Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung des Personalrats vor einer Kündigung nach dem LPVG Rheinland-Pfalz. Einleitung des Verfahrens durch den Leiter des Städtischen Personalamts

 

Leitsatz (amtlich)

Wird das Verfahren zur Beteiligung des Personalrats nicht durch den Dienststellenleiter selbst, sondern durch einen personalvertretungsrechtlich nicht zuständigen Vertreter des Dienststellenleiters eingeleitet, so führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Personalrat den Fehler nicht gerügt, sondern zu der beabsichtigten Kündigung abschließend Stellung genommen hat (Weiterführung der mit Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG eingeleiteten ständigen Senatsrechtsprechung).

 

Normenkette

LPVG Rheinland-Pfalz § 5 Abs. 5, §§ 81-82

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.04.1996; Aktenzeichen 2 Sa 626/95)

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 09.02.1995; Aktenzeichen 6 Ca 26/94 P)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. April 1996 – 2 Sa 626/95 – aufgehoben.
  • Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1. November 1985 bei der Beklagten als technischer Angestellter im Feuerwehrdienst beschäftigt. Bei der Beklagten besteht ein generelles Alkoholverbot während der Dienstzeit.

Wegen Nichteinhaltung des Alkoholverbotes wurde der Kläger mit Schreiben vom 7. August 1992 abgemahnt. Unter Androhung von disziplinarischen Maßnahmen wurde der Kläger gemäß Aktenvermerk vom 19. März 1993 nochmals auf das Alkoholverbot hingewiesen.

Mit Schreiben vom 19. Januar 1994, dem Kläger zugegangen am 20. Januar 1994, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos und sogleich vorsorglich fristgemäß zum 30. Juni 1994 wegen Trunkenheit im Dienst.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei weder fristlos noch fristgerecht wirksam. Schon die Abmahnung sei unberechtigt gewesen. Auch vor der Kündigung am 10. Januar 1994 habe er während der Arbeitszeit keinen Alkohol zu sich genommen. Im übrigen sei der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden; insbesondere hätte die Beteiligung statt durch den Leiter des Personalamtes durch den Oberbürgermeister eingeleitet werden müssen. Bestritten werde auch, daß dem Anhörungsschreiben alle erforderlichen Unterlagen beigefügt gewesen seien. Hinsichtlich der vorsorglichen ordentlichen Kündigung habe die Beklagte zudem das für den Fall des Widerspruchs des Personalrats vorgesehene Beteiligungsverfahren nicht durchgeführt.

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 19. Januar 1994 ausgesprochene fristlose Kündigung nicht beendet worden ist,
  • festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 19. Januar 1994 ausgesprochene vorsorgliche ordentliche Kündigung zum 30. Juni 1994 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger sei am 10. Januar 1994 trotz entsprechender berechtigter Abmahnungen während der Arbeitszeit in stark betrunkenem Zustand angetroffen worden. Dies rechtfertige, so die Auffassung der Beklagten, auch die fristlose Kündigung. Die Personalratsbeteiligung sei ordnungsgemäß erfolgt. Das Schreiben vom 17. Januar 1994 zur Einleitung der Personalratsbeteiligung sei vom Leiter des Personalamtes nach Absprache und im Auftrag des Oberbürgermeisters unterzeichnet worden. Aufgrund einer bestehenden Organisationsverfügung sei der Leiter des Personalamts für die Einleitung des Beteiligungsverfahrens zuständig gewesen. Dem Personalrat seien auch keine maßgeblichen Informationen vorenthalten worden.

Das Arbeitsgericht hat hinsichtlich der fristlosen Kündigung nach dem Klageantrag erkannt und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage uneingeschränkt stattgegeben und die Revision zugelassen.

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage in vollem Umfang.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Wirksamkeit der streitigen fristlosen und vorsorglich fristgerechten Kündigung scheitert entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht an einer fehlerhaften Einleitung der Personalratsbeteiligung (§§ 5 Abs. 5, 82 Personalvertretungsgesetz Rheinland-Pfalz, im folgenden: LPVG).

