Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang im Großhandel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch für die Prüfung, ob eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs 4 BGB vorliegt, ist auf die Verhältnisse bei Ausspruch der Kündigung abzustellen.

2. Kommt es trotz einer zu diesem Zeitpunkt endgültig geplanten und bereits eingeleiteten oder einer bereits durchgeführten Betriebsstillegung später noch zu einer Betriebsveräußerung, dann kann die Unwirksamkeit der Kündigung nach dem Inkrafttreten des § 613a Abs 4 BGB auch nicht aus einer Umgehung des § 613a Abs 1 BGB hergeleitet werden.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1; BGB § 613a Abs. 4, 1; WZG § 8 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 15.07.1987; Aktenzeichen 7 Sa 750/86)

ArbG Köln (Entscheidung vom 01.04.1986; Aktenzeichen 17/7 Ca 6223/85)

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der beklagten Kommanditgesellschaft seit 2. Mai 1960 als Reisender beschäftigt. Sein Monatseinkommen betrug zuletzt 5.243,-- DM brutto. Die Beklagte vertrieb mit dem Sitz in Köln Porzellan-, Steingut- und Glaswaren, Bestecke und Geschenkartikel unter dem Warenzeichen "G". Ihre Lager- und Büroräume hatte sie angemietet, zum Teil von Herrn Walter E, dem Alleingeschäftsführer und -gesellschafter ihrer Komplementär GmbH und alleinigen Kommanditisten (künftig: Geschäftsführer). Sie unterhielt in Köln am ein Ausstellungszimmer und in Frankfurt am Main einen Messestand. Sie beschäftigte zuletzt etwa 80 Arbeitnehmer.

Am 8. Mai 1985 stellte der Geschäftsführer der Beklagten beim Amtsgericht Köln Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten. Am selben Tag erließ das Amtsgericht ein allgemeines Veräußerungsverbot über das Vermögen der Beklagten und bestellte Rechtsanwalt Dr. H, einen der späteren Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, zum Sequester. Unter dem 17. Mai 1985 erstattete die Beklagte beim Arbeitsamt Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG wegen der beabsichtigten Entlassung von 18 Arbeitnehmern (vier Arbeitern zum 30. Mai und vierzehn Angestellten zum 30. Juni 1985). Unter dem 27. Juni 1985 folgte eine weitere Anzeige der Entlassung von 23 Angestellten (vier zum 30. September 1985, 17 zum 31. Dezember 1985 und von zwei weiteren Angestellten zum 30. Juni bzw. 31. Dezember 1986). Ebenfalls zum 27. Juni 1985 legte der Sequester ein Gutachten vor. Darin kam er zu dem Ergebnis, daß die Beklagte nicht nur zahlungsunfähig, sondern auch überschuldet sei; Aktiven von 4,9 Mio. DM stünden Passiva von 13,7 Mio. DM gegenüber.

Am 28. Juni 1985 nahm die Beklagte den Konkursantrag zurück und beantragte mit einem von dem Geschäftsführer unterzeichneten Schriftsatz vom selben Tag die Eröffnung eines Liquidationsvergleichs. In dem Antrag wird u.a. ausgeführt:

"In einer weiteren, ebenfalls nachzureichenden Erklärung wird dargelegt, in welcher Art und in welchem Umfang das bisherige Unternehmen fortgeführt werden soll, welche Einsparungs- und Umstellungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder beabsichtigt sind. Die Darstellung enthält ferner eine Übersicht der früheren und der vorgesehenen Beschäftigtenzahl."

In einem in dem Vergleichsantragsverfahren erstatteten weiteren Gutachten wies Rechtsanwalt Dr. H darauf hin, für gewerbliche Schutzrechte sei ein Verwertungserlös in Höhe von 1,6 Mio. DM zu erwarten und die Liquidation sei zum 31. Dezember 1985 geplant. Das Vergleichsverfahren wurde am 30. September 1985 eröffnet. Es endete mit einem von den Gläubigern bestätigten Vergleich.

Mit Schreiben vom 25. Juni 1985, zugegangen am 27. Juni 1985, hatte die Beklagte dem Kläger zum 31. Dezember 1985 fristgerecht gekündigt. Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 17. Juli 1985 bei Gericht eingegangenen Klage gewandt. Er hat zunächst geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und später vorgetragen, sie sei wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam. Der Betrieb werde von der eigens zu diesem Zweck gegründeten "G-Design Collection für modernes Wohnen GmbH" (künftig: GD GmbH), einer Tochtergesellschaft der "V Keramische Werke KG" (künftig: V + B) weitergeführt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

der Parteien durch die Kündigung der

Beklagten vom 25. Juni 1985 nicht zum

31. Dezember 1985 aufgelöst wird.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, weil sie ihren Betrieb zum 31. Dezember 1985 stillgelegt habe. Sie habe der GD GmbH lediglich die Lizenz zur Verwertung ihres Warenzeichens "G" erteilt und an sie einige Gegenstände aus ihrem Anlagevermögen veräußert. Hierzu hat sie im wesentlichen vorgetragen:

Aufgrund der von dem Sequester ermittelten Werte habe sich die Möglichkeit abgezeichnet, durch Verwertung des Firmenvermögens im Rahmen eines Liquidationsvergleichs eine Mindestquote von 35 bis 50 % zu erzielen. Insbesondere die Verwertung der gewerblichen Schutzrechte habe in diesem Fall ein wesentlich günstigeres Ergebnis als bei Durchführung eines Konkursverfahrens erwarten lassen. Voraussetzung hierfür sei gewesen, daß die Banken sich zunächst an die von dem Geschäftsführer und Alleingesellschafter zur Verfügung gestellten Sicherheiten hielten. Da grundsätzlich eine solche Regelung nicht ausgeschlossen erschienen sei, habe sie den Konkursantrag zurückgenommen und Vergleichsantrag gestellt. Die Fortführung des Unternehmens sei von Anfang an nicht in Betracht gezogen worden. Bei Warenschulden von ca. 7 Mio. DM hätte dies Drittkapital von mehreren Mio. DM erfordert, deren Beschaffung aussichtslos gewesen sei. Der Geschäftsführer habe dann auch am 14. August 1985 einen Liquidationsvergleich mit einer Quote von 45 % vorgeschlagen und in dem Vergleichsvorschlag ausdrücklich erklärt, das Geschäftsvermögen werde den Gläubigern zur Verwertung überlassen.

