Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungswiderruf wegen wirtschaftlicher Notlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine wirtschaftliche Notlage rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung die Kürzung von Betriebsrenten nur dann, wenn ein Sanierungsplan deutlich macht, wie eine dauerhafte Überwindung der Krise erreicht werden kann (ständige Rechtsprechung).

2. Die bloße Hoffnung, ein anderer Gläubiger könnte ebenfalls auf rückständige Forderungen verzichten, und die strukturellen Ursachen der Notlage, die fortbestehen, führten in absehbarer Zeit nicht zu neuen Belastungen, ist keine tragfähige Grundlage eines Sanierungsplans.

 

Orientierungssatz

Beitragsrückgang eines regionalen Interessenverbandes; Beitragspflichten gegenüber dem Dachverband.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 133, 157, 177; ZPO § 256 Abs. 2; BetrAVG § 7 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 16.12.1983; Aktenzeichen 6 Sa 725/83)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.11.1982; Aktenzeichen 13 Ca 448/80)

 

Tatbestand

Der Kläger ist am 20. September 1909 geboren. Er trat am 1. Januar 1938 in die Dienste des Beklagten und war zunächst als Mühlenberater tätig. Mit Vertrag vom 25. Juni 1951 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Am 30. Juni 1973 trat er in den Ruhestand.

Der Beklagte ist der Landesinnungsverband des Müllerhandwerks. Er ist eine juristische Person des Privatrechts kraft Verleihung und hat satzungsgemäß die Aufgabe, die Interessen des Müllerhandwerks in H wahrzunehmen (§ 1 Abs. 1, § 2 ff. der Satzung). Mitglieder können Innungen, sonstige Vereinigungen des Müllerhandwerks und Einzelpersonen sein. Die Mitgliedschaft ist freiwillig (§ 5 der Satzung), der Austritt ist an eine Frist von drei Monaten zum Jahresende gebunden (§ 9 der Satzung). Gemäß § 24 Abs. 1 der Satzung wird der Beklagte gerichtlich und außergerichtlich vom Vorstand vertreten. Abs. 2 der Vorschrift lautet:

"Willenserklärungen, welche den Landesinnungsverband

vermögensrechtlich verpflichten, bedürfen der Schrift-

form. Sie müssen von dem Vorsitzenden des Vorstands

oder seinem Stellvertreter und dem Geschäftsführer

unterzeichnet sein. Überschreitet die vermögensrecht-

liche Verpflichtung einen Wert von 2.000,-- DM, so

muß die verpflichtende Willenserklärung noch von einem

weiteren Vorstandsmitglied unterzeichnet sein."

Über die Aufbringung der für die Verbandsarbeit erforderlichen Mittel bestimmt § 31 der Satzung:

"(1) Die aus der Errichtung und Tätigkeit des Landes-

innungsverbandes erwachsenden Kosten sind, soweit

sie aus dem Ertrag des Vermögens oder aus anderen

Einnahmen keine Deckung finden, von den Mitglieds-

innungen und Einzelmitgliedern durch Beiträge auf-

zubringen.

(2) Die Beiträge werden vierteljährlich erhoben. Sie

werden bei der Aufstellung des Haushaltsplanes

durch Beschluß der Mitgliederversammlung festge-

setzt. Diese ist auch berechtigt, die Erhebung

außerordentlicher Beiträge zu beschließen.

(3) Die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen be-

ginnt mit dem Ersten des auf den Eintritt folgen-

den Monats.

(4) Für die Benutzung von Einrichtungen des Landes-

innungsverbandes kann ein Entgelt erhoben werden."

Über Etat und Jahresrechnung enthält § 32 der Satzung folgendes:

"(1) Das Rechnungsjahr läuft vom 1. Januar bis

31. Dezember.

(2) Der Vorstand des Landesinnungsverbandes hat jähr-

lich über den zur Erfüllung der gesetzlichen und

satzungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Kostenauf-

wand einen Haushaltsplan mit den von den Mitglieds-

innungen und Einzelmitgliedern zu zahlenden Bei-

trägen für das folgende Rechnungsjahr aufzustellen

und ihn der Mitgliederversammlung zur Beschlußfas-

sung vorzulegen.

