Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag. Prozeßverwirkung

 

Orientierungssatz

1. Die Verwirkung der Klagebefugnis tritt ein, wenn neben einem Zeitablauf besondere Umstände vorliegen, aus denen sich für den Gegner ein selbständiger prozessualer, sich also gerade auf die Klageerhebung erstreckender Vertrauenstatbestand ergibt und das Erfordernis des Vertrauensschutzes für den Gegner derart überwiegt, daß das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs zurücktreten muß.

2. Befristete Arbeitsverträge mit Lehrerin.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 620 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 15.06.1983; Aktenzeichen 8 Sa 1217/82)

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 19.11.1982; Aktenzeichen 5 Ca 686/82 L)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der im letzten Arbeitsvertrag vom 19. November 1981 enthaltenen Befristung zum 31. Juli 1982 beendet worden ist.

Die Klägerin war zunächst aufgrund des Arbeitsvertrages vom 27. Februar 1981 für die Zeit vom 9. März 1981 bis 6. November 1981 an der Staatlichen Realschule Bad Be mit 28 Wochenstunden als Vertreterin der sich in Mutterschaftsurlaub befindlichen Kollegin B tätig. Am 19. November 1981 schlossen die Parteien einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, nach dessen Inhalt die Klägerin für die Zeit vom 1. November 1981 bis zum 31. Juli 1982 mit 13 Wochenstunden als Lehrerin für Lehrfächer Deutsch und Biologie an der Staatlichen Realschule in Bad Be tätig war. Mit einem am 23. Juli 1982 bei der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 1982, den vorgenannten, letzten befristeten Arbeitsvertrag in einen unbefristeten Vertrag umzuwandeln. Durch Schreiben vom 17. August 1982, von dessen Inhalt die Klägerin infolge urlaubsbedingter Abwesenheit erst am 27. August 1982 Kenntnis nahm, lehnte die Bezirksregierung die Weiterbeschäftigung ab. Das Schreiben vom 17. August 1982 lautet wie folgt:

"Im Anschluß an Ihren Arbeitsvertrag als Mutter-

schaftsvertretung von Frau B an der Staatl.

Realschule Bad Be begann am 07.11.1981

Ihr nebenberufliches Arbeitsverhältnis zum Lande

Rheinland-Pfalz an der o.g. Schule.

Dieser Arbeitsvertrag war von vornherein bis zum

31.07.1982 befristet. Die Befristung haben Sie

durch Ihre Unterschrift anerkannt.

Nach Auskunft des zuständigen Schulaufsichtsbeamten

ist eine Weiterbeschäftigung über diesen Zeitpunkt

hinaus nicht möglich.

Wir bedauern, Ihnen keine günstigere Auskunft

geben zu können."

Am 1. September 1982 sprach die Klägerin bei der Bezirksregierung vor und verhandelte mit den von ihr als Zeugen benannten Herren S und T über eine Weiterbeschäftigung. Ein Weiterbeschäftigungsangebot erhielt die Klägerin nicht. Der Zeuge S sagte ihr lediglich zu, die bestehenden Möglichkeiten für eine erneute befristete Mutterschaftsvertretung zu erkunden. Nachdem es der Klägerin gelungen war, am 6. September 1982 mit dem Zeugen S telefonischen Kontakt aufzunehmen, hatte sie den Eindruck, daß dieser in der Sache nichts unternommen hatte und ihre Bemühungen, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu erhalten, endgültig gescheitert waren. Das ihr zwischen dem 17. und 29. September 1982 unterbreitete Angebot, aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages in der Zeit von Mitte Oktober 1982 bis Anfang Januar 1983 an der Realschule H tätig zu sein, lehnte die Klägerin ab.

Mit der am 8. Oktober 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der im letzten Arbeitsvertrag vom 19. November 1981 enthaltenen Befristung gewandt. Sie hat außerdem ihre Weiterbeschäftigung auf der Grundlage des letzten Arbeitsvertrages begehrt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der letzte (befristete) Arbeitsvertrag vom 19. November 1981 bestehe über den 31. Juli 1982 auf unbestimmte Zeit fort, da es für die Befristung an einem sachlichen Grund fehle.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

zwischen den Parteien über den 31. Juli

1982 hinaus auf unbestimmte Zeit auf der

Grundlage eines 13-Stunden-Vertrages fort-

besteht;

