Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Fleischbeschautierärzte

 

Leitsatz (amtlich)

  • Der bis zum 31. März 1979 geltende Ausschluß aller nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte aus der tarifvertraglichen Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst war nicht gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG). Er trug den für diese Beschäftigungsverhältnisse typischen Besonderheiten angemessen Rechnung.
  • Seit dem 1. April 1979 stellen die Tarifvertragsparteien bei den nicht vollbeschäftigten, innerhalb öffentlicher Schlachthöfe tätigen Fleischbeschautierärzten nicht mehr auf diese Besonderheiten ab, sondern machen die Teilnahme an der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes innerhalb dieser Beschäftigtengruppe allein vom Umfang der jährlichen Arbeitszeit abhängig. Dies ist gleichheitswidrig, soweit mehr als geringfügig beschäftigte Angestellte betroffen sind.
  • Soweit aufgrund der tarifvertraglichen Regelung Angestellte zu Unrecht von der Zusatzversorgung ausgeschlossen worden sind, muß der Arbeitgeber ihnen eine den begünstigten Angestellten entsprechende Zusatzversorgung verschaffen (zu 2. und 3. Bestätigung des Senatsurteils vom 13. Mai 1997 – 3 AZR 66/96  – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
 

Normenkette

BetrAVG § 1 Gleichbehandlung; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242; Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen (TV Ang iöS) § 20; BAT §§ 46, 3 Buchst. Q, § 3 Buchst. r

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 14.11.1995; Aktenzeichen 13 Sa 971/95)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 03.02.1995; Aktenzeichen 2 Ca 565/94)

 

Tenor

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die beklagte Stadt dem Kläger eine Zusatzrente verschaffen muß.

Der am 4. März 1922 geborene Kläger hat seit dem Jahre 1950 als Tierarzt praktiziert. Er war vom 1. Juli 1952 bis zum Mai 1977 als nicht vollbeschäftigter Fleischbeschautierarzt in von der beklagten Stadt betriebenen öffentlichen Schlachthöfen tätig. Mit Wirkung vom 1. September 1960 wurde erstmals ein schriftlicher Vertrag als Aushilfstierarzt in den Städtischen Schlachthöfen abgeschlossen. Dieser Vertrag wurde am 15. November 1969 durch einen Arbeitsvertrag als nicht vollbeschäftigter Fleischbeschautierarzt abgelöst, wonach sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen vom 1. April 1969 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen richtete. Der Kläger wurde nach Arbeitsanfall eingesetzt und erhielt –  jedenfalls seit 1960 – eine nach Arbeitsstunden bemessene Vergütung.

Der Kläger hat behauptet, sein Jahresverdienst habe in der Zeit seiner Tätigkeit bei der Beklagten zwischen 1.614,00 DM und 18.517,55 DM geschwankt. Der Jahresdurchschnitt habe bei 8.374,54 DM gelegen. Er habe monatlich zwischen 80 und 100 Stunden gearbeitet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Ausschluß der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte in öffentlichen Schlachthöfen aus dem Kreis der bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zu versichernden Arbeitnehmer verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Er könne deshalb von der Beklagten die Rente verlangen, die er erhalten würde, wenn er während der gesamten Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert worden wäre. Er hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn mit Eintritt in das Rentenalter eine Rente zu zahlen, die er erhalten würde, wenn er seit 1. Juli 1952 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) gemäß § 26 der VBL-Satzung pflichtversichert gewesen wäre.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe ab dem 1. April 1969 jährlich im Durchschnitt etwa 700 Stunden gearbeitet. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Der Kläger habe wegen des Umstandes, daß er nebenberuflich tätig gewesen sei, aus der Zusatzversorgung ausgeschlossen werden können.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Sachantrag mit der Maßgabe weiter festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. April 1987 die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die er erhalten würde, wenn er mit Einführung der Zusatzversorgung seit dem 1. Januar 1966 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder pflichtversichert gewesen wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Seine Klage ist zwar zulässig. Sie ist aber auch in ihrem in der Revisionsinstanz eingeschränkten Umfang unbegründet.

