis wird bestätigt durch den in § 15 Ziffer 1 Buchst. a) 2. Abs. MTV Staatsgüter zum Ausdruck kommenden Willen der Tarifvertragsparteien, daß Zeiten der Arbeitsunfähigkeit u.a. wegen Krankheit nicht anspruchsmindernd oder -ausschließend wirken sollen.

cc) Eine Regelung, wonach zur Berechnung einer tariflichen Sonderzuwendung der fiktive durchschnittliche Monatsbruttolohn heranzuziehen ist, ist auch nicht unvernünftig oder praktisch unbrauchbar. Dementsprechend gibt es tarifliche Regelungen, die für die Berechnung tariflicher Sonderzahlungen von dem Tariflohn, unabhängig von dem tatsächlich gezahlten Lohn, ausgehen.

Dem steht nicht entgegen, daß die Tarifvertragsparteien in § 15 Ziffer 3 MTV Staatsgüter auf den durchschnittlichen Monatsbruttolohn abgestellt haben. Allein aus der Verwendung des Wortes "durchschnittlich" kann nicht entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien damit den tatsächlich erzielten Monatsbruttolohn in den letzten 12 Monaten gemeint haben. Auch wenn man einen fiktiven Monatsbruttolohn zugrunde legt, ist die Beifügung des Wortes "durchschnittlich" in denjenigen Fällen sinnvoll, in denen sich im Laufe der letzten 12 Monate Änderungen des vertraglichen Monatsbruttolohnes ergeben.

Ist damit für die Berechnung des tariflichen 13. monatlichen Arbeitsentgelts auf den fiktiven durchschnittlichen Monatsbruttolohn des Klägers abzustellen, so kann es dahingestellt bleiben, ob auf die letzten 12 Monate vor der Fälligkeit der tariflichen Sonderzuwendung oder auf die letzten 12 abgerechneten Monate abzustellen ist.

Steht somit dem Kläger die geltend gemachte tarifliche Sonderzuwendung zu, hat seine Revision Erfolg.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Matthes Hauck Böck

Gnade Thiel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI436634

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