Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters

 

Orientierungssatz

1. Ordentliche Kündigung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters aus verhaltensbedingten Gründen nach vorherigen Abmahnungen.

2. Auflösungsantrag des Arbeitgebers.

3. Gemäß Art 103 Abs 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Das bedeutet unter anderem, daß die Parteien im Prozeß ausreichend Gelegenheit haben müssen, sich zum gesamten Prozeßstoff zu äußern. Nur solcher Prozeßstoff darf der Entscheidung zugrunde gelegt werden, zu dem Gehör gewährt worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; KSchG § 1 i.d.F des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476), § 9 Fassung 1969-08-25

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 30.06.1983; Aktenzeichen 5 Sa 28/83)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 24.11.1982; Aktenzeichen 4 Ca 1717/82)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1936 geborene Kläger, promovierter Germanist, war seit dem 1. März 1979 bei dem beklagten Verband als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 4.200,-- DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung, soweit die Arbeitsvertragsparteien nichts Abweichendes vereinbart haben.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 1980 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 1980 aus leistungsbedingten Gründen. Das vom Kläger hierauf erwirkte stattgebende Feststellungsurteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 6. Januar 1981 (Az.: 3 Ca 1798/80) ist zwischenzeitlich rechtskräftig. Durch einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. November 1980 (Az.: 3 Ga 24/80) war dem Beklagten zuvor aufgegeben worden, dem Kläger "bis zum 31. Dezember 1980 die Benutzung seines Arbeitsplatzes in den Räumen der Beklagten zu gestatten".

Im Jahre 1981 mahnte der Beklagte den Kläger wegen unterschiedlicher Vorfälle mehrfach ab. Mit Schreiben vom 11. November 1981 teilte der Beklagte dem Betriebsrat mit, daß er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich wegen der abgemahnten Vorfälle zu kündigen. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Wahlvorstandes war, leitete der Beklagte nach Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat ein Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht Mainz ein (Az.: 4 Bv 39/81). Mit Beschluß vom 7. Januar 1982 wies das Arbeitsgericht Mainz den Antrag des Beklagten auf Ersetzung der Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zurück. Vor dem Landesarbeitsgericht schlossen die Parteien am 12. August 1982 einen Vergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, bei Arbeitsunfähigkeit spätestens eine halbe Stunde nach Beginn der Kernarbeitszeit dem Beklagten die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer, eventuell geplante Arztbesuche und die ungefähre Ursache der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Der Beklagte erklärte, daß sich ein Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung erledigt habe.

Mit Schreiben vom 18. August 1982, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte der Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. September 1982 wegen "Nichterfüllung der Arbeitsverpflichtungen".

Mit seiner am 23. August 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung vom 18. August 1982, die er für sozial ungerechtfertigt hält.

Während des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 15. Februar 1983 eine weitere ordentliche Kündigung gegenüber dem Kläger. Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 25. Mai 1983 (Az.: 4 Ca 388/83) der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Auflösungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluß vom 29. November 1983 (Az.: 5 Sa 649/83) diesen Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

der Parteien durch die fristgemäße Kündi-

gung des Beklagten vom 18. August 1982

zum 30. September 1982 nicht aufgelöst ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zum

rechtskräftigen Abschluß des Kündigungs-

rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG aufzulösen.

Der Kläger hat weiterhin beantragt, den Auflösungsantrag des Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung der mit Schreiben vom 18. August 1982 erklärten ordentlichen Kündigung hat der Beklagte im wesentlichen folgendes vorgetragen: Der Kläger habe eine Reihe von Pflichtwidrigkeiten begangen. Mit Schreiben vom 14. November 1980 sei er darauf hingewiesen worden, daß er der Aufforderung des Geschäftsführers, am 10. November 1980 zu einer dienstlichen Besprechung zu erscheinen, nicht nachgekommen sei. Seine Erklärung, er sei verhindert gewesen, könne mangels entsprechender Begründung nicht anerkannt werden. Auch zu einem weiteren Besprechungstermin sei er nicht erschienen. Er habe erklärt, einen Arzttermin wahrnehmen zu müssen, worauf ihm erklärt worden sei, daß er den Arzttermin außerhalb der Arbeitszeit hätte wahrnehmen können. Wegen dieses Verhaltens sei der Kläger abgemahnt worden.

Nach Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens im Jahr 1980 sei der Kläger mit Schreiben vom selben Tag aufgefordert worden, den ihm erteilten Auftrag weisungsgemäß auszuführen. Es sei ihm ein letzter Termin für die Abgabe einer veröffentlichungsreifen Textfassung bis 19. Januar 1981 gesetzt worden. Für den Fall weiterer Verzögerungen sei dem Kläger eine ordentliche Kündigung in Aussicht gestellt worden. Zu dem neu festgesetzten Fertigstellungstermin vom 19. Januar 1981 und schließlich 28. Januar 1981 seien jeweils Krankmeldungen des Klägers eingegangen.

Mit Schreiben vom 23. Februar 1981 sei der Kläger wegen Nichterfüllung der Arbeitsleistung als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Nichtbeachtung der erteilten Weisungen, Zerstörung der vertrauensvollen Zusammenarbeit abgemahnt worden.

