Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtszuwendung-krankheitsbedingte Fehlzeit

 

Leitsatz (amtlich)

Krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die kein Anspruch auf Entgelt besteht, können bei der Bemessung einer Weihnachtsgratifikation anspruchsmindernd auch dann berücksichtigt werden, wenn die Krankheit in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft steht.

 

Normenkette

BGB § 611; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Abschn. XIV Buchst. e)

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 12.01.1993; Aktenzeichen 9 Sa 803/92)

ArbG Aachen (Urteil vom 05.08.1992; Aktenzeichen 2 Ca 2658/91)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Januar 1993 – 9 Sa 803/92 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Weihnachtszuwendung für das Jahr 1991.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem 20. Juni 1989 als Mitarbeiterin in der Verwaltung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.

Die Klägerin war seit Mai 1991 schwanger. Voraussichtlicher Entbindungstermin war der 16. Februar 1992. Seit dem 17. Juni 1991 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Sie erhielt bis zum 28. Juli 1991 ihre laufende Vergütung und für weitere drei Wochen einen Zuschuß zum Krankengeld von der Beklagten. Im November 1991 zahlte die Beklagte der Klägerin eine Weihnachtszuwendung i.H.v. 8/12 der vollen Zuwendung.

Die Anlage 1 zu den AVR (Vergütungsordnung) bestimmt insoweit:

  • “XIV Weihnachtszuwendung

    • Der Mitarbeiter erhält beim Vorliegen der nachstehenden Voraussetzungen in jedem Kalenderjahr eine Weihnachtszuwendung.
    • Die Weihnachtszuwendung beträgt – unbeschadet des Abs. (f) – 100 v.H. der dem Mitarbeiter nach § 2 der Anlage 14 zu den AVR während des Erholungsurlaubs zustehenden Bezüge, die diesem zugestanden hätten, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte. …
    • Mitarbeiter, die im laufenden Kalenderjahr nicht für alle Kalendermonate einen Anspruch auf Bezüge aus einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche hatten, erhalten eine gekürzte Weihnachtszuwendung. Sie beträgt für jeden Kalendermonat, für den der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr Anspruch auf Bezüge aus einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche besaß, 1/12 der Weihnachtszuwendung gemäß Abs. (e).

      Die Weihnachtszuwendung ist von dem Dienstgeber zu zahlen, bei dem der Mitarbeiter im Monat Dezember des laufenden Kalenderjahres im Dienstverhältnis steht.

      Kalendermonate, in denen der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr keine Dienstbezüge wegen Nichtbeschäftigung erhalten hat, bleiben für die Bemessung der Weihnachtszuwendung außer Anrechnung. Das gilt jedoch nicht für Kalendermonate, für die einem Mitarbeiter Krankenbezüge nach Abschnitt XII der Anlage 1 zu den AVR, Mutterschaftsgeld nach § 13 Mutterschutzgesetz oder Erziehungsurlaub nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bis zur Vollendung des zwölften Lebensmonats des Kindes gewährt wurden. …”

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe ein Anspruch auf die volle Weihnachtszuwendung für das Jahr 1991 zu. Die Regelung in den AVR, die eine Kürzung der Weihnachtszuwendung bei krankheitsbedingten Fehlzeiten vorsehe, für die keine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Krankenbezügen bestehe, sei rechtsunwirksam, soweit sie schwangerschaftsbedingte Krankheitszeiten betreffe. Insoweit liege eine Diskriminierung von Frauen, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, gegen Art. 6 GG und gegen Treu und Glauben vor.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.675,29 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.000,00 DM seit dem 1. Dezember 1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Regelung über die Kürzung der Weihnachtszuwendung in den AVR verstoße nicht gegen höherrangiges Recht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, daß der Klägerin ein über 8/12 hinausgehender Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung für das Jahr 1991 nicht zusteht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei nach Abschnitt XIV Buchst. e der Anlage 1 zu den AVR zur Kürzung der Weihnachtszuwendung für die Monate September 1991 bis Dezember 1991 berechtigt gewesen, weil der Klägerin für diese Zeit kein Anspruch auf Bezüge aus dem Dienstverhältnis zugestanden habe. Diese Regelung in den AVR verstoße nicht gegen höherrangiges Recht.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die Beklagte war nach Abschnitt XIV Buchst. e der Anlage 1 zu den AVR zur Kürzung der Weihnachtszuwendung berechtigt. Diese Regelung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Der Klägerin stand für die Monate September bis Dezember 1991 kein Anspruch auf Bezüge zu. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte ihre Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall bis zum 28. Juli 1991 erfüllt und darüber hinaus für weitere drei Wochen den in den AVR vorgesehen Zuschuß zum Krankengeld gezahlt.