(3) Der Vorstand ist bei seiner Verwaltung an den Haus-

haltsplan gebunden. Über Ausgaben, die im Haus-

haltsplan nicht vorgesehen sind, hat die Mitglieder-

versammlung gesondert zu beschließen."

Am 28. April 1954 wurde von den Parteien folgender Versorgungsvertrag geschlossen:

"1. Herrn E H wird Anspruch auf Versorgungs-

bezüge (Ruhegehalts- und Hinterbliebenenbezüge und

Unfallfürsorge) nach den für Gemeindebeamte des

Landes H jeweils geltenden gesetzlichen Be-

stimmungen gewährt.

2. Die Höhe der Versorgungsbezüge richtet sich hierbei

nach dem vereinbarten ruhegehaltsfähigen Dienst-

einkommen, für welches jährlich DM 4.000,-- (i.W.

viertausend) vereinbart werden.

3. Der H Müllerbund verpflichtet sich, die

Versorgung durch Erwerb der Mitgliedschaft bei der

Sonderkasse der Organisation des Handwerks in

Düsseldorf sicherzustellen und die jeweils fälli-

gen Umlagebeträge an die Sonderkasse zu leisten,

solange Herr H in seinen Diensten steht.

4. Die sich ergebenden Versorgungslasten werden von

der Ruhegehalts- und Unfallfürsorgekasse und der

Witwen- und Waisenkasse der Handwerksorganisation

(R Versorgungskassen in D ) nach

Massgabe der Satzung getragen."

Der Kläger wurde bei der R Versorgungskasse in K angemeldet. Die bei einer Bemessungsgrundlage von 4.000,-- DM zu zahlende Umlage wurde von dem Beklagten entrichtet. Mit Schreiben vom 1. April 1960 teilte der damalige Vorsitzende des Beklagten der R Versorgungskasse folgendes mit:

"Wir haben die Absicht, das Diensteinkommen unseres

Geschäftsführers Herrn E. H von bisher

4000,-- DM ab 1. April 1960 auf die Besoldungsgruppe

A 6 Stufe 1 umzustellen, so daß sich dann ein Monats-

gehalt einschl. Ortszuschlag von 418,-- DM und ein

jährliches Diensteinkommen von 5016,-- DM ergibt.

Falls Sie gegen diese Umstellung keine Einwendungen

erheben, bitten wir höflichst um Mitteilung, in wel-

cher Höhe Nachzahlungen der Umlage erfolgen müssen.

In Anbetracht unserer beengten finanziellen Verhält-

nisse wären wir Ihnen äußerst dankbar, wenn Sie uns

diese Nachzahlungen in tragbaren Raten gestatten wür-

den."

Die Kasse stimmte dem zu und erklärte sich auch mit der ratenweisen Nachzahlung der Umlage von zusammen 1.739,90 DM einverstanden. Mit Schreiben vom 13. Juni 1960 bat der Vorsitzende des Beklagten, die Bemessungsgrundlage ab 1. April 1960 umzustellen. Dies geschah auch. In der Folgezeit wurde sodann die Bemessungsgrundlage regelmäßig entsprechend der Regelung des Beamtenbesoldungsrechts alle zwei Jahre um eine Dienstaltersstufe erhöht. Der Beklagte zahlte die jeweils erhöhten Umlagen. Ab 1. Januar 1971 wurden die ruhegeldfähigen Bezüge nach Besoldungsgruppe A 7 gemeldet und eine entsprechende Umlage abgeführt. Die jährlichen Nachweisungen über die Zahlungen an die Kasse wurden für den Beklagten vom Kläger als Geschäftsführer und einer Buchhalterin unterzeichnet.