I. Der Klageantrag ist zulässig. Der Kläger hat hierfür das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse. Angesichts der erheblichen Schwierigkeiten, die mit einer Berechnung von Versorgungsansprüchen nach der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder verbunden sind, ist es angemessen und sinnvoll, durch eine Feststellungsklage den Grund des Anspruchs vorab klären zu lassen (BAG Urteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 239 f. = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu A III 2b der Gründe).

II. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat für den von ihm geltend gemachten Verschaffungsanspruch keine Anspruchsgrundlage.

1. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihm eine Zusatzversorgung verschafft. Keiner der vom Kläger vorgelegten Verträge sieht eine solche Verpflichtung der Beklagten vor. Dies gilt auch, soweit im Arbeitsvertrag vom 15. November 1969 der Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen vom 1. April 1969 (TV Ang iöS) in Bezug genommen wird. Dieser Tarifvertrag führte erst mit Wirkung zum 1. April 1979 für die in seinen Geltungsbereich fallenden Angestellten einen Anspruch auf Versicherung nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages ein, wenn und solange sie in dem jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Stundenvergütungen für mindestens 1.000 Stunden erhalten hatten. In der Zeit zuvor sah der Tarifvertrag eine zusätzliche Altersversorgung nicht vor. Da der Kläger bei der Beklagten letztmals im Mai 1977 Einkünfte erzielt hat, aufgrund deren eine Versicherungspflicht hätte bestehen können, scheidet ein Anspruch aus dem in Bezug genommenen Tarifvertrag von vornherein aus. Darauf, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger bis 1977 für die Beklagte tätig war, kommt es danach ebensowenig an, wie darauf, wann das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien von Rechts wegen geendet hat.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Für die Zeit bis zum 1. August 1969, von dem an die Parteien ausdrücklich die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, ist schon zweifelhaft, ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu Gunsten des Klägers Anwendung findet. Es steht nicht fest, ob der Kläger bis dahin abhängig beschäftigter Arbeitnehmer der Beklagten war. Das vom Kläger mitgeteilte finanzgerichtliche Urteil, in dem seine Einkünfte bei der Beklagten als solche aus unselbständiger Tätigkeit bewertet worden sind, ist im privatrechtlichen Verhältnis zur Beklagten ohne rechtliche Bedeutung. Der vom Kläger vorgelegte Vertrag vom 1. September 1960 gibt keine ausreichenden Hinweise für eine persönliche Abhängigkeit des Klägers bei seiner Tätigkeit. Wie das Dienstverhältnis bis 1969 tatsächlich durchgeführt worden ist, trägt er nicht vor.

Aber auch wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, daß er zumindest seit dem 1. Januar 1966 Arbeitnehmer der Beklagten war, hat er für die gesamte Zeit seiner Beschäftigung keinen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

aa) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann im Recht der betrieblichen Altersversorgung eine eigenständige Anspruchsgrundlage sein (§ 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Er ist aber nur dann verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ohne sachlichen Grund schlechterstellt. Bildet er Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muß die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen (BAGE 78, 288 = AP Nr. 24 zu § 1 BetrAvG Gleichbehandlung; Senatsurteil vom 25. April 1995 – 3 AZR 446/94 – AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber eine eigene Ordnung geschaffen hat. Erfüllt der Arbeitgeber nur eine ihm obliegende tarifvertragliche Pflicht, ordnet er nicht selbst. Er übt keine eigene Gestaltungsmacht aus, an deren Vorgaben er gebunden wäre. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber einen Tarifvertrag nicht nur aufgrund beiderseitiger Tarifbindung, sondern auch aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahmen anwendet. Auch in einem solchen Fall schafft der Arbeitgeber die Ordnung nicht selbst, sondern übernimmt das Regelungswerk der Tarifvertragsparteien. Deshalb kann auch nicht seine gestaltende Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes überprüft werden. Hier geht es um die Kontrolle der Rechtssetzung der Tarifvertragsparteien selbst (vgl. Senatsurteile vom 25. April 1995 – 3 AZR 446/94 – AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 3a der Gründe; vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 241 f. = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 1 der Gründe).

bb) Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt hat.