In dieser Form sei die Gesellschaft auch tatsächlich abgewickelt worden. Bis zum 31. Dezember 1985 habe sie den Betrieb fortgeführt und Waren an ihre Abnehmer verkauft, um die vorgeschlagene Vergleichsquote erfüllen zu können. Zukäufe habe sie in diesem Zeitraum vorgenommen, soweit dies zur Vervollständigung des Sortiments erforderlich gewesen sei; denn die Serien müßten komplett angeboten werden. Neukäufe habe sie nur gelegentlich auf Wunsch der Kunden vorgenommen. Sonderverkäufe habe sie in diesem Zeitraum untersagt, da dies zu einer Marktsättigung geführt und den Wert einer Lizenz für die Verwertung des Warenzeichens gemindert hätte.

Der GD GmbH habe sie die Lizenz für die Verwertung ihres Warenzeichens "G" erteilt. Die Lizenznehmerin sei nicht erst zu diesem Zweck gegründet worden, sondern habe lediglich durch Änderung des Firmennamens das Warenzeichen "G" als Namensbestandteil aufgenommen. Sie habe ihr ferner die Preislisten sowie die Matern und Klischees überlassen. Die GD GmbH wolle das optisch eingeführte Markenzeichen weiter nutzen und habe deshalb kein neues Design entworfen. Sie müsse die Produkte in Preislisten und Werksmaterial präsentieren. Es sei deshalb wirtschaftlich sinnvoll gewesen, ihr die selbst nicht mehr benötigten Druckvorlagen gegen Entgelt zu überlassen. Die GD GmbH habe die Kataloge, in denen die Lizenzware abgebildet sei, selbst herstellen müssen und hierfür die früheren Kataloge als Vorlage verwendet. Waren habe sie an die GD GmbH nur verkauft, soweit diese sie zur kurzfristigen Erfüllung von Nachkaufgarantien benötigt habe. Die transportablen Teile ihres Messestandes in Frankfurt am Main habe sie an V + B verkauft. Den bisher von ihr angemieteten Messestand habe die Messeverwaltung an einen anderen Aussteller vermietet. Es sei möglich, daß V + B einen zusätzlichen Stand gemietet und dort die von ihr gekauften Gegenstände verwendet habe. Ihr Ausstellungszimmer im in Köln habe sie an V + B verkauft. Dieses Zimmer habe sie nur bei Messen und besonderen Anlässen benutzt. Es sei keine Betriebsstätte gewesen.

Die GD GmbH sei nicht in ihre Liefer- und Abnehmerverträge eingetreten. Der V + B Konzern habe eigene Produktionskapazitäten und wegen seiner marktbeherrschenden Stellung andere, für ihre bisherigen Lieferanten nicht annehmbare Preisvorstellungen. Sie habe der GD GmbH keine Kundenlisten überlassen.

Wie aus den Massenentlassungsanzeigen ersichtlich, habe sie von den zuletzt beschäftigten 82 Arbeitnehmern zunächst 18 Arbeitnehmer zum 30. Mai bzw. 30. Juni 1985 entlassen. Bis zur Erstattung der zweiten Massenentlassungsanzeige am 27. Juni 1985 habe sich die Belegschaft durch freiwilliges Ausscheiden weiterer Arbeitnehmer auf 54 verringert. Die Entlassung weiterer 23 Arbeitnehmer habe sie unter dem 27. Juni 1985 angezeigt. Die restlichen 31 Arbeitnehmer mit Kündigungsfristen von zwei Wochen bzw. sechs Wochen zum Quartalsende habe sie zum 31. Dezember 1985 entlassen. Danach habe sie lediglich noch drei Arbeitnehmer mit längeren Kündigungsfristen weiterbeschäftigt. Diese seien damit betraut gewesen, das Anlagevermögen zu verwerten und Außenstände einzutreiben.

Der Kläger hat erwidert, die Beklagte habe die für ihren Betrieb wesentlichen Vermögenswerte und damit den Betrieb an die GD GmbH veräußert. Diese Gesellschaft sei zum Zwecke des Betriebsübergangs gegründet worden; sie sei am 14. Februar 1986 vom Registergericht noch mit dem Zusatz "i. G." geführt worden und nicht im Handelsregister eingetragen gewesen. Die Beklagte habe ihr nicht nur die Nutzung sämtlicher Warenzeichen- und Geschmacksmusterrechte sowie die Preislisten, Matern und Klischees, sondern auch sämtliche Kundenlisten überlassen. Die Preisliste der Beklagten für 1984 und der GD GmbH für 1986 sei nahezu identisch. Beide Gesellschaften seien zumindest stillschweigend davon ausgegangen, daß durch die "Lizenz" für das Warenzeichen "G" auch die Übernahme der Kundenlisten, der Ausstellungsräume, des Inventars usw. abgegolten sein sollten. Die GD GmbH habe bis auf wenige Ausnahmen das gesamte Warensortiment übernommen. Sie habe sich den Kunden- und Lieferantenstamm nutzbar gemacht; ob sie formal in Verträge eingetreten sei, sei unerheblich. Sie habe sich ferner die Rechte zur Fortführung der Einliegergeschäfte gesichert, die die Beklagte in großen Kaufhäusern, z.B. im KDW in Berlin unterhalten habe. Die Beklagte habe bis zum 31. Dezember 1985 nicht nur Waren zur Vervollständigung ihres Sortiments, sondern auch neue Waren wie Geschenkartikel ohne Seriencharakter bei neuen Lieferanten gekauft, um dadurch ihre gesamte Kollektion und die Lieferanten zu erhalten und eine sofortige Übernahme durch die GD GmbH zu ermöglichen. Die V + B habe in der Presse (FAZ vom 13. Dezember 1985, Handelsblatt vom 16. Dezember 1985) verlautbart, daß die Tochtergesellschaft GD GmbH die Handelsmarke "G" übernehme und das bisherige Sortiment der Beklagten aus dem Programm von V + B ergänzt werden solle.