Der Kläger war ab 1. März 1957 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit, ob mit Rücksicht auf die Versorgungszusage des Beklagten oder wegen einer Lebensversicherung, ist streitig. Seit seinem Eintritt in den Ruhestand (1. Juli 1973) erhält er eine Sozialversicherungsrente, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen 1.200 und 1.300,-- DM monatlich beträgt. Daneben erhielt der Kläger zunächst von der R Versorgungskasse eine Rente, die nach einem Gesamtversorgungssatz von 71 % der Beamtenbezüge nach Besoldungsgruppe A 7 in der 7. Dienstaltersstufe bemessen war.

Mit Schreiben vom 29. Mai 1979 kündigte die R Versorgungskasse die Mitgliedschaft des beklagten Müllerbundes zum 31. Dezember 1979, da inzwischen ein Umlagerückstand von rd. 15.000,-- DM bestand. Das bei der R Versorgungskasse nicht verbrauchte Deckungskapital in Höhe von 15.486,-- DM wurde dem Beklagten zurückerstattet, der es am 5. Februar 1980 an den Kläger auszahlte.

Seit dem 1. Januar 1981 zahlte der Beklagte dem Kläger nur noch entsprechend der ursprünglichen Vereinbarung vom 28. April 1954 eine Betriebsrente. Diese belief sich auf 75 % einer jährlichen Bemessungsgrundlage von 4.000,-- DM, das sind 250,-- DM monatlich. Damit ist der Kläger nicht einverstanden. Er betrachtet sich zwar für das Jahr 1980 durch die Auszahlung des restlichen Deckungskapitals als abgefunden, verlangt aber ab 1. Januar 1981 von dem Beklagten eine Rente in Höhe von 71 % der Beamtenbezüge nach Besoldungsgruppe A 7 in der 7. Dienstaltersstufe. Das Zahlenwerk ist unbestritten.

Der Kläger hat vorgetragen: Durch die Umstellung der Bemessungsgrundlage ab 1. April 1960 von einem jährlichen Fixum auf eine dynamische Beamtenversorgung auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 6 und später A 7 sei ihm ein entsprechender Versorgungsanspruch erwachsen. Daß die dahingehende Willenserklärung des Beklagten entgegen der Satzung nur von dem Vorsitzenden und nicht von einem weiteren Vorstandsmitglied unterzeichnet worden sei, stehe dem nicht entgegen, da Vorstand und Mitgliederversammlung jedenfalls nachträglich der Umstellung zugestimmt hätten. Hieraus sei ein Vertrauenstatbestand erwachsen. Nachdem der Beklagte die entsprechenden Umlagen über mehr als 18 Jahre gezahlt und die Kasse auf dieser Grundlage Rentenleistungen erbracht habe, dürfe er sich darauf verlassen, daß seine Rente wie bisher weitergezahlt werde. Der Beklagte sei auch nicht berechtigt, die Versorgung wegen wirtschaftlicher Notlage zu kürzen. Es gehe nicht an, ein etwa notwendiges Sanierungsopfer allein von dem einzigen Versorgungsberechtigten zu verlangen. Der Beklagte müsse seine Beitragseinnahmen erhöhen und seine Dachorganisation, den D Müllerbund, veranlassen, seine Forderungen endgültig zurückzustellen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu Zahlung von DM 55.683,09 nebst

4 % Zinsen ab 1. des jeweiligen Monats aus

DM 1.565,86 für Januar bis April 1981, aus

DM 1.630,42 für Mai 1981 bis 30. Juni 1982,

aus DM 1.686,81 für Juli 1982 bis 30. Juni 1983

aus DM 1.719,26 für Juli 1983 bis 31. Dezember

1983, zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Änderung der Bemessungsgrundlage seiner Versorgungszusage sei nicht wirksam geworden. Auch von einem Vertrauenstatbestand könne keine Rede sein. Es sei immer der Kläger selbst gewesen, der in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer die jährlichen Nachweise der Umlagen auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 6 und schließlich A 7 gezeichnet habe. Außerdem sei der Müllerbund in eine schwere Krise geraten, er befinde sich in einer wirtschaftlichen Notlage, die es rechtfertige, das betriebliche Ruhegeld zu kürzen. Das Gutachten des Sachverständigen G vom 28. Mai 1982 beweise, daß eine Sanierung ohne die dem Kläger zugemutete Kürzung nicht möglich sei.

