Entscheidungsstichwort (Thema)

Fernauslösung bei täglicher Heimfahrt

 

Leitsatz (amtlich)

Nach dem Bundesmontagetarifvertrag der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie ist Fernauslösung auch bei – an sich unzumutbarer – täglicher Heimfahrt auch für die arbeitsfreien Tage zu zahlen.

 

Normenkette

TVG § 1 Auslösung, § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie vom 30. April 1980

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 07.03.1989; Aktenzeichen 12 Sa 1679/88)

ArbG Oberhausen (Urteil vom 26.10.1988; Aktenzeichen 4 Ca 1367/88)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. März 1989 – 12 Sa 1679/88 – und des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 26. Oktober 1988 – 4 Ca 1367/88 – aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 818,55 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 26. August 1988 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten als Montagearbeiter beschäftigt. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden der Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen an.

Der Kläger war in den Monaten März bis Mai 1988 für die Dauer von insgesamt 66 Kalendertagen auf etwa 80 km vom Betriebssitz und Wohnort entfernten Baustellen eingesetzt. Die tägliche Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Betriebssitz oder Wohnung überstieg 3 1/2 Stunden. Der Kläger fuhr an jedem Arbeitstag mit seinem Personenkraftwagen von seiner Wohnung zu dem auswärtigen Einsatzort. Die Beklagte zahlte an den Kläger eine arbeitstägliche Auslösung in Höhe von DM 53,50, lehnte aber die Zahlung einer Auslösung für arbeitsfreie Tage ab.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Auslösung für die arbeitsfreien Tage im März 1988 (27. März), April 1988 (9., 10., 16., 17., 23., 24. und 30. April) und Mai 1988 (1., 7., 8., 12., 14., 15., 28. und 29. Mai). Diesen Anspruch hat er mit Schreiben vom 5. Juli 1988 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen, für die Dauer seines Einsatzes auf auswärtigen Baustellen, bei denen die tägliche Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln 3 1/2 Stunden übersteige, stehe ihm nach den tariflichen Bestimmungen für jeden Kalendertag, auch wenn er arbeitsfrei sei, Fernauslösung zu. Denn der Anspruch auf Fernauslösung setze allein voraus, daß der Zeitaufwand für Hin- und Rückweg vom Betriebssitz oder seiner Wohnung zum jeweiligen Einsatzort bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel 3 1/2 Stunden übersteige. Wo er sich verpflege oder übernachte, sei nach den tariflichen Bestimmungen unerheblich. Deshalb stehe dem Anspruch auf Fernauslösung auch nicht entgegen, daß er an jedem Arbeitstag nach Beendigung seiner Arbeit zu seiner Wohnung zurückgekehrt sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 818,55 brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (30. August 1988) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Auslösung sei nach den tariflichen Bestimmungen eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort. Da dem Kläger an den arbeitsfreien Tagen aber keine Mehraufwendungen entstanden seien und er sich auch nicht am Montageort aufgehalten habe, stehe ihm für diese Tage keine Fernauslösung zu. Der auswärtige Arbeitseinsatz des Klägers in den Monaten März bis Mai 1988 erfülle auch nicht den tariflichen Begriff der Fernmontage, da danach ein auswärtiges Übernachten des Montagearbeiters erforderlich sei. Die Auslösung als Pauschalerstattung enthalte daher auch einen 30 %igen Anteil für Übernachtungskosten. Die Entscheidung des Klägers zur täglichen Hin- und Rückfahrt von seiner Wohnung zum Montageort zeige ferner, daß er die tägliche Heimkehr als für sich zumutbar halte. Damit verliere die Fernmontage ihre Charakter als solche. Durch diese Entscheidung des Klägers seien der Beklagten auch noch zusätzliche Kosten entstanden. Die Fernauslösung sei an sich drei Monate steuerfrei. Weil der Kläger jedoch nicht am Montageort gewohnt habe, sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Fernauslösung vom ersten Tag an zu versteuern. Ferner seien dadurch zusätzliche Beiträge für die Sozialversicherung angefallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger den Klageantrag auf DM 818,55 nebst 4 % Zinsen seit 26. August 1988 erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag mit der Maßgabe weiter, daß er Zinsen nur noch aus dem Nettobetrag begehrt. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Verurteilung der Beklagten nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von DM 818,55 brutto nebst 4 % Zinsen seit 26. August 1988 verlangen. Denn ihm steht für die von ihm geltend gemachten arbeitsfreien Tage im März, April und Mai 1988 Fernauslösung zu. Es kommt nach den tariflichen Bestimmungen nicht darauf an, daß er sich an diesen Tagen in seiner Heimatwohnung aufhielt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Bundestarifvertrag vom 30. April 1980 für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie einschließlich des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaues (BMTV) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für den Anspruch des Klägers auf Fernauslösung auch an arbeitsfreien Tagen sind danach folgende Bestimmungen des BMTV heranzuziehen:

