Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Wettbewerb

 

Leitsatz (redaktionell)

Zulässigkeit einer unselbständigen Ausschlußrevision bei Zulassung der Revision nur für den Revisionskläger?

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG §§ 9, 13; ZPO § 556

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.09.1993; Aktenzeichen 3 Sa 699/93)

ArbG Koblenz (Urteil vom 06.04.1993; Aktenzeichen 5 Ca 1473/92 N)

 

Tenor

1. Die Anschlußrevision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. September 1993 – 3 Sa 699/93 – wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Revision der Beklagten wird im übrigen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. September 1993 – 3 Sa 699/93 – aufgehoben.

3. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 2. Januar 1990 als Außendienstmitarbeiter und Leiter des Planungsbüros für die Beklagte, die sich mit dem Ausstellungs-, Innenausbau und Messebau befaßt, aufgrund undatierten Arbeitsvertrages gegen ein Gehalt von 6.800,– DM zuzüglich privater PKW-Nutzung beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag sollte der Kläger „eigenverantwortlich, aufsichtsführend und weisungsangebend im Planungsbereich Messe- und Ausstellungsbau” tätig werden. Die Beklagte hatte den Kläger aus einer Beschäftigung bei der I. übernommen. Der Kläger hatte bei der Beklagten u.a. Sanitäraustellungen für die V. zu planen und zu bauen. Im Verlauf seiner Beschäftigungszeit wurde das vom Kläger geleitete Planungsbüro durch die Einstellung von vier technischen Zeichnern erweitert. Nachdem die Beklagte im Jahre 1992 die Effizienz des Planungsbüros durch den Unternehmensberater Dr. K. überprüfen ließ, kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, die u.a. daraus resultierten, daß die Beklagte dem Kläger eine mangelnde Präsenz in ihrem Hause vorwarf. Im Arbeitsvertrag heißt es dazu, der Kläger werde bei den Vertrags firmen jede Woche ein Objektgespräch führen und wöchentlich mindestens einen Tag im Planungsbüro der Beklagten tätig sein. Die Beklagte will schon Anfang 1991 von dem Abteilungsleiter L. der V. erfahren haben, der Kläger komme mit den Aufträgen für diese Firma zeitlich nicht zurecht, wobei er Schwangerschaft, Krankheit und Urlaub von Mitarbeitern vorgeschützt habe, obwohl sich andererseits die Mitarbeiter des Planungsbüros bei der Beklagten beschwert hätten, sie seien nicht ausgelastet. In der daraufhin erfolgten Einstellung der Architektin T. sah der Kläger eine Beeinträchtigung seiner Leitungsfunktion und erhob vor dem Arbeitsgericht Koblenz Änderungsschutzklage mit der Behauptung, die Beklagte habe ihn seit September 1992 stückweise degradiert und ihm die Leitungsfunktion entzogen.

Nach Zugang der Änderungsschutzklage (– 5 Ca 1417/92 – Arbeitsgericht Koblenz) erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 1992 die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Begründung, der Kläger habe sich Anfang Oktober 1992 während seiner Arbeitszeit und unter Ausnutzung der Kontakte, die er ausschließlich durch seine Tätigkeit bei der Beklagten gewonnen habe, verbindlich bei der V. beworben bzw. dort seine volle Arbeitskraft mit dem Hinweis angeboten, die Beklagte verlassen zu wollen; er habe der Geschäftsführung der V. angeboten, dort die Arbeiten zu verrichten, die er bisher bei der Beklagten und auf deren Rechnung für die V. verrichtet habe, und zwar im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Unstreitig ist insofern, daß die Beklagte am 13. Oktober 1992 eine entsprechende Information durch den Abteilungsleiter Th. der V. erhalten hat und daß der Kläger ab dem 16. Dezember 1992 ein selbständiges Gewerbe mit dem Gewerbegegenstand „Ausstellungs- und Messewesen” betreibt (Auskunft der Stadt F. vom 12. Januar 1993). In einem Besprechungsprotokoll der V. vom 5. Januar 1993, nach dem der Seniorchef der Beklagten an der Besprechung bei der V. teilgenommen hat, ist u.a. festgehalten. Herr Z. sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß die V. zukünftig auch mit dem Kläger zusammenarbeiten werde und daraus resultierend Planungsaufträge nicht mehr das frühere Volumen erreichen könnten.