Die Beklagte hat bestritten, in Kaufhäusern Einliegergeschäfte unterhalten zu haben. Die Kaufhäuser hätten ihr Sortiment nur in optisch ansprechender Form präsentiert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte unter Bezugnahme auf Aussagen ihres früheren Generalbevollmächtigten R in Parallelprozessen weiter vorgetragen:

Sie habe neben dem Warenzeichen "G" noch andere Warenzeichen, z.B. "C", und ferner vornehmlich für bestimmte Kaufhäuser ein Großhandelssortiment geführt, das mit deren Hausmarke gekennzeichnet gewesen sei. Dieser Bereich sei völlig eingestellt. In ihren Katalogen seien 6000 bis 8000 Artikel enthalten gewesen. Der Katalog der GD GmbH sei wesentlich kleiner. Diese Gesellschaft vertreibe höchstens 10 % ihres bisherigen Sortiments. Ihr Generalbevollmächtigter habe die strikte Anweisung erteilt, keine Kunden- oder Lieferantenlisten herauszugeben. Sollten gleichwohl solche Listen in Umlauf sein, sei dies gegen ihren Willen geschehen. Reisende und Handelsvertreter hätten teilweise in ihrem Besitz befindliche Listen trotz Aufforderung nicht herausgegeben mit der Begründung, sie seien ihnen gestohlen worden. Sie bestreite, daß die GD GmbH überhaupt solche Listen in Besitz habe. Der V + B Konzern sei als Marktführer auch nicht auf die Übernahme ihres Kundenstamms angewiesen gewesen. Er habe ein eigenes Vertriebssystem und diesem auch den Vertrieb der Lizenzprodukte angepasst. Die GD GmbH unterhalte in Deutschland elf Vertretungen, wie sich aus ihrer Preisliste 1986 ergebe. Sie, die Beklagte, habe nur im Ausland zwei Vertretungen unterhalten.

Der Kläger hat erwidert, nach der Aussage des Zeugen R vom 9. Juli 1986 im Parallelprozeß hätten die Reisenden der Beklagten Kundenlisten in Besitz gehabt. Die Weitergabe der Listen, die wesentliche Betriebsmittel darstellten, müsse sich die Beklagte anrechnen lassen. Für einen Betriebsübergang komme es entscheidend auf den tatsächlichen Besitz der Listen an.

Das Landesarbeitsgericht hat durch eine Verfügung des Kammervorsitzenden darauf hingewiesen, gegen eine endgültige Stillegungsabsicht könnten die Ausführungen des Geschäftsführers auf S. 3 des Vergleichsantrags vom 28. Juni 1985 "eventuelle Fortführung des Unternehmens usw." sprechen. Hierauf hat die Beklagte vorgetragen, diese aus dem Vergleichsantrag zitierten Formulierungen gingen auf das Handbuch von Schrader/Uhlenbruck/Delhaes, 4. Aufl., S. 263 unter Ziff. 12 zurück. Ihr Geschäftsführer habe sich damals durch Rechtsanwalt Dr. U beraten lassen. Dieser habe den Antrag vorformuliert und sich dabei an dem Handbuch ausgerichtet. Die etwas mißverständliche Formulierung sei damit zu erklären, daß damals die Angelegenheit äußert eilbedürftig gewesen sei. Der Sequester habe gleichzeitig mit seinem im Konkursantragsverfahren erstatteten Gutachten das Konkursgericht gebeten, den Konkurs noch nicht zu eröffnen, da ein Vergleichsantrag gestellt werde. Nach einer Entscheidung über den Konkursantrag hätte ein solcher Antrag nicht mehr gestellt werden können. Bei der Formulierung des Vergleichsantrags sei dann übersehen worden, daß die vorbezeichnete Standardformulierung auf den Fall des Liquidationsvergleichs nicht passe. Bereits seit der Stellung des Konkursantrags am 8. Mai 1985 sei die Stillegung des Betriebs beabsichtigt gewesen. Es sei nur um die Frage gegangen, ob dies im Rahmen eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens geschehen solle. Da ein Vergleich eine Mindestquote von 35 % voraussetze, habe sie den Geschäftsbetrieb nicht sofort eingestellt und später bis 31. Dezember 1985 hinausgeschoben, um die Quote erfüllen zu können.

Das Berufungsgericht hat den Geschäftsführer E als Partei sowie Rechtsanwalt Dr. U und den Generalbevollmächtigten R als Zeugen vernommen. Es hat sodann das Urteil des Arbeitsgericht abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten sei sozial gerechtfertigt, weil sie wegen beabsichtigter Betriebsstillegung ausgesprochen worden und damit durch ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt sei. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Werde ein Betrieb geschlossen, so sei die Aufrechterhaltung der Arbeitsverhältnisse für diesen Betrieb sinnlos. Es sei auch sinnlos, mit der Kündigung zu warten, bis der Betrieb tatsächlich geschlossen werde. Wenn eine Betriebsschließung beabsichtigt sei, könne vielmehr bereits während des noch (aus-) laufenden Betriebs zum vorgesehenen Zeitpunkt der Betriebsschließung gekündigt werden. Das bedeute, daß bereits die Absicht des Arbeitgebers, seinen Betrieb zu schließen, als dringendes betriebliches Erfordernis anzusehen sei.

