Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung eines Betriebsratsmitglieds in einen anderen Betrieb - Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird ein Arbeitnehmer auf Dauer in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers versetzt, bedarf es neben der Zustimmung des Betriebsrats des aufnehmenden Betriebes auch der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung nicht einverstanden ist (Senatsbeschluß vom 20. September 1990 - 1 ABR 37/90 - BAGE 66, 57 = AP Nr 84 zu § 99 BetrVG 1972). Für die Wahrnehmung dieser Mitbestimmungsrechte ist nicht der Gesamtbetriebsrat zuständig. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Reihe von Versetzungen in einer sogenannten Personalrunde zusammenfaßt und deshalb mehrere Betriebsräte betroffen sind.

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 27.02.1992; Aktenzeichen 4 Sa 68/91)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 22.08.1991; Aktenzeichen 38 Ca 10277/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom Beklagten angeordneten Versetzung des Klägers.

Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck die Pflege der deutschen Sprache im Ausland und die Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit ist. Zur Durchführung seiner Aufgaben unterhält der Beklagte neben der Zentralverwaltung in M derzeit 16 Unterrichtsstätten (Institute) im Inland und 156 Kulturinstitute weltweit im Ausland, in denen u.a. insgesamt 529 Dozenten und Dozentinnen beschäftigt werden. An den 16 Inlandsinstituten sind jeweils Betriebsräte gewählt. Daneben ist ein Betriebsrat bei der Zentralverwaltung gewählt, der auch für die vorübergehend im Ausland tätigen Angestellten zuständig ist (BRZVA).

Der Einsatzort der Dozenten und Dozentinnen ist vertraglich nicht festgelegt. Bis Ende der 70er Jahre entschied der Beklagte bei Freiwerden einer Stelle über die entsprechende Versetzung nach Maßgabe seines Konzeptes, Dozenten und Dozentinnen mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von ca. fünf bis sechs Jahren an wechselnden Dienstorten im In- und Ausland zu beschäftigen (sog. Rotationsprinzip). Seit 1980 wird aufgrund einer zwischen dem Vorstand des Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung vom 18. Dezember 1979 in einer jährlichen "Personalrunde" (Versetzungsrunde) über die Besetzung sämtlicher Dozentenstellen entschieden, deren Freiwerden im folgenden Jahr absehbar ist. In einer "Gesamtbetriebsvereinbarung zum Verfahren und zur betriebsrätlichen Beteiligung bei Personalplanungen und -maßnahmen" vom 23. Januar 1987 ist festgehalten, bei personellen Planungen und Maßnahmen im Dozentenbereich sei für die betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats "von Gesetzes wegen gegeben (BetrVG § 50 (1))", soweit es sich u.a. um Einstellungen und Versetzungen als Einzelmaßnahme nach § 99 BetrVG handele.

Der 1936 geborene, verheiratete Kläger ist - ebenso wie seine Ehefrau - seit Februar 1968 bei dem Beklagten beschäftigt. Seit Februar 1969 ist der Kläger am G -Institut B als Dozent tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 sowie die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge nach Maßgabe der Übernahmetarifverträge zwischen dem G -Institut und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vom 1. Mai 1970 bzw. 1. September 1970 - alle in der jeweils geltenden Fassung - Anwendung.

In den Jahren 1971 bis 1974 bewarb sich der Kläger mehrfach vergeblich um eine Versetzung ins Ausland. Eine sodann im Jahre 1983 angeordnete Versetzung an das G -Institut in Athen wurde auf Wunsch des Klägers rückgängig gemacht, nachdem er sich damit einverstanden erklärt hatte, für die Zeit vom 1. September 1983 bis 31. August 1985 nur mit halbem Deputat zu arbeiten und ab 1. September 1985 wieder mit vollem Deputat "als Dozent im In- und Ausland" eingesetzt werden zu können.

Von 1985 bis 1990 war der Kläger - weitgehend freigestellter - Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats; seit Mitte 1990 ist der Kläger Vorsitzender des Betriebsrats des G -Instituts B .

