Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgeberhaftung. Tarifliche Ausschlußfrist

 

Normenkette

TVG § 4 Ausschlußfristen; BAT § 70; RVO § 636

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 23.03.1994; Aktenzeichen 18 Sa 1693/93)

ArbG Wuppertal (Urteil vom 02.09.1993; Aktenzeichen 4 (3) Ca 5115/92)

 

Tenor

Die. Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. März 1994 – 18 Sa 1693/93 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin wegen deren Erkrankung Schadensersatz und Schmerzensgeld zu leisten sowie zukünftigen Schaden zu ersetzen.

Die 1946 geborene Klägerin war seit 1988 in einem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus als medizinisch-technische Assistentin (MTA) im Bereich Röntgen und Labor beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 5. Mai 1988 vereinbarten die Parteien für das Arbeitsverhältnis die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in der jeweils im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland geltenden Fassung.

Im Herbst 1989 erkrankte die Klägerin an einer schweren Lungenentzündung. In einem klinischen Befundbericht vom Oktober 1989 wurde festgestellt, daß bei der Klägerin „eine Abwehrschwäche mit häufig rezidivierenden Infektionen auffällig” sei. In der Folgezeit war die Klägerin wegen ihrer Erkrankung arbeitsunfähig und befand sich zeitweise in stationärer Behandlung. Anfang 1990 beantragte die Klägerin bei der zuständigen Berufsgenossenschaft, ihre Erkrankung, die sie sich im Krankenhaus zugezogen habe, als Berufserkrankung anzuerkennen.

Mit Schreiben vom 25. April 1990 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. Juni 1990. In dem anschließenden Kündigungsschutzprozeß schlossen die Parteien am 6. Juni 1990 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 1990 endete.

Am 15. Januar 1991 erfuhr die Klägerin, daß nach einem von der Bundesanstalt für Arbeit veranlaßten Gutachten „wegen ihrer Neigung zu häufigen und schwer verlaufenden Infektionserkrankungen ihr Einsatz im Krankenhausmilieu bzw. im Milieu einer Arztpraxis nicht mehr möglich sei”. Die Klägerin trat deshalb im Mai 1991 eine vom Arbeitsamt geförderte Umschulung zur Bürokauffrau an.

Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 1. Juli 1991 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie gehe davon aus, daß ihre Erkrankung im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit stehe. Die Beklagte habe die Bestimmungen der Röntgenverordnung in erheblichem Umfang nicht beachtet. Die Klägerin behalte sich daher vor, gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Mit einem weiteren Schreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 29. Mai 1992 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Erstattung des Zukunftsschadens geltend, weil sie durch ein Fehlverhalten der Beklagten eine Krankheit erlitten habe, die sie daran hindere, weiterhin ihren Beruf auszuüben. Die Forderung der Klägerin, die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anzuerkennen, lehnte die Beklagte ab.