§ 6

Fernmontage

  • Begriff

    Fernmontage ist eine Montage, die ein auswärtiges Übernachten des Montagestammarbeiters erfordert, weil ihm die tägliche Rückkehr entweder an den Sitz des entsendenden Betriebes oder zu seiner Wohnung (1) nicht zumutbar ist.

    • Die tägliche Rückkehr ist zumutbar, wenn der Zeitaufwand außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für Hin- und Rückweg 3 1/2 Stunden nicht übersteigt. Übersteigt der Zeitaufwand 3 1/2 Stunden, sind die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden.
    • Für die Benutzer (2) von werksseitig gestellten oder privaten Fahrzeugen ist die tägliche Rückkehr zumutbar, wenn die kürzeste Entfernung in Straßenkilometern zwischen Ausgangspunkt und Montagestelle 65 km nicht übersteigt und diese Entfernung jeweils für Hin- und Rückweg außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit zurückgelegt wird. Übersteigt die Entfernung 65 km, sind die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden.
  • Fernauslösung

    • Die Auslösung ist eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort (12).
    • Soweit und solange Auslösungen zu versteuern sind, werden sie nach Maßgabe der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen wie Arbeitsentgelt behandelt.
  • Unterkunft und Übernachtungskosten

    Bei Stellung freier angemessener Unterkunft (14) oder dieser gleichzusetzenden Übernahme von Übernachtungskosten nach tatsächlichem Anfall beträgt die Auslösung 70 % des jeweiligen Auslösungssatzes (15).

    Wird angemessene freie Unterkunft gewährt, so vermindern sich die Auslösungssätze um den hierfür aufgewendeten Betrag, höchstens jedoch um 30 % (16).

  • Heimfahrten

    • Verheiratete Montagestammarbeiter haben jeweils nach einer vierwöchigen, ledige Montagestammarbeiter nach einer neunwöchigen ununterbrochenen Beschäftigung am Montageort oder an Montageorten Anspruch auf eine Heimfahrt, sofern der Montageort mindestens 150 km von dem inländischen Wohnort (21) des Montagestammarbeiters entfernt liegt. Den verheirateten sind gleichgestellt verwitwete und geschiedene Montagestammarbeiter, wenn minderjährige Kinder gemeinsam mit ihnen im Haushalt leben.
    • Anmerkung 12:

      Die Fernauslösung ist nicht nur für jeden Arbeitstag zu zahlen, sondern auch für Tage, an denen sich der Montagestammarbeiter im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit auf außerbetrieblichen Arbeitsstellen am Montageort aufhalten muß.

      Sofern ein Montagestammarbeiter an arbeitsfreien Tagen oder einzelnen Arbeitstagen nach Schichtschluß aus persönlichen Gründen von der Montagestelle bzw. dem Ort seiner Montagewohnung abwesend ist, geht der Anspruch auf Fernauslösung nicht verloren.