1. Gemäß § 82 Abs. 1 LPVG wirkt der Personalrat bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitgeber mit und kann Einwendungen erheben. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts handelt es sich dabei nicht um ein “echtes Mitbestimmungsrecht”; dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut, der sich von dem der §§ 73, 74, 78 bis 80 LPVG gerade darin unterscheidet, daß die Beteiligung des Personalrats nicht als “Mitbestimmung” bezeichnet wird (vgl. Helmes/Jacobi/Küssner, PVG für Rheinland-Pfalz, 3. Aufl., § 82 Erl. 1). Bestätigt wird dies durch die Systematik des Gesetzes; Ausnahmen von der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten werden nicht nach, sondern in § 81 LPVG vor der Mitwirkung bei Kündigungen geregelt; demgemäß wird § 81 LPVG in § 82 Abs. 1 Satz 2 LPVG auch lediglich für “entsprechend” anwendbar erklärt. Die §§ 74 f. LPVG sind deshalb auf die Mitwirkung des Personalrats bei Kündigungen nicht anzuwenden (vgl. Helmes/Jacobi/Küssner, aaO; a.A. Felser/Meerkamp/Vohs, LPVG Rheinland-Pfalz, § 82 Rz 1).

Vor außerordentlichen Kündigungen ist der Personalrat gemäß § 82 Abs. 3 LPVG lediglich anzuhören, wobei die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle die beabsichtigte Maßnahme zu begründen hat. Bedenken gegen die Kündigung hat der Personalrat unter Angabe der Gründe unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen.

Gemäß § 82 Abs. 4 LPVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.

2. Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 LPVG handelt für die Dienststelle ihre Leiterin oder ihr Leiter. Dies war vorliegend, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, der Oberbürgermeister der Beklagten (§ 47 Abs. 1 GemO Rheinland-Pfalz). Die Einleitung des Beteiligungsverfahrens oblag deshalb grundsätzlich ihm.

Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 LPVG hätte sich der Oberbürgermeister – entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht nur im Fall seiner Verhinderung (vgl. Helmes/Jacobi/Küssner, aaO, § 5 Erl. 24; Felser/Meerkamp/Vohs, aaO, § 5 Rz 10) – durch seine ständige Vertreterin oder seinen ständigen Vertreter vertreten lassen können. Gemäß § 50 Abs. 2 GemO Rheinland-Pfalz wäre dies allerdings der Erste Beigeordnete (Bürgermeister) gewesen, nicht dagegen der Leiter des Personalamtes, mit dessen Paraphe das einleitende Schreiben vom 17. Januar 1994 versehen war. Dieser konnte auch nicht durch Organisationsverfügung bzw. den Organisationsplan der Beklagten mit der Vertretung des Oberbürgermeisters betraut werden. Zum einen handelte es sich dabei nicht um eine Vertretungsregelung durch eine Dienstvereinbarung im Sinne von § 5 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2, § 76 LPVG, zum anderen wäre gemäß § 5 Abs. 5 Satz 3 LPVG eine Vertretungsregelung mittels Dienstvereinbarung aus den insoweit zutreffenden Gründen des angegriffenen Urteils nur bei obersten Dienstbehörden, den Bezirksregierungen und bei der OFD möglich (vgl. Felser/Meerkamp/Vohs, aaO, § 5 Rz 11; a.A. ohne Begründung Helmes/Jacobi/Küssner, aaO, § 5 Rz 26) und zwar selbst dann nur für den Fall der Verhinderung der Leiterin bzw. des Leiters der Dienststelle; die Beklagte gehört nicht zu den genannten Behörden und für eine Verhinderung des Oberbürgermeisters hat sie nichts vorgetragen.

3. Die Einleitung des Beteiligungsverfahrens durch einen gemäß § 5 Abs. 5 LPVG nicht zugelassenen Vertreter führt jedoch entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit einer anschließenden Kündigung. Die Unwirksamkeitsfolge sieht § 82 Abs. 4 LPVG nur für den Fall der Nichtbeteiligung des Personalrats vor. Nicht jeder Fehler bei der Beteiligung steht einer Nichtbeteiligung des Personalrats gleich.

a) So führt z.B. nach der Rechtsprechung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts eine personalvertretungsrechtlich vorgesehene, jedoch unterbliebene Erörterung der beabsichtigten Kündigung mit dem Personalrat nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Personalrat die Erörterung zumindest konkludent verlangt hatte (vgl. Urteile vom 18. Januar 1996 – 8 AZR 868/93 – n.v., zu II 5 der Gründe und vom 29. August 1996 – 8 AZR 615/93 – n.v., zu V 1 und 2 der Gründe, jeweils m.w.N.); auch nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts kann der Personalrat auf die Erörterung verzichten (vgl. Urteil vom 29. Januar 1986 – 7 AZR 257/84 – AP Nr. 42 zu § 102 BetrVG 1972).