2. das beklagte Land zu verurteilen, die

Klägerin zu unveränderten Bedingungen

weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat es insbesondere vorgetragen, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin die Klagebefugnis verwirkt habe. Nach dem Auslaufen des letzten befristeten Arbeitsvertrages (31. Juli 1982) bis zum Eingang der Klage beim Arbeitsgericht (8. Oktober 1982) seien nahezu zehn Wochen verstrichen. Im übrigen sei die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auch sachlich gerechtfertigt. Sachlicher Grund für die Befristung des letzten Arbeitsvertrages sei die Vertretung für die an der Realschule Bad Be tätige Lehrkraft J gewesen, die kurzfristig nach Ablauf des verlängerten Mutterschaftsurlaubs gemäß § 87 a Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz beurlaubt worden sei. Zur Gewährleistung der Kontinuität des Lehrbetriebs habe man kurzfristig auf die bereits zuvor tätig gewesene Klägerin zurückgegriffen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, nach Ablauf des letzten befristeten Arbeitsvertrages habe die Klägerin mit der Klageerhebung unangemessen lange gewartet. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die Parteien nach dem 24. August 1982 über eine Weiterbeschäftigung verhandelt hätten. Die Klägerin habe nämlich nicht vorgetragen, daß das beklagte Land sie hierdurch von einer rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten habe.

Mit der Berufung hat die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sie die Klagebefugnis nicht verwirkt. Sie habe nicht davon ausgehen können, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Juli 1982 enden würde. Der letzte Arbeitsvertrag vom 19. November 1981 sei rückwirkend für die Zeit vom 1. November 1981 geschlossen worden. Um die Ungewißheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. Juli 1982 hinaus zu beseitigen, habe sie mit dem beim beklagten Land am 23. Juli 1982 eingegangenen Schreiben die Umwandlung ihres Vertrages in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beantragt. Nach Rückkehr aus dem Urlaub habe sie am 27. August 1982 das ablehnende Schreiben des beklagten Landes vom 17. August 1982 zur Kenntnis genommen. Bei dem am 1. September 1982 im Gebäude der Bezirksregierung in N stattgefundenen Gespräch habe sie Herrn S mitgeteilt, sie habe von einem Sachbearbeiter im Bereich der Hauptschule erfahren, daß alle 13-Stunden-Verträge im Bereich der Hauptschule in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt worden seien. Der von Herrn S hinzugezogene Herr T habe ihr erklärt, daß sie mit einer Klage kaum Erfolg haben werde. Herr S habe daraufhin versprochen, sich noch einmal eingehend mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Dabei habe er angedeutet, er wolle mit dem Leiter der Realschule Bad Be Kontakt aufnehmen. Den Abschluß eines neuen Vertrages habe er weder ausgeschlossen noch versprochen. Seine Zusage, sie am nächsten Tag anzurufen, habe Herr S nicht eingehalten. Es sei ihr erst am 6. September 1982 gelungen, Herrn S telefonisch zu erreichen. Bei diesem Telefonat habe sie den Eindruck gewonnen, daß ihre Bemühungen um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis endgültig gescheitert seien.

Das beklagte Land hat hierauf erwidert, für den Beginn des Zeitmoments sei auf den vereinbarten Fristablauf (31. Juli 1982) und nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von dem Inhalt des Schreibens der Bezirksregierung vom 17. August 1982 abzustellen. Im übrigen sei die Klägerin bei dem Gespräch vom 1. September 1982 unmißverständlich darauf hingewiesen worden, daß eine Entfristung ihres Arbeitsvertrages unter keinen Umständen in Betracht komme. Herr S habe der Klägerin lediglich zugesagt, die bestehenden Möglichkeiten für eine erneute befristete Mutterschaftsvertretung zu erkunden. Die Klägerin habe bei diesem Gespräch nicht auf eine etwa beabsichtigte Klage auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses hingewiesen. Das der Klägerin in der Zeit zwischen dem 17. und 29. September 1982 gemachte Angebot einer befristeten Mutterschaftsvertretung an der Realschule H habe diese abgelehnt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Senat durch Beschluß vom 22. Februar 1984 - 7 AZN 4/84 - zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre vorinstanzlichen Klageanträge weiter, während das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Die Vorinstanzen haben zu Unrecht eine prozessuale Verwirkung des Klagerechts angenommen, denn es fehlt an besonderen Umständen, die für das beklagte Land einen prozessualen Vertrauenstatbestand hätten bilden können.