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend gemacht und dazu vorgetragen, die Kündigung stelle lediglich eine „Retourkutsche” für die Änderungsschutzklage dar. In einem Gespräch mit dem Abteilungsleiter Th. der V. am 12. Oktober 1992 habe er nur erwähnt, ihm sei die Leitungsfunktion bei der Beklagten entzogen worden, seine berufliche Zukunft sei daher ungewiß, wobei er dann gefragt worden sei, ob er nach dem Ausscheiden als selbständiger Planer für die V. tätig werden wolle. Angesichts der unsicheren Lage nach dem Entzug der Leitungsfunktion sei es sein gutes Recht gewesen, wenn er sich nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit umgesehen habe.

Entgegen der Darstellung der Beklagten sei er auch zu einer Zusammenarbeit mit Frau T. bereit gewesen, insbesondere ihr die nötigen Informationen zu geben; statt dessen habe diese sich bei der Beklagten und bei der V. als neue Leiterin des Planungsbüros aufgespielt. Unzutreffend sei auch, daß er sich zuwenig um das Planungsbüro gekümmert habe. Bis zur Einschaltung des Unternehmensberaters Dr. K. habe es keine Probleme gegeben, und zwar bis dieser ihm am 29. September 1992 angekündigt habe, die Leitungsposition wegzunehmen, was dann am 5. Oktober 1992 geschehen sei. Er bestreite auch, bereits im Frühjahr 1991 mit dem Abteilungsleiter L. über Preise und Konditionen, wie man die Angebote der Beklagten unterschreiten könne, gesprochen zu haben; richtig sei nur, daß er mit L. im Hinblick auf die frühere gemeinsame Zusammenarbeit bei der I. – Zukunftsperspektiven erörtert habe, zumal er sich über eine ausgebliebene Gehaltserhöhung seitens der Beklagten geärgert habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die am 23. Oktober 1982 erklärte fristlose Kündigung nicht beendet werde, sondern fortbestehe,
  2. die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen,
  3. hilfsweise für den Fall der Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis über den 23. Oktober 1992 hinaus höchstens jedoch bis zum, 30. Juni 1993 fortbesteht, die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, für den Zeitraum vom 24. Oktober 1993 bis 28. Februar 1993 Gehalt in Höhe von 28.721,55 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, es sei unzutreffend, daß der Kläger degradiert und seiner Leitungsfunktion enthoben worden sei; deshalb habe es nicht einmal eine Beanstandung seitens des Klägers gegeben. Das Gespräch mit dem Juniorchef Wolfgang Z. habe lediglich den Sinn gehabt, den Kläger zu mehr als einer eintägigen Präsenz anzuhalten; etwas anderes habe auch der Unternehmensberater Dr. K. dem Kläger nicht erklärt; im Gegenteil: Noch bei der Einstellung des Architekten R. sei dem Kläger erklärt worden, dessen Einstellung diene nur seiner Entlastung und ändere nichts an der Leitungsfunktion. Auch Frau T. sei keine Leitungsfunktion übertragen worden; diese habe sich auch nicht entsprechend aufgespielt. In einem Gespräch vom 28. Oktober 1992 habe der Kläger jede weitere Anwesenheit in der Firma rundweg abgelehnt, obwohl er nach dem Vertrag mindestens einen Tag im Betrieb habe anwesend sein sollen. Gleichzeitig habe der Kläger die Architektin T., die nur befristet eingestellt worden sei, bei der V. „auflaufen” lassen und habe den bei ihr beschäftigten Fachkräften, die sich über mangelnde Auslastung beklagt hätten, erklärt, es sei doch egal, ob sie für Däumchendrehen oder Arbeit bezahlt würden. Seit seiner Gewerbeanmeldung führe der Kläger dieselben Aufgaben, die er bis zur Kündigung im Auftrage der Beklagten für die V. ausgeführt habe, nunmehr selbst auf eigene Rechnung durch, nachdem er dies der V. schon vor der Kündigung angeboten habe.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die am 23. Oktober 1992 erklärte fristlose Kündigung nicht beendet worden sei, sondern bis zum 15. Dezember 1992 fortbestanden habe; die weitergehende Feststellungsklage hat es ebenso wie den Auflösungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat wie die Vorinstanz die außerordentliche Kündigung für unwirksam angesehen, jedoch auf die Berufung beider Parteien hin das Arbeitsverhältnis zum 23. Oktober 1992 gegen Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 23.800,– DM aufgelöst und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Klageabweisung, während der Kläger mit seiner Anschlußrevision eine um 10.200,– DM höhere Abfindung verlangt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), während die Anschlußrevision des Klägers unzulässig ist.