Darüber hinaus stand der Klägerin kein Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Insbesondere lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die die Klägerin mit ihrer Revision nicht angegriffen hat, in der Folgezeit die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG, die einen weiteren Vergütungsanspruch der Klägerin hätten begründen können, nicht vor. Als alleinige Ursache für das Fernbleiben der Klägerin von der Arbeit hat das Landesarbeitsgericht nämlich ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und nicht eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit der Klägerin oder des Kindes durch die Fortdauer der Beschäftigung festgestellt.

2. Die Regelung in Abschnitt XIV Buchst. e der Anlage 1 zu den AVR verstößt insoweit nicht gegen höherrangiges Recht, als sie die Kürzung der Weihnachtszuwendung auch für Fehlzeiten vorsieht, für die eine Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle nicht mehr besteht und in denen die Arbeitsunfähigkeit durch eine Schwangerschaft bedingt ist.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 23. Mai 1984 – 5 AZR 500/81 – AP Nr. 14 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie; Urteil vom 5. August 1992 – 5 AZR 171/91 – AP Nr. 144 zu § 611 BGB Gratifikation) können krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die der Arbeitnehmer kein Entgelt vom Arbeitgeber mehr beanspruchen kann, bei der Bemessung einer Weihnachtsgratifikation anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Dies folgt daraus, daß die Verpflichtung des Arbeitgebers, zur wirtschaftlichen Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfalle beizutragen, durch die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften zeitlich begrenzt ist. Hat der Arbeitgeber seine gesetzliche Verpflichtung oder eine darüber hinausgehende tarifliche oder arbeitsvertraglich begründete Verpflichtung erfüllt und braucht er deshalb für weitere krankheitsbedingte Fehlzeiten kein Entgelt mehr zu zahlen, so besteht auch keine rechtliche Verpflichtung, diese Zeiten bei der Bemessung einer zusätzlichen Leistung wie einer Weihnachtsgratifikation zu berücksichtigen. Der Schutzzweck der gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird insoweit nicht berührt.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält die Regelung in Abschnitt XIV Buchst. e der Anlage 1 zu den AVR, soweit sie auch bei krankheitsbedingten Fehlzeiten eingreift, die in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft stehen, keine mittelbare Diskriminierung von Frauen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts verbieten Art. 119 EWG-Vertrag und die Richtlinie 75/117 EWG auch eine mittelbare Diskriminierung im Entgeltbereich. Eine für Männer und Frauen in gleicher Weise geltende Rechtsnorm enthält dann eine gegen diese Bestimmung verstoßende mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, wenn sie erheblich mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts nachteilig trifft und nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. BAG Urteil vom 24. November 1993 – 10 AZR 704/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung sind vorliegend nicht gegeben. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, kann schon nicht festgestellt werden, daß durch die Kürzungsregelung in Abschnitt XIV Buchst. e der Anlage 1 zu den AVR wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen werden. Insoweit fehlt es auch an jeglichem Sachvortrag der Klägerin. Zwar verweist die Klägerin darauf, daß während der Schwangerschaft ein erhöhtes Krankheitsrisiko besteht. Daraus folgt aber noch nicht, daß sich dieses Risiko auch tatsächlich in einer Weise konkretisiert, daß bei Frauen wesentlich mehr krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die keine Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers mehr besteht, auftreten als bei Männern. Damit fehlt es schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

c) Mit Recht führt das Landesarbeitsgericht auch aus, daß aus den gleichen Gründen ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG bzw. § 611a Abs. 1, § 612 Abs. 3 BGB ausscheidet.

d) Die Regelung in Abschnitt XIV Buchst. e der Anlage 1 zu den AVR verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 4 GG. Danach hat jede Mutter Anspruch auf Schutz und Fürsorge durch die Gemeinschaft. Verfassungsrechtlich ist damit aber nicht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt über die gesetzlichen Vorschriften der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und des Mutterschutzgesetzes hinaus garantiert. Durch diese sowie die ergänzenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ist ein umfassender Schutz der werdenden Mutter gewährleistet. So wird insbesondere durch die Beschäftigungsverbote, die eine Verpflichtung zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 11 MuSchG auslösen, eine wirtschaftliche Sicherung der werdenden Mutter auch dann gewährleistet, wenn die Art der Arbeit zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen könnte. Damit hat der Gesetzgeber den besonderen Umständen, die bei einer Schwangerschaft zum Ausfall des Arbeitsentgeltes führen können, in hohem Maße Rechnung getragen. Liegen diese speziellen Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung jedoch nicht vor, wie vorliegend nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bei der Klägerin, ist eine Regelung, die eine Kürzung einer zusätzlichen Leistung für den Fall vorsieht, daß auch sonst keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung besteht, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Mutterschutzes nicht zu beanstanden. Aus diesem Grunde handelt die Beklagte auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB), wenn sie sich auf diese Regelung beruft.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, H. Lindemann, J. Wingefeld

Richter Böck ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert

Matthes

 

Fundstellen

Haufe-Index 856742

BB 1994, 2418

NZA 1995, 233

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