Der dem Rechtsstreit auf der Seite des Klägers beigetretene Pensionssicherungsverein a.G. (PSV) hat vorgetragen: Ein Sicherungsfall der wirtschaftlichen Notlage liege nicht vor. Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze seien auf Berufsverbände mit kameralistischer Buchführung und Jahreshaushaltsplänen nicht anwendbar. Außerdem sei der Beklagte seit Anbeginn finanziell so knapp ausgestattet gewesen, daß von vornherein eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage seines Versorgungsversprechens gefehlt habe. Schließlich sei das vorgelegte Gutachten eines Sachverständigen nicht brauchbar. Es ergebe einerseits, daß der Beklagte überschuldet und als juristische Person konkursreif sei, schließe aber andererseits nicht aus, daß der Beklagte durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge seine Einnahmelage verbessern könne. Ein gehöriger Sanierungsplan fehle.

Der Streithelfer hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt

sei, Pensionsleistungen an den Kläger wegen wirt-

schaftlicher Notlage einzustellen oder zu ver-

weigern.

Der Beklagte hat beantragt, den Antrag des Streithelfers zurückzuweisen. Er hat geltend gemacht, er könne keine Beitragserhöhungen durchsetzen. Bereits jetzt liege er mit seinen Beiträgen in der Spitzengruppe der vergleichbaren Interessenverbände. Bei weiteren Erhöhungen müsse er mit zahlreichen Austritten von kleineren Betrieben und dem Überwechseln von größeren Betrieben zum Industriemühlenverband rechnen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen haben der Kläger und der Streithelfer Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsmitteln teilweise stattgegeben. Es hat entschieden, daß der Beklagte ab 1. Januar 1981 insgesamt 500,-- DM monatlich zahlen müsse. Gegen dieses Urteil haben der Kläger, der Beklagte und der Streithelfer Revision eingelegt.

Der Kläger verlangt über die insgesamt zuerkannten 500,-- DM hinaus die volle Rente auf der Grundlage von Beamtenbezügen der Besoldungsgruppe A 7 in der 7. Dienstaltersstufe unter Abzug einer Zahlung der Beklagten von 9.000,-- DM. Der Streithelfer verfolgt das Ziel, jegliche Kürzung wegen der Notlage für unberechtigt zu erklären. Der Beklagte verlangt Abweisung der Klage in vollem Umfang.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Revisionen des Beklagten und des Streithelfers sind unbegründet. Der Kläger kann von dem Beklagten die Zahlung des Ruhegeldes nach der zuletzt vereinbarten Bemessungsgrundlage verlangen. Die Zwischenfeststellungsklage des PSV ist unzulässig.

I. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Ruhegeldanspruch des Klägers errechne sich nur aus der Beamten-Besoldungsgruppe A 6 in der 1. Dienstaltersstufe, nicht aber aus der Beamten-Besoldungsgruppe A 7 in der 7. Dienstaltersstufe, vermag nicht zu überzeugen.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe die Bemessungsgrundlage von 4.000,-- DM jährlich ab 1. April 1960 wirksam zugunsten des Klägers geändert. Der damals amtierende Vorsitzende habe das in seinem Schreiben vom 13. Juni 1960 unzweideutig erklärt. Das Fehlen der Unterschrift eines zweiten Vorstandsmitglieds entsprechend § 24 Abs. 2 der Satzung sei unschädlich. Die schwebend unwirksame Erklärung sei stillschweigend durch den Gesamtvorstand genehmigt worden (§ 177 Abs. 1 BGB). Anders sei nicht zu erklären, daß über 18 Jahre hinweg bis zum Ausscheiden des Beklagten aus der R Versorgungskasse am 31. Dezember 1979 jährlich Umlagen auf der Basis von Beamtenbezügen der Besoldungsgruppe A 6 und A 7 gezahlt worden seien. Die Haushaltspläne und Jahresrechnungen des Beklagten seien von den Rechnungsprüfern des Verbandes geprüft und gebilligt und die Vorstandsmitglieder entlastet worden. Dem Beklagten könne unter diesen Umständen nicht verborgen geblieben sein, daß der Kläger seit dem 1. Juli 1973 entsprechend hohe Versorgungsbezüge erhalten habe, da der Beklagte etwa zwei Drittel dieser Bezüge als Umlagen an die R Versorgungskasse gezahlt habe.

Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat aus dem Inbegriff der ihm vorgetragenen Umstände geschlossen, daß die nach der Satzung maßgeblichen Organe des Beklagten von der Umstellung Kenntnis erhalten und sie gebilligt haben. Der gerügte Formfehler ist danach geheilt. Die Revision des Beklagten greift das angefochtene Urteil in diesem Punkte nicht an.

2. Dagegen begegnet die Auffassung des Berufungsgerichts Bedenken, soweit es angenommen hat, eine Dynamisierung der Versorgung entsprechend der Beamtenbesoldung sei nicht zugesagt worden.

a) Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, daß die Schreiben des damaligen Vorsitzenden des Beklagten vom 1. April und 13. Juni 1960 nicht aus sich heraus klar ergeben, ob die Bemessungsgrundlage lediglich von einem Festbetrag (4.000,-- DM) auf einen anderen Festbetrag (Besoldungsgruppe A 6, 1. Dienstaltersstufe = 5.016,-- DM) umgestellt oder ob sie dynamisiert werden sollte. Tatsächlich hat die R Versorgungskasse die Anmeldung des Klägers so verstanden, daß beamtenähnlich dynamisierte Versorgungsbezüge rückversichert werden sollten. Das deutet schon ihr Schreiben vom 6. Mai 1960 an, in dem von der Absicht des Beklagten die Rede ist, das Einkommen des Klägers auf eine Besoldungsgruppe des Besoldungsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen umzustellen. Vor allem aber hat die R Versorgungskasse in der folgenden Zeit die Bemessungsgrundlage entsprechend der Beamtenbesoldung alle zwei Jahre um eine Dienstaltersstufe angehoben und jeweils erhöhte Umlagen bei dem Beklagten eingezogen.

Auch hier gilt, was das Berufungsgericht für die erste Umstellung von jährlich 4.000,-- DM auf die Besoldungsgruppe A 6 angenommen hat. Wenn der Gesamtvorstand des Beklagten einer formfehlerhaften oder gar eigenmächtigen Verpflichtung durch den damaligen ersten Vorsitzenden zugestimmt hat und die stillschweigende Billigung in der 18 Jahre dauernden widerspruchslosen Hinnahme ständig wachsender Umlagen gesehen werden kann, dann muß das auch für das regelmäßige Fortschreiten in den aufeinander folgenden Dienstaltersstufen sowie die Anhebung der Versorgungsbezüge nach Besoldungsgruppe A 7 gelten. Für eine nur abgestufte oder eingeschränkte Zustimmung hat das Berufungsgericht keine Anhaltspunkte festgestellt.

b) Zudem muß die Weigerung des Beklagten, ein insgesamt über 18 Jahre gezeigtes Verhalten fortzusetzen, als widersprüchlich angesehen werden. Der Beklagte will rückwirkend alle zugunsten des Klägers erbrachten Leistungen als rechtsgrundlos und für die Zukunft unverbindlich ansehen. Der Beklagte muß sich jedoch sein langjähriges Verhalten entgegenhalten lassen. Die vorbehaltlose Zahlung der sich regelmäßig erhöhenden Umlagen bewirkte, daß sich der Kläger auf das Anwachsen und die Höhe seiner Betriebsrente verlassen konnte. Es verstieße gegen Treu und Glauben, ihm als Rentner nachträglich das Ruhegeld mit der Begründung zu kürzen, man sei seinerzeit nicht korrekt verfahren.

