Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellungsanspruch. Strafverfahren. Zurückstellung der Entscheidung über die Bewerbung bis zum Abschluss eines gegen den Bewerber anhängigen Strafverfahrens. Zulässigkeit der Frage nach anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Der Entschluss des öffentlichen Arbeitgebers, die Entscheidung über die endgültige Besetzung der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an einem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht bis zum Abschluss eines gegen den favorisierten Bewerber anhängigen Strafverfahrens wegen falscher Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) zurückzustellen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Aus diesem Verhalten ergeben sich keine Ansprüche des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG.

 

Orientierungssatz

  • Nach Art. 33 Abs. 2 GG kann ein Bewerber um ein öffentliches Amt grundsätzlich nur verlangen, dass seine Bewerbung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung geprüft und nicht nach unzulässigen Kriterien differenziert wird. Ein Einstellungsanspruch ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG nur dann, wenn sämtliche Einstellungsvoraussetzungen in der Person des Bewerbers erfüllt sind und dessen Einstellung die einzig rechtmäßige, ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde ist.
  • Ein öffentlicher Arbeitgeber handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn er die Entscheidung über die Bewerbung auf eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht bis zum Abschluss eines gegen den Bewerber anhängigen Strafverfahrens wegen falscher Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) zurückstellt.
  • Der öffentliche Arbeitgeber ist berechtigt, einen Bewerber um ein öffentliches Amt nach anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren zu befragen, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann.
  • Derartige Zweifel bestehen bei einem Bewerber um die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an einem Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht, gegen den ein Strafverfahren wegen falscher Versicherung an Eides Statt gem. § 156 StGB anhängig ist.
 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; StGB § 156; BZRG § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a, § 53 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 06.07.2004; Aktenzeichen 3 Sa 815/04)

ArbG Berlin (Urteil vom 04.03.2004; Aktenzeichen 96 Ca 435/04)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 6. Juli 2004 – 3 Sa 815/04 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten – nach Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch die Klägerin – darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag abzuschließen.

Die Klägerin absolviert den juristischen Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendarin. Nachdem sie in der Vergangenheit mehrfach als Lehrbeauftragte und Korrekturassistentin an der juristischen Fakultät der Beklagten tätig war, bewarb sich die Klägerin auf eine zum 1. November 2003 ausgeschriebene Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 25 vH der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters. Am 28. Oktober 2003 fand mit dem Lehrstuhlinhaber, Prof. Dr. H…, ein Bewerbungsgespräch statt, auf Grund dessen dieser der Klägerin am 30. Oktober 2003 mitteilte, dass er an ihrer Einstellung interessiert sei.

Am 5. November 2003 wurde der Klägerin ein Strafbefehl wegen falscher Versicherung an Eides Statt zugestellt, die die Klägerin im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht Berlin abgegeben haben soll. Gegen die Klägerin wurde eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 40,00 Euro festgesetzt. Die Klägerin legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein. Termin zur Hauptverhandlung wurde auf 13. August 2004 anberaumt.

Die Abteilung für Personal und Personalentwicklung der Beklagten teilte der Klägerin mit Schreiben vom 17. November 2003 ua. mit:

“Ihre Einstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin

Sehr geehrte Frau S…,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass uns ein Antrag auf Einstellung für Sie vorliegt.

Um Ihre Einstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin vorbereiten zu können, bitten wir um Übersendung oder um Überreichung der in der beiliegenden Liste aufgeführten Unterlagen in einer unserer unten angegebenen Sprechstunden. Die unsererseits benötigten Vordrucke sind beigefügt.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Einstellung unter dem Vorbehalt

– der Zustimmung des Personalrates,

– der Vorlage der Nebentätigkeitsgenehmigung steht und

durch dieses Schreiben keine Beschäftigungszusage ausgesprochen und dementsprechend kein Anspruch auf Vergütung begründet wird. Die Erbringung von Arbeitsleistungen bedarf in jedem Fall der vorhergehenden, ausschließlich von der zuständigen Sachbearbeiterin der Personalstelle III A 2 auszusprechenden Gestattung der Arbeitsaufnahme.

Das Arbeitsverhältnis wird erst nach Abschluss des Arbeitsvertrages zustande kommen!