Nach dem für die Tarifauslegung in erster Linie maßgebenden Tarifwortlaut und tariflichen Gesamtzusammenhang (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) kommt danach ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Fernauslösung nur in Betracht, wenn er bei einer Fernmontage eingesetzt wird. Denn die Bestimmungen über die Fernauslösung (§ 6.4 BMTV) sind ein Unterabschnitt des Abschnitts Fernmontage (§ 6 BMTV). Fernmontage ist nach der Begriffsbestimmung des § 6.1 BMTV eine Montage, die ein auswärtiges Übernachten des Montagestammarbeiters erfordert, weil ihm die tägliche Rückkehr entweder an den Sitz des entsendenden Betriebes oder zu seiner Wohnung nicht zumutbar ist. Diese Begriffsbestimmung haben die Tarifvertragsparteien in § 6.1.1 und § 6.1.2 näher erläutert, so daß sich aus diesen Vorschriften unmittelbar ergibt, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden sind. Wenn danach der Zeitaufwand außerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel für Hin- und Rückweg 3 1/2 Stunden übersteigt, sind die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden (§ 6.1.1 BMTV). Unstreitig übersteigt diese Hin- und Rückfahrt des Klägers 3 1/2 Stunden. Dies allein genügt, um zur Anwendung der Bestimmungen über die Fernmontage zu kommen. Irgendwelche Zumutbarkeitserwägungen sind nicht mehr anzustellen. Der Tarifvertrag geht zwar zunächst von der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Betriebssitz oder zur Wohnung aus. Die konkretisierende Erläuterung stellt aber allein auf den Zeitaufwand bei Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ab. Damit haben die Tarifvertragsparteien eine konkrete, leicht nachvollziehbare Regelung getroffen, die von subjektiven Erwägungen und besonderen Umständen des Einzelfalles unabhängig ist. Dies entspricht dem Grundsatz der Senatsrechtsprechung, daß bei zweifelhafter Tarifauslegung einer zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung der Vorzug zu geben ist (vgl. BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Nach der eindeutigen tariflichen Regelung kommt es danach nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer tatsächlich täglich zu seiner Wohnung zurückkehrt oder nicht, wo er übernachtet oder welche Aufwendungen er für die Übernachtung aufzubringen hat. Auch für Billigkeitserwägungen ist insoweit kein Raum.

Auch wenn der Kläger als Benutzer eines privaten Fahrzeuges im Sinne von § 6.1.2 BMTV anzusehen wäre, was nach der Anmerkung 2b) eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber voraussetzte, sind die Bestimmungen über die Fernmontage anzuwenden, weil die Entfernung zwischen Montagestelle und Betriebssitz oder Wohnung des Klägers 65 km überstieg. Unstreitig waren die Montagestellen etwa 80 km vom Betriebssitz und Wohnort des Klägers entfernt. Auch insoweit ist die Regelung des § 6.1.2 BMTV eindeutig. Die Anwendung der Bestimmungen für die Fernmontage hängt hier allein davon ab, daß die Entfernung zwischen Montagestelle und Betriebssitz oder Wohnung 65 km übersteigt. Auch für diese Bestimmung kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer täglich zu seiner Wohnung zurückkehrt, wo er übernachtet und welche zusätzlichen Übernachtungskosten für ihn anfallen.

Sind danach die Bestimmungen für die Fernmontage für den Kläger heranzuziehen, steht ihm Fernauslösung gemäß § 6.4 BMTV zu. Die Tarifvertragsparteien fingieren insoweit, daß bei Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr zur Wohnung unabhängig von den tatsächlichen Kosten Mehraufwendungen für den Arbeitnehmer entstehen, die durch die Fernauslösung pauschal erstattet werden sollen (vgl. auch BAGE 43, 87, 93 = AP Nr. 12 zu § 2 LohnFG). Wenn hierbei im Einzelfall Fernauslösung zu zahlen ist, ohne daß entsprechende Mehraufwendungen entstanden sind, haben die Tarifvertragsparteien dies bewußt in Kauf genommen. Denn sie haben in § 6.4.3 BMTV in Betracht gezogen, daß Auslösungen ggf. nach steuerrechtlichen Vorschriften zu versteuern sind; dann ist gemäß der tariflichen Bestimmung die Auslösung wie Arbeitsentgelt zu behandeln und damit nicht als Erstattung von Mehraufwendungen.