Daß der Kläger selbst die Zahlungsanweisungen für die stufenweise erhöhten Umlagen unterschrieb, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn der Vorstand, der den Kläger als Geschäftsführer zu überwachen hatte, dies über 18 Jahre hinweg duldete, dann kann der Beklagte dies nicht nachträglich ungeschehen und in seinen Rechtswirkungen rückgängig machen. Für die Annahme, der Kläger habe arglistig gehandelt und den Vorstand viele Jahre lang getäuscht, sind nach dem Vortrag des Beklagten keine Anzeichen vorhanden.

c) Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat selbst entscheiden, daß dem Kläger eine nach den Grundsätzen des Beamtenbesoldungsrechts dynamisierte Versorgung der Besoldungsgruppe A 7 in der 7. Dienstaltersstufe zusteht. Die Leistungsverweigerung des Beklagten wäre jedenfalls widersprüchlich und schon aus diesem Grunde rechtlich unbeachtlich.

II. Der Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei wegen einer wirtschaftlichen Notlage zur Kürzung der Betriebsrente berechtigt, kann sich der Senat im Ergebnis ebenfalls nicht anschließen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß eine nachhaltige Sanierung seiner Finanzlage aussichtsreich erscheint.

1. Die Anerkennung einer wirtschaftlichen Notlage, die den Widerruf einer Versorgungszusage zu rechtfertigen vermag, setzt voraus, daß der Bestand des Unternehmens wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten gefährdet und die Einstellung oder Kürzung der Versorgungsleistung ein geeignetes Mittel ist, zur Sanierung beizutragen. Die wirtschaftliche Notlage muß durch die Betriebsanalyse eines Sachverständigen unter Darstellung ihrer Ursachen belegt werden; es muß ein Sanierungsplan erstellt werden, der eine gerechte Lastenverteilung unter Heranziehung sämtlicher Beteiligten vorsieht (ständige Rechtsprechung des Senats: BAG 24, 163 = AP Nr. 154 zu § 242 BGB Ruhegehalt mit Anmerkung von G. Hueck; 29, 169 = AP Nr. 175 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urteil vom 5. Juni 1984 - 3 AZR 33/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Für den Widerruf des Beklagten ergibt sich hieraus folgendes:

a) Das Berufungsgericht ist mit dem Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt, daß sich der Beklagte gegenwärtig in einer akuten, seine Existenz bedrohenden wirtschaftlichen Krise befindet. Dem ist zu folgen. Davon gehen auch alle Prozeßbeteiligten einschließlich des Klägers aus. Der Sachverständige hat zum 31. Dezember 1981 unter Einrechnung der Pensionsbelastung eine Überschuldung von rund 172.000,-- DM und jährliche Fehlbeträge von über 21.000,-- DM ermittelt.

b) Das Berufungsgericht hält eine Sanierung für möglich. Bei einer Kürzung der Ruhegeldansprüche des Klägers auf jährlich 3.000,-- DM, das sind monatlich 250,-- DM, bleibe nur ein Fehlbetrag von knapp 3.000,-- DM. Wenn der D Müllerbund weiterhin keine Beiträge erhebe und es bei den "erlaßähnlichen Stundungen" seit 1973 in Höhe von insgesamt über 37.000,-- DM bleibe, könne der Fortbestand des Beklagten auf Jahre gesichert werden. Dagegen sei der Weg der Beitragserhöhung oder der Erhebung von Nachschüssen bei den Mitgliedern nicht gangbar. Es sei mit Austritten zu rechnen und eine Erhöhung des Beitragsaufkommens im Ergebnis nicht zu erwarten. Auch eine Kreditaufnahme scheide aus, weil keine Sicherheiten vorhanden seien. Für eine Erhaltung des Beklagten gebe es keinen anderen Weg, als durch ein Opfer des Klägers und des D Müllerbundes den Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben für einige Zeit zu sichern.

