Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulage bei Heimerziehung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ein Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst, der im teilstationären Bereich eines Erziehungsheimes arbeitet und Kinder nur zwischen 11.30 und 16.30 Uhr betreut, hat keinen Anspruch auf eine Heimzulage. Diese setzt eine Betreuung über den ganzen Tag voraus und soll die besonderen Erschwernisse bei Heimunterbringung abgelten.
  • Auch aus einer fehlerhaften Zahlung über einen längeren Zeitraum kann nicht ohne weiteres auf eine betriebliche Übung oder ein konkludentes Änderungsangebot des Arbeitgebers geschlossen werden.
 

Normenkette

Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonie) § 12; Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonie) Anlage 1a Anm. 1 zu Einzelgruppenplan (EGP) Ziff. 21; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.03.1992; Aktenzeichen 7 Sa 84/91)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 05.09.1991; Aktenzeichen 17 Ca 47/91)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. März 1992 – 7 Sa 84/91 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Fortzahlung einer dem Kläger bis zum 31. Dezember 1990 gezahlten Heimzulage.

Der Kläger, staatlich anerkannter Heilpädagoge, ist seit dem 1. Juli 1988 im Evangelischen Kinder- und Schulheim W… pflege der Beklagten in S… aufgrund eines Dienstvertrages vom 24. Mai 1988 beschäftigt. Nach § 2 des Dienstvertrages gelten für das Dienstverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonisches Werk) in ihrer jeweils gültigen Fassung.

Der Kläger wurde in die Berufungsgruppe A Einzelgruppenplan 22b und Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1k eingestuft.

Die Beklagte ist dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen. Sie betreut im Kinder- und Schulheim W… pflege behinderte Kinder und Jugendliche. Dort und in den Außenstellen sind Gruppen sowohl mit vollstationären Plätzen wie solche mit teilstationären Plätzen vorhanden. Der Kläger ist im teilstationären Bereich tätig. Er betreut dort zusammen mit einem Kollegen eine feste Gruppe von 7 Kindern. Die von ihm zu betreuenden Kinder leben grundsätzlich bei ihren Eltern und gehen außerhalb der W… pflege zur Schule. Je nach Schulende kommen sie frühestens ab 11.30 Uhr in ihre Tagesgruppe. Sie können dort ein Mittagessen einnehmen und erhalten u.a. Hilfe bei der Erledigung der Hausaufgaben. Um 16.30 Uhr kehren sie in ihr Elternhaus zurück. Haben die Kinder nachmittags Schulunterricht, kommen sie nicht in ihre Gruppe. Während der Schulferien ist die Tagesgruppe geschlossen. Die Betreuung erfolgt von Montag bis Freitag mit insgesamt 25 Betreuungsstunden wöchentlich.

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis zum 31. Dezember 1990 eine monatliche Heimzulage in Höhe von 90,00 DM nach der Anmerkung 7a zu den Einzelgruppenplänen (EGP)- Diakonie Ziff. 22a und 22b und lehnte weitere Zahlungen in der Folgezeit ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe weiterhin Anspruch auf die Heimzulage. Bei den Einrichtungen der Beklagten handele es sich um Heime im Sinne der Anmerkung 7a zu den EGP-Diakonie Ziff. 22a und 22b. Aus § 2 der Vereinbarung zur Regelung des Pflegesatzwesens in Baden-Württemberg (Pflegesatzvereinbarung) ergebe sich nämlich, daß auch die teilstationäre Betreuung als “Heim” anzusehen sei. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Schreiben des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern vom 10. Februar 1978 die Anerkennung des Kinder- und Schulheims W… pflege als Sonderheim. Die streitige Zulage werde auch für Betreuer in Lebensfeldgruppen und im betreuten Jugendwohnen bezahlt. Ein ständiger Aufenthalt der zu betreuenden Kinder sei gegeben, da sie sich in der Regel zwischen zwei und zehn Jahren in der W… pflege aufhielten. Es sei nicht eine Heimunterbringung “rund um die Uhr” erforderlich.