Dem Kläger sei aufgegeben worden, bis zum 31. Dezember 1980 einen Erfahrungsbericht über das Förderungsprogramm MSBE-MBSE 1979/80 veröffentlichungsreif fertigzustellen. Für den angegebenen Zeitpunkt habe der Kläger jedoch keine einzige Seite des geforderten Textes vorgelegt. Am 20. Dezember 1980 habe er angegeben, erst zu diesem Zeitpunkt erkannt zu haben, daß das Datenmaterial detaillierter sei, als von ihm ursprünglich gesehen. Trotz zweimaliger Verlängerung des Abgabetermins, zuletzt bis zum 28. Januar 1981, habe der Kläger lediglich 14 Textseiten, davon 7 Seiten Vorbemerkungen und 7 Seiten Text einer Fragebogenauswertung, vorweisen können. Am 3. Februar 1981 habe immer noch keine veröffentlichungsreife Fassung des Berichts vorgelegen.

Am 10. November 1980 und 14. November 1980 sei der Kläger ohne Genehmigung der Arbeit ferngeblieben. Der Weisung, am 28. Januar 1981 sämtliche Arbeitsunterlagen zurückzugeben, habe der Kläger keine Folge geleistet.

Am 31. Oktober 1980 sei der Kläger angewiesen worden, keine Äußerungen und Erklärungen im Namen des Sprachverbandes abzugeben. Dennoch habe er am 7. November 1980 und 8. November 1980 anläßlich eines Symposions an der Technischen Hochschule Darmstadt eindeutig gegen die Weisungen in illoyaler Haltung verstoßen.

Seit dem 8. Januar 1981 habe sich der Kläger mehrfach krankgemeldet, ohne zu berücksichtigen, daß die Fertigstellung des Erfahrungsberichts dadurch unangemessen verzögert worden sei.

Am 14. Mai 1981 sei ein Vermerk hinsichtlich der Arbeitszeit zu den Personalakten genommen und dem Kläger zur Kenntnis gebracht worden. In dem Vermerk sei festgehalten worden, daß der Kläger am 11. März 1981 und am 28. April 1981 erst nach Beginn der anwesenheitspflichtigen Kernarbeitszeit in der Geschäftsstelle anwesend gewesen sei. Gleichwohl sei von ihm als Arbeitsbeginn jeweils 8.30 Uhr bzw. 9.00 Uhr eingetragen worden.

Des weiteren habe der Kläger in anderen Fällen gegen die Einhaltung der Arbeitszeit verstoßen.

Mit Schreiben vom 24. November 1980, 25. Februar 1981 und 27. April 1981 sei der Kläger ermahnt worden, seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis sorgfältig nachzukommen. Dennoch habe der Kläger den bereits im Sommer 1980 erteilten Auftrag zur Erstellung des Berichts über das MSBE-MBSE-Programm 1979/80 nur teilweise erfüllt und den Auftrag mit erheblicher Verspätung ausgeführt.

Am 10. November 1981 habe der Kläger nach einer längeren Dienstreise am Vortag vormittags mündlich mitgeteilt, daß er erkrankt sei. Am Nachmittag gegen 15.00 Uhr habe er fernmündlich mitgeteilt, daß er am folgenden Vormittag einen Arztbesuch wahrnehmen müsse. Eine Besserung seiner angeblichen Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit an diesem Tag geführt habe, habe er nicht mitgeteilt und habe am Nachmittag eine Lehrveranstaltung in seinem Nebenamt wahrgenommen. Damit habe der Kläger vor allem im Hinblick auf die vorangegangenen Unregelmäßigkeiten in der Wahrnehmung seiner Arbeitsverpflichtung in erheblichem Maße gegen seine Treuepflicht verstoßen und die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört.

Obwohl der Kläger seit mehr als einem Jahr wegen einer Knieverletzung in ärztlicher Behandlung gestanden habe und deshalb die regelmäßige Arbeitszeit vielfach nicht einhalten habe können, darüber hinaus über ein halbes Jahr regelmäßig gymnastische Übungen besucht und deshalb von der Arbeitszeit Befreiung begehrt habe, habe er sich zu einem Skiurlaub begeben, bei dem er sich am 30. März 1982 eine Knieverletzung zugezogen habe, die seine Arbeitsunfähigkeit bis zum 4. Juni 1982 verursacht habe. Da der Kläger wegen des Knieleidens lange Zeit in ständiger ärztlicher Behandlung gestanden habe, sei es verantwortungslos, sich den Belastungen eines Skiurlaubs zu unterziehen. Dabei spiele es keine Rolle, daß die Knieverletzung an dem anderen Bein eingetreten sei.