I. Das Landesarbeitsgericht hat sich der Würdigung des Arbeitsgerichts angeschlossen, die Klägerin habe ihr Klagerecht verwirkt. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Überwiegend sei anerkannt, daß nicht nur materielle Rechte, sondern auch prozessuale Befugnisse verwirken könnten, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstoße. Dafür reiche Zeitablauf allein nicht aus. Hinzukommen müsse, daß der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibe, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflege. Erst dadurch werde eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten dürfe. Ein solcher Verwirkungsfall sei anzunehmen, wenn ein Berechtigter untätig geblieben sei, obwohl er die Rechtslage gekannt habe oder zumutbarerweise hätte kennen müssen, wobei ggf. rechts- oder sonstiger fachkundiger Rat einzuholen sei.

Zwar sei richtig, daß derjenige, der die Unwirksamkeit der Befristung geltend mache, weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung des § 4 Satz 1 KSchG die dort bestimmte dreiwöchige Klagefrist einzuhalten habe. Jedoch könne die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zur Konkretisierung des bei der prozessualen Verwirkung zu beachtenden Zeitmomentes herangezogen werden. Denn der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG liege der Rechtsgedanke zugrunde, daß der Arbeitgeber nach Fristablauf sicher sein könne, daß gegen eine von ihm ausgesprochene Kündigung eine Kündigungsschutzklage mit Erfolgsaussichten nicht mehr erhoben werden könne. Da die richterliche Befristungskontrolle aber gerade der Umgehung des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz vorbeugen solle, erscheine die Befristungskontrolle grundsätzlich dann nicht mehr geboten, sobald ein Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz auch nicht mehr möglich wäre.

Das Zeitmoment der Verwirkung sei im Streitfall erfüllt. Spätestens am 23. Juli 1982, damit bereits vor Fristablauf, habe die Klägerin die Rechtswirksamkeit der Befristung in Frage gestellt. Denn in ihrem Schreiben an die Bezirksregierung, das dort am 23. Juli 1982 eingegangen sei, habe sie unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts die Umwandlung ihres Arbeitsvertrages in einen unbefristeten Vertrag beantragt. Durch Schreiben der Bezirksregierung vom 17. August 1982, von dessen Inhalt die Klägerin nach Rückkehr aus dem Urlaub, spätestens am 27. August 1982, Kenntnis genommen habe, sei ihr definitiv erklärt worden, daß eine Weiterbeschäftigung über den 31. Juli 1982 nicht in Betracht komme. Die Klägerin räume weiter ein, daß ihr anläßlich der folgenden Verhandlungen Zusagen für eine Weiterbeschäftigung nicht gemacht worden seien und sie anläßlich des Telefongesprächs mit dem Zeugen S am 6. September 1982 den Eindruck gewonnen habe, daß ihre Bemühungen auf Umwandlung des Arbeitsvertrages in einen Vertrag auf unbestimmte Zeit endgültig gescheitert gewesen seien. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei von der Klägerin zu erwarten gewesen, daß sie unverzüglich die Unwirksamkeit der Befristung gerichtlich geltend mache. Nachdem sie nach dem 6. September 1982 wiederum fast fünf Wochen habe verstreichen lassen, habe das beklagte Land darauf vertrauen dürfen, die Klägerin werde von einer Klage absehen.

II. Diese Würdigung hält einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand, denn das Landesarbeitsgericht ist zu Unrecht von einer prozessualen Verwirkung des Klagerechts ausgegangen.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluß vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - (BVerfGE 32, 305, 309 = NJW 1972, 675) entschieden, daß die Befugnis zur Anrufung der Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG im Einzelfall der Verwirkung unterliegen kann. Das Rechtsinstitut der prozessualen Verwirkung ist auch in der Rechtsprechung der übrigen obersten Gerichtshöfe des Bundes allgemein anerkannt (vgl. etwa BGHZ 48, 351, 354; BGHZ 43, 289, 293; BGHZ 14, 179, 187; BGH vom 10. Oktober 1962 - V ZR 189/60 - LM Nr. 2 zu § 339 ZPO; BVerwG, VerwRechtspr. 13, 838, 839; BVerwG, DVBL. 1956, 520; BSG Urteil vom 29. Juni 1972 - 2 RU 62/70 - NJW 1972, 2103; BFH, BStBl. 1958 III 352, 353; BFH vom 5. Februar 1985 - VII R 173/82 -, nicht veröffentlicht). Seit dem Urteil vom 2. November 1961 - 2 AZR 66/61 - (BAG 11, 353 = AP Nr. 1 zu § 242 BGB Prozeßverwirkung) entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß das Recht, eine Klage zu erheben, verwirkt werden kann mit der Folge, daß eine gleichwohl erhobene Klage unzulässig ist (vgl. Urteil des Senats vom 7. März 1980 - 7 AZR 177/78 - AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urteil vom 11. November 1982 - 2 AZR 552/81 - AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B II 3 b der Gründe). Die Verwirkung der Klagebefugnis tritt ein, wenn neben einem Zeitablauf besondere Umstände vorliegen, aus denen sich für den Gegner ein selbständiger prozessualer, sich also gerade auf die Klageerhebung erstreckender Vertrauenstatbestand ergibt und das Erfordernis des Vertrauensschutzes für den Gegner derart überwiegt, daß das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs zurücktreten muß.

Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat auch für den Fall der Feststellung der Unwirksamkeit einer Befristung angeschlossen (vgl. Urteil vom 7. März 1980, aaO). Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts steht ebenfalls auf dem Standpunkt, daß die Klagebefugnis für einen Feststellungsantrag, mit dem eine Befristung angegriffen werden soll, verwirken kann (vgl. Urteil vom 11. November 1982, aaO; Urteil vom 24. Mai 1984 - 2 AZR 358/83 - unveröff.). Zur Konkretisierung des Zeitmoments kann hierbei auf die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zurückgegriffen werden (vgl. Urteil des Senats vom 7. März 1980, aaO). Zur Begründung für diesen Standpunkt hat der erkennende Senat im Urteil vom 7. März 1980 (aaO) ausgeführt, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit davon auszugehen, daß der Zeitspanne, in der der Vertrauenstatbestand für die Nichterhebung der Feststellungsklage wegen der Unzulässigkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses geschaffen werde, zeitlich enge Grenzen zu setzen seien. Daher könne die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zur Konkretisierung des bei der prozessualen Verwirkung zu beachtenden Zeitmoments herangezogen werden.

2. Diese Rechtsgrundsätze, an denen der Senat auch nach erneuter Überprüfung festhält, hat das Landesarbeitsgericht nur teilweise beachtet.

a) Das Landesarbeitsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, daß das Zeitmoment der Verwirkung unter Beachtung der in § 4 KSchG enthaltenen Zeitgrenze von drei Wochen zu konkretisieren ist. Seine Würdigung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als es ausführt, diese Regelfrist sei hinsichtlich der allein im Streit befindlichen letzten Befristung zum Zeitpunkt der Klageerhebung selbst dann verstrichen gewesen, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehe, die dreiwöchige Regelfrist sei erst mit dem Telefonat vom 6. September 1982 in Gang gesetzt worden, in dessen Verlauf sie den Eindruck gewonnen habe, das beklagte Land halte an seinem Rechtsstandpunkt hinsichtlich der Wirksamkeit der letzten Befristung fest.

Außer dem Zeitablauf hat das Landesarbeitsgericht keine Umstände festgestellt, die darauf schließen lassen, das beklagte Land habe darauf vertrauen dürfen, die Klägerin werde die Wirksamkeit der letzten Befristung nicht gerichtlich klären lassen. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich darauf hingewiesen, nachdem die Klägerin nach dem 6. September 1982 bis zur Klageerhebung fast fünf Wochen habe verstreichen lassen, habe das beklagte Land darauf vertrauen dürfen, die Klägerin werde von einer Klage absehen. Damit hat das Landesarbeitsgericht verkannt, daß neben dem Zeitablauf besondere Umstände vorliegen müssen, aus denen sich für den Gegner ein selbständiger prozessualer Vertrauenstatbestand ergibt, der sich gerade auf die Klageerhebung bezieht.

Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt, an den der Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO mangels entsprechender Verfahrensrügen gebunden ist, läßt nicht erkennen, daß im Streitfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer das beklagte Land habe darauf vertrauen dürfen, die Klägerin werde die Wirksamkeit der letzten Befristung nicht gerichtlich klären lassen. Die Klägerin hat die Unwirksamkeit der letzten Befristung bereits vor Fristablauf (31. Juli 1982) durch ihr undatiertes Schreiben, das am 23. Juli 1982 bei der zuständigen Bezirksregierung eingegangen ist, geltend gemacht. Das beklagte Land hat keine Umstände dargetan, aufgrund derer es davon ausgehen konnte und durfte, die Klägerin habe sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 1982 abgefunden und werde keine gerichtliche Klärung anstreben. Selbst wenn man zugunsten des beklagten Landes annimmt, die Klägerin sei bei dem Gespräch am 1. September 1982 darauf hingewiesen worden, eine Entfristung ihres letzten Arbeitsvertrages komme unter keinen Umständen in Betracht, so fehlt es an der Darlegung entsprechender Tatsachen, aufgrund derer das beklagte Land annehmen konnte und durfte, die Klägerin habe ihren vor Fristablauf geäußerten gegenteiligen Rechtsstandpunkt zwischenzeitlich aufgegeben und werde keinen Rechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, zumal die Klägerin das ihr zwischen dem 17. und 29. September 1982 unterbreitete Angebot einer erneuten befristeten Beschäftigung abgelehnt hat.