Weiter hat der Kläger vorgetragen, sein Anspruch ergebe sich auch aus dem Grundsatz des Bestands- oder Vertrauensschutzes. Die Zulage sei ihm über mehrere Jahre gezahlt worden. Sie sei damit gefestigter Bestandteil seiner Vergütung geworden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, an ihn 720,00 DM brutto zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen , an ihn ab dem 15. September 1991 monatlich weitere 90,00 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Heimzulage, da diese nur zu gewähren sei, wenn die betreuten Kinder und Jugendlichen ständig in einem Heim untergebracht seien. Dies ergebe sich bereits aus dem Begriff “Heim”. In § 34 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) werde Heimerziehung als Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht verstanden. Dies sei in den AVR im Sinne einer vollstationären Unterbringung verwendet worden. Die teilstationäre Unterbringung sei eine jüngere Entwicklung und habe in den AVR bisher keinen Eingang gefunden. Auch das Wort “ständig” sei im Sinne von tageszeitlich unbeschränkt zu verstehen. Das Wort “überwiegend” in Anmerkung 7a beziehe sich auf das Tatbestandsmerkmal der ständigen Unterbringung; die überwiegende Zahl von Kindern kehrten aber abends zu den Eltern zurück.

Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen. Die Zulage sei seit langem Gegenstand betrieblicher Meinungsverschiedenheiten. Sie habe dabei stets zum Ausdruck gebracht, daß die Zulage nur vorläufig und überobligationsmäßig gezahlt werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger erstrebt mit seiner Revision die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Darüber hinaus beantragt er, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Januar 1992 monatlich weitere 30,00 DM brutto zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Heimzulage.

I.1. Der klägerische Antrag zu 2) ist als Leistungsklage auf künftige Leistung unzulässig. Eine Klage auf künftige Geldforderungen ist nach § 257 ZPO nur zulässig, wenn sie nicht von einer Gegenforderung abhängen (BAGE 24, 63, 66 = AP Nr. 154 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 46 Rz 47).

Die Klage auf künftige Lohnzahlung ist vorliegend auch nicht gem. § 259 ZPO zulässig, denn eine Klage gem. § 259 ZPO ist nur dann zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß die Beklagte sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (BAG Urteil vom 29. Juli 1960 – 5 AZR 532/59 – AP Nr. 2 zu § 259 ZPO, zu 1 der Gründe).

Der Leistungsantrag beinhaltet jedoch zumindest inzident ein Feststellungsbegehren (§ 256 ZPO). Die Parteien streiten nicht darum, ob ein gegebener Anspruch später tatsächlich gewährt wird, sondern über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Der Antrag kann daher als Feststellungsantrag ausgelegt werden. Insoweit weit ist er zulässig.

2. Die Klageerweiterung in der Revisionsinstanz ist ebenfalls zulässig, wenn es sich um eine Änderung des Klageantrages im Sinne von § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO handelt und der geänderte Antrag auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt und auf unstreitiges tatsächliches Vorbringen gestützt werden kann (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 74 Rz 27, m.w.N.). Der Kläger hat aber mit der Klageerweiterung lediglich dem Umstand Rechnung getragen, daß die Anmerkung zur AVR in der Neufassung eine höhere Heimzulage vorsieht.

II. Die damit insgesamt zulässige Klage ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Heimzulage über den 31. Dezember 1990 hinaus.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend einen entsprechenden Anspruch des Klägers aus § 611 BGB i. Verb.m. dem geschlossenen Arbeitsvertrag sowie der Anmerkung 1 zum EGP-Diakonie Ziff. 21 verneint.

a) Die AVR-Diakonie finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung gem. § 2 des Dienstvertrages vom 24. Mai 1988 auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung. Diese haben – soweit es hier interessiert (in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung) – den folgenden Wortlaut:

“21. Mitarbeiter/innen im Sozial- und Erziehungsdienst

Anmerkung zu EGP-21

  • Der Mitarbeiter – ausgenommen der Mitarbeiter im handwerklichen Erziehungsdienst – erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120,-- DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen ständig untergebracht, beträgt die Zulage 60,-- DM monatlich. Für Mitarbeiter im handwerklichen, hauswirtschaftlichen oder landwirtschaftlichen Erziehungsdienst in einem Heim im Sinne des Unterabs. 1) erster Halbsatz beträgt die Zulage 80,-- DM monatlich.
  • …”

b) Der Kläger ist Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst im Sinne des EGP-Diakonie Ziff. 21. Er ist als Heilpädagoge mit staatlicher Anerkennung im Sinne der Vergütungsgruppe Vc bzw. Vb des EGP-Diakonie 21 tätig. Die Anmerkung 1 zum EGP-Diakonie Ziff. 21 findet daher Anwendung.

c) Der Kläger ist jedoch nicht in einem Heim im Sinne der Anmerkung 1 tätig, sondern in einer Einrichtung der Kindertagesbetreuung. Weder der Wortlaut der Anmerkung noch der Gesamtzusammenhang der AVR-Diakonie, die bei deren Auslegung maßgebend zu berücksichtigen sind, lassen den Schluß zu, daß auch solche Mitarbeiter eine Zulage erhalten sollen, die außerhalb eines Heimes tätig sind (vgl. hierzu BAG Urteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 260/91 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu I 2a der Gründe). Der Kläger betreut nicht die vollstationär untergebrachten Kinder und Jugendlichen. Die von ihm zu betreuenden Personen befinden sich vielmehr nur in der Zeit von 11.30 Uhr bis 16.30 Uhr in der W… pflege der Beklagten. Der Kläger ist damit nur im teilstationären Bereich der Beklagten tätig. Der Anspruch auf Zahlung der Heimzulage soll nach der Anmerkung 1 aber nur den Mitarbeitern zustehen, die vollstationär untergebrachte Kinder betreuen. Es reicht nicht aus, daß in demselben Gebäude Kinder auch ständig untergebracht sind. Eine solche Mischform der voll- und teilstationären Betreuung ist in der Anmerkung 1 nicht ausdrücklich geregelt. Soweit die Höhe der Zulage davon abhängig gemacht wird, ob überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder/Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind, bezieht sich dies nicht auf das Verhältnis von teilstationär zu vollstationär betreuten Personen. Die Höhe der Heimzulage hängt vielmehr davon ab, wie hoch der Anteil des dort genannten Personenkreises mit besonderem Betreuungsbedarf gegenüber anderen Kindern und Jugendlichen ist. Die AVR-Diakonie will mit dieser abgestuften Zulagenregelung ersichtlich der unterschiedlichen Belastung bei der Betreuung von Behinderten bzw. Kindern und Jugendlichen mit Erziehungsschwierigkeiten Rechnung tragen. Ebensowenig ist entgegen der Auffassung des Klägers der Tatbestand der ständigen Unterbringung erfüllt, wenn die Kinder und Jugendlichen zwar nur teilstationär, aber über mehrere Jahre betreut werden. Die Anmerkung 1 geht vielmehr von einer Tätigkeit der Heimerziehung und damit einer Betreuung im vollstationären Bereich aus. Die Zulage soll dabei auch die besonderen Belastungen der Heimerziehung, -ausbildung oder -pflege honorieren. Dieser Tätigkeitsbezug der Zulage ergibt sich auch daraus, daß sie nur für die Dauer der Tätigkeit in einem Heim gezahlt werden soll und aus dem Umstand, daß die Höhe der Zulage nach dem Anteil der untergebrachten Behinderten gestaffelt ist.