Zur Begründung des gemäß § 9 KSchG geltend gemachten Auflösungsantrags hat sich der Beklagte zunächst auf die Kündigungsgründe berufen. Darüber hinaus hat er vorgebracht, der Kläger habe ständig unveranlaßt Schwierigkeiten bereitet, die eine reibungslose Zusammenarbeit im Interesse des Betriebszweckes erschwert und zuletzt unmöglich gemacht hätten. In einem Schreiben vom 23. Februar 1983 habe der Kläger um Dienstbefreiung für die Herausgebertätigkeit für die Reihe "Lernen mit Ausländern" nachgesucht. Tatsächlich habe der Kläger für die gleiche Zeit zugleich einen Antrag auf Dienstbefreiung wegen anderer Verpflichtungen gestellt. Das habe den Zeugen W veranlaßt, den Kläger darauf hinzuweisen, daß er anfallende Dienstangelegenheiten ausschließlich mit seinen Mitarbeitern mündlich bespreche, da die schriftliche Form angesichts der extrem kurzen Wege von Schreibtisch zu Schreibtisch in diesem Hause geradezu lächerlich sei und darüber hinaus zu einer Vertändelung der knappen Arbeitszeit führe. Dieser Zeuge sei Leiter des pädagogischen Bereichs, und somit übe er die Dienst- und Fachaufsicht über den Kläger aus. Außerdem habe der Zeuge W den Kläger wissen lassen, daß die Genehmigung des beigefügten Urlaubsantrages obsolet sei, weil er für die fragliche Zeit zugleich einen Antrag auf Dienstbefreiung wegen anderer Verpflichtungen gestellt habe.

Schließlich habe der Zeuge W aufgrund der Schwierigkeiten, die er ständig mit dem Kläger gehabt habe, am 28. Februar 1983 dem Geschäftsführer mitgeteilt, daß er sich außerstande sehe, für diesen Mitarbeiter weiterhin die Dienst- und Fachaufsicht auszuüben.

Der Kläger habe auch die ihm seitens des Zeugen W am 13. Dezember 1982 und 22. Dezember 1982 erteilten Aufträge nicht ordnungsgemäß ausgeführt. So sei ihm am 13. Dezember 1982 der Auftrag erteilt worden, aus den in der Geschäftsstelle vorliegenden MBSE-Erfahrungsberichten eine Auswertung der Daten für die Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Berlin vorzunehmen. Am 25. Februar 1983 habe der Kläger jedoch lediglich eine Auswertung der Daten aus Baden-Württemberg vorgelegt.

In gleicher Weise habe der Geschäftsführer ständig Schwierigkeiten mit dem Kläger gehabt. So sei dem Kläger am 12. April 1983 ein Arbeitsauftrag seitens des Geschäftsführers übertragen worden. Der Kläger habe die Ausführungen von der Erfüllung von Vorbedingungen abhängig gemacht. Zunächst habe der Kläger verlangt, daß der Vorstand schriftlich und unter Zeugen die Suspendierung von der Funktion "Koordinierung der Lehrerfortbildung im Bereich MBSE" wieder aufhebe. Außerdem habe er die Gelegenheit verlangt, eine Vorstellung zu entwickeln, wie sich der Sprachverband "die Teilnehmergruppe in MBSE am sinnvollsten denke und entsprechend versuche, politische Entscheidungen zu beeinflussen". Danach erst habe er sich in der Lage sehen wollen, sich inhaltlich über den Auftrag zu unterhalten. Weitere Vorfälle könnten beliebig aneinander gereiht werden.

Es komme jedoch nicht nur zu Unzuträglichkeiten zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer. Vielmehr lehnten auch einzelne Mitglieder des beklagten Verbands den Kläger ab. In diesem Zusammenhang sei auf die Schreiben der Westfälischen Berggewerkschaftskasse vom 27. März 1983, des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Oktober 1982 und das Schreiben des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1982 zu verweisen. Des weiteren sei auf das Schreiben des Bildungswerkes der Hessischen Wirtschaft e.V. vom 2. Dezember 1980 und auf das der Hessischen Lehrerzeitung gegebene Interview des Klägers Bezug zu nehmen.

Auch der Betriebsfrieden sei inzwischen gestört. Dies ergebe sich aus dem von 15 Mitarbeitern der Geschäftsstelle unterschriebenen Schreiben an das Vorstandsmitglied Heinz G.

Der Kläger hat hierauf erwidert: Er habe die Termine zur Fertigstellung der ihm aufgetragenen Arbeiten Ende 1980 deshalb nicht einhalten können, weil ihm damals von der Beklagtenseite gekündigt und gleichzeitig verboten worden sei, die Räume der Geschäftsstelle zu betreten. Erst nach Durchführung des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Mainz (Az.: 3 Ga 24/80) habe er die Geschäftsstelle ab 12. November 1980 wieder betreten können. Der Beklagte könne also weder für die Zeit der Suspendierung eine schriftliche Mitteilung über Arbeitsverhinderungen verlangen, noch gar sein Gehalt kürzen, noch aus dem Umstand, daß er während der Suspendierung gesetzte Fristen nicht eingehalten habe, irgendwelche negativen Konsequenzen ziehen. Die dienstliche Besprechung am 10. November 1980 habe er wegen eines Arzttermines nicht wahrnehmen können. Aufgrund seiner Suspendierung habe er nicht davon ausgehen können, daß der beklagte Verband gegen diesen Arzttermin Einwendungen haben könnte. Die mit Schreiben vom "14. November 1980" (gemeint ist anscheinend das Kündigungsschreiben vom 31. Oktober 1980) ausgesprochene Kündigung und die hierfür herangezogenen Gründe in diesem Kündigungsschutzverfahren seien deshalb ungerechtfertigt.