…”

Dem Schreiben lag ua. ein Vordruck zur Mitteilung anhängiger Verfahren/Verurteilungen bei. Das beigefügte Merkblatt enthielt keine Belehrung darüber, in welchen Fällen Angaben erforderlich waren. Auf Anfrage der Klägerin wurde ihr von einer Mitarbeiterin der Personalstelle mitgeteilt, alle mit der im öffentlichen Dienst angestrebten Tätigkeit im Zusammenhang stehenden Verfahren müssten angegeben werden. Daraufhin gab die Klägerin in dem Vordruck das anhängige Strafverfahren bekannt. Die Beklagte teilte der Klägerin am 27. November 2003 mündlich und mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 mit, dass das Einstellungsverfahren wegen des schwebenden Strafverfahrens zunächst nicht weiterbetrieben und erst weiter bearbeitet werde, wenn die Klägerin durch eine Entscheidung in dem Strafverfahren entlastet sei. Um die Stelle nicht unbesetzt zu lassen, stockte die Beklagte den Arbeitsvertrag eines anderen wissenschaftlichen Mitarbeiters, der ebenfalls mit einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten tätig war, im Umfang eines weiteren Viertels auf, und zwar auflösend bedingt durch die Einstellung der Klägerin.

Mit der am 7. Januar 2004 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage hat die Klägerin von der Beklagten den Abschluss eines Arbeitsvertrags verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, aus dem Schreiben vom 17. November 2003 ergebe sich zwar nicht unmittelbar eine Einstellungszusage. Die Beklagte habe sich aber selbst dahingehend gebunden, sie einzustellen, wenn alle Voraussetzungen dazu vorlägen. Das sei der Fall gewesen. Wegen des anhängigen Strafverfahrens habe die Beklagte die Einstellung nicht ablehnen dürfen. Die Frage nach dem Ermittlungsverfahren sei unzulässig gewesen. Deshalb habe die Beklagte aus der wahrheitsgemäßen Angabe der Klägerin keine Vorteile erlangen dürfen. Sie habe die Angaben daher nicht verwerten und die Einstellung davon nicht abhängig machen dürfen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Klägerin ein Angebot auf Abschluss eines Anstellungsvertrags als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Viertel-Stelle) an der Humboldt-Universität zu Berlin an der juristischen Fakultät, Institut für Kriminalwissenschaften – Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht – abzugeben.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, nachdem die Klägerin zusätzlich hilfsweise beantragt hatte, die Beklagte zu verurteilen, über ihren Antrag auf Einstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Viertel-Stelle) an der Humboldt-Universität zu Berlin an der juristischen Fakultät – Institut für Kriminalwissenschaften – Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Nach Verkündung des Berufungsurteils wurde das Strafverfahren gegen die Klägerin in der Hauptverhandlung am 13. August 2004 nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Daraufhin schlossen die Parteien mit Wirkung vom 17. September 2004 einen Arbeitsvertrag ab. In der Revision hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hilfsweise verfolgt sie ihre zuletzt gestellten Sachanträge weiter. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sondern beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der in der einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin enthaltene Antrag festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hat keinen Erfolg, da die Klage bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses unbegründet war. Die in der Revision hilfsweise gestellten bisherigen Sachanträge sind ebenfalls unbegründet.

I. Der Rechtsstreit ist nicht durch den Abschluss des Arbeitsvertrags mit Wirkung vom 17. September 2004 in der Hauptsache erledigt.

Die einseitige Erklärung der Erledigung der Hauptsache enthält den Antrag festzustellen, dass die zulässige und begründete Klage erst durch das erledigende Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. War die Klage hingegen vor Eintritt des erledigenden Ereignisses unzulässig oder unbegründet, ist sie abzuweisen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 11. August 1998 – 9 AZR 155/97 – BAGE 89, 300 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 45 = EzA GG Art. 33 Nr. 19, zu A der Gründe mwN). Die Erledigungserklärung ist als Prozesshandlung auch noch in der Revisionsinstanz zulässig, wenn das erledigende Ereignis unstreitig ist.

Durch den unstreitig erfolgten Abschluss des Arbeitsvertrags mit Wirkung vom 17. September 2004 hat sich das auf einen derartigen Vertragsschluss gerichtete Klagebegehren – einschließlich des Hilfsantrags – zwar erledigt. Die Klage war jedoch bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag zulässig und begründet, sondern unbegründet.