I. Was die Zulässigkeit der von der Beklagten eingelegten Revision angeht, bestehen nach der Zulassung durch den Senat hinsichtlich ihrer Statthaftigkeit und der Einhaltung von Form und Fristen keine Bedenken.

1. Anderes gilt für die Anschlußrevision, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dies schon deshalb gilt, weil die Zulassung der Revision aufgrund des Senatsbeschlusses vom 17. März 1994 – 2 AZN 26/94 – als Folge der Nichtzulassungsbeschwerde seitens der Beklagten auf diese beschränkt war; entsprechend war auch in der Rechtsmittelbelehrung des Zulassungsbeschlusses ausgeführt, (nur) die Beklagte könne gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz Revision beim Bundesarbeitsgericht einlegen. Für den Fall, daß die Revisionszulassung auf einen von mehreren Streitgegenständen beschränkt werden kann, entspricht es der in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertretenen Auffassung, der nicht zugelassene Streitgegenstand könne auch nicht im Wege der unselbständigen Anschlußrevision dem Revisionsgericht zur Entscheidung gestellt werden (BAG Beschluß vom 19. Oktober 1982 – 4 AZR 303/82 – BAGE 40, 420 = AP Nr. 1 zu § 72 ArbGG 1979; BAG Urteil vom 25. Februar 1987 – 4 AZR 239/86 – n. v.; BGH Beschluß vom 21. Mai 1968 – NJW 1968, 1476, 1477; BGH Urteil vom 6. März 1991 – NJW 1991, 1736, 1737; BGH Urteil vom 16. Januar 1992 – NJW RR 1992, 617, 618; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 556 Rz 5; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 556 Rz B II; Zöller/Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 556 Rz 1, 6; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 72 Rz 37). Von diesen Voraussetzungen wäre vorliegend auszugehen, wenn verschiedene Streitgegenstände insoweit vorliegen, als es zum einen um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Oktober 1992 geht, worauf sich die Revision der Beklagten bezieht, und andererseits nur um die Erhöhung der ausgeworfenen Abfindung (§§ 9, 13 KSchG), eine Frage, die allerdings erst dann relevant wird, wenn im Sinne der Unwirksamkeit der Kündigung entschieden wird. Insofern stehen zwar beide Streitgegenstände in einem Abhängigkeitsverhältnis, jedoch möglicherweise nicht dergestalt, daß eine Beschränkung der Revisionszulassung nicht möglich wäre (vgl. dazu einerseits Senatsurteile vom 29. Januar 1981 – 2 AZR 1055/78BAGE 35, 30 = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969; vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 579/80 – n. v. sowie andererseits vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 628/80 – EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 13; letzteres aufgehoben durch Beschluß des BVerfG vom 4. Juni 1985 – 2 BvR 1703/83, 1718/83, 156/85 – BVerfGE 70, 138 = AP Nr. 24 zu Art. 140 GG).

2. Diese Frage braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, denn die Anschlußrevision des Klägers ist jedenfalls auch deshalb unzulässig, weil die Zulässigkeit einer unselbständigen Anschlußrevision eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraussetzt (BGH Beschluß vom 16. März 1983 – IV b ZB 807/80 – LM § 556 ZPO Nr. 14; Stein/Jonas/Grunsky, a.a.O., § 556 Rz 3; Wieczorek/Rössler, a.a.O., § 556 Rz. B II) und eine solche Beschwer nicht vorliegt. Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn mit ihm keine Abhilfe gegen eine Beschwer des vorinstanzlichen Urteils gesucht wird (BAG Urteil vom 29. Oktober 1960 – 5 AZR 581/59 – AP Nr. 3 zu § 511 ZPO; Senatsurteil vom 23. Juni 1993 – 2 AZR 56/93 – AP Nr. 23 zu § 9 KSchG 1969, zu II 2 a der Gründe). Ob eine Beschwer vorliegt, bestimmt sich nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angegriffenen Entscheidung, wobei beim Kläger in der Regel eine formelle Beschwer vorausgesetzt wird, d.h. wenn der Kläger in der Vorinstanz voll obsiegt hat, ist er durch das Urteil regelmäßig nicht beschwert; eine Beschwer ergibt sich damit aus einem Vergleich zwischen dem rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung und den in dieser Instanz gestellten Anträgen der betreffenden Partei.