Der Kläger hat zwar zunächst behauptet, die Beklagte habe mehrere Trichinenschauer, darunter auch teilzeitbeschäftigte, zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder angemeldet; deshalb habe auch er beantragt, daß die Beklagte ihn dort versichern solle. Die Beklagte ist dem im einzelnen entgegengetreten. Sie hat behauptet, sie habe nur einen einzigen Trichinenschauer zur Zusatzversorgung angemeldet, mit dem außerdem grundsätzlich andere Arbeitsbedingungen als mit dem Kläger vereinbart worden seien. Nach diesem eine Gleichbehandlungspflicht der Beklagten ausschließenden Vorbringen hat der Kläger seinen Vortrag nicht weiterverfolgt oder näher präzisiert. Statt dessen hat er darauf hingewiesen, ein anderer Aushilfstierarzt sei von der Beklagten etwa 1983 zur Zusatzversorgungskasse angemeldet worden, obwohl er nicht die im Tarifvertrag geforderten Arbeitsstunden im Jahr erreicht habe. Daß dieser Vortrag keinen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen kann, folgt schon daraus, daß der Kläger zuletzt im Jahre 1977 für die beklagte Stadt tätig gewesen ist.

3. Der Kläger hat auch nicht deshalb einen Anspruch auf Verschaffung einer Zusatzversorgung, weil tarifliche Regelungen, welche die Beklagte auf ihre Beschäftigten unabhängig von deren Tarifbindung angewendet hat und anwendet, während der Beschäftigungszeit des Klägers insoweit unwirksam waren, wie sie Arbeitnehmer wie ihn von einem tarifvertraglichen Versorgungsanspruch ausnahmen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 241 ff. = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II der Gründe). Dabei kann auch in diesem Zusammenhang zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, daß er während des gesamten Geltendmachungszeitraums von der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt worden ist.

a) Für die Zeit bis zum 1. Januar 1967 scheidet ein Zusatzversorgungsanspruch für den Kläger schon deshalb aus, weil es bis dahin im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände keine allgemeine tarifvertragliche Pflicht zur Zusatzversorgung von Angestellten gab. Bis zum 31. Dezember 1966 begründete § 46 BAT nur für die Angestellten des Bundes und der Länder einen Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages. § 46 Abs. 2 BAT verpflichtete die Tarifvertragsparteien im Bereich der Kommunen zwar dazu, die allgemeine Einführung einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu fördern. Bis zum 1. Januar 1967 sind entsprechende tarifliche Regelungen jedoch im Bereich der Beklagten unterblieben. Erst mit Wirkung zum 1. Januar 1967 wurde aufgrund des 15. Änderungstarifvertrages zum Bundes-Angestelltentarifvertrag der Zusatzversorgungsanspruch aus § 46 BAT auch auf die Angestellten kommunaler Verwaltungen und Betriebe erstreckt.

b) In der Zeit vom 1. Januar 1967 bis zum Ende der Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten im Mai 1977 gab es zwar tarifliche Regelungen für Angestellte in kommunalen Verwaltungen und Betrieben, die einen Anspruch auf Zusatzversorgung begründeten. Diese Bestimmungen galten jedoch nicht für nicht vollbeschäftigte Trichinenschauer und Fleischbeschautierärzte wie den Kläger. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG war mit dieser Beschränkung des Geltungsbereichs nicht verbunden.