Unter dem 23. Januar 1991 sowie dem 6. Februar 1991 erfolgte durch den Beklagten eine Stellenausschreibung für neueingerichtete Referentenstellen, u.a. auch für eine solche Stelle in Helsinki. Auf die Stelle in Helsinki bewarben sich 18 Mitarbeiter, nicht jedoch der Kläger. Der Kläger hatte sich in der Personalrunde 1991 an erster Stelle für seine bisherige Stelle in B und an zweiter Stelle - zusammen mit seiner Ehefrau - für eine Splittingstelle beim G -Institut in Genua beworben.

Mit Bescheid vom 17. April 1991, korrigiert hinsichtlich der Stellenbezeichnung durch Bescheid vom 2. Mai 1991, ordnete der Beklagte die Versetzung des Klägers nach Helsinki mit Wirkung ab 1. September 1991 an. Der Beklagte hatte vorab den Gesamtbetriebsrat beteiligt. Dieser hatte unter dem 9. April 1991 auf die von dem Beklagten bekundete Bereitschaft hingewiesen, sich mit Kollegen, die keine Auslandsversetzung mehr anstrebten, auf ein Verbleiben an ihren Inlandsdienstorten zu einigen; der Gesamtbetriebsrat hatte Vorstand und Personalreferat deshalb aufgefordert, in diesem Sinne mit dem Kläger dessen Versetzbarkeit abschließend zu klären; im übrigen weise er darauf hin, daß der Kläger Betriebsrat in B sei. Der vom Gesamtbetriebsrat informierte Betriebsrat B hatte zuvor unter dem 3. April 1991 beschlossen, dem "für diese Personalmaßnahme zuständigen" Gesamtbetriebsrat mitzuteilen, er sehe in der geplanten Versetzung seines Vorsitzenden eine Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne von § 78 BetrVG.

Mit Schreiben vom 22. Juli 1991 erbat der Beklagte vom Betriebsrat "Zentralverwaltung und Ausland" (BRZVA) als für den "aufnehmenden Betrieb zuständiger Einzelbetriebsrat" und vom Betriebsrat des G -Instituts B die Zustimmung zur Versetzung des Klägers. Der BRZVA verwies mit Schreiben vom 30. Juli 1991 auf eine Delegation seiner Zuständigkeiten im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligung bei Personalplanungen und -maßnahmen an den Gesamtbetriebsrat gem. Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23. Januar 1987. Der Betriebsrat des G -Instituts B , der das Schreiben des Beklagten erst am 1. August 1991 erhalten hatte, verweigerte mit Schreiben vom 2. August 1991 seine Zustimmung zu der Versetzung unter Verweis auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf § 78 BetrVG u.a. aus, er sehe in der Versetzung seines Vorsitzenden eine unzulässige Behinderung der Arbeit des Betriebsrats.

Mit seiner am 9. Juli 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Versetzung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Versetzung sei vom Direktionsrecht des Beklagten nicht gedeckt, jedenfalls aber rechtsmißbräuchlich. Überdies verstoße die Anordnung des Beklagten gegen §§ 78, 102 und 103 BetrVG. Durch die Versetzung werde er in seiner Betriebsratstätigkeit behindert. Die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds stehe einer außerordentlichen Kündigung gleich. Der Beklagte hätte also die Zustimmung des zuständigen Betriebsrats B einholen müssen. Im übrigen habe - die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats unterstellt - dieser der Maßnahme gleichfalls nicht zugestimmt. Seine Stellungnahme sei als Ablehnung zu werten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Versetzungsweisung vom

17. April 1991 in der Fassung vom 2. Mai 1991 un-

wirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den

1. September 1991 zu unveränderten Arbeitsbedin-

gungen an seinem bisherigen Dienstort B

fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Befugnis zur Versetzung des Klägers ergebe sich aus dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Bundes-Angestelltentarifvertrag. Er habe von seinem Direktionsrecht nicht willkürlich Gebrauch gemacht. Der Kläger verfüge für die neu eingerichtete Stelle in Helsinki über alle persönlichen und fachlichen Voraussetzungen und werde für diese Tätigkeit mit ihren ganz spezifischen Anforderungen dringend benötigt. Die 18 Bewerber für Helsinki seien aus verschiedenen Gründen sämtlich ungeeignet für die zu besetzende Stelle. Aus Gründen der Gerechtigkeit anderen Dozenten gegenüber und aus Gründen der Gleichbehandlung habe der Kläger von der Rotation im Besetzungsverfahren nicht ausgenommen werden können. Der Kläger habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, überhaupt nicht mehr versetzt zu werden, zumal er sich 1983 im Zusammenhang mit der damals ausnahmsweise rückgängig gemachten Versetzungsanordnung ausdrücklich bereit erklärt habe, zukünftig auch wieder im Ausland eingesetzt zu werden. Auch Dozentenehepaare könnten und würden von der Rotation nicht ausgenommen werden.