Diese Voraussetzung habe hier vorgelegen, als der Kläger die Kündigung vom 25. Juni 1985 erhalten habe. Zu diesem Zeitpunkt seien der Geschäftsführer bzw. sein Generalbevollmächtigter entschlossen gewesen, das Unternehmen zu liquidieren. Hierunter hätten sie verstanden, den Betrieb stillzulegen und die Vermögensgegenstände zu veräußern. Dies ergebe sich aus ihren Aussagen im Berufungsverfahren. Der von dem Geschäftsführer unterschriebene Vergleichsantrag vom 28. Juni 1985 erwecke zwar den Eindruck, als habe die Absicht der Unternehmensfortführung bestanden. Die Formulierung stamme jedoch von dem damaligen Rechtsberater des Geschäftsführers, Rechtsanwalt Dr. U, und entspreche nicht der Tatsachen. Durch den Geschäftsführer habe der Betrieb gerade nicht fortgeführt werden sollen. Für die Annahme, daß damals mit der Möglichkeit einer Veräußerung des Betriebes an einen Dritten gerechnet worden sei, gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Nach der Aussage des Geschäftsführers seien vorherige Bemühungen einer Firma M Treuhand wegen einer Betriebsübernahme ohne Erfolg geblieben und allenfalls noch ein Interesse der V + B an dem Warenzeichen der Beklagten offen gewesen. Das Warenzeichen allein habe aber nicht den Betrieb der Beklagten ausgemacht. Ob die Formvorschrift des § 48 Abs. 3 GmbHG erfüllt oder die Veräußerung des Warenzeichens ohne den Betrieb unzulässig sei, sei für § 1 Abs. 2 KSchG unerheblich. Diese Vorschrift stelle nur auf die faktischen betrieblichen Erfordernisse und nicht darauf ab, ob sie in gesetzlicher Weise entstanden oder verwirklicht worden seien.

In seinen anschließenden Ausführungen zu § 613 a Abs. 4 BGB hat das Berufungsgericht u.a. ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung mit der Absicht begründet, den Betrieb zu schließen und zu liquidieren, wobei die Einzelheiten der Liquidation offen gewesen seien, die Möglichkeit einer Veräußerung des Betriebes insgesamt jedoch nicht zur Debatte gestanden habe.

II. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Stillegung des gesamten Betriebs gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ein dringendes betriebliches Erfordernis dar, das eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen kann. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Der Arbeitgeber muß endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Die Veräußerung des Betriebs allein ist dagegen, wie sich aus der Wertung des § 613 a BGB ergibt, keine Betriebsstillegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet (BAGE 47, 13, 22 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 2 der Gründe; BAG Urteil vom 27. Februar 1987 - 7 AZR 652/85 - AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben und eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung der Prognose ergibt, daß bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist die geplante Maßnahme durchgeführt ist und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden kann (BAGE 47, 13 = AP, aaO, zu B III 3 a der Gründe; BAG Urteil vom 27. Februar 1987, aaO, zu II 3 c der Gründe).

III. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Würdigung des Berufungsgerichts, die Kündigung der Beklagten sei wegen beabsichtigter Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. An die in diesem Rahmen getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Senat gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die hiergegen von der Revision mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung erhobene Rüge der Verletzung des § 286 Abs. 1 ZPO greift nicht durch.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der gegen das Bestehen einer endgültigen Stillegungsabsicht des Geschäftsführers sprechende Inhalt des Vergleichsantrags durch Gegenbeweise entkräftet werden könne. Der von dem Geschäftsführer als Aussteller unterzeichnete Vergleichsantrag begründet gemäß § 416 ZPO nur den vollen Beweis dafür, daß die in ihm enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben sind (formelle Beweiskraft). Für die Frage, ob sie inhaltlich richtig sind (materielle Beweiskraft), gilt jedoch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO. Auch wenn die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat, ist jede auf ihre Widerlegung abzielende Beweisführung zulässig (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 46. Aufl., § 416 Anm. 2 C; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 416 Anm. 2 b, 3 b). Das Berufungsgericht mußte daher den von der Beklagten durch Vernehmung der beiden Zeugen angetretenen Beweis erheben, der Geschäftsführer sei im Zeitpunkt der Antragstellung weiterhin zur Betriebsstillegung entschlossen gewesen und auch die gegenbeweislich vom Kläger beantragte Parteivernehmung des Geschäftsführers durchführen.

b) Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen § 286 ZPO die für eine Betriebsfortführungsabsicht sprechende Formulierung in dem Vergleichsantrag durch die Aussagen des Geschäftsführers und der beiden Zeugen für widerlegt und eine Stillegungsabsicht aus der Sicht der Beteiligten für nachgewiesen erachtet. Zwar hat das Gericht die Gründe, die es bei der Beweiswürdigung geleitet haben, im Urteil nachvollziehbar darzulegen. Es muß die konkreten Umstände nennen, die seine Überzeugung gebildet haben. Dagegen braucht es nicht ausdrücklich zu erörtern, was ihm unerheblich scheint. Ausreichend ist, daß nichts übersehen und alles im Zusammenhang gewürdigt wird (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 286 Anm. 3 D, m.w.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nach eingehender Prüfung durch den Senat revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Von einer näheren Begründung sieht der Senat nach § 565 a ZPO ab, weil sie nicht geeignet ist, die zu behandelnden prozeßrechtlichen Fragen weiter zu klären.