a) Der Kläger hatte insoweit in den Vorinstanzen beantragt, das Arbeitsverhältnis durch Urteil gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen. Diesem Antrag ist zwar nicht in erster, jedoch in zweiter Instanz entsprochen worden, und zwar durch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 23.800,– DM als Kündigungsabfindung. Mangels Angabe eines ziffernmäßig nach unten begrenzten Antrages kann der Kläger nunmehr nicht geltend machen, seinem zweitinstanzlichen Antrag sei nicht entsprochen worden. Es ist zwar zutreffend – wie mit der Anschlußrevision dargestellt –, daß der Kläger in einem nach Widerruf eines beim Landesarbeitsgericht abgeschlossenen Vergleiches eingegangenen Schriftsatz vom 13. September 1993 zu bedenken gegeben hat, daß Ansprüche aus Annahmeverzug seit 23. Oktober 1992 bis zum 30. Juni 1993 in Höhe von angeblich 61.200,– DM bestünden; über diesen Vortrag ist indessen nicht mündlich verhandelt worden, sodaß er nicht Gegenstand der Rechtsfindung sein kann. Im Tatbestand des Berufungsurteils heißt es dazu ausdrücklich, es werde auf den erstinstanzlichen Tatbestand und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Wenn der Kläger die Höhe der Abfindung zum Gegenstand der Rechtsfindung machen lassen wollte, hätte er Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragen müssen, um so dem Gericht und dem Gegner Gelegenheit zu geben, zu diesem neuen Streitstoff Stellung zu nehmen. Gegenüber dem nach dem verwertbaren Akteninhalt (§ 561 ZPO) unbezifferten Antrag ist der Kläger deshalb durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht beschwert.

b) Insofern kann auch nicht auf den schon in zweiter Instanz gestellten, weiteren Hilfsantrag (Tatbestand Ziff. 3) zurückgegriffen werden, weil dieser erst zur Entscheidung des Gerichts gestellt war, falls dem Auflösungsbegehren nicht stattgegeben wurde. Letzteres war jedoch der Fall. Selbst wenn man davon ausginge, die zur Begründung dieses Antrages dargestellten Ziffern ließen die Vorstellungen des Klägers zur Abfindungshöhe in etwa erkennen (geltend gemachter Hilfsanspruch 28.721,55 DM brutto), ist nicht ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht mit der Zuerkennung der nach § 3 Ziff. 9 EStG teilweise steuerfreien Abfindung von 23.800,– DM zweifelsfrei unter diesen Vorstellungen geblieben ist, zumal das Landesarbeitsgericht in seine Abfindungsbemessung Überlegungen zu den Annahmeverzugsansprüchen des Klägers einbezogen hat. Eine Beschwer ist damit nicht eindeutig ersichtlich.

II. Auf die Revision der Beklagten mußte das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben werden, weil das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung wegen einer Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers, wie die Revision zu Recht rügt, verkannt hat.

Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Auch wenn man die Darstellung der Beklagten in vollem Umfang als richtig unterstelle, sei damit keine Vertragsverletzung des Klägers belegt. Aus dem verfassungsrechtlich garantierten Recht des Klägers auf Berufsausübung und Berufswahl folge, daß er sich auch aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus um eine neue Stelle habe bemühen können und es ihm nicht verwehrt sei, innerhalb des bestehenden Arbeitsverhältnisses Vorkehrungen für den Schritt in die Selbständigkeit zu treffen. Da das von der Beklagten beanstandete Verhalten keine Pflichtverletzung des Klägers enthalte, stelle es auch keinen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe die Anmeldung eines selbständigen Gewerbes durch den Kläger am 16. Dezember 1992 auch nicht zu einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. Dezember 1992 geführt. Jedoch sei auf den Antrag des Klägers gem. §§ 9, 13 KSchG das Arbeitsverhältnis mit dem 23. Oktober 1992 gegen Zahlung der festgesetzten Abfindung aufzulösen gewesen, da die Beklagte die legitime Interessenwahrnehmung des Klägers als rücksichtslos und hinterhältig bezeichnet und ihm prozeßbetrügerisches Verhalten vorgeworfen habe. Die Beklagte habe den Kläger ohne Notdiskriminiert und ihn persönlich herabgesetzt. Deshalb sei das Arbeitsverhältnis im Falle der unwirksamen außerordentlichen Kündigung zu dem Zeitpunkt aufzulösen gewesen, zu dem die Kündigung ihre Wirkung hätte entfalten können; der Gegenmeinung, nach der das Arbeitsverhältnis stets zum Zeitpunkt des Endes der ordentlichen Kündigungsfrist aufzulösen sei, könne nicht gefolgt werden. Für die Höhe der Abfindung habe das Gericht die Festsetzung von 3 1/2 Monatsgehältern für angemessen angesehen, wobei die Faustregel zugrundeliege, nach der für zwei Beschäftigungsjahre ein Monatsgehalt als Abfindung festzusetzen sei. Außerdem sei zu berücksichtigen gewesen, daß dem Kläger bis zur Eröffnung seines eigenen Gewerbebetriebes noch zwei Monatsgehälter an Vergütung zugestanden hätten.

Dem kann nicht gefolgt werden, wie sich im übrigen bereits aus dem Zulassungsbeschluß des Senats vom 17. März 1994 ergibt.

1. Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Berufungsgericht ist vom Revisionsgericht allerdings nicht uneingeschränkt nachprüfbar; die Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt oder unrichtig angewendet hat. Das Revisionsgericht kann insoweit nur nachprüfen, ob ein bestimmter Vorgang für sich genommen überhaupt geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu bilden, und ob das Berufungsgericht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, bedacht und abgewogen hat (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BAG Urteil vom 9. Dezember 1982 – 2 AZR 620/80BAGE 41, 150, 158 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB, zu II 2 der Gründe).

2. Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht stand, weil es zu Unrecht davon ausgegangen ist, der von ihm als hypothetisch zutreffend unterstellte Sachverhalt sei im vorgenannten Sinne nicht geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu bilden.

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen enthält, wie der Senat mehrfach entschieden hat (u.a. Urteil vom 16. August 1990 – 2 AZR 113/90 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 2 a der Gründe). Für Handlungsgehilfen ist dies in § 60 Abs. 1 HGB ausdrücklich geregelt. Diese Vorschrift konkretisiert jedoch einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage bereits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteile vom 17. Oktober 1969 – 3 AZR 442/68 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 3 a der Gründe; Senatsurteile vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB, zu II 1 der Gründe und vom 28. September 1989 – 2 AZR 97/89 – RzK I 6 a Nr. 58). Die dem Arbeitnehmer demnach obliegende Treuepflicht gebietet es, alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist. Der Arbeitnehmer darf deshalb insbesondere im „Marktbereich” seines Arbeitgebers Dienste oder Leistungen nicht Dritten erbringen oder anbieten. Dem Arbeitgeber soll sein Geschäftsbereich voll und ohne Gefahr nachteiliger, zweifelhafter oder Zwielichter Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen. Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer jede Tätigkeit verboten, die für seinen Arbeitgeber Konkurrenz bedeutet (Senatsurteil vom 16. August 1990, a.a.O., zu III 2 c aa der Gründe). So hat der Senat auch in dem erwähnten Urteil vom 28. September 1989 (– 2 AZR 97/89 – RzK I 6 a Nr. 58) bereits ein „Vorfühlen” bei potentiellen Kunden als unzulässige Vorbereitungshandlung angesehen, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitnehmer sich darauf beschränkte, Kontakte herzustellen, und noch davon abgesehen hat, bereits Geschäfte abzuschließen. Deshalb hat das Gericht in der Beteiligung des Arbeitnehmers an einer Ausschreibung, die der Tätigkeit seines Arbeitgebers den Boden (teilweise) entzog, einen solchen Wettbewerbsverstoß gesehen.