Das für die Versetzung nach § 99 BetrVG erforderliche Verfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Gesamtbetriebsrat sei gem. § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig gewesen. Er habe entgegen der Auffassung des Klägers seine Zustimmung auch nicht verweigert. Die Zustimmungsverweigerung des vorsorglich beteiligten Betriebsrats B sei schon deswegen rechtlich unbeachtlich, da sie auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe des § 99 BetrVG Bezug genommen habe. § 103 BetrVG sei auf Versetzungen kraft Direktionsrechts auch nicht im Wege einer Analogie anwendbar.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Versetzung des Klägers schon aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen als unwirksam angesehen.

I. Die Klage ist zulässig. Die Wirksamkeit einer auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers gestützten Versetzung kann im Wege der Feststellungsklage überprüft werden (so schon BAGE 8, 338, 341 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Direktionsrecht).

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Feststellungsklage zu Recht als begründet angesehen.

Die von dem Beklagten ausgesprochene Versetzung des Klägers von seinem bisherigen Arbeitsplatz am Institut in B in das Institut nach Helsinki ist - unbeschadet ihrer individualrechtlichen Zulässigkeit - schon deshalb unwirksam, weil die nach § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats des G -Instituts B von diesem nicht erteilt wurde. Die Frage, ob es - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - bei der auf das Direktionsrecht gestützten Versetzung eines Betriebsratsmitglieds in einen anderen Betrieb in analoger Anwendung des § 103 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, ist daher nicht entscheidungserheblich (vgl. dazu Senatsbeschluß vom 21. September 1989 - 1 ABR 32/89 - AP Nr. 72 zu § 99 BetrVG 1972).

1. a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht in der streitbefangenen Anordnung des Beklagten eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne gesehen. Es steht außer Frage, daß es sich bei dem vorgesehenen Wechsel vom bisherigen Arbeitsplatz in B zum neuen Arbeitsplatz in Helsinki um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet und damit eine Versetzung i.S. von § 95 Abs. 3 BetrVG ist. Wie der Senat in zahlreichen Entscheidungen, u.a. in der vom 20. September 1990, ausgeführt hat, erfaßt der Versetzungsbegriff der §§ 95, 99 BetrVG nicht nur die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs innerhalb eines Betriebes. Eine Versetzung ist vielmehr auch die Zuweisung eines Arbeitsplatzes in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens (Senatsbeschluß vom 20. September 1990, BAGE 66, 57, 60 ff. = AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe, mit ausführlichen Nachweisen). Über diese Frage besteht zwischen den Parteien kein Streit.

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, es handele sich nicht um einen Ausnahmefall im Sinne des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Danach gilt die Bestimmung des Arbeitsplatzes nicht als Versetzung, wenn Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Hierfür reicht es nicht aus, daß der Arbeitgeber nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages einen Wechsel verlangen kann. Dieser muß vielmehr nach der Eigenart des Arbeitsplatzes üblich und ständig sein, wie es etwa bei Monteuren und sog. Springern der Fall ist. Davon kann aber nicht gesprochen werden, wenn einem Arbeitnehmer gelegentlich und in großen zeitlichen Abständen, sei es kraft Direktionsrechts, sei es einverständlich ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen wird (Senatsbeschluß vom 18. Februar 1986, BAGE 51, 151, 161 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 4 der Gründe; Senatsbeschluß vom 8. August 1989, BAGE 62, 314, 317 = AP Nr. 18 zu § 95 BetrVG 1972, zu B I 1 der Gründe).

c) Bei der Versetzung eines Arbeitnehmers von einem Betrieb in einen anderen ist nicht nur der aufnehmende Betrieb unter dem Gesichtspunkt der Einstellung nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Auch dem Betriebsrat des abgebenden Betriebes steht ein Mitbestimmungsrecht unter dem Gesichtspunkt der Versetzung zu, welches nur dann entfällt, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Dies hat der Senat in seiner Entscheidung vom 20. September 1990 unter ausführlicher Begründung klargestellt (vgl. im einzelnen Beschluß vom 20. September 1990, BAGE 66, 57 = AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972).