b) Für den Fall, daß das Personalvertretungsrecht eine Vertretung bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens nur bei Verhinderung des Dienststellenleiters vorsieht, hat das Bundesarbeitsgericht seit dem Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 (– 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die fehlende Verhinderung des Dienststellenleiters vom Personalrat gerügt worden sein muß, wenn ein solcher Mangel im Verhältnis zu dem gekündigten Arbeitnehmer beachtlich sein soll (vgl. Urteil vom 18. Januar 1996 – 8 AZR 868/93 – n.v.; Urteile vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 128 und 465/95 – n.v.; Urteil vom 13. Juni 1996 – 2 AZR 402/95 – AP Nr. 1 zu § 67 LPVG Sachsen-Anhalt; Urteil vom 29. August 1996 – 8 AZR 615/93 – n.v.).

c) Für den Fall, daß die Beteiligung des Personalrats von einem Vertreter eingeleitet wurde, der unabhängig von einer Verhinderung des Dienststellenleiters diesen nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht vertreten konnte, gilt nichts anderes. Die gesetzlichen Vertretungsregelungen sollen sicherstellen, daß dem Personalrat nicht ständig wechselnde Verhandlungspartner gegenübertreten, deren (Entscheidungs-)kompetenz fraglich sein könnte. Der Leiter der Dienststelle soll im Interesse des sozialen Friedens veranlaßt werden, sich nicht nur mit den Aufgaben der Dienststelle nach außen, sondern auch mit den internen Problemen seiner Mitarbeiter zu beschäftigen, zumal bei Einschaltung der Behördenspitze möglicherweise raschere und sachgerechtere Lösungen gefunden werden; Personalentscheidungen sollen nicht routinemäßig von einem bloßen Sachbearbeiter erledigt werden (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP, aaO). Den für den Dienststellenleiter handelnden Beauftragten als kompetenten Gesprächspartner zu akzeptieren oder nicht, hat jedoch in jedem Fall der Personalrat in der Hand. Dieser kann den Mangel der Vertretung nicht nur sofort erkennen, sondern ist auch verfahrensrechtlich in der Lage, ihn unverzüglich zu rügen, wenn er dies will. Unterläßt der Personalrat dies und nimmt zu der beabsichtigten Kündigung nur in anderer Hinsicht abschließend Stellung, so verliert er sein Rügerecht und kann den Mangel nicht mehr nachträglich beanstanden (ebenso BVerwG Beschluß vom 26. August 1987 – 6 P 11.86 – BVerwGE 78, 72, 74 ff.). Dieser Mangel ist dann nicht nur im Verhältnis zwischen Dienststelle und Personalrat, sondern auch im Außenverhältnis unbeachtlich und zwar nicht nur in Fällen der Mitbestimmung, sondern auch in denen der Mitwirkung des Personalrats (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP, aaO, m.w.N.).

4. Die Wirksamkeit der streitigen Kündigung scheitert deshalb vorliegend nicht schon daran, daß das Verfahren zur Beteiligung des Personalrats nicht durch den Oberbürgermeister, sondern durch den Leiter des Personalamts eingeleitet wurde. Nach der gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebotenen Zurückverweisung wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die streitige Kündigung als fristlose oder jedenfalls als ordentliche Kündigung materiell wirksam ist.

Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sich das angegriffene Urteil aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweisen würde. Daß die Beklagte dem Personalrat die Kündigungsgründe nicht ausreichend mitgeteilt hätte, läßt sich nicht feststellen.

Zwar kann die Personalratsbeteiligung vor einer Kündigung auch dann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber dem Personalrat für den Arbeitnehmer entlastende Gesichtspunkte bewußt verschweigt (vgl. für die Betriebsratsanhörung Senatsurteil vom 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39 = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972). Nicht mitgeteilt werden müssen jedoch solche Tatsachen, von denen der Personalrat bereits Kenntnis hat (vgl. wiederum für die Betriebsratsanhörung BAGE 49, 136 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972).

Danach ist eine etwa unterlassene Übermittlung der Stellungnahme des Klägers vom 11. August 1992 zu der Abmahnung vom 7. August 1992 schon deshalb unerheblich, weil der Kläger diese Stellungnahme über den Personalrat abgab, diese dem Personalrat also bekannt war.

Die Abmahnung vom 20. Januar 1993 betraf nicht die als Kündigungsgrund angegebene wiederholte Alkoholisierung des Klägers im Dienst, sondern die Nichtwahrnehmung eines Termins zur betriebsärztlichen Untersuchung. Auf letzteres hat die Beklagte die Kündigung nicht gestützt. Die Abmahnung vom 20. Januar 1993 und die hierzu abgegebene Stellungnahme des Klägers waren deshalb für die Frage der ordnungsgemäßen Personalratsbeteiligung irrelevant.

 

Unterschriften

Etzel, Bröhl, Fischermeier, Thelen, Dr. Kirchner

 

Fundstellen

Haufe-Index 885439

PersR 1997, 314

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