Mit der am 1. Dezember 1992 erhobenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihre schwere Erkrankung sei darauf zurückzuführen, daß die Beklagte in erheblichem Maße gegen ihre Fürsorgepflicht verstoßen habe. Da sie – die Klägerin – bei ihrer Einstellung auf ihre frühere TBC-Erkrankung hingewiesen habe, hätte die Beklagte sie gar nicht in der Röntgenabteilung beschäftigen dürfen. Die Beklagte habe sie weder vor der Einstellung noch während der Beschäftigung in der Röntgenabteilung ordnungsgemäß nach den Bestimmungen der Röntgenverordnung auf ihre gesundheitliche Tauglichkeit untersucht. Auch habe der Zustand der Röntgenabteilung nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen. Im übrigen habe die Beklagte die tarifvertraglichen Bestimmungen über Wochenend- und Bereitschaftsdienste mißachtet. Der Gesamtsachverhalt habe dazu geführt, daß die Klägerin eine Immunschwäche erlitten habe, aufgrund derer sie nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten könne.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 141.356,66 DM brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 50.924,99 DM nebst 4 % Zinsen aus 133.149,10 DM brutto abzüglich vom Arbeitsamt gezahlter 50.924,99 DM seit dem 1. Dezember 1992 sowie 4 % Zinsen aus 8.162,56 DM brutto seit dem 16. August 1993 zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.943,52 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 12.686,90 DM seit dem 1. Dezember 1992 und 4 % Zinsen aus 1.256,62 DM seit dem 16. August 1993 zu zahlen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1992 zu zahlen;
  4. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr den gesamten materiellen und immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen, der seine Ursache darin habe, daß die Beklagte während des mit der Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 30. Juni 1990 bestandenen Arbeitsverhältnisses die ihr gegenüber der Klägerin betreffenden Pflichten, insbesondere Schutz- und Fürsorgepflichten, verletzt habe, so insbesondere die Nichteinhaltung der sich aus der Röntgenverordnung und dem Bundes-Angestelltentarifvertrag ergebenden Pflichten, was zur Folge gehabt habe, daß die Klägerin erkrankte und infolge der Erkrankung ihren Arbeitsplatz als medizinisch-technische Assistentin nicht mehr habe ausüben können, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin könne sich den Erreger, der für ihren Gesundheitszustand ursächlich sei, auch außerhalb des Krankenhauses zugezogen haben. Die Beklagte habe weder die Röntgenverordnung, Betriebshygienevorschriften oder ähnliche Vorschriften mißachtet noch die Klägerin zu häufigen Wochenenddiensten gezwungen. Eine Thorax-Untersuchung habe die Klägerin abgelehnt und erklärt, ihre frühere TBC-Erkrankung habe auf ihre Arbeitsleistung keinen Einfluß. Im übrigen seien etwaige Ansprüche der Klägerin verjährt bzw. verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Einem Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld stehe bereits der Haftungsausschluß nach § 636 RVO entgegen. Folge man dem klägerischen Vorbringen, so sei die Erkrankung der Klägerin darauf zurückzuführen, daß notwendige Untersuchungen nicht durchgeführt und die Schutzvorschriften in der Röntgenabteilung nicht ordnungsgemäß eingehalten worden seien. Damit handele es sich bei der Erkrankung der Klägerin um Personenschäden, die durch die betriebliche Tätigkeit der Klägerin verursacht worden seien und die der Unfallversicherung gemäß § 636 RVO unterlägen. Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Krankheit der Klägerin um eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO handele, für die nach § 551 Abs. 3 Satz 1 RVO die für Arbeitsunfälle geltenden Vorschriften zur Anwendung kämen, oder ob die Untersuchungen und Kontrollen aufgrund der Arbeitsschutzvorschriften durchzuführen gewesen wären und der Schaden nach § 539 Nr. 11 RVO der Unfallversicherung und damit dem Haftungsausschluß unterliege. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß die Beklagte vorsätzlich die Erkrankung der Klägerin herbeigeführt habe. Eine bloße vorsätzliche Mißachtung von Schutz- und Unfallverhütungsvorschriften durch den Arbeitgeber genüge nicht, um seine Haftung gemäß § 636 RVO zu begründen.

Im übrigen sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gemäß § 70 BAT verfallen. Die Klägerin habe ihre Ansprüche nicht innerhalb von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht. Sie habe spätestens am 15. Januar 1991 Kenntnis von dem Sachverhalt erhalten, der nach ihrer Auffassung Schadensersatzansprüche begründete. Bis zum 15. Juli 1991 sei keine schriftliche Geltendmachung ihrer Ansprüche erfolgt. Die Mitteilung im Schreiben vom 1. Juli 1991, daß sie sich Schadensersatzansprüche vorbehalte, reiche nicht aus.

B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

I. Etwaige Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf Ersatz des zukünftigen Schadens sind verfallen, da die Klägerin sie nicht gemäß § 70 BAT rechtzeitig geltend gemacht hat.