Der Kläger hat der Versetzung nach Helsinki widersprochen. Die danach - vorbehaltlich der Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats - erforderliche Zustimmung des Betriebsrats B als Betriebsrat des abgebenden Betriebes liegt nicht vor. Der Beklagte hat zwar den Betriebsrat B mit Schreiben vom 22. Juli 1991 vorsorglich um Zustimmung zur Versetzung des Klägers gebeten. Dieser hat aber auf das ihm nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 1. August 1991 zugegangene Schreiben mit Schreiben vom 2. August 1991 die Zustimmung verweigert.

Die Zustimmungsverweigerung ist beachtlich im Sinne des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat B hat ausdrücklich auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verwiesen, da er in der Versetzung seines Vorsitzenden eine unzulässige Behinderung der Arbeit des Betriebsrats sehe. Er hat dabei auf § 78 BetrVG hingewiesen. Diese Zustimmungsverweigerung läßt sich eindeutig dem Tatbestand des Verstoßes der geplanten Maßnahme gegen ein Gesetz, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, zuordnen. Dies reicht für eine beachtliche Begründung aus. Die Frage, ob tatsächlich eine Behinderung im Sinne des § 78 BetrVG vorliegt und ob diese gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG eingewendet werden kann, ist eine Frage der Begründetheit der Zustimmungsverweigerung, nicht der beachtlichen Begründung.

2. Der Betriebsrat B war als Betriebsrat des abgebenden Betriebes zuständig für die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten war keine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben. Es handelt sich weder um eine überbetriebliche Angelegenheit im Sinne des § 50 Abs. 1 BetrVG, noch ist eine wirksame Beauftragung des Gesamtbetriebsrats durch den betroffenen Betriebsrat B gem. § 50 Abs. 2 BetrVG erfolgt. Mit der Beteiligung des Gesamtbetriebsrats konnte also das erforderliche Mitbestimmungsverfahren nicht gewahrt werden, auch wenn man davon ausgeht, daß in dem Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom 9. April 1991 kein Widerspruch zu der beantragten Maßnahme zu sehen ist, so daß dessen Zustimmung jedenfalls als erteilt gilt, § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG.

b) Es handelt sich bei der Versetzung des Klägers nicht um eine überbetriebliche Angelegenheit im Sinne des § 50 Abs. 1 BetrVG, die nicht durch den Betriebsrat des Betriebes B geregelt werden könnte.

aa) Gem. § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Beide Voraussetzungen - überbetrieblicher Bezug und fehlende betriebliche Regelungsmöglichkeit - müssen kumulativ vorliegen.

Im Streitfall fehlt es jedenfalls an der zweiten Voraussetzung. Der Begriff des "Nichtregelnkönnens" setzt nicht eine objektive Unmöglichkeit der Regelung durch den Einzelbetriebsrat voraus. Ausreichend, aber auch zu verlangen ist, daß ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder zumindest betriebsübergreifende Regelung besteht, wobei auf die Verhältnisse des einzelnen konkreten Unternehmens und der konkreten Betriebe abzustellen ist. Reine Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein genügen nicht (Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1988, BAGE 60, 244 = AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Senatsbeschluß vom 20. April 1982 - 1 ABR 22/80 - DB 1982, 1674; Senatsbeschluß vom 23. September 1975 - 1 ABR 122/73 - AP Nr. 1 zu § 50 BetrVG 1972, alle m.w.N.).

bb) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, läßt sich nicht beantworten ohne Berücksichtigung des jeweiligen Inhalts und Zwecks des in Frage stehenden Mitbestimmungsrechts. Vorliegend geht es um die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gem. § 99 BetrVG, und zwar in Form der Versetzung und der Einstellung. Zweck dieses Mitbestimmungsrechts ist es, die Wahrung der Interessen der Belegschaft des jeweiligen Betriebes und - bei der Versetzung - auch die des konkret betroffenen Arbeitnehmers sicherzustellen. Das wird besonders deutlich in den Widerspruchsgründen des § 99 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrVG.