Dieser Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Beklagten ist zu folgen. Wird die Pensionslast drastisch verringert und sieht der D Müllerbund davon ab, seine Forderungen gegen den Beklagten geltend zu machen, so läßt sich der Etat der Beklagten einigermaßen ausgeglichen gestalten, solange sich keine weiteren Schwierigkeiten ergeben.

c) Damit würde aber von den beiden Hauptgläubigern des Beklagten, dem Kläger und dem D Müllerbund, nicht nur ein vorübergehender, sondern ein dauernder Forderungsverzicht verlangt. Auf diese Weise ließe sich vielleicht auf einige Zeit die Existenz des Beklagten erhalten, aber keine Sanierung erzielen. Es bliebe völlig ungewiß, wann und unter welchen Umständen eine Verbesserung der Ertragslage des Beklagten wieder erwartet werden könnte. Es ist nicht zu erkennen, wie es dem Beklagten gelingen sollte, die Krise zu überwinden und für die weitere Verbandstätigkeit eine dauerhafte Grundlage zu finden. Selbst wenn der andere Hauptgläubiger, der D Müllerbund, endgültig auf seine rückständigen Beitragsforderungen verzichtete und nicht einmal die laufenden Beiträge von jährlich knapp 10.000,-- DM verlangte, könnte nur eine Verbesserung der Einnahmesituation Abhilfe schaffen. Diese ist jedoch nach dem eigenen Vortrag des Beklagten gerade nicht erreichbar. Auf eine Verbesserung der Branchenlage läßt sich ebenfalls nicht hoffen. Der Beklagte selbst trägt vor, daß die wirtschaftliche Entwicklung zu den Großmühlen gehe, deren Interessen aber in der Regel vom Industriemühlenverband vertreten würden.

Es kommt hinzu, daß auch nach Auffassung des Berufungsgerichts eine dauerhafte, mindestens langfristige Besserung der wirtschaftlichen Lage des Beklagten nur zu erwarten ist, wenn der D Müllerbund in erheblichem Umfang mit seinen Forderungen zurücktritt. Das mag, wie das Berufungsgericht annimmt, eine billige verbandsübergreifende Lösung ermöglichen. Voraussetzung für ein Sanierungsopfer des Klägers wäre aber, daß der Beklagte den D Müllerbund zu einem solchen Zugeständnis bewegen könnte. Dafür sind in dem angefochtenen Urteil und im Vortrag der Parteien keine Anhaltspunkte vorhanden.

Möglicherweise will das Landesarbeitsgericht entscheidend auf die organisatorische Verbindung des Beklagten mit seinem Dachverband abstellen und die Forderungen des D Müllerbundes für die Frage der Sanierungsfähigkeit vernachlässigen. Das ließe sich aber nur dann vertreten, wenn die Verflechtung der Verbände so eng wäre, daß der D Müllerbund für den Fortbestand des Beklagten oder für die Versorgungsansprüche des Klägers einstehen müßte. Aber auch für eine solche verbandseinheitliche Haftung fehlen nach dem Vortrag der Parteien alle Voraussetzungen.

III. Die Revision des PSV ist unbegründet.

1. Mit der Revision verfolgt der PSV als streitgenössischer Nebenintervenient (BAG 34, 146 = AP Nr. 9 zu § 7 BetrAVG) seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter: Es soll festgestellt werden, daß der Beklagte die Ruhegeldleistungen nicht wegen wirtschaftlicher Notlage einstellen darf. Damit will der PSV erreichen, daß im Rechtsstreit zwischen Versorgungsgläubiger und Versorgungsschuldner festgestellt wird, daß er als Träger der Insolvenzsicherung nicht eintrittspflichtig ist. Das ist in dieser Form nicht zulässig.

Der Antrag enthält eine Zwischenfeststellungsklage. Gemäß § 256 Abs. 2 ZPO können die Parteien bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung beantragen, daß ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise abhängt, festgestellt wird. Die Voraussetzungen sind erfüllt. Das streitige Rechtsverhältnis, die wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers ist vorgreiflich für die Entscheidung des Rechtsstreits, nämlich das Recht des Beklagten, die Ruhegeldansprüche des Klägers zu kürzen.