Vom 9. Januar 1980 (richtig: 1981) bis 16. Januar 1980 (richtig: 1981) und vom 20. Januar 1980 (richtig: 1981) bis 30. Januar 1980 (richtig: 1981) sei er wegen einer schweren Grippe arbeitsunfähig gewesen. Insbesondere aus diesen Gründen sei eine Fertigstellung des Kursberichtes MBSE-MSBE 1979/80 vorher nicht möglich gewesen. Im übrigen sei der Kursbericht MBSE -MSBE 1979/80 im Februar 1980 (richtig: 1981) vorgelegt worden.

Es sei unrichtig, daß er sich anläßlich eines Symposions an der Technischen Hochschule in Darmstadt in illoyaler Weise verhalten habe.

Die von der Beklagten vorgetragenen Vorfälle vom 9. April 1981 und 14. April 1981, bei denen ihm Verstöße gegen die Arbeitszeit unterstellt worden seien, seien durch ein Gespräch am 22. Juni 1981 beigelegt worden. Bei diesem Gespräch am 22. Juni 1981 seien sämtliche in dem Vermerk vom 14. Mai 1981 enthaltenen Vorfälle erörtert worden. Es sei festgestellt worden, daß die von dem Kläger im Schreiben vom 15. Mai 1981 vorgetragenen Begründungen richtig seien bzw. nicht widerlegt werden könnten. Als Ergebnis dieses Gesprächs sei auch von dem Beklagten ein entsprechender Vermerk aus der Personalakte des Klägers entfernt worden. Damit habe der Beklagte klar zu erkennen gegeben, daß er sich auf diese Gründe und Vorwürfe nicht mehr beziehen wolle.

Schließlich könnten ihm auch die die Dienstzeit und Arbeitseinteilung betreffenden Vorwürfe aus dem Jahre 1981 nicht vorgeworfen werden.

Der Vorfall vom 10. November 1981, der in dem Verfahren 4 BV 39/81, Arbeitsgericht Mainz, (5 TaBV 14/82, LAG Rheinland- Pfalz) ausgiebig erörtert worden sei, könne weder unter dem Gesichtspunkt einer fristlosen noch einer fristgemäßen Kündigung gesehen werden, da das Gericht hier eine schlichte Beweislastentscheidung habe treffen müssen und auch getroffen habe und alle weiteren Spekulationen über die Glaubwürdigkeit der Darstellung des Klägers neben der Sache lägen.

Auch der vom Kläger durchgeführte Skiurlaub in der Schweiz könne keinen Kündigungsgrund ergeben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und den Auflösungsantrag des Beklagten zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht der Feststellungsklage stattgegeben und das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Antrag des Beklagten gegen Abfindung in Höhe von 10.000,-- DM netto zum 30. September 1982 aufgelöst. Bezüglich des Weiterbeschäftigungsbegehrens hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat für beide Parteien die Revision zugelassen.

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, während der Beklagte mit der Anschlußrevision sein Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt und hilfsweise beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen. Der Kläger beantragt weiterhin, die Anschlußrevision des Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Anschlußrevision des Beklagten ist unbegründet. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Auflösungsantrages und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

A Anschlußrevision des Beklagten

I. Die (unselbständige) Anschlußrevision des Beklagten genügt den gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 556 ZPO) und ist daher zulässig.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG für beide Parteien zugelassen. Hieran ist das Bundesarbeitsgericht gebunden (§ 72 Abs. 3 ArbGG). Der Beklagte hat die Anschlußrevision fristgemäß, d.h. innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung (§ 556 Abs. 1 ZPO) eingelegt. Die Revisionsbegründung des Klägers ist dem Beklagten am 21. Dezember 1983 zugestellt worden. Die Anschlußrevision ist am 23. Januar 1984 (= Montag) beim Bundesarbeitsgericht und damit fristgemäß eingegangen. Die Anschlußschrift genügt auch dem gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt (§ 556 Abs. 2 ZPO).

II. Die zulässige Anschlußrevision ist aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht zu der Annahme gelangt, daß die von dem Beklagten mit Schreiben vom 18. August 1982 erklärte ordentliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).