2. Die tatsächlichen Feststellungen tragen jedoch nicht die Würdigung des Berufungsgerichts, die Kündigung der Beklagten sei wegen beabsichtigter Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt.

a) Ob das, was die Beteiligten beabsichtigten und später durchführten, eine Betriebsstillegung unter Verwertung der einzelnen Wirtschaftsgüter oder eine Betriebsveräußerung darstellt, ist nicht ausschließlich eine Frage der Tatsachenfeststellung, sondern hängt von der anschließenden materiell-rechtlichen Würdigung der festgestellten Tatsachen ab. Hierauf zielen auch die Ausführungen der Revision ab, nach dem unstreitigen Sachverhalt und der Aussage des Zeugen R hätten der GD GmbH für den Betrieb der Beklagten wesentliche Gegenstände, nämlich Warenzeichen, Druckunterlagen und Klischees für Prospekte sowie die Musterzimmer in Köln und Frankfurt am Main übertragen werden sollen. Sie seien auch übertragen worden, und die Erwerberin habe über die Kunden- und Lieferantenlisten verfügt. Die Revision rügt damit, das Berufungsgericht habe den Rechtsbegriff der Betriebsveräußerung und damit auch den der Betriebsstillegung und -stillegungsabsicht verkannt, da, wie ausgeführt, eine Betriebsveräußerung keine Betriebsstillegung ist. Diese Rüge hat im Ergebnis Erfolg.

b) Ein Betrieb im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB wird dann übertragen, wenn dem neuen Inhaber die sachlichen und immateriellen Betriebsmittel überlassen werden und er mit ihnen und mit Hilfe von Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Es genügt, wenn dem Erwerber eine Nutzungsberechtigung auf Zeit eingeräumt wird. Auch ist nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter des bisherigen Betriebes auf den neuen Inhaber übergehen. Entscheidend ist, ob die Veräußerung einzelner bzw. einer Summe von Wirtschaftsgütern vorliegt oder die des Betriebes. Das hängt entscheidend davon ab, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Betriebsmitteln den Betrieb oder einen Betriebsteil im wesentlichen unverändert fortführen kann. Die Trennung eines Teils vom ganzen Betrieb darf dessen Charakter nicht in der Weise ändern, daß nur noch einzelne Gegenstände erhalten werden (BAGE 48, 365 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; Senatsurteil vom 26. Februar 1987 - 2 AZR 321/86 - AP Nr. 63 zu § 613 a BGB, zu B II 4 a der Gründe). Die Stillegungsabsicht muß demgemäß auf eine entsprechende Maßnahme gerichtet sein.

c) Die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang bei einem Großhandelsbetrieb, wie ihn die Beklagte geführt hat, können nur bestimmt werden, wenn zunächst festgestellt wird, welche Bestandteile grundsätzlich zu einem solchen Betrieb gehören.

aa) Auszugehen ist davon, daß zu einem Großhandelsunternehmen die Betriebsräume, das zu verkaufende Warensortiment, die Verträge mit Lieferanten und Kunden (Einzelhändlern) sowie evtl. gewerbliche Schutzrechte gehören.

bb) Bei der Frage, welche dieser Betriebsmittel auf den Nachfolger übergehen müssen, um von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB ausgehen zu können, ist auf den arbeitstechnischen Zweck eines Großhandelsgeschäfts abzustellen. Dieser besteht darin, mit Hilfe von Arbeitnehmern Waren vom Hersteller anzukaufen und an Wiederverkäufer zu verkaufen. Entscheidend für einen solchen Betrieb sind damit die Lieferverträge und die Rechtsbeziehungen zu den Einzelhändlern. Handelt es sich um Markenware, wie im vorliegenden Fall, soweit Porzellan-, Keramik und Glaswaren gehobener Qualität unter dem Warenzeichen "G" vertrieben wurden, so stellen auch das Warenzeichen und damit zusammenhängende Gebrauchsmuster einen wesentlichen Bestandteil des Betriebes dar. Sie bestimmen dann in gewissem Umfang auch den Kundenkreis, weil diese Ware gewöhnlich nur in gehobenen Fachgeschäften und Kaufhäusern, nicht aber in Supermärkten oder Kaufhäusern mit vorwiegend Billigangeboten verkauft wird. Anders als bei Ladengeschäften (vgl. dazu Senatsurteil vom 26. Februar 1987, aaO, zu B 4 b der Gründe) sind dagegen die Betriebsräume von untergeordneter Bedeutung; das Großhandelsgeschäft kann, wie ein Produktionsbetrieb, auch an anderen Stellen oder in einem anderen Ort weitergeführt werden, ohne damit notwendig seinen bisherigen Kundenstamm zu verlieren und seinen Kundenkreis zu verändern. Gleiches gilt für die Einrichtung der Betriebsräume.

d) Gemessen an diesen Grundsätzen kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Geschäftsführer wie auch die mit der Durchführung der Liquidation beauftragten übrigen Personen in dem für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung maßgebenden Zeitpunkt ihres Zugangs an den Kläger Ende Juni 1985 bereits endgültig zu Maßnahmen entschlossen waren, die rechtlich als Betriebsstillegung zu qualifizieren sind.

aa) Nach Ansicht des Berufungsgerichts gibt es für die Annahme, zu jenem Zeitpunkt sei mit der Möglichkeit einer Veräußerung des Betriebs gerechnet worden, keine Anhaltspunkte. Das Berufungsgericht ist aufgrund der Aussage des Geschäftsführers davon ausgegangen, daß V + B lediglich an der Verwertung des Warenzeichens der Beklagten interessiert gewesen sei, nachdem vorher Bemühungen einer anderen Firma wegen einer Betriebsübernahme erfolglos geblieben seien. Das Warenzeichen allein mache aber nicht den Betrieb aus. Ob seine Veräußerung ohne den Betrieb gesetzlich unzulässig gewesen sei, sei für die Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG unerheblich. Diese Vorschrift stelle nur auf die faktischen betrieblichen Erfordernisse und nicht darauf ab, ob sie in gesetzlicher Weise entstanden oder verwirklicht wurden. Diese Würdigung ist unzureichend.