b) Genau dies hat die Beklagte hier vorgetragen und sogar teilweise urkundenmäßig belegt (Vermerk der V. vom 5. Januar 1993), worin festgehalten ist, der Inhaber der Beklagten sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß der Kunde der Beklagten demnächst auch mit dem Kläger zusammenarbeiten werde und daraus resultierend Planungsaufträge für die Beklagte nicht mehr das frühere Volumen erreichen könnten. Die Beklagte hatte dazu behauptet, der Kläger habe sich Anfang Oktober 1992 verbindlich bei der V. beworben und dort seine Arbeitskraft angeboten mit dem Hinweis, er wolle die Beklagte verlassen, wobei er angeboten habe, die bisher für die Beklagte erledigten Arbeiten in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu erledigen. Damit agierte der Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses im „Marktbereich” der Beklagten; sie war damit der Gefahr einer nachteiligen und zwielichtigen Beeinflussung ihres Geschäftsbereichs durch den Leiter ihrer eigenen Planungsabteilung ausgesetzt.

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, bereits Anfang 1991 von dem Abteilungsleiter L. der V. erfahren zu haben, der Kläger habe mit diesem leitenden Mitarbeiter ihres Kunden über Preise und Konditionen gesprochen mit dem Ziel, wie man die Angebote der Beklagten unterschreiten könne. Dazu hat der Kläger vorgetragen, richtig sei nur, daß er mit L. im Hinblick auf die frühere gemeinsame Zusammenarbeit bei der I. – Zukunftsperspektiven erörtert habe, u.a. die Frage der Selbständigkeit, da er sich seinerzeit über eine ausgebliebene Gehaltserhöhung geärgert habe. Auch eine derartige Mitteilung von Informationen aus dem Geschäftsbereich des Arbeitgebers zum Zwecke der Konkurrenz würde eine Verletzung der dem Arbeitnehmer obliegenden Verschwiegenheitspflicht darstellen und deshalb ebenfalls kündigungsrelevant sein (Senatsurteil vom 26. September 1990 – 2 AZR 602/89 – RzK I 8 c Nr. 20, zu II 2 a bb der Gründe).

Zwar war es dem Kläger nicht verwehrt, sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch in Wettbewerb zu der Beklagten zu setzen, da ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht vereinbart war. Das ändert jedoch nichts daran, daß er eine konkurrierende Tätigkeit während seiner Vertragsbindung nicht durch Handlungen vorbereiten durfte, die gegen die Interessen der Beklagten gerichtet und möglicherweise sogar geeignet waren, die Fortsetzung des Gewerbebetriebes der Beklagten zumindest in der bisherigen Form erheblich einzuschränken, wie dem oben erwähnten Vermerk zu entnehmen ist.

Da der Kläger seinerseits das Vorbringen der Beklagten in mehrfacher Hinsicht bestritten hat, u.a. mit der Behauptung, daß er bei dem Gespräch am 12. Oktober 1992 mit dem Abteilungsleiter Th. nur von diesem befragt worden sei, ob er nach dem Ausscheiden als selbständiger Planer tätig werde, kann der Senat nicht selbst gem. § 563 ZPO von einem unbestrittenen Wettbewerbsverstoß des Klägers ausgehen. Das Landesarbeitsgericht wird vielmehr dem Vorbringen der Parteien nachgehen und aufklären müssen, ob der behauptete Wettbewerbsverstoß vorliegt, wobei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 626 BGB) auch dem Sachvortrag des Klägers nachzugehen sein wird, die Beklagte habe ihn seit September 1992 stückweise degradiert, ihm seine Leitungsfunktion praktisch entzogen, sodaß es deshalb sein gutes Recht gewesen sei, sich nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten umzusehen. Dieser abschließenden Würdigung der Tatsacheninstanz kann der Senat nicht vorgreifen.

c) Damit unterliegt auch der Auflösungsantrag des Klägers (§§ 9, 13 KSchG) der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Engel, Bartz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093184

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