1. Zur Begründung seines Standpunktes hat das Landesarbeitsgericht zunächst auf die von ihm für zutreffend erachtete Würdigung des Arbeitsgerichts verwiesen und ergänzend folgendes ausgeführt: Auf die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeit könne der Beklagte die ordentliche Kündigung vom 18. August 1982 nicht stützen. Der Kläger sei deswegen letztmals am 26. Januar 1982 abgemahnt worden; nach diesem Zeitpunkt habe der Beklagte keine derartigen Pflichtwidrigkeiten des Klägers behauptet. Der Vorwurf des Beklagten, der Kläger habe durch eine nicht rechtzeitige Abgabe des Berichts 1979/80 über die "Maßnahmen zur Berufsförderung und sozialen Eingliederung junger Ausländer - MBSE -" seine Arbeitspflicht verletzt, sei nicht gerechtfertigt. Dem Kläger sei infolge des im Zusammenhang mit der ordentlichen Kündigung vom 31. Oktober 1980 erteilten Hausverbotes mehrere Wochen im November 1980 nicht in der Lage gewesen, an diesem Erfahrungsbericht zu arbeiten. Im übrigen sei die Nichtablieferung des Erfahrungsberichts zu den jeweils von dem Beklagten festgesetzten Terminen darauf zurückzuführen, daß der Kläger in der Zeit vom 9. Januar 1981 bis 16. Januar 1981 und vom 20. Januar 1981 bis 31. Januar 1981 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit habe er durch die Vorlage von ordnungsgemäßen ärztlichen Bescheinigungen nachgewiesen. Auch der Vorwurf des Beklagten, der Kläger sei am 10. November 1980 und am 14. November 1980 nicht zu Dienstbesprechungen erschienen, sei unberechtigt. Der Beklagte habe sich noch am 12. November 1980 im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Mainz (Az.: 3 Ga 24/80) gegen die von dem Kläger erstrebte Aufhebung des Hausverbots gewandt. Das Verhalten des Beklagten sei daher widersprüchlich gewesen. Im übrigen sei der Vorwurf des angeblichen Nichterscheinens zu den betreffenden Dienstbesprechungen durch das Schreiben des Beklagten vom 14. November 1980 als erledigt anzusehen. Da der Beklagte angebliche Pflichtwidrigkeiten dieser Art dem Kläger in der Folgezeit nicht vorgeworfen habe, könne der Beklagte die ordentliche Kündigung vom 18. August 1982 hierauf nicht stützen. Für die Behauptung, der Kläger sei am 10. November 1981 vertragswidrig unter Vortäuschung einer nicht bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erschienen, sei der Beklagte beweisfällig geblieben. Schließlich stelle auch der Umstand, daß der Kläger trotz einer Knieverletzung im Frühjahr 1982 einen Skiurlaub angetreten und einen Sportunfall erlitten habe, keine Pflichtwidrigkeit dar. Eine Gesamtwürdigung der von dem Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründe sei im Streitfall nicht vorzunehmen, da der Kündigung vom 18. August 1982 über viele Monate hinweg kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorausgegangen sei. Bei dieser Sachlage könne es dahingestellt bleiben, ob die dem Kläger in den zurückliegenden Jahren vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten, die Gegenstand verschiedener Abmahnungen gewesen seien, zuträfen.

2. Soweit dieser Würdigung tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, ist das Revisionsgericht hieran gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, da der Beklagte in der Anschlußrevision keine Verfahrensrügen erhoben hat.

3. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

a) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren nur in beschränktem Maße zugänglich. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u.a. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; 1, 117 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Urteil vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

Bei Zugrundelegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs hält das angefochtene Urteil insoweit einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, als es die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 18. August 1982 für sozial ungerechtfertigt angesehen hat.

b) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Zeitpunkt des Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 18. August 1982 maßgeblich für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung ist. Dieser Standpunkt entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt das zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Urteil des Senats vom 15. August 1984 - 7 AZR 536/82 -; Urteil vom 23. Juni 1983 - 2 AZR 15/82 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) sowie der allgemeinen Ansicht in der Literatur (vgl. KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 156 m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht die später eingetretenen Umstände, die der Beklagte zur Rechtfertigung der weiteren ordentlichen Kündigung vom 15. Februar 1983 vorgetragen hat, im vorliegenden Rechtsstreit nicht berücksichtigt.

c) Rechtlich zutreffend ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei einer Kündigung, die auf mehrere Gründe gestützt wird, sei zunächst zu prüfen, ob jeder Sachverhalt für sich allein geeignet sei, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Auch diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu III 3 der Gründe m.w.N.). Erst wenn die isolierte Betrachtungsweise nicht bereits zur Sozialwidrigkeit der Kündigung führt, ist im Wege einer einheitlichen Betrachtungsweise zu prüfen, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit Umstände darstellen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG, aaO; vgl. auch KR-Becker, aaO, Rz 180).

aa) Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht im Streitfall eine gesamteinheitliche Betrachtungsweise mit der Begründung abgelehnt hat, die abgemahnten angeblichen Pflichtwidrigkeiten kämen mangels Vorliegens von gleichartigen Wiederholungsverstößen als Kündigungsgründe nicht in Betracht. Diese Auffassung stellt keine Verkennung der mit einer Abmahnung verbundenen kündigungsrechtlichen Folgen dar.

Durch eine Abmahnung soll dem Arbeitnehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, daß der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistungen oder ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers als nicht vertragsgemäß ansieht und künftig hinzunehmen nicht mehr gewillt ist (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, unter 2 a der Gründe; Senatsurteil vom 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 -, zu II 5 a der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse und auszugsweise in der Amtlichen Sammlung bestimmt; BAG Urteil vom 9. August 1984 - 2 AZR 400/83 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Das Erfordernis der Abmahnung rechtfertigt sich aus dem in § 326 Abs. 1 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken, daß der Gläubiger vor einer so einschneidenden Maßnahme und Rechtsfolge wie der einseitigen Aufhebung des Vertrages dem Schuldner noch einmal die Folgen seines säumigen Verhaltens vor Augen führen soll. Diese kündigungsrechtliche Hinweis- und Warnfunktion kann die Abmahnung jedoch nur erfüllen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber genau bezeichnete Leistungsmängel oder Fehlverhalten beanstandet. Nur wenn die gerügten Leistungsmängel oder angeblichen Fehlverhalten genügend konkretisiert werden, weiß der Arbeitnehmer, daß der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als nicht vertragsgemäß ansieht. Der eindeutige Hinweis, daß bei wiederholten Leistungs- oder Verhaltensmängeln der gerügten Art Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei, muß zu der bestimmten Bezeichnung der gerügten Leistungs- oder Verhaltensmängel hinzutreten. Durch eine Abmahnung soll dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden, durch Änderung seines Verhaltens eine Kündigung abzuwenden. Die mit der Abmahnung verknüpfte kündigungsrechtliche Folge besteht somit in einer Inhalts- oder Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses, und zwar mit der Maßgabe, daß die abgemahnten Leistungsmängel oder Verhaltensweisen erst dann zur Rechtfertigung einer Änderungs- oder Beendigungskündigung herangezogen werden können, wenn nach erklärter Abmahnung zumindest ein Leistungs- oder Verhaltensmangel der gerügten Art auftritt.