Nach § 70 Abs. 1 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend werden. Gemäß § 70 Abs. 2 BAT reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlußfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche von der Verfallklausel des § 70 BAT erfaßt werden. Als „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” im Sinne dieser Tarifvorschrift sind nicht nur die Ansprüche aus schuldhafter Verletzung des Arbeitsvertrages, sondern auch die auf demselben Sachverhalt beruhenden deliktischen Ansprüche zu verstehen. Wegen des einheitlichen Lebensvorgangs rechnen Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlungen auch dann zu den von einer tariflichen Ausschlußfrist erfaßten Ansprüchen, wenn der Tarifvertrag die Ausschlußfrist ohne weiteren Zusatz für „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” regelt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z.B. BAG Urteil vom 30. September 1970 – 1 AZR 535/69 – AP Nr. 2 zu § 70 BAT; Urteil des Senats vom 26. April 1990 – 0 AZR 153/89 – n. v., m.w.N.).

Auch der Hinweis der Revision, daß es sich im Streitfall bei den Ansprüchen wegen Verletzung der Gesundheit um Ansprüche besonderen Gewichts handele, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es entscheidend darauf an, daß die Gesundheitsverletzung auf die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb (einheitlicher Lebensvorgang) zurückzuführen ist. Folgt man dem klägerischen Vorbringen, so war dies bei der Erkrankung der Klägerin der Fall.

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach Ansprüche aus Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht nach § 70 BAT verfallen. Um solche Ansprüche geht es im Streitfall nicht. Im übrigen weist das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hin, daß Ansprüche aus Verletzung des Persönlichkeitsrechts nur dann nicht der Verfallklausel unterliegen, soweit damit nicht eine Verletzung der vertraglichen Fürsorgepflicht geltend gemacht werde (vgl. BAGE 24, 247, 258 f. = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Öffentlicher Dienst, zu III b aa der Gründe). Letzteres ist bei der Klägerin jedoch der Fall.

Auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach das Recht auf Verschaffung einer Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst nicht der Ausschlußfrist des § 70 BAT unterliege, geht fehlt. Das Stammrecht der betrieblichen Altersversorgung kennt keinen Fälligkeitszeitpunkt, so daß die Ausschlußklausel schon nach ihrem Wortlaut keine Anwendung findet (BAG Urteil vom 15. September 1992 – 3 AZR 438/91 – AP Nr. 39 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu II 3 a der Gründe).

Schließlich ist die Ausschlußklausel des § 70 BAT auch dann nicht ausgeschlossen, wenn man mit der Klägerin von einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten ausgeht. § 70 BAT unterscheidet nicht, ob die den Anspruch begründende Handlung vorsätzlich oder fahrlässig geschehen ist. Der Tarifwortlaut gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß nur bestimmte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis dem Verfall unterliegen sollen. Deshalb werden von der tariflichen Ausschlußfrist auch Ansprüche erfaßt, die auf vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung beruhen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. Urteil des Senats vom 26. April 1990, a.a.O., zu II 2 a der Gründe, m.w.N.).

2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die sechsmonatige Verfallfrist des § 70 BAT jedenfalls am 15. Januar 1991 begonnen hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die etwaigen Ansprüche der Klägerin fällig im Sinne dieser Tarifvorschrift.

Ein Schadensersatzanspruch wird fällig im Sinne des § 70 BAT, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte (BAG Urteil vom 16. Mai 1984 – 7 AZR 143/81 – AP Nr. 85 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin am 15. Januar 1991 den Inhalt des auf Veranlassung der Bundesanstalt für Arbeit erstellten Gutachtens erfahren, wonach sie nicht mehr in ihrem Beruf als MTA im Krankenhaus bzw. in einer Arztpraxis arbeiten könne. Zu diesem Zeitpunkt kannte die Klägerin damit die Folgen der Erkrankung für sich und ihren zukünftigen Berufsweg. Schon 1990 hatte sie ihre Erkrankung auf ihre Beschäftigung im Krankenhaus zurückgeführt und deshalb den Antrag auf Anerkennung als Berufserkrankung gestellt. Ihr war auch der Sachverhalt bekannt, den sie der Beklagten als ursächliches Verhalten für ihre Erkrankung vorwirft. Damit hatte sie spätestens am 15. Januar 1991 Kenntnis von dem Sachverhalt, der nach ihrer Auffassung Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte begründete.