bb) Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WZG kann das Warenzeichenrecht nur mit dem Geschäftsbetrieb oder dem Teil des Geschäftsbetriebs, zu dem es gehört, übertragen werden. Zulässig ist jedoch die Einräumung einer schuldrechtlichen Lizenz an einem Warenzeichen, d.h. eines vertraglichen Rechts, ein fremdes Warenzeichen zur Kennzeichnung eigener Waren zu benutzen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., § 8 Anh. WZG Rz 2 und 9). Hat der Lizenzgeber keinen eigenen Geschäftsbetrieb, so kann das für ihn eingetragene Warenzeichen allerdings jederzeit gelöscht werden; der eingetragene Zeicheninhaber kann sich nicht auf die Benutzung des Warenzeichens durch den Lizenznehmer, insbesondere nicht auf dessen Geschäftsbetrieb berufen; dieser wird ihm nicht zugerechnet. Auf einen solchen Gestattungsvertrag sind dann die Unmöglichkeitsregeln anzuwenden (vgl. Baumbach/Hefermehl, aaO, § 8 Anh. WZG Rz 15).

cc) Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Möglichkeiten einer Verwertung des Warenzeichens konnte das Berufungsgericht ohne Nachprüfung weiteren streitig gebliebenen Parteivortrags nicht zu der abschließenden Annahme gelangen, die Möglichkeit einer Betriebsveräußerung habe Ende Juni 1985 außerhalb der Vorstellung der für die Liquidation verantwortlichen Repräsentanten der Beklagten gelegen.

Wurde damals noch die Veräußerung des Warenzeichens erwogen, jedenfalls aber noch nicht endgültig verworfen, so konnte dies rechtswirksam nur zusammen mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs geschehen. Es ist dann auch davon auszugehen, daß keine gesetzwidrige Veräußerung in Betracht gezogen wurde, die das Geschäft mit einem Risiko belasten würde, das Partner vom Range eines branchenführenden Unternehmens wie V + B nicht ohne weiteres eingehen dürften. Dem von dem Geschäftsführer in seiner Aussage erwähnten Interesse der Firma V + B an dem Warenzeichen der Beklagten konnte zwar rechtlich auch durch eine Lizenz Rechnung getragen werden. Diese setzt zwar keine Veräußerung des Betriebs, jedoch, wie ausgeführt, das Bestehen eines Betriebs des Lizenzgebers voraus, da sonst die Gefahr der Löschung des Warenzeichens und damit eine Gefährdung des Lizenzvertrags heraufbeschworen wird. An eine Fortführung des Betriebs durch den Geschäftsführer war nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivortrag - auch die Revision geht, wie bereits erwähnt, hiervon aus - nicht gedacht. Zwar ist es nach dem Vortrag der Beklagten zu einer Lizenzvergabe gekommen. Im Hinblick auf die geschilderte rechtliche Problematik kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß die für die Liquidation verantwortlichen Repräsentanten der Beklagten Ende Juni 1985 in erster Linie an eine Veräußerung des Warenzeichens mit einer zu ihrer warenzeichenrechtlichen Wirksamkeit erforderlichen, den Minimalerfordernissen einer Betriebsveräußerung genügenden Veräußerung von weiterem Betriebsvermögen der Beklagten dachten. Die Veräußerung des Warenzeichens ist ein Indiz für eine Betriebsübernahme (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., S. 781). Entsprechendes gilt für eine dahingehende Absicht, wenn und solange der Berechtigte eine Veräußerung des Warenzeichens erwägt.

dd) Das Berufungsgericht hätte deshalb dem weiteren streitig gebliebenen Parteivortrag zur Frage der Veräußerung von Betriebsvermögen an die GD GmbH nachgehen müssen.

Unstreitig hat die Beklagte an die GD GmbH tatsächlich die Druckunterlagen sowie die Klischees für Werbeprospekte, die Preislisten und an ihre Muttergesellschaft, die V + B, die beweglichen Gegenstände ihres Messestandes in Frankfurt am Main und ihres Ausstellungszimmers in Köln veräußert. Der Kläger hat jedoch weiter vorgetragen, die Beklagte habe auch die Kunden- und Lieferantenlisten der GD GmbH überlassen, und diese sei in die Lieferanten- und Kaufverträge eingetreten. Die Beklagte habe ferner nicht nur Waren zur Komplettierung des bisherigen Bestands, sondern in der Vertriebssparte "Geschenkartikel ohne Seriencharakter" Neukäufe bei neuen Lieferanten getätigt, um zu diesen neue Geschäftsverbindungen für einen Übernehmer des Betriebs aufzubauen. Das bedarf der Klärung, weil Kunden- und Lieferantenlisten sowie Lieferanten- und Abnehmerverträge, wie ausgeführt, wesentliche Bestandteile eines Großhandelsunternehmens von der Art der Beklagten sind. War die Übernahme der Listen und der Eintritt in die Verträge zusammen mit der Veräußerung des Warenzeichens Ende Juni 1985 noch Gegenstand von Überlegungen der Beklagten und von Verhandlungen mit V + B, so zielten diese Maßnahmen auf eine Betriebsveräußerung unabhängig davon ab, wie sie die Repräsentanten der Beklagten rechtlich qualifizierten. Die Beklagte war dann jedenfalls bei Zugang der Kündigung an den Kläger Ende Juni 1985 noch nicht endgültig zur Betriebsstillegung entschlossen.