1. Der als Antrag auf Annahme des in der Klage liegenden Angebots der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags auszulegende Hauptantrag (vgl. dazu BAG 19. Februar 2003 – 7 AZR 67/02 – BAGE 105, 161 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 2, zu III 1 der Gründe) war nicht begründet. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags.

a) Der geltend gemachte Anspruch ergab sich nicht aus einer Einstellungszusage der Beklagten. Die Beklagte hat sich mit dem Schreiben der Abteilung für Personal und Personalentwicklung vom 17. November 2003 nicht verpflichtet, mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar die ihm als Gericht der Tatsacheninstanz obliegende Auslegung der in dem Schreiben enthaltenen Erklärungen insoweit nicht vorgenommen. Der Senat konnte die Erklärungen jedoch selbst auslegen, da die dazu erforderlichen Tatsachen feststehen und weiterer Sachvortrag der Parteien dazu nicht zu erwarten ist (st. Rspr., vgl. etwa BAG 28. Februar 1991 – 8 AZR 89/90 – BAGE 67, 279 = AP ZPO § 550 Nr. 21 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 11, zu 2b bb der Gründe mwN).

Das Schreiben enthält neben der Aufforderung, zur Vorbereitung der Einstellung verschiedene Unterlagen einzureichen sowie Erklärungen über anhängige Verfahren, Verurteilungen und die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit abzugeben, den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Einstellung unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Personalrats und der Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung stehe, dass durch dieses Schreiben keine Beschäftigungszusage erteilt werde und dass das Arbeitsverhältnis erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags zustande komme. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass auf Grund des Schreibens keine rechtliche Verpflichtung seitens der Beklagten begründet werden sollte.

b) Die Beklagte war nicht nach Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet, mit der Klägerin vor Abschluss des anhängigen Strafverfahrens einen Arbeitsvertrag abzuschließen.

aa) Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die mit Arbeitnehmern besetzt werden können (BAG 28. Mai 2002 – 9 AZR 751/00 – BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = EzA GG Art. 33 Nr. 23, zu II 1 der Gründe). Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann grundsätzlich nur verlangen, dass seine Bewerbung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung geprüft und nicht nach unzulässigen Kriterien differenziert wird (BAG 9. November 1994 – 7 AZR 19/94 – BAGE 78, 244 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 33 = EzA GG Art. 33 Nr. 15, zu I 1 der Gründe). Verstößt der öffentliche Arbeitgeber bei seiner Entscheidung über die Bewerbung gegen diese Verpflichtung, kann der zu Unrecht übergangene Bewerber verlangen, dass seine Bewerbung neu beurteilt wird (st. Rspr., vgl. etwa BAG 11. August 1998 – 9 AZR 155/97 – BAGE 89, 300 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 45 = EzA GG Art. 33 Nr. 19, zu B II 1a der Gründe mwN). Ein Einstellungsanspruch ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG nur dann, wenn sämtliche Einstellungsvoraussetzungen in der Person des Bewerbers erfüllt sind und dessen Einstellung die einzig rechtmäßige Entscheidung der Behörde ist, weil sich jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 9. November 1994 – 7 AZR 19/94 – aaO, zu I 1 der Gründe mwN; 21. Januar 2003 – 9 AZR 307/02 – BAGE 104, 264 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 60 = EzA GG Art. 33 Nr. 26, zu A II 1 der Gründe; 19. Februar 2003 – 7 AZR 67/02 – BAGE 105, 161 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 2, zu III 2a der Gründe). Ein Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG setzt voraus, dass es ein öffentliches Amt gibt, das noch nicht besetzt ist. Ist die mit dem Amt verbundene Stelle anderweitig vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt werden. In diesem Fall ist der Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG erschöpft (BAG 28. Mai 2002 – 9 AZR 751/00 – aaO, zu II 2a der Gründe).

bb) Hiernach stand der Klägerin vor der Beendigung des gegen sie anhängigen Strafverfahrens kein Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu, weil ihre Eignung für die in Aussicht genommene Tätigkeit noch nicht feststand.