aa) § 46 BAT und der Versorgungstarifvertrag waren ab dem 1. Januar 1967 für die kommunalen Angestellten anwendbar, die in den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages fielen. Nach § 3 Buchst. r BAT und der Protokollnotiz hierzu waren dies jedoch nicht die vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer. Für diesen Personenkreis gab es bis zum 31. März 1969 keine tarifvertraglichen Regelungen. Auch nach diesem Zeitpunkt blieben nicht vollbeschäftigte in öffentlichen Schlachthöfen tätige Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer sowie die gegen Stückvergütung außerhalb öffentlicher Schlachthöfe tätige Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer nach § 3 Buchst. r BAT aus dem Anwendungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages ausgenommen. Für diesen Personenkreis traten am 1. April 1969 zwei Tarifverträge in Kraft, nämlich für die Angestellten, die in öffentlichen Schlachthöfen tätig waren, und für diejenigen, die in nicht öffentlichen Schlachthöfen eingesetzt wurden. Beide Tarifverträge sahen keine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung vor. Erst mit Wirkung vom 1. April 1979, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger seine Tätigkeit für die Beklagte eingestellt hatte, ist für den Bereich der in öffentlichen Schlachthöfen tätigen Angestellten eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung eingeführt worden, soweit die Angestellten im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr Stundenvergütungen für mindestens 1.000 Stunden erhalten hatten.

bb) Der damit bis zum 31. März 1979 bestehende generelle Ausschluß von nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG). Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Ungleichbehandlung dieser Personengruppe gegenüber den sonstigen Angestellten des öffentlichen Dienstes ist sachlich gerechtfertigt.

§ 3 Buchst. r BAT in der bis zum Jahre 1969 geltenden Fassung nahm die Angestellten im Bereich der Fleischbeschau nicht wegen des geringeren Umfangs ihrer Arbeitszeit aus dem Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages aus. Dies wäre jedenfalls gleichheitswidrig und deshalb unwirksam gewesen, soweit davon Arbeitnehmer mit mehr als geringfügiger Beschäftigung betroffen waren (BAGE 79, 236 = AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; Urteil vom 16. Januar 1996 – 3 AZR 767/94 – AP Nr. 222 zu Art. 3 GG; Urteil vom 27. Februar 1996 – 3 AZR 886/94 – AP Nr. 28 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteil vom 12. März 1996 – 3 AZR 993/94 – AP Nr. 1 zu § 24 TV Arb Bundespost; Urteil vom 13. Mai 1997 – 3 AZR 66/96 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Soweit es nur um den Umfang der Arbeitszeit der Angestellten im öffentlichen Dienst ging, hatten die Tarifvertragsparteien in § 3 Buchst. q BAT eine Bestimmung getroffen, derzufolge für Angestellte, deren arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beträgt, der Bundes-Angestelltentarifvertrag nicht galt.

Mit § 3 Buchst. r BAT in seiner ursprünglichen wie auch in der seit dem Jahre 1969 geltenden Fassung haben die Tarifvertragsparteien Besonderheiten einer Berufsgruppe im Verhältnis zu den sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst Rechnung getragen, die deren Ausschluß aus dem Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages und der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst sachlich rechtfertigten. Es handelt sich hier typischerweise nur um Teilzeitbeschäftigte, die neben ihrer Tätigkeit für den öffentlichen Dienstherrn einer freiberuflichen Tätigkeit als Tierarzt nachgehen. Dies allein würde zwar für einen Ausschluß aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst nicht ausreichen (Senatsurteil vom 13. Mai 1997 – 3 AZR 66/96 – zu B II 2b cc (2) der Gründe, m.w.N., zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die Beschäftigungsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte sind jedoch von besonderen Umständen geprägt. So war es bis zum Jahre 1969 sogar umstritten, ob es sich bei den nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzten überhaupt um Arbeitnehmer handelte (Crisolli/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, TV Fleischuntersuchungspersonal in öffentlichen Schlachthöfen, Erl. 1, S. 303). Dies beruhte darauf, daß auf die freiberufliche Haupttätigkeit in diesem Bereich in einer für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ganz außergewöhnlichen Weise Rücksicht genommen wurde. Beim Kläger zeigt sich dies beispielhaft in seinem Vertrag vom 1. September 1960, der den Kläger zwar verpflichtete, eine Vertretung zu stellen, wenn er auf einen Abruf hin eine Arbeit übernommen hatte und an deren Erledigung gehindert war. Diese Regelung macht aber zugleich auch deutlich, daß der Kläger nicht verpflichtet war, die versprochenen Dienste in Person zu leisten, sondern im Fall seiner persönlichen Verhinderung aus welchen Gründen auch immer, insbesondere also auch, wenn dies im Zusammenhang mit seiner Praxis zu Schwierigkeiten führte, einen Vertreter entsenden konnte.