e) Die Würdigung des Berufungsgerichts ist ferner deshalb unzureichend, weil es nicht geprüft hat, ob die - nach seiner Annahme - bei Zugang der Kündigung endgültig beabsichtigte Betriebsstillegung zu diesem Zeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatte. Dieser für die soziale Rechtfertigung einer auf eine beabsichtigte Betriebsstillegung gestützten Kündigung zusätzlich erforderliche Umstand setzt voraus, daß die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft bei Ausspruch der Kündigung zumindest soweit vorbereitet worden sein muß, daß für die Arbeitnehmer bei Ablauf der Kündigungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit wegen der Stillegung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr vorhanden sein wird. Im vorliegenden Fall reichen hierfür allein die Einleitung eines Vergleichsverfahrens mit dem Ziel der Liquidation und der Ausspruch der Massenkündigungen nicht aus. Ein Vergleichsverfahren kann auch mit der Fortführung des Unternehmens enden, und auch die Kündigungen sämtlicher Arbeitnehmer schließen allein einen Betriebsübergang und damit eine Fortführung des Betriebs nicht aus, solange nicht feststeht, ob sie wirksam sind und keine Betriebsgemeinschaft mehr besteht (vgl. BAG Urteil vom 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP Nr. 67 zu § 613 a BGB). Diese Umstände, die das Berufungsgericht nach den vorstehenden Ausführungen unter dem Gesichtspunkt der Stillegungsabsicht nicht oder nicht richtig gewürdigt hat, sind auch bedeutsam für die Frage, ob die Beklagte bei Zugang der Kündigung bereits über die vorstehend bezeichneten hinausgehende Maßnahmen zur Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zum Jahresende getroffen hatte. Nach dem Vortrag des Klägers stand sie noch Anfang August 1985 in Verhandlungen mit V + B über die "Weiterführung" des Warenzeichens. Auch Warenzukäufe nach Vergleichsantrag sprechen objektiv zunächst gegen eine begonnene Betriebsauflösung. Ob damit nur die Auslieferung bis zum Jahresende gesichert wurde oder auch neue Lieferanten gewonnen wurden, ist streitig und muß geklärt werden.

IV. Kann somit die soziale Rechtfertigung der Kündigung noch nicht abschließend beurteilt werden, so nötigt dies zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Hierbei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Das Berufungsgericht muß nunmehr die nach den vorstehenden Ausführungen noch zu einer abschließenden Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung erforderlichen Feststellungen treffen.

1. Sollte das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei wegen einer bei Zugang der Kündigung bereits endgültig beabsichtigten Betriebsstillegung sozial gerechtfertigt, so ist die Kündigung auch dann nicht wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB oder wegen Umgehung dieser Norm unwirksam, wenn es nach Ausspruch der Kündigung tatsächlich noch zu einem Betriebsübergang gekommen sein sollte. Insoweit ist dem angefochtenen Urteil im Ergebnis beizupflichten.

a) § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB läßt eine Kündigung, die aus anderen Gründen als wegen Betriebsübergangs ausgesprochen wurde, unberührt. Wie der Senat in dem Urteil BAGE 47, 13 klargestellt hat, gehört eine auf Betriebsstillegung gestützte Kündigung zu den Kündigungen aus anderen Gründen im Sinne dieser Vorschrift; liegt dieser Grund tatsächlich nicht vor, so ist die Kündigung bereits nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

aa) Für die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung kommt es somit auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Nichts anderes gilt für die Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats (BAGE 43, 13, 21, 23 = AP, aaO, zu B III 1 und V 1 der Gründe; BAGE 47, 13, 21 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu III 1 der Gründe; Urteile vom 31. Januar 1985 - 2 AZR 530/82 - sowie vom 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - AP Nr. 40 und 47 zu § 613 a BGB, zu IV 2 b bzw. II 2 b der Gründe) ist eine Kündigung nur dann rechtsunwirksam, wenn ihr Beweggrund wesentlich durch den Betriebsinhaberwechsel bedingt, dieser also der tragende Grund der Kündigung war, nicht schon dann, wenn er nur äußerlicher Anlaß hierzu war. Allein maßgebend ist somit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Bezeichnung des Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber, sondern ob tatsächlich der Betriebsübergang der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist. Dem entspricht es, daß, wie ausgeführt, auch eine mit Stillegungsabsicht vom Arbeitgeber begründete Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist, wenn die geplante Maßnahme sich auch rechtlich als Betriebsstillegung und nicht etwa deshalb als Betriebsveräußerung darstellt, weil die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen wurden, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstillegung bewertete. Deshalb kann auch allein die vom Kündigenden gegebene Begründung nicht maßgebend dafür sein, ob eine Kündigung wegen Betriebsübergangs vorliegt.

bb) Die Ansicht des Berufungsgerichts, Kündigungen "wegen" Betriebsübergangs könne es begrifflich eigentlich gar nicht geben, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und den Vorstellungen des Gesetzgebers. Das Gesetz normiert aber auch nichts Unmögliches. Es umschreibt das Tatbestandsmerkmal der inkriminierten Kündigung. Ist der Betriebsübergang objektiver Anlaß wie auch Motiv für die Kündigung, so ist er auch der sie tragende Grund. Sind bei einer "objektiven Wertung" des Kündigungssachverhalts mehrere Kündigungsgründe denkbar, so ist fraglich, ob nicht doch die subjektive Vorstellung des Arbeitgebers Bedeutung gewinnen kann (Senatsurteil vom 31. Januar 1985, aaO, zu IV 2 b der Gründe). Auch wenn man aber auf die subjektive Vorstellung des Arbeitgebers abstellen würde, wäre dies nicht gleichzusetzen mit der von ihm gegebenen Begründung. Diese kann nur ein Anzeichen für sein wirkliches Motiv sein und durch objektive Umstände widerlegt werden.

cc) Hatte somit die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung den endgültigen Entschluß gefaßt, den Betrieb stillzulegen und mit seiner Verwirklichung begonnen, so steht damit gleichzeitig fest, daß ein Betriebsübergang jedenfalls kein tragender Grund für die Kündigung gewesen sein kann.

b) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, eine Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB liege nicht vor, wenn erst nach Ausspruch der Kündigung eine Betriebsveräußerung in Erwägung gezogen und durchgeführt werde, ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat hat es in dem Urteil BAGE 47, 13, 26 = AP, aaO, zu III 4 der Gründe, offen gelassen, ob im Zusammenhang mit einer ernsthaft geplanten oder bereits durchgeführten Betriebsstillegung bei einer späteren Veräußerung des Betriebes gleichwohl eine Kündigung wegen Betriebsübergangs im Sinne dieser Norm vorliegt oder wegen Umgehung der Norm unwirksam ist. Die Frage ist zu verneinen.