Der Anspruch scheiterte zwar nicht daran, dass die Beklagte die Stelle zwischenzeitlich durch entsprechende Erhöhung der Arbeitszeit eines anderen wissenschaftlichen Mitarbeiters anderweitig besetzt hatte. Denn die Erhöhung der Arbeitszeit des anderen wissenschaftlichen Mitarbeiters erfolgte unter der auflösenden Bedingung der Einstellung der Klägerin. Die zu vergebende Stelle wäre daher bei Abschluss eines Arbeitsvertrags mit der Klägerin und deren Beschäftigung ohne Weiteres wieder frei geworden. Zu einer Doppelbesetzung der Stelle konnte es auf Grund der mit dem anderen wissenschaftlichen Mitarbeiter gewählten Vertragsgestaltung nicht kommen.

Dem Anspruch der Klägerin stand jedoch entgegen, dass die Beklagte bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen die Klägerin anhängigen Strafverfahrens keine abschließende Entscheidung über die endgültige Besetzung der Stelle treffen musste. Die Beklagte hatte die Bewerbung der Klägerin nicht abschlägig beschieden, sondern die Entscheidung hierüber bis zum Abschluss des gegen sie anhängigen Strafverfahrens zurückgestellt. Das war von der Klägerin hinzunehmen. Ebenso wie es im Einzelfall rechtsmäßig sein kann, dass der öffentliche Arbeitgeber angesichts des Ergebnisses eines Auswahlverfahrens aus sachlichen Gründen die Stelle nicht besetzt, sondern ein neues Auswahlverfahren einleitet oder auf eine Stellenbesetzung ganz verzichtet (vgl. dazu BVerwG 25. April 1996 – 2 C 21.95 – BVerwGE 101, 112; 22. Juli 1999 – 2 C 14.98 – ZTR 1999, 576; von Münch/Kunig GG 5. Aufl. Art. 33 Rn. 33), kann es ermessensfehlerfrei sein, die endgültige Entscheidung über die Besetzung der Stelle zurückzustellen, sofern hierfür sachliche Gründe vorliegen. So verhält es sich im Streitfall. Der Entschluss der Beklagten, die endgültige Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin bis zum Abschluss des gegen sie anhängigen Strafverfahrens zurückzustellen, beruhte auf sachlichen Gründen und war daher ermessensfehlerfrei. Die Beklagte hatte weder in rechtswidriger Weise Kenntnis von dem anhängigen Strafverfahren erlangt, noch war sie aus sonstigen Gründen gehindert, das noch nicht abgeschlossene Strafverfahren in ihren Entscheidungsprozess einzubeziehen.

(1) Die Beklagte hatte ein anerkennenswertes Interesse daran, die Klägerin vor Abschluss des gegen sie anhängigen Strafverfahrens wegen falscher Versicherung an Eides Statt nicht als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht zu beschäftigen. Deshalb war die Beklagte auch berechtigt, die Klägerin vor der Einstellung nach dem anhängigen Strafverfahren zu befragen.

Die Einstellung von Bewerbern um ein öffentliches Amt ist nach Art. 33 Abs. 2 GG von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung abhängig. Geeignet iSv. Art. 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehören die Fähigkeit und innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (BAG 20. Mai 1999 – 2 AZR 320/98 – BAGE 91, 349 = AP BGB § 123 Nr. 50 = EzA BGB § 123 Nr. 52, zu B I 1b aa der Gründe mwN). Der öffentliche Arbeitgeber darf einen Bewerber um ein öffentliches Amt bei der Einstellung nicht nur nach Vorstrafen befragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert, sondern auch nach anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren, sofern daran ein berechtigtes Interesse besteht. Dies ist der Fall, wenn auch ein Ermittlungsverfahren oder ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann (vgl. zur Frage nach Ermittlungsverfahren: BAG 20. Mai 1999 – 2 AZR 320/98 – aaO, zu B I 1b cc der Gründe). Dem steht die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung nicht entgegen. Diese bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat. Daraus ergibt sich nicht, dass aus einem Ermittlungsverfahren oder einem anhängigen Strafverfahren für den Beschuldigten überhaupt keine Nachteile entstehen dürfen (BAG 20. Mai 1999 – 2 AZR 320/98 – aaO, zu B I 1b cc der Gründe).