Der PSV ist als Streithelfer jedoch nicht befugt, eine Zwischenfeststellungsklage zu erheben. Dazu ist nur die Partei selbst berechtigt. Der Nebenintervenient gilt zwar gemäß § 69 ZPO i.S. des § 61 ZPO als Streitgenosse der Hauptpartei, er ist jedoch nicht Hauptpartei, da er den Prozeß nicht als Partei betreibt (§ 59 ZPO). Die vom Gesetz gleichwohl fingierte Streitgenossenschaft "i.S. des § 61" hat nur zur Folge, daß der Nebenintervenient zwar hinsichtlich des Prozeßbetriebs, nicht aber hinsichtlich der selbständigen Rechtsverfolgung als Partei behandelt wird (Baumbach/Hartmann, ZPO, 43. Aufl., § 69 Anm. 2 A). Demgemäß kann der Streithelfer nicht selbst den Streitgegenstand des Rechtsstreits ändern. Nach einhelliger Meinung kann er die Klage weder zurücknehmen noch erweitern; ebensowenig kann er Rechtsmittel der Partei ändern oder beschränken oder den Prozeß selbst weiterführen (BGH Urteil vom 22. Dezember 1964 - I a ZR 237/63 - NJW 1965, 760). Er kann auch nicht mit Wirkung für die Partei anerkennen oder verzichten (Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 69 Anm. 3; Wieczoreck, ZPO, 2. Aufl., § 69 Anm. A I a und B II; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 69 Rz 7 und § 67 Rz 2). An diesen Beschränkungen muß auch eine Zwischenfeststellungsklage des Streithelfers scheitern (so auch die vorstehend genannten Autoren). Deren Zweck ist es, die Rechtskraftwirkung auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis auszudehnen (Baumbach/Hartmann, aa0, § 256 Anm. 7; Thomas/Putzo, aa0, § 256 Anm. II 1). Dieses prozessuale Ziel kann nur die Partei erreichen, nicht der Nebenintervenient.

2. Die Beteiligung des PSV am Rechtsstreit kann im Revisionsverfahren nicht mehr in eine selbständige Klageerhebung umgedeutet werden, die dem Streithelfer die Stellung einer Hauptpartei verschaffte. Der PSV ist im Rechtsstreit ausdrücklich als Streithelfer des Klägers zu dessen Unterstützung beigetreten und im Verfahren als streitgenössischer Nebenintervenient aufgetreten. Er hat selbständig im eigenen Namen Berufung und Revision eingelegt. Dabei galten für ihn gesonderte Rechtsmittelfristen, die von der Zustellung der angefochtenen Entscheidungen an ihn als Streithelfer abhängig waren (BGH Urteil vom 7. November 1974 - VII ZR 30 u. 132/72 - LM Nr. 6 zu § 321 ZPO; Thomas/Putzo, aa0, § 69 Anm. 1; Baumbach/Hartmann, aa0, § 69 Anm. 2 B). Die Rolle der Verfahrensbeteiligung als Streithelfer kann nicht nachträglich wieder beseitigt und durch die andere Rolle einer selbständigen Partei mit deren weiterreichenden Verfahrensrechten ersetzt werden.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Zieglwalner Wax

 

Fundstellen

BAGE 50, 210-221 (LT1-2)

BAGE, 210

DB 1986, 2029-2030 (LT1-2)

RdA 1986, 332

SAE 1987, 28-32 (LT1-2)

ZIP 1986, 1141

ZIP 1986, 1141-1144 (LT1-2)

AP § 7 BetrAVG Widerruf (LT1-2), Nr 8

AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 171 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 460 Nr 171 (LT1-2)

EzA § 7 BetrAVG, Nr. 18 (LT1-2ST1)

VersR 1986, 1131-1132 (LT1-2)

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