Die Norm des § 613 a Abs. 4 BGB ist nach dem Urteil vom 31. Januar 1985 (aaO) eine spezialgesetzliche Regelung des allgemeinen Umgehungsverbots, die gegenüber § 613 a Abs. 1 BGB nur deklaratorische Wirkung und keine konstitutive Kraft hat. Für die Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung kommt es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung an (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAGE 43, 129 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). War der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt endgültig zur Stillegung des Betriebes entschlossen, so kann eine nachträgliche Änderung der betrieblichen Verhältnisse grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 309, m.w.N.; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 263; Rost, Die betriebsbedingte Kündigung in der Unternehmenskrise und bei Insolvenz, RWS-Skript 178, S. 17-18, 71). Auch für diese Prüfung, ob eine Kündigung wegen Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB vorliegt, ist auf die Verhältnisse bei Ausspruch der Kündigung abzustellen; denn eine Willenserklärung kann rechtlich nur nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt ihrer Abgabe beurteilt werden (so zutreffend LAG Düsseldorf, BB 1976, 1226). War somit der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung endgültig zur Betriebsstillegung entschlossen, so kann eine später dennoch durchgeführte Betriebsveräußerung nicht nachträglich zum tragenden Grund für die Kündigung werden.

c) Kommt es trotz zunächst endgültig geplanter und eingeleiteter oder bereits durchgeführter Betriebsstillegung nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung gleichwohl noch zu einer Betriebsveräußerung, so kann die Unwirksamkeit der Kündigung jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten des § 613 a Abs. 4 BGB auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Wie bereits ausgeführt, enthält diese Vorschrift eine Konkretisierung des allgemeinen Umgehungsverbots für die Fälle der Arbeitgeberkündigung. Durch die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an eine Kündigung wegen Betriebsstillegung stellt, wird die Kontrolle vorweggenommen, ob die Kündigung im Hinblick auf die spätere Betriebsveräußerung auf einer Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB beruht. Die Voraussetzung für eine solche Kündigung, daß der Arbeitgeber ernstlich und endgültig entschlossen sein muß, den Betrieb stillzulegen, und diese Absicht auch nachweisen muß, schließt Manipulationen in Form von Scheinstillegungen, d.h. kurzfristigen Betriebseinstellungen mit anschließender Betriebsveräußerung jedenfalls für den Geltungsbereich des § 1 Abs.2 KSchG weitgehend aus, zumal die beabsichtigte Stillegung schon greifbare Formen angenommen haben muß. Liegen diese Voraussetzungen aber vor, dann kann die Betriebsveräußerung nicht gleichzeitig tragender Grund für die Kündigung im Sinne des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB gewesen sein. Durch diese Norm hat der Gesetzgeber die Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB durch Arbeitgeberkündigungen konkretisiert und von der Erfüllung dieses Tatbestandes abhängig gemacht. Eine Umgehung dieser Norm kommt deshalb insoweit nicht in Betracht (so Hillebrecht, aaO, S. 262, 263; Käppler, Anm. zu EzA § 613 a BGB Nr. 30, unter III; Rost, aaO, S. 71, 72). Die Auffassung von Seiter (Anm. zu AP Nr. 5 zu § 613 a BGB, unter II 3), ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber sei anzunehmen, wenn eine Betriebsstillegung mit anschließender Neueröffnung durchgeführt wurde, um die Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 BGB zu umgehen, ist für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 613 a Abs. 4 BGB gemäß dem EG-Anpassungsgesetz vom 13. August 1980 (BGBl. I, 1308) entwickelt worden und somit überholt. Gesetzesumgehungen durch andere Gestaltungen als durch Arbeitgeberkündigung, wie durch Befristungen von Arbeitsverhältnissen zum Zwecke des Ausschlusses der Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 BGB (Senatsurteil vom 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 - nicht veröffentlicht, zu V der Gründe) oder durch fristlose Eigenkündigungen von Arbeitnehmern oder Aufhebungsverträge, die durch den Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung und Arbeitsplatzgarantie des Erwerbers veranlaßt wurden (BAG Urteil vom 28. April 1987 - 3 AZR 75/86 -, zu II 2 a der Gründe, ZiP 1988, 120, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) sind von der gesetzlichen Neuregelung nicht erfaßt und können zur Unwirksamkeit dieser Rechtsgeschäfte führen.

Hillebrecht Triebfürst Ascheid

Schulze Dr. Bensinger

 

Fundstellen

DB 1989, 430-432 (LT1-2)

BetrVG, (1) (LT1-2)

EWiR 1989, 867-868 (L1-2)

Gewerkschafter 1989, Nr 4, 38-39 (ST1)

JR 1989, 220

NZA 1989, 265-268 (LT1-2)

RdA 1989, 127

RzK, I 5e 8 (LT1-2)

ZIP 1989, 326

ZIP 1989, 326-332 (LT1-2)

AP § 613a BGB (LT1-2), Nr 74

ArbuR 1989, 59-59 (T)

EzA § 613a BGB, Nr 80 (LT1-2)

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