Es liegt aber auf der Hand, daß gerade diese speziellen betrieblichen und persönlichen Interessen wegen dessen Sachnähe in aller Regel sinnvoll nur vom Betriebsrat des jeweiligen Betriebes wahrgenommen werden können. Diese Sachnähe kann der Gesamtbetriebsrat gerade nicht haben. Die Einzelbetriebsräte können diese Angelegenheit also sehr wohl innerhalb ihrer Betriebe regeln. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei der personellen Maßnahme Versetzung eines Arbeitnehmers von einem Betrieb in einen anderen Betrieb ist daher zu verneinen (Senatsbeschluß vom 20. September 1990, BAGE 66, 57, 69 = AP Nr. 84 zu § 99 BetrVG 1972 = EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 95, zu B II 3 b bb der Gründe, mit insoweit zust. Anm. v. Gaul; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 99 Rz 32 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 24; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 91; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 53; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, Rz 443 ff. - alle m.w.N.; a.A. etwa Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 97; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., § 99 Rz 9).

Daß es insoweit zu Konkurrenzproblemen kommen kann, der Arbeitgeber unter Umständen mehrere Zustimmungsersetzungsverfahren führen muß, hat der Gesetzgeber erkennbar in Kauf genommen und ist deshalb hinzunehmen (Senatsbeschluß vom 20. September 1990, aaO; Heinze, aaO, Rz 445).

cc) An dieser Lage ändert sich nichts durch die von dem Beklagten praktizierte jährliche Bündelung von Versetzungen in der sog. Personalrunde. Auch wenn man in Ausnahmefällen die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen für denkbar hält, liegen diese Voraussetzungen hier jedenfalls nicht vor (vgl. etwa Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 50 Rz 40, für eine besondere Ausbildung von Arbeitnehmern auf Unternehmensebene, die sich von vornherein auf mehrere Betriebe erstreckt und nur so sachgerecht erfolgen kann; weitergehend Neyses, Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1976, 372 - Zentrale Einsatzplanung des Unternehmens für mittleres Management - hiergegen zu Recht Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO; für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei zentraler Steuerung durch die Unternehmensleitung etwa auch Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 16). Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, auch wenn man annimmt, daß es sich bei der Frage des "Nichtregelnkönnens" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, hinsichtlich dessen dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1988, BAGE 60, 244 = AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die für die Beurteilung maßgeblichen Tatsachen stehen fest bzw. können zugunsten des Beklagten als unstreitig angesehen werden. In einem solchen Fall kann das Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen (vgl. etwa BAG Urteil vom 5. März 1987, BAGE 55, 275 = AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle).

dd) Richtig ist, daß durch die Zusammenfassung einer Reihe von Versetzungen - der Beklagte spricht von ca. 100 - Ketten entstehen können, die empfindlich gestört werden können, wenn in einzelnen Fällen betroffene Betriebsräte einer Versetzung nicht zustimmen. Diese Störungen treten allerdings in gleicher Weise ein, wenn der Gesamtbetriebsrat - aus den betriebsspezifischen Gründen des § 99 BetrVG - einer einzelnen Versetzung widerspricht.

Richtig ist auch, daß der Aufwand des Arbeitgebers sich multipliziert, wenn er es mit - hier - maximal 17 Einzelbetriebsräten zu tun hat und diese über die sie jeweils betreffenden Maßnahmen unterrichten muß. Es steht auch außer Frage, daß das eventuelle Erfordernis, mehrere Zustimmungsersetzungsverfahren gegen verschiedene Betriebsräte zu führen, aufwendiger ist als die Führung solcher Verfahren gegen nur einen Verfahrensgegner.

Dies alles sind aber lediglich Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit und des Koordinierungsinteresses des Arbeitgebers. Sie reichen nicht aus, um ein "zwingendes" Erfordernis an einer einheitlichen Regelung zu begründen. Eine solche einheitliche Regelung ist schon deshalb gar nicht möglich, weil der Regelungsgegenstand nicht einheitlich ist. Die Bündelung der Versetzungen ändert nichts daran, daß jede Versetzung eine Einzelmaßnahme darstellt und nach dem Sinn des Mitbestimmungsrechts des § 99 BetrVG aus der jeweiligen betriebsspezifischen bzw. arbeitnehmerspezifischen Sicht zu beurteilen ist. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, daß es sich auch insoweit um unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt, als jeweils die Maßnahme sich sowohl als Versetzung als auch als Einstellung darstellt (darauf weist zu Recht hin Gaul, Anm. zu BAG EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 95).