Dem Kläger steht Fernauslösung nicht nur für jeden Arbeitstag zu, die die Beklagte insoweit auch gezahlt hat, sondern darüber hinaus grundsätzlich auch für die arbeitsfreien Tage, gleichgültig, wo der Kläger diese verbracht hat. Nach § 6.4.1 BMTV ist die Auslösung zwar eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort, so daß aus dieser Bestimmung allein gefolgert werden könnte, wenn dem Kläger an arbeitsfreien Tagen außerhalb der Reisetage keine Mehraufwendungen entstanden sind, weil er einerseits am Montageort keine Wohnung gemietet hatte und andererseits sich in der Wohnung seines Heimatortes aufhielt, könne er keine Auslösung beanspruchen. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch die Vorschrift des § 6.4.1 BMTV durch die Anmerkung 12, die Bestandteil des BMTV ist (§ 11.2 BMTV), näher erläutert. Danach geht der Anspruch auf Fernauslösung nicht verloren, sofern ein Montagestammarbeiter an arbeitsfreien Tagen aus persönlichen Gründen von der Montagestelle bzw. dem Ort seiner Montagewohnung abwesend ist. Damit haben die Tarifvertragsparteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß trotz des Charakters der Auslösung als einer Pauschalerstattung für Mehraufwendungen der Anspruch auf Fernauslösung an arbeitsfreien Tagen bestehen bleibt, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen von der Montagestelle bzw. dem Ort seiner Montagewohnung abwesend ist. Der Hinweis auf “Montagestelle” bzw. “Ort seiner Montagewohnung” zeigt, daß die Tarifvertragsparteien nicht zwingend davon ausgehen, der Arbeitnehmer müsse Inhaber einer Montagewohnung sein. Wenn die Abwesenheit aus persönlichen Gründen an arbeitsfreien Tagen den Anspruch auf Fernauslösung nicht beeinträchtigt, ist es danach unerheblich, wo sich der Arbeitnehmer an arbeitsfreien Tagen aufhält und welche persönlichen Gründe hierfür für ihn maßgebend sind. Damit schließt auch der Aufenthalt in seiner Heimatwohnung an arbeitsfreien Tagen den Anspruch auf Fernauslösung nicht aus. Auch dies sehen die Tarifvertragsparteien durch die Verknüpfung der Regelung des § 6.4.1 BMTV mit der Anmerkung 12 als eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen am Montageort an.

Soweit die Tarifvertragsparteien in § 6 BMTV für die Fernauslösung bei Arbeitsunfähigkeit, Familienheimfahrten und Urlaub besondere Regelungen getroffen haben, können daraus keine Rückschlüsse für den Anspruch auf Fernauslösung an arbeitsfreien Tagen, die der Arbeitnehmer in seinem Heimatort verbringt, gezogen werden. Denn die Anmerkung 12 stellt in umfassender Weise auf die Abwesenheit von der Montagestelle an arbeitsfreien Tagen aus persönlichen Gründen ab. Damit wird gerade auch die Anwesenheit des Arbeitnehmers im Heimatort an arbeitsfreien Tagen erfaßt. Die Sonderregelungen für Arbeitsunfähigkeit, Urlaub und Familienheimfahrten bleiben auf diese Ausnahmetatbestände beschränkt. Für den Aufenthalt in der Heimatwohnung an arbeitsfreien Tagen haben die Tarifvertragsparteien keine besondere Regelung getroffen, obwohl ihnen diese Frage nicht verborgen geblieben sein kann und sie in anderen Tarifverträgen, z.B. im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe, angesprochen ist.

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, daß der Kläger damit besser stehe als Montagestammarbeiter bei Familienheimfahrten. Denn bei Familienheimfahrten wird den Montagestammarbeitern Fahrgeld und zusätzliche Freizeit gewährt, was der Kläger nicht erhielt.