bb) An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts.

Als Kündigungsgrund nicht in Betracht kommen die von dem Beklagten mit Schreiben vom 26. Januar 1982 abgemahnten angeblichen Arbeitszeitverstöße des Klägers. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte dem Kläger nach Ausspruch der Abmahnung vom 26. Januar 1982 keine derartige Pflichtwidrigkeit mehr vorgeworfen.

Das Nichterscheinen des Klägers zu Besprechungsterminen am 10. und 14. November 1980 hat der Beklagte nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 14. November 1980 abgemahnt. In tatsächlicher Hinsicht hat das Landesarbeitsgericht weiterhin festgestellt, eine Pflichtwidrigkeit dieser Art habe der Beklagte nach diesem Zeitpunkt nicht behauptet. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu bestanden, wenn das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertreten hat, diese abgemahnten angeblichen Pflichtwidrigkeiten des Klägers könnten mangels gleichartiger Wiederholungsfälle nicht zur Begründung der mit Schreiben vom 18. August 1982 erklärten ordentlichen Kündigung herangezogen werden.

Die dem Kläger vorgeworfene - vom Landesarbeitsgericht nicht als Pflichtwidrigkeit gewertete - nicht termingerechte Fertigstellung des Erfahrungsberichtes über das Förderungsprogramm MSBE/MBSE 1979/80 ist Gegenstand des Abmahnungsschreibens vom 23. Februar 1981. Einen gleichgelagerten Vorwurf hat der Beklagte nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht erhoben, so daß auch diese angebliche Pflichtwidrigkeit nicht geeignet ist, die Kündigung vom 18. August 1982 zu stützen. Soweit der Beklagte dem Kläger in diesem Abmahnungsschreiben weiterhin vorwirft, der Kläger habe entgegen einer Anweisung vom 31. Oktober 1980 anläßlich eines Symposions an der Technischen Hochschule Darmstadt Erklärungen namens des Beklagten abgegeben, fehlt es nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgericht für die Folgezeit an gleichgelagerten Pflichtwidrigkeiten des Klägers.

cc) Soweit das Landesarbeitsgericht in den nicht abgemahnten Vorwürfen des Beklagten (Fernbleiben von der Arbeit am 10. November 1981 unter Vortäuschung einer nicht bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und Durchführung eines Skiurlaubs im Frühjahr 1982 trotz einer bestehenden Knieverletzung) das Vorliegen von kündigungsrechtlich erheblichen Pflichtwidrigkeiten verneint hat, ist diese Würdigung frei von Rechtsfehlern.

Die Anschlußrevision rügt zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe bei dem Vorfall vom 10. November 1981 die bei derartigen Fallkonstellationen geltende Darlegungs- und Beweislastverteilung verkannt, indem es dem Beklagten die Beweislast für einen Verstoß gegen die Arbeitspflicht auferlegt habe. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 12. August 1976 - 2 AZR 237/75 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 sowie für den Fall der außerordentlichen Kündigung Urteil vom 24. November 1983 - 2 AZR 327/82 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Wenn der Arbeitgeber - wie hier - eine Kündigung damit begründet, daß der Arbeitnehmer vertragswidrig nicht zur Arbeit erschienen sei, und der Arbeitnehmer diesen Vorwurf substantiiert bestreitet, indem er im einzelnen vorträgt, aus welchen Gründen er arbeitsunfähig gewesen sei, obliegt es nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG dem Arbeitgeber, im Kündigungsschutzprozeß darzulegen und zu beweisen, daß der Arbeitnehmer in Wirklichkeit doch arbeitsfähig gewesen ist, also pflichtwidrig nicht zur Arbeit erschienen ist. Der Kläger hat substantiiert dargelegt, woran er am Morgen des 10. November 1981 erkrankt gewesen sei und daß er deswegen nicht zur Arbeit erscheinen konnte. Die Beklagte hat auch keine Umstände dargelegt, die objektiv geeignet sind, die vom Kläger behauptete Arbeitsunfähigkeit am Morgen des 10. November 1981 zu widerlegen. Der Hinweis des Beklagten auf die von dem Kläger an diesem Tag ab 15.00 Uhr durchgeführte Lehrveranstaltung an der Universität Frankfurt am Main stellt keinen objektiven Umstand dar, die Einlassung des Klägers, er habe am Vormittag einen Migräneanfall gehabt, der sich nach Einnahme von Tabletten im Laufe des Tages gebessert hätte, zu widerlegen. Zur Entkräftung des klägerischen Vorbringens hätte der Beklagte auf den Vormittag des 10. November 1981 bezogene Umstände (z.B. Vorbereitungsarbeiten des Klägers in universitären Einrichtungen) darlegen müssen. Dies ist nicht geschehen.