Diese für den Bereich der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte typische Rücksichtnahme haben die Tarifvertragsparteien in § 9 und 12 des am 1. April 1969 in Kraft getretenen Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen aufgegriffen und bestätigt: In § 9 wird das Recht, eine sonstige berufliche Tätigkeit auszuüben, als durch das Arbeitsverhältnis nicht berührt bezeichnet, ohne daß zugleich auf das Nebentätigkeitsrecht des öffentlichen Dienstes verwiesen wird. Nach § 12 richtet sich die Arbeitszeit des Angestellten nach dem Arbeitsanfall, wobei eine möglichst gleichmäßige Heranziehung vom Arbeitgeber gewährleistet werden soll. Ist der Angestellte aber verhindert, seine Arbeit aufzunehmen – im Zweifel wegen seiner Hauptbeschäftigung –, hat er dies dem Arbeitgeber – nur – unverzüglich anzuzeigen. Eine unbedingte Arbeitsleistungspflicht mit der Gefahr, sich bei deren Verletzung Schadensersatzansprüchen auszusetzen, besteht nicht.

Durch diese die Arbeitsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte prägenden Besonderheiten kommt dieser Beschäftigungsgruppe ein für den öffentlichen Dienst atypischer wirtschaftlicher Vorteil zugute, der es rechtfertigt, sie hinsichtlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst schlechter zu stellen. Durch die in diesem Beschäftigungsverhältnis bestehende Möglichkeit, der eigenen Tierarztpraxis den Vorrang einzuräumen, werden Freiräume für anderweitige Verdienste eingeräumt, die es im öffentlichen Dienst im übrigen nicht gibt. Darauf, daß die nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte hieraus zusätzliche Sicherungen für ihr Alter würden finanzieren können, durften die Tarifvertragsparteien abstellen und die betreffende Personengruppe aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ausschließen.

cc) Zum Urteil des Senats vom 13. Mai 1997 (– 3 AZR 66/96 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) besteht kein Widerspruch. § 20 TV Ang iöS ist in der seit dem 1. April 1979 geltenden Fassung gleichheitswidrig und deshalb rechtsunwirksam, weil die Tarifvertragsparteien seither auf die ihnen eröffnete Differenzierungsmöglichkeit verzichtet und die Einbeziehung in die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes innerhalb der betreffenden Beschäftigungsgruppe nur davon abhängig gemacht haben, in welchem Umfang der nicht vollbeschäftigte Fleischbeschautierarzt für den öffentlichen Arbeitgeber tätig ist. Eine solche allein nach dem zeitlichen Umfang differenzierende Regelung ist den Tarifvertragsparteien untersagt. Hiervon ist der Kläger aber nicht mehr betroffen, nachdem er seit dem Jahr 1977 nicht mehr für die Beklagte tätig war.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Hauschild, Fasbender

 

Fundstellen

Haufe-Index 884856

DB 1998, 2280

FA 1998, 59

NZA 1998, 265

RdA 1998, 125

AP, 0

RiA 1998, 284

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