Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Weihnachtsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Es entsteht keine betriebliche Übung auf zukünftige Gewährung von Weihnachtsgeld, wenn – für den Arbeitnehmer erkennbar – die Zuwendung nach Gutdünken des Arbeitgebers dreimalig in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird. Der Arbeitnehmer muß in einem solchen Fall davon ausgehen, daß der Arbeitgeber die Zuwendung nur für das jeweilige Jahr gewähren will.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 08.06.1995; Aktenzeichen 12 Sa 510/95)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 10 Ca 4610/94)

 

Tenor

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Weihnachtsgratifikation für die Jahre 1992 und 1993.

Der Kläger ist seit März 1973 bei der Beklagten beschäftigt. In den Jahren 1975 bis 1977 zahlte die Beklagte an den Kläger ein Weihnachtsgeld von 1.000,00, 1.100,00 und 1.400,00 DM. In dieser Zeit entschied der Geschäftsführer der Beklagten jährlich nach Gutdünken individuell über die Höhe des Weihnachtsgeldes. Erst kurzzeitig beschäftigte Arbeitnehmer erhielten kein oder ein nur geringes Weihnachtsgeld.

Seit dem Jahre 1978 gewährte die Beklagte den Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld auf der Basis von 160 Bruttostundenlöhnen, nach der Arbeitszeitverkürzung im Jahre 1991 auf der Basis von 156 Bruttostundenlöhnen. Die Verdienstabrechnungen der Auszahlungsmonate November 1978 und Dezember 1979 enthielten den Hinweis “die Zahlung des Weihnachtsgeldes erfolgt freiwillig und begründet keinen Rechtsanspruch”. Seit dem Jahre 1980 lautet auf den Dezember – Abrechnungen der Hinweis “auf Weihnachtsgeld, Prämien und Tantiemen besteht kein Rechtsanspruch”. Dieser Vorbehalt erschien ab dem Jahre 1984 auf jeder Monatsabrechnung. Die Beklagte hat im Jahre 1992 das Weihnachtsgeld um 25 % gekürzt und für das Jahr 1993 kein Weihnachtsgeld gewährt.

Der Kläger hat daher von der Beklagten für das Jahr 1992 Zahlung restlichen Weihnachtsgeldes in Höhe von 998,40 DM brutto sowie für das Jahr 1993 in Höhe von 3.993,60 DM brutto verlangt.

Der Kläger ist der Ansicht, durch die dreimalige vorbehaltlose Zahlung des Weihnachtsgeldes in den Jahren 1975 bis 1977 sei eine betriebliche Übung auf zukünftige Gewährung des Weichnachtsgeldes entstanden. Aus dem Aufdruck auf den Gehaltsabrechnungen ab dem Jahre 1980 sei nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen gewesen, daß die Leistung unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolge.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.992,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation für die Jahre 1992 und 1993 zu. Eine betriebliche Übung auf fortdauernde Gewährung des Weihnachtsgeldes sei durch die vorbehaltlose dreijährige Zahlung in den Jahren 1975 bis 1977 nicht entstanden, weil der Geschäftsführer der Beklagten das Weihnachtsgeld nach Gutdünken in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe gezahlt habe. Damit sei den Arbeitnehmern der Wille des Beklagten erkennbar gewesen, in jedem Jahr neu über die Zuwendung zu entscheiden. Aber selbst wenn in dieser Zeit ein Anspruch auf Weihnachtsgeld entstanden wäre, wäre dieser durch konkludente Vereinbarung im Jahre 1978 dahin geändert worden, daß zukünftig die Zahlung des Weihnachtsgeldes in Höhe eines Bruttogehaltes unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolge.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

II. Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat aus dem Gesichtspunkt betrieblicher Übung keinen Anspruch auf das geltend gemachte Weihnachtsgeld für die Jahre 1992 und 1993.

1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Bei der Anspruchsentstehung ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers entscheidend, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mußte. Will der Arbeitgeber verhindern, daß aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muß er unmißverständlich einen Vorbehalt erklären. Dabei steht die Form des Vorbehalts dem Arbeitgeber frei (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteile vom 12. Januar 1994 – 5 AZR 41/93 – AP Nr. 43 zu § 242 BGB Betriebliche Übung und vom 6. September 1994 – 9 AZR 672/92 – AP Nr. 45 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Ob aus einem wiederholten tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers eine betriebliche Übung mit Anspruch der Arbeitnehmer auf eine zukünftige Gewährung entsteht oder ob aus dem Verhalten des Arbeitgebers nur eine Entscheidung für das jeweilige Jahr abzuleiten ist, hat der Tatsachenrichter zu ermitteln (BAGE 22, 429 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 12. Januar 1994, AP, aaO).

2. Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, der Kläger habe aus der Gewährung des Weihnachtsgeldes in den Jahren 1975 bis 1992 nicht schließen können, daß die Beklagte sich auch für die Zukunft verpflichtet habe, diese Zuwendungen vorbehaltlos und damit auch für die Jahre 1992 und 1993 in voller Höhe der bisherigen Zuwendungen zu gewähren.

a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger aus dem dreimaligen vorbehaltlosen Erhalt des Weihnachtsgeldes in den Jahren 1975 bis 1977 keinen Anspruch auf Gewährung eines Weihnachtsgeldes für die Zukunft und damit für die Jahre 1992 und 1993 aus einer betrieblichen Übung herleiten kann. Eine dahingehende betriebliche Übung war in diesem Zeitraum nicht entstanden. Die dreimalige Zahlung von Weihnachtsgeld kann zwar grundsätzlich zu einem Anspruch aus betrieblicher Übung führen (BAG Urteil vom 23. April 1963 – 3 AZR 173/62 – AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation), doch gilt dies dann nicht, wenn aus dem Verhalten des Beklagten nur eine Zahlung für das jeweilige Jahr abzuleiten ist. Dies aber hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei aus dem Verhalten des Beklagten geschlossen. Das Landesarbeitsgericht hat für die Revisionsinstanz bindend festgestellt, daß der Geschäftsführer der Beklagten das Weihnachtsgeld “nach Gutdünken” in jährlich unterschiedlicher Höhe gezahlt hat. Von einem solchen “Gutdünken” ist auch der Kläger ausgegangen. Damit fehlt es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen. Die unterschiedliche Höhe des Weihnachtsgeldes zeigt – für den Kläger erkennbar – den Willen der Beklagten, in jedem Jahr neu über die Zuwendung zu entscheiden. In den Jahren 1975 bis 1977 hat damit die Beklagte für den Kläger erkennbar klargestellt, daß das Weihnachtsgeld jeweils nur für das betreffende Jahr gilt. Dies schließt das Entstehen einer betrieblichen Übung auf die zukünftige Gewährung von Weihnachtsgeld aus.

b) Die dagegen gerichtete Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß die Höhe der Zahlungen von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig gewesen sei und soweit dieser Sachverhalt unklar gewesen sei, habe es die dazu angebotenen Beweise erheben müssen, ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Sachverhalt berücksichtigt, jedoch aus der unterschiedlichen, an keinem erkennbaren System orientierten Höhe der Zahlung geschlossen, daß das Weihnachtsgeld nur das jeweilige Jahr gewährt wurde. Diese Auslegung des Verhaltens der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu BAG Urteil vom 25. April 1991 – 6 AZR 183/90 – BAGE 68, 41 = AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, zu III der Gründe).

3. Für den Zeitraum ab dem Jahre 1978 hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, daß eine betriebliche Übung auf Gewährung des Weihnachtsgeldes auf der Basis von 160 bzw. ab dem Jahre 1991 auf der Basis von 156 Bruttostundenlöhnen nicht entstanden ist. Das Landesarbeitsgericht hat dazu bindend festgestellt, daß die Zahlung ab dem Jahr 1978 jedes Jahr jeweils nur unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt worden ist. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt hat zum Inhalt, daß der Arbeitgeber sich für die Zukunft die Entscheidung darüber vorbehält, ob und unter welchen Voraussetzungen er an welche Arbeitnehmer im darauffolgenden Jahr in welcher Höhe ein Weihnachtsgeld zahlen will (vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Da der Beklagte ab dem Jahr 1978 die Verdienstabrechnungen in dem Monat, in dem das Weihnachtsgeld ausgezahlt worden ist, mit dem Hinweis versehen hat, daß die Zahlung des Weihnachtsgeldes freiwillig erfolgt und keinen Rechtsanspruch begründet, konnte er das Weihnachtsgeld für das Jahr 1992 im geschehenen Umfang kürzen bzw. es für das Jahr 1993 völlig entfallen lassen.

Entgegen der Ansicht der Revision hat sich an dieser Rechtslage auch dadurch nichts geändert, daß die Beklagte ab dem Jahre 1980 in den monatlichen Verdienstabrechnungen nur noch erklärt hat, auf das Weihnachtsgeld bestehe “kein Rechtsanspruch”. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 26. Juni 1975 – 5 AZR 412/74 – AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation, m.w.N.) werden Ansprüche auf eine Gratifikation für spätere Jahre nicht nur ausgeschlossen, wenn die Zuwendung “unter Vorbehalt der Freiwilligkeit”, sondern auch wie vorliegend “ohne Rechtsanspruch” gewährt wird. Beide Formulierungen beinhalten eindeutig, daß für die Zukunft kein Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation besteht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Jobs, Böck, Schaeff, Großmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 873891

BB 1996, 1387

NJW 1996, 3166

JR 1996, 528

NZA 1996, 758

ZIP 1996, 1099

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