Unzutreffend ist die Auffassung der Beklagten, daß die Auslösung einen 30 %igen Anteil für Übernachtungskosten enthalte. Nach § 6.5 BMTV wird vielmehr die Auslösung um bis zu 30 % gekürzt, wenn der Arbeitgeber freie Unterkunft gewährt oder stellt Damit kommt aber nicht zum Ausdruck, daß die Auslösung stets einen 30 %igen Anteil für Übernachtungskosten enthält, vielmehr wird hier die Auslösung deshalb gekürzt, weil der Arbeitgeber durch die Stellung oder Gewährung freier Unterkunft zusätzliche Kosten aufwendet. Demgemäß vermindern sich die Auslösungssätze um den vom Arbeitgeber “hierfür aufgewendeten Betrag” (§ 6.5 BMTV).

Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten, infolge der täglichen Rückkehr des Klägers in seine Wohnung entständen der Beklagten zusätzliche Kosten, weil sie die Auslösung vom ersten Tag an voll versteuern und zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge abführen müsse, dies führe sogar zu einer ungerechtfertigten arbeitsrechtlichen Besserstellung des Klägers bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder des Urlaubsentgelts, daher sei auch aus diesem Grunde ein Auslösungsanspruch für arbeitsfreie Tage nicht berechtigt, kann der Senat nicht teilen. Die Tarifvertragsparteien gehen nämlich in § 6.1.2 BMTV selbst davon aus, daß Arbeitnehmer mit privaten Fahrzeugen täglich zu ihrer Wohnung zurückkehren und dann bei einer Entfernung von mehr als 65 km Fernauslösung erhalten können (so bereits der Senat in seinem Urteil vom 25. August 1982 – 4 AZR 1072/79 –, BAGE 40, 86, 93, 94 = AP Nr. 9 zu § 1 TVG Auslösung). Damit haben die Tarifvertragsparteien aber auch die daraus folgenden steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen bewußt in Kauf genommen. Sie gehen auch in § 6.4.3 BMTV davon aus, daß Auslösungen ggf. als Arbeitsentgelt zu versteuern sind. Damit nehmen die Tarifvertragsparteien auch insoweit als notwendige Folge die Beitragspflicht zur Sozialversicherung an.

Die tariflichen Bestimmungen enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Arbeitnehmer bei der Fernmontage Übernachtungsort und Heimfahrten so einzurichten hat, daß sie für den Arbeitgeber am kostengünstigsten sind. Die mögliche arbeitsrechtliche Besserstellung des Klägers bei der Lohnfortzahlung, wenn er zuvor eine wie Arbeitsentgelt behandelte Auslösung erhalten hat, ist durch die tarifliche Regelung der Tarifvertragsparteien auch in Kauf genommen. Selbst wenn diese Besserstellung erst durch den Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29. Februar 1988 (MTV) herbeigeführt worden sein sollte, wie das Landesarbeitsgericht meint, ändert dies daran nichts. Die Tarifvertragsparteien des MTV haben in § 16 Ziff. 1 Buchst. b die Auslösung ausdrücklich erwähnt und für die Lohnfortzahlung berücksichtigt, soweit sie nach dem BMTV Arbeitsentgelt ist. Damit ist insoweit eine mögliche Besserstellung der Montagestammarbeiter, die täglich zu ihrer Wohnung zurückkehren, gewollt. Das liegt im Regelungsermessen der Tarifvertragsparteien.

Die Klageforderung ist in ihrer rechnerischen Höhe begründet. Für einen Auslösungssatz von täglich DM 53,50 errechnet sich für noch 16 Tage Auslösung sogar ein höherer Betrag als die Klageforderung, worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist.

Zinsen schuldet die Beklagte für die Zeit ab 30. August 1988 (Rechtshängigkeit) als Prozeßzinsen (§ 291 i.Verb.m. § 288 Abs. 1 BGB) und für die Zeit vom 26. August 1988 bis 29. August 1988 als Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 i.Verb.m. § 284 Abs. 1 BGB). Der Kläger hatte nach Eintritt der Fälligkeit die Forderung mit Schreiben vom 5. Juli 1988 geltend gemacht und dadurch die Beklagte in Verzug gesetzt.

Die Beklagte hat gemäß § 91 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Freitag, Dr. Etzel, Brocksiepe, Wehner

 

Fundstellen

Haufe-Index 872076

RdA 1989, 381

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