"So einsichtig und ökonomisch es auf den ersten Blick erscheinen mag" (Heinze, aaO, Rz 444), die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bei betriebsübergreifenden personellen Einzelmaßnahmen zu bejahen, ändert das doch nichts an der Feststellung, daß der Einzelbetriebsrat im Hinblick auf die Wahrung betrieblicher Interessen sachnäher ist. Die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts des § 99 BetrVG durch den Gesamtbetriebsrat würde zu einer Verkürzung des mit dieser Vorschrift verfolgten Schutzes führen, wenn der Gesamtbetriebsrat nicht aus der Sicht der betrieblichen Ebenen an die einzelnen Maßnahmen heranginge und mangels entsprechender Sachnähe in der Regel auch gar nicht könnte (weshalb Heinze, aaO, Rz 446, denn auch "strikt" an der Zuständigkeit des Einzelbetriebsrats festhalten will - ohne allerdings speziell den Fall gebündelter Versetzungen anzusprechen).

ee) Die technischen Schwierigkeiten allein, bei Beteiligung aller betroffenen Betriebsräte eine Versetzungsrunde durchzuführen, rechtfertigen daher nicht die Annahme, die Einzelbetriebsräte könnten ihre Beteiligungsrechte nicht im Sinn des § 50 Abs. 1 BetrVG wahrnehmen. Der Beklagte beruft sich auf reine Zweckmäßigkeits- und Rationalisierungsgründe. Diese reichen für die Begründung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG umso weniger aus, als sie letztlich Ausfluß der eigenen organisatorischen Entscheidung des Beklagten sind, die Versetzungen zu bündeln.

c) Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Wahrung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG im Fall des Klägers ergibt sich auch nicht aus einer Beauftragung durch den Betriebsrat B als an sich zuständigen Betriebsrat gem. § 50 Abs. 2 BetrVG.

aa) Gem. § 50 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln. Die Beauftragung bedarf der Schriftform, § 50 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 3 Satz 3 BetrVG.

bb) Daß eine solche förmliche Beauftragung vorliegt, ist vom Beklagten nicht behauptet worden. Sie ergibt sich nicht aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 23. Januar 1987. Diese ist abgeschlossen worden zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Arbeitgeber, eine zugrunde liegende Beteiligung der Betriebsräte gem. § 50 Abs. 2 BetrVG ist nicht ersichtlich. Daß es nicht um eine Delegation im Sinne des § 50 Abs. 2 geht, ergibt sich schon aus dem Text der Gesamtbetriebsvereinbarung. In § 1 Nr. 2 wird ausdrücklich ausgeführt, hinsichtlich der dort genannten Maßnahmen im Dozentenbereich - u.a. Einstellungen und Versetzungen - sei "die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats von Gesetzes wegen gegeben (Betriebsverfassungsgesetz § 50 (1))". Deutlicher kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß die Beteiligten nicht von einer Delegation durch den Einzelbetriebsrat ausgingen. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats von Gesetzes wegen nach § 50 Abs. 1 BetrVG steht aber nicht zur Disposition. Sie kann nicht durch eine Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber zu Lasten der Einzelbetriebsräte erweitert werden. Die Gesamtbetriebsvereinbarung konnte also eine nach § 50 Abs. 1 BetrVG nicht gegebene Zuständigkeit nicht begründen.

cc) Der Umstand, daß möglicherweise der hier betroffene Betriebsrat B in der Vergangenheit die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht beanstandet hat, reicht nicht zur Annahme einer Beauftragung im Sinne des § 50 Abs. 2 BetrVG. Es fehlt schon an der Einhaltung der notwendigen Schriftform. Im übrigen ist anerkannt, daß der Einzelbetriebsrat gem. § 50 Abs. 2 BetrVG nicht generell im voraus die Zuständigkeit ganzer Sachbereiche übertragen kann. Dies würde zu einer vom Gesetz nicht vorgesehenen "teilweisen Selbstabdankung" des Einzelbetriebsrats führen. Der Auftrag kann also jeweils nur im Hinblick auf eine bestimmte Angelegenheit erteilt werden (Dietz/Richardi, aaO, § 50 Rz 33; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 50 Rz 48; Fabricius/ Kreutz, aaO, § 50 Rz 57).