Soweit der Beklagte dem Kläger schließlich vorgeworfen hat, der Kläger sei im März 1982 trotz einer Knieverletzung in den Skiurlaub gefahren und habe sich hierbei eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Sportverletzung zugezogen, haben beide Vorinstanzen zu Recht eine kündigungsrechtlich erhebliche Pflichtwidrigkeit des Klägers verneint. Auch die Anschlußrevision hat gegen diese Würdigung keine Einwendungen erhoben.

B Revision des Klägers

Die Revision des Klägers hat bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg. Soweit das Landesarbeitsgericht auf Antrag des Beklagten das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von 10.000,-- DM netto aufgelöst hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

I. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es dem Kläger nicht ausreichend Gelegenheit gegeben habe, sich zum Inhalt der Schriftsätze vom 16. Juni 1983 und vom 24. Juni 1983 nebst Anlagen zu äußern.

1. Gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Das bedeutet unter anderem, daß die Parteien im Prozeß ausreichend Gelegenheit haben müssen, sich zum gesamten Prozeßstoff zu äußern. Nur solcher Prozeßstoff darf der Entscheidung zugrunde gelegt werden, zu dem Gehör gewährt worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa BVerfGE 9, 261, 267; vgl. auch BAG 37, 324, 328 = AP Nr. 33 zu Art. 103 GG, zu II 1 der Gründe). Das hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

Der Beklagte hat mit einem (21 Seiten umfassenden) Schriftsatz vom 16. Juni 1983 nebst 15 Anlagen (= 27 Seiten) sowie in einem weiteren (4 Seiten umfassenden) Schriftsatz vom 24. Juni 1983 nebst 2 Anlagen (= 11 Seiten) den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag begründet. Nach den von dem Beklagten nicht bestrittenen Angaben des Klägers ist der Schriftsatz vom 16. Juni 1983 am 24. Juni 1983 und der Schriftsatz vom 24. Juni 1983 am 27. Juni 1983 beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen. Da beide Schriftsätze unmittelbar von Anwalt zu Anwalt übersandt worden sind und daher keine Empfangsbekenntnisse vorliegen, ist zugunsten des Klägers von der Richtigkeit der von ihm gemachten zeitlichen Angaben auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 30. Juni 1983 war der Kläger ausweislich des Terminsprotokolls persönlich anwesend. Wie das Protokoll weiter ausweist, wurde für den Beklagten vorgetragen, welche Institutionen Mitglieder des "projektbegleitenden Arbeitskreises MBSE" seien. Der Kläger erklärte hierzu, er wisse nicht, welche Institutionen dies im einzelnen seien. Aus dem Terminsprotokoll geht weiter hervor, daß der Klägervertreter um Gewährung einer Schriftsatzfrist im Hinblick auf die Schriftsätze der Beklagtenseite vom 16. Juni 1983 und vom 24. Juni 1983 gebeten hat. Das angefochtene Urteil ist am Schluß der Sitzung vom 30. Juni 1983 verkündet worden. Das Landesarbeitsgericht stützt seine Entscheidung über den Auflösungsantrag maßgeblich auf den Inhalt der beiden Schriftsätze vom 16. Juni 1983 und vom 24. Juni 1983 nebst Anlagen. Weder aus dem Terminsprotokoll vom 30. Juni 1983 noch aus dem Inhalt des angefochtenen Urteils geht hervor, aus welchen Gründen das Landesarbeitsgericht dem vom Klägervertreter erbetenen Schriftsatznachlaß nicht stattgegeben hat.

2. Dieses Verfahren entspricht nicht den Anforderungen, die nach dem Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs an ein faires Verfahren zu stellen sind. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgeht, daß dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 1983 Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu dem Inhalt der betreffenden Schriftsätze nebst Anlagen zu äußern, so liegt hierin nicht die ausreichende Gewährung von rechtlichem Gehör. Auch wenn der Kläger die vom Beklagten vorgebrachten Auflösungstatsachen teilweise bereits aus dem zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Mainz (Az.: 4 Ca 388/83) anhängigen weiteren Kündigungsrechtsstreit kannte, mußte ihm und seinem Prozeßbevollmächtigten Gelegenheit gegeben werden, sowohl den Inhalt der beiden Schriftsätze (von insgesamt 25 Seiten) nebst Anlagen (von insgesamt 38 Seiten) ohne Hast zu prüfen und sich darüber zu beraten. Was angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. BAG Urteil vom 19. Januar 1982, aaO, zu II 2 b der Gründe). Von Bedeutung ist zunächst der Umfang des neuen Vorbringens, aber auch die Schwierigkeit oder die Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit der mitgeteilten Tatsachen.