Nach diesen Grundsätzen bestand ein berechtigtes Interesse der Beklagten, von dem anhängigen Strafverfahren gegen die Klägerin Kenntnis zu erlangen. Der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides Statt gemäß § 156 StGB war geeignet, Zweifel an der Eignung der Klägerin für die Tätigkeit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht zu begründen. Zu deren Aufgaben gehören nicht nur Tätigkeiten in der Forschung, sondern auch in der Lehre auf dem Gebiet des Strafrechts und Strafprozessrechts. Von einem Lehrenden insbesondere auf diesen Rechtsgebieten darf erwartet werden, dass er sich selbst an rechtsstaatliche Regeln hält, um die Lehrinhalte glaubwürdig vermitteln zu können. Daran bestehen bei einem Lehrenden, der sich möglicherweise einer falschen Versicherung an Eides Statt schuldig gemacht hat, erhebliche Zweifel. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Straftatbestand des § 156 StGB, ebenso wie die übrigen in §§ 153 ff. StGB geregelten Aussagedelikte, die staatliche Rechtspflege schützt, die durch falsche Aussagen gefährdet wird (vgl. etwa Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. Rn. 1 vor § 153; Schönke/Schröder/Lenckner StGB 26. Aufl. Rn. 2 vor § 153; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. Rn. 1 vor § 153). Eine Person, die möglicherweise die Rechtspflege auf diese Weise beeinträchtigt hat, ist nicht ohne weiteres geeignet, rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere im Bereich des Strafrechts und Strafprozessrechts, glaubwürdig zu vermitteln.

(2) Da die Frage nach dem Ermittlungsverfahren zulässig war, war die Klägerin verpflichtet, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Dem steht § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG nicht entgegen.

Nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG sind Verurteilungen zu Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen. Nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf sich ein Verurteilter als unbestraft bezeichnen und braucht den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen ist. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschriften auch für das Fragerecht des Arbeitgebers und die Pflicht des Arbeitnehmers zur wahrheitsgemäßen Beantwortung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen oder deren Anbahnung gelten. Denn im Streitfall ging es nicht um die Bekanntgabe einer Vorstrafe, sondern eines anhängigen Strafverfahrens. Ob und in welcher Höhe eine Strafe rechtskräftig gegen die Klägerin verhängt werden würde, war zum damaligen Zeitpunkt ungewiss. In dem der Klägerin zugestellten Strafbefehl war zwar lediglich eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen festgesetzt. Nach § 411 Abs. 4 StPO ist jedoch das Gericht an den im Strafbefehl enthaltenen Ausspruch nicht gebunden, soweit Einspruch eingelegt ist. Da eine falsche Versicherung an Eides Statt nach § 156 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, war nicht auszuschließen, dass die Hauptverhandlung zu einer Verurteilung von mehr als 90 Tagessätzen führen konnte.

(3) Die Beklagte war daher berechtigt, das ihr zur Kenntnis gelangte Strafverfahrens in ihren Entscheidungsprozess über die Einstellung der Klägerin einzubeziehen und die endgültige Entscheidung hierüber bis zum Abschluss des gegen die Klägerin anhängigen Strafverfahrens zurückzustellen. Diese Entscheidung der Beklagten beruhte auf sachlichen Gründen und war somit nicht ermessensfehlerhaft. Über die Frage, ob die endgültige Ablehnung der Einstellung der Klägerin wegen des anhängigen Strafverfahrens rechtmäßig gewesen wäre, hatte der Senat nicht zu befinden.

2. Der auf erneute Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin gerichtete Hilfsantrag war ebenfalls unbegründet, da die Beklagte nicht verpflichtet war, vor Abschluss des gegen die Klägerin anhängigen Strafverfahrens endgültig über ihre Bewerbung zu entscheiden.

II. Soweit die Klägerin die in zweiter Instanz gestellten Sachanträge (Haupt- und Hilfsantrag) in der Revision hilfsweise weiterverfolgt, sind die Anträge unbegründet, da die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche durch Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Klägerin mit Wirkung vom 17. September 2004 erfüllt hat (§ 362 Abs. 1 BGB).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Koch, Kley, Seiler

 

Fundstellen

BAGE 2007, 296

NJW 2006, 252

FA 2006, 19

NZA 2005, 1243

ZTR 2006, 41

AP, 0

EzA-SD 2005, 6

EzA

MDR 2006, 212

RiA 2006, 201

AUR 2005, 424

SPA 2006, 6

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