dd) Eine Beauftragung kann auch nicht in der vom Gesamtbetriebsrat beim Betriebsrat B eingeholten Stellungnahme zur geplanten Versetzung des Klägers gesehen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, daß die Stellungnahme gemäß Beschluß vom 3. April 1991 dem Gesamtbetriebsrat in der für eine Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG verbindlichen Schriftform zuging. Auf der vom Kläger vorgelegten Ablichtung des Beschlusses ist vermerkt, daß die Mitteilung "telefonisch am gleichen Tage erledigt" worden ist. Unabhängig davon ist eine Auftragserteilung ein "Mehr" gegenüber einer bloßen Stellungnahme und daher in dieser nicht ohne weiteres enthalten. Wenn der Betriebsrat B die Stellungnahme in der irrigen Annahme - bestärkt durch die Gesamtbetriebsvereinbarung - abgab, dieser sei von Gesetzes wegen nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig, lag darin noch keine Beauftragung im Sinne von § 50 Abs. 2 BetrVG.

ee) Es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme einer ausnahmsweise rechtsmißbräuchlichen Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats B vor unter dem Gesichtspunkt, daß der Arbeitgeber darauf vertrauen konnte, dieser sei mit der Einschaltung des Gesamtbetriebsrats einverstanden - unbeschadet der Frage, ob und inwieweit dieser Gedanke bei der Bestimmung betriebsverfassungsrechtlicher Kompetenzen überhaupt relevant sein kann. Für den Arbeitgeber war aufgrund der Rechtslage erkennbar, daß die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG nicht gegeben war. Eine förmliche Beauftragung des Gesamtbetriebsrats im Falle des Klägers lag nicht vor. Wenn der Arbeitgeber trotzdem rechtsirrig - wie auch der Gesamtbetriebsrat - dessen Zustimmung als maßgeblich ansah, geschah das auf eigenes Risiko.

3. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Beteiligung an der Versetzung des Klägers war demnach unter keinem Gesichtspunkt gegeben. Zuständig war vielmehr der Betriebsrat B als Betriebsrat des abgebenden Betriebes. Da dessen Zustimmung nicht erteilt und auch nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt wurde, ist die Versetzung schon deshalb unwirksam (Senatsurteil vom 26. Januar 1988, BAGE 57, 242 = AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG 1972).

Damit kommt es auch im vorliegenden Fall auf die Frage nicht an, ob die auf das Direktionsrecht gestützte Versetzung des Betriebsratsmitglieds in einen anderen Betrieb wegen des damit verbundenen Verlustes des Betriebsratsamtes in analoger Anwendung des § 103 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (offengelassen im Senatsbeschluß vom 21. September 1989 - 1 ABR 32/89 - AP Nr. 72 zu § 99 BetrVG 1972 = SAE 1992, 9 mit die analoge Anwendung bejahender Anm. von Fastrich; gegen die analoge Anwendung jetzt Boemke-Albrecht, BB 1991, 541 ff.; Oetker, RdA 1990, 343 ff.).

Die Revision ist demnach unbegründet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost

Dr. Wohlgemuth Dr. Bartelt

 

Fundstellen

Haufe-Index 437241

BB 1993, 1871

BB 1993, 1871-1873 (LT1)

DB 1993, 1475-1476 (LT1)

DStR 1993, 1833-1833 (T)

BuW 1993, 344 (K)

AiB 1993, 458-459 (LT1)

BetrR 1993, 118-120 (LT1)

JR 1993, 440

JR 1993, 440 (S)

NZA 1993, 714

NZA 1993, 714-717 (LT1)

AP § 99 BetrVG 1972 (LT1), Nr 102

AR-Blattei, ES 1700 Nr 20 (LT1)

EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 109 (LT1)

ZfPR 1993, 134 (L)

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