b) Da es im Streitfall bereits an dem für die Annahme einer prozessualen Verwirkung notwendigen Vertrauenstatbestand fehlt, kann es offenbleiben, ob das beklagte Land in dem Zeitraum nach dem vereinbarten Vertragsende (31. Juli 1982) bis zum Eingang der Klage beim Arbeitsgericht (8. Oktober 1982) im Vertrauen auf eine nicht mehr zu erwartende gerichtliche Klärung der zwischen den Parteien streitigen Wirksamkeit der letzten Befristung entsprechende personelle Dispositionen getroffen hat (vgl. zu diesem Erfordernis das Urteil des Senats vom 27. Mai 1983 - 7 AZR 319/81 -, unter I 3 der Gründe, unveröff.; Urteil des Zweiten Senats vom 25. August 1983 - 2 AZR 401/82 -, unter II 2 c, cc der Gründe, unveröff.).

III. Da beide Vorinstanzen die Klage zu Unrecht aus Gründen der prozessualen Verwirkung als unzulässig abgewiesen haben, fehlt es bislang an den erforderlichen Tatsachenfeststellungen hinsichtlich der Frage, ob die Befristung des letzten Arbeitsvertrages sowohl dem Grunde als auch der Dauer nach sachlich gerechtfertigt ist. Dies macht eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht erforderlich. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 2), mit dem die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung über den 31. Juli 1982 hinaus zu unveränderten Bedingungen begehrt. Da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Begründetheit beider Klageanträge nach dem bisherigen Prozeßverlauf keine Rolle gespielt haben, muß der Klägerin Gelegenheit gegeben werden darzulegen, aus welchen Gründen die letzte Befristung unwirksam sei und weshalb ihr für die Dauer des Feststellungsrechtsstreits ein Weiterbeschäftigungsanspruch zustehe. Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein einstweiliger Weiterbeschäftigungsanspruch im Falle einer möglicherweise unwirksamen Befristung besteht, ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Instanzgerichte äußerst umstritten. Der erkennende Senat hat sich daher dazu veranlaßt gesehen, diese Frage dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts zur Entscheidung vorzulegen (vgl. Beschluß vom 22. Juni 1984 - 7 AZR 587/83 -). Da mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen zum Befristungsgrund noch nicht abzusehen ist, ob die Befristung des allein streitigen Arbeitsvertrages vom 19. November 1981 wirksam ist, sieht der Senat davon ab, dem Landesarbeitsgericht Hinweise zur Beurteilung des auf einstweilige Weiterbeschäftigung gerichteten Klageantrages zu 2) zu geben.

Bei dem erneuten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht insbesondere zu prüfen haben, ob die Klägerin entsprechend dem Vortrag des beklagten Landes in der Zeit vom 1. November 1981 bis 31. Juli 1982 aufgrund des Vertrages vom 19. November 1981 als Vertretung für die gemäß § 87 a Beamtengesetz Rheinland-Pfalz im Anschluß an den Mutterschaftsurlaub beurlaubte Lehrkraft J eingestellt und beschäftigt worden ist. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß die Zulässigkeit von Befristungen im Hinblick auf derartige Vertretungsfälle von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt ist (vgl. etwa BAG 44, 107, 111 m.w.N. sowie das zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Urteil des Senats vom 3. Oktober 1984 - 7 AZR 192/83 -, unter II 1 der Gründe). Bei der Frage der Dauer der Befristung wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, daß es nach der Ansicht des Senats (vgl. Urteil vom 3. Oktober 1984, aaO, unter II 2 b der Gründe sowie das zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 458/82 -, unter II 2 a der Gründe m.w.N.) in der freien Entscheidung des Arbeitgebers liegt, ob und in welchem Umfang er bei Eintritt eines Vertretungsfalles überhaupt für eine Vertretung sorgt.

Roeper Dr. Steckhan Dr. Becker

Dr. Blaeser Lappe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441144

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