Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilurlaubsanspruch. Bruchteile von Urlaubstagen

 

Leitsatz (amtlich)

Teilurlaubsansprüche nach § 5 