Sie konnte zu diesem Zeitpunkt ihre Forderungen auch ungefähr beziffern. Zur Fälligkeit der Forderungen reichte es aus, daß die Klägerin diese so deutlich bezeichnen konnte, daß die Beklagte erkennen konnte, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe sie in Anspruch genommen werden sollte (vgl. BAG Urteil vom 5. März 1981 – 3 AZR 559/78 – AP Nr. 9 zu § 70 BAT).

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt die Verfallfrist auch für den Anspruch auf Ersatz des Zukunftsschadens. Dieser Anspruch beruht auf demselben Sachverhalt wie die Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Wie § 70 Abs. 2 BAT zeigt, reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs für denselben Sachverhalt auch für später fällig werdende Ansprüche aus. Im übrigen hätte die Klägerin den Anspruch auf Ersatz des Zukunftsschadens auch durch schriftliche Geltendmachung dem Grunde nach sichern können.

3. Die Klägerin hat ihre Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht bis zum Ablauf der sechsmonatigen Verfallfrist am 15. Juli 1991 schriftlich geltend gemacht.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine solche Geltendmachung nicht im Schreiben der Klägerin vom 1. Juli 1991 gesehen. Dort hatte die Klägerin lediglich mitgeteilt, daß sie sich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen „vorbehalte”. Damit hatte die Klägerin sich noch nicht entschieden, ob sie überhaupt die Beklagte haftbar machen wolle. Die Beklagte konnte aus dem Schreiben keine Klarheit über das bevorstehende Verhalten der Klägerin gewinnen. Durch die Geltendmachung der Forderung muß der Schuldner aber in die Lage versetzt werden, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie er seine Verteidigung – möglicherweise auch durch Einholung von Rechtsrat – einrichten will: ob er die Forderung ganz oder teilweise anerkennen oder ob er sie bestreiten will (BAG Urteil vom 5. März 1981 – 3 AZR 559/78 – AP Nr. 9 zu § 70 BAT).

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche nicht in der bereits 1990 von der Klägerin erhobenen Kündigungsschutzklage gesehen werden. Zwar kann in einer Kündigungsschutzklage die schriftliche Geltendmachung von Gehaltsansprüchen liegen, wenn nach den gesamten Umständen der Arbeitgeber die Kündigungsschutzklage dahin verstehen mußte, damit würden auch Gehaltsansprüche geltend gemacht (BAG Urteil vom 21. Juni 1978 – 5 AZR 144/77 – AP Nr. 65 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Der Schadensersatzanspruch, der anders als der Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt, muß im Kündigungsschutzprozeß ausdrücklich genannt werden, wenn eine schriftliche Geltendmachung vorliegen soll. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Somit bleibt als schriftliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche nur das Schreiben der Klägerin vom 29. Mai 1992. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche der Klägerin nach § 70 BAT längst verfallen.

4. Tatsachen dafür, daß die Beklagte sich so verhalten habe, daß ihre Berufung auf die Ausschlußfrist arglistig wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

II. Da etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin verfallen sind, konnte es dahingestellt bleiben, ob die Erkrankung der Klägerin überhaupt durch ein Fehlverhalten der Beklagten hervorgerufen wurde und ob in diesem Fall der Haftungsausschluß nach § 636 RVO eingreift, weil eine Berufserkrankung oder ein Arbeitsunfall ohne vorsätzliche Verursachung durch die Beklagte vorgelegen habe.

C. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Rosendahl, Rödder

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093063

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