Wegen des Wochenendes (25. und 26. Juni 1983) hatte der Klägervertreter nur vier bzw. drei Arbeitstage zur Verfügung, um den Inhalt der beiden Schriftsätze nebst den umfangreichen Anlagen zu überprüfen und mit dem Kläger durchzusprechen. Diese Frist ist zu kurz, denn sie erlaubte es dem Klägervertreter nicht, sich gehörig mit dem umfangreichen Tatsachenvortrag nebst den zahlreichen Anlagen zu befassen und dazu Stellung zu nehmen. Schon deswegen wäre es geboten gewesen, die Verhandlung gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu vertagen.

II. Das angefochtene Urteil beruht auch auf den gerügten Verfahrensfehlern.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung über den Auflösungsantrag maßgeblich auf den Inhalt der Schriftsätze vom 16. Juni und 24. Juni 1983 nebst Anlagen gestützt. Als Auflösungstatsachen hat es dabei zunächst solche Umstände herangezogen, die im Verhältnis zu Dritten begründet sind. Darüber hinaus hat es die von dem Beklagten begehrte Auflösung auch deshalb für begründet erachtet, weil es das Verhältnis des Klägers zu seinem Vorgesetzten und sonstigen Mitarbeitern für derart belastet angesehen hat, daß eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten sei. Aus dem Inhalt der Entscheidung läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob das Landesarbeitsgericht die von dem Beklagten begehrte Auflösung bereits wegen der nicht drittbezogenen Umstände für gerechtfertigt erachtet hat. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf Seite 36 (2. Absatz) der Entscheidungsgründe sprechen eher für die Annahme, daß das Landesarbeitsgericht die beiden Tatsachenkomplexe nur kumulativ, nicht dagegen alternativ für geeignet erachtet hat, den Auflösungsantrag des Beklagten zu rechtfertigen.

2. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung geltend gemacht, daß er bei ausreichender Gewährung von rechtlichem Gehör zu den vom Beklagten zur Auflösung herangezogenen drittbezogenen Umständen Stellung genommen hätte. So hätte er insbesondere vorgetragen, daß bei der Sitzung des projektbegleitenden Arbeitskreises MBSE nicht alle Mitglieder anwesend gewesen seien, so daß ein falscher Eindruck erweckt werde, wenn das Landesarbeitsgericht auf die Einstimmigkeit des Beschlusses abstelle. Bei Beachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör hätte er weiterhin vorgetragen, daß das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. nicht zum projektbegleitenden Arbeitskreis MBSE und auch nicht zu einer sonstigen Trägergruppe gehöre, mit der der beklagte Verband zusammenarbeite. Zu der Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Oktober 1982 hätte er vorgebracht, daß der MBSE-Erfahrungsbericht 1980/81 durchaus detailliert sei und die vom Kläger gemachten Aussagen empirisch belegt werden könnten. Zu der vom Landesarbeitsgericht als bedeutsam erachteten Formulierung "MBSE-eine Menge Wildwuchs" hätte er vorgetragen, daß diese Redewendung von verschiedenen Vorstandsmitgliedern des Beklagten gebraucht worden sei.

Es ist nicht auszuschließen, daß das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung über den von dem Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag gelangt wäre, wenn dem Kläger Gelegenheit gegeben worden wäre, sich innerhalb einer angemessenen Frist zu den von dem Beklagten in den Schriftsätzen vom 16. Juni und 24. Juni 1983 vorgebrachten Auflösungstatsachen zu äußern. Denn dann hätte der Auflösungsantrag eventuell nicht auf die Belastung der Drittbeziehungen gestützt werden können.

III. Der Senat kann nicht selbst über die von dem Beklagten hilfsweise begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses entscheiden, denn es bedarf noch entsprechender tatsächlicher Feststellungen seitens des Berufungsgerichts.

Bei der erneuten Verhandlung des Rechtsstreits wird das Landesarbeitsgericht insbesondere zu berücksichtigen haben, daß die vom Beklagten herangezogenen drittbezogenen Auflösungstatsachen nur dann geeignet sind, das Auflösungsbegehren zu rechtfertigen, wenn sie sich auf die zukünftige Zusammenarbeit der Parteien negativ auswirken. In diesem Zusammenhang kann es von Bedeutung sein, in welchem Verhältnis sich der Dritte zu dem Beklagten befindet. Beachtlich kann auch sein, ob die kritischen Stellungnahmen Dritter durch ein pflichtwidriges Verhalten des Klägers veranlaßt worden sind. Es ist dem Berufungsgericht als Tatsachengericht aber auch vorzubehalten zu prüfen, ob die vom Beklagten begehrte Auflösung nicht bereits aus den Gründen gerechtfertigt ist, die sich auf das Verhältnis des Klägers zu seinem Vorgesetzten und den übrigen Mitarbeitern beziehen.

Da nicht abzusehen ist, zu welchen tatsächlichen Feststellungen das Landesarbeitsgericht nach Zurückverweisung des Rechtsstreits gelangen wird, sieht der Senat davon ab, weitere rechtliche Hinweise für das erneute Berufungsverfahren zu geben. Dies gilt auch für die Höhe einer gegebenenfalls erneut festzusetzenden Abfindung.

Roeper Dr. Steckhan Dr. Becker

Straub Dr. Johannsen

 

Fundstellen

Haufe-Index 441341

RzK, I 1 Nr 5 (ST1)

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