Die Tätigkeit in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung ist auch in den Anmerkungen 2c und 5a zum EGP-Diakonie Ziff. 21 genannt. Die AVR-Diakonie unterscheiden damit zwischen Tätigkeiten in Heimen und in der Kindertagesbetreuung. Hätte nach der Anmerkung 1 auch den Erziehern in der Tagesbetreuung die Heimzulage zustehen sollen, hätte es nahegelegen, die Tagesbetreuung wie auch in den Anmerkungen 2c und 5a zu erwähnen.

2. Die Neufassung der Anspruchsvoraussetzungen der Anmerkung 1 zum EGP-Diakonie Ziff. 21 für die Zeit ab dem 1. Januar 1991 greift auch nicht in bereits bestehende arbeitsvertragliche Ansprüche des Klägers ein. Nach der zuvor geltenden Anmerkung 7a zu den EGP-Diakonie Ziff. 22a und 22b stand dem Kläger die Heimzulage gleichfalls nicht zu.

Dort hieß es:

  • Der Mitarbeiter in einem Heim, in dem überwiegend körperlich, seelisch oder geistig behinderte oder gefährdete oder verhaltensgestörte Kinder oder Jugendliche zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind, erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem solchen Heim eine Zulage in Höhe von monatlich 90,00 DM.
  • Sind in einem solchen Heim nicht überwiegend körperlich, seelisch oder geistig behinderte oder gefährdete oder verhaltensgestörte Kinder oder Jugendliche zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht, beträgt die Zulage monatlich 45,00 DM.”

Der Kläger ist auch nach der alten Fassung der AVR-Diakonie nicht Mitarbeiter in einem Heim im Sinne der Anmerkung 7a gewesen. Hierzu wäre ebenfalls die Tätigkeit mit den ständig untergebrachten Heimkindern oder -jugendlichen erforderlich. Dem steht nicht entgegen, daß der Wortlaut der Anmerkung 7a den Anspruch nicht wie die neue Anmerkung 1 zum EGP-Diakonie Ziff. 21 auf die Dauer der Tätigkeit in einem Heim beschränkt. Nach der Anmerkung 7a reicht die Tätigkeit in einer Tagesgruppe nicht aus, selbst wenn diese mit einem Heim, in dem Kinder und Jugendliche ständig untergebracht sind, organisatorisch verbunden ist. Das ergibt sich schon aus Sinn und Zweck der Zulage, die mit der Heimerziehung verbundenen Erschwernisse abzugelten. Ein Mitarbeiter in einem Heim kann nur ein Arbeitnehmer sein, der im Heim und damit in der Heimerziehung mitarbeitet (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 1993, aaO). Das ist bei der Tätigkeit des Klägers in der Tagesgruppe nicht gegeben. Soweit die Anmerkungen die Kindertagesstätten im Sinne der Anmerkung 3 zu den EGP-Diakonie Ziff. 22a und 22b einbeziehen wollen, wird dies ausdrücklich erwähnt. So benennt der Text der Anmerkung 5 Gruppen oder Heime (einschließlich Kindertagesstätten). Ein solcher Hinweis fehlt aber in der Anmerkung 7 a. Hätte die Heimzulage auch den Betreuern in den Tagesgruppen zustehen sollen, hätte es nahegelegen, diese wie in der Anmerkung 5 zumindest in Klammern ausdrücklich zu erwähnen.

3. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aufgrund einer betrieblichen Übung der Beklagten.

a) Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auch für die Zukunft gewährt werden. Die betriebliche Übung enthält eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB). Auf Grund dessen erwachsen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordene Vergünstigung. Die Bindungswirkung tritt nur ein, wenn die Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen durften, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden (BAGE 52, 33, 49 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT, zu 5 der Gründe; BAG Urteil vom 7. September 1982, BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 1a der Gründe; BAG Urteil vom 13. November 1986 – 6 AZR 567/83 – AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 3a der Gründe).

b) Für die Annahme einer betrieblichen Übung fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers. Er hat nicht vorgetragen, daß die anderen vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten ohne Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen eine Heimzulage erhalten hätten. Demzufolge hat das Landesarbeitsgericht hierzu auch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es hat vielmehr lediglich zu den Rechtsausführungen des Klägers zur betrieblichen Übung Stellung genommen. Gegen eine solche Übung der Beklagten spricht auch, daß sie im Falle der Sozialpädagogin K… erst durch Beschluß des Schlichtungsausschusses vom 14. August 1987 zur Zahlung der Heimzulage auch für die Tätigkeit im Tagheimbereich verpflichtet wurde. Eine entsprechende Übung allein dem Kläger oder einzelnen Arbeitnehmern gegenüber erfüllt aber nicht den Tatbestand der betrieblichen Übung. Die betriebliche Übung erwächst nur, wenn der Arbeitgeber eine Leistung allen Arbeitnehmern des Betriebes oder zumindest bestimmten Arbeitnehmergruppen gewährt. Andernfalls liegt nur eine Individualübung gegenüber einzelnen Arbeitnehmern vor (MünchArbR/Richardi, Bd. 1, § 13 Rz 3 und 4).

4. Die Beklagte hat sich durch die Gewährung der Heimzulage auch nicht konkludent gegenüber dem Kläger zur weiteren Zahlung trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen verpflichtet. Ein Arbeitnehmer darf von einem entsprechenden Angebot aufgrund tatsächlichen Verhaltens des Arbeitgebers nur ausgehen, wenn sich hieraus der Wille des Arbeitgebers ergibt, er wolle den bestehenden Arbeitsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers ändern. Die tatsächliche Zahlung allein reicht in der Regel hierfür nicht aus, da anderenfalls auch bei irrtümlichen Zahlungen ein entsprechender Anspruch des Arbeitnehmers entstehen würde. Es muß sich vielmehr für den Arbeitnehmer erkennbar aus allen Gesamtumständen ergeben, der Arbeitgeber wolle sich auf Dauer außerhalb der bisher vereinbarten arbeitsvertraglichen Verpflichtungen darüber hinausgehend zu einer weiteren Zahlung verpflichten. Hierfür sind vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben. Zum einen ergibt sich aus dem Dienstvertrag, daß die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis sich allein nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes richten sollen. In § 2 ist deren Geltung in der jeweils gültigen Fassung vereinbart. Weiterhin ist der Kläger selbst davon ausgegangen, ihm stehe der Anspruch nach den AVR-Diakonie zu. Er hat daher selbst nicht auf den Willen der Beklagten geschlossen, einen Anspruch auf die Heimzulage außerhalb der Regelungen der AVR-Diakonie begründen zu wollen. Der Kläger hat hierzu auch selbst den Beschluß des Schlichtungsausschusses vom 14. August 1987 vorgelegt. Zu einer solchen Schlichtung konnte es nur kommen, weil die Beklagte zunächst einen entsprechenden Anspruch bestritten hatte. Sie ist dann der Auffassung der Schlichtung, wonach die Heimzulage auch für Erzieher im Tagheimbereich gezahlt werden solle, gefolgt. Der Kläger mußte daher davon ausgehen, die Beklagte wolle den entsprechenden Anspruch nach den AVR-Diakonie erfüllen. Es fehlt daher am Erklärungsbewußtsein der Beklagten.

5. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Er beruft sich insoweit darauf, die Erzieher in den Lebensfeldgruppen und im betreuten Jugendwohnen würden die Zulage erhalten. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß die in Lebensfeldgruppen betreuten Kinder und Jugendlichen bei einer Änderung im familiären Umfeld ebenfalls ständig in Heimen untergebracht werden müssen. Dasselbe gilt für das betreute Jugendwohnen. Es ergibt sich daher aus dem Vortrag des Klägers nicht, daß diese Erzieher die Zulage erhalten, obwohl sie nicht ständig in Heimen untergebrachte Kinder oder Jugendliche betreuen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Wißmann, Gotsche, Kamm

Für Richter am BAG Schneider, der sich in Urlaub befindet

Schaub

 

Fundstellen

Haufe-Index 848128

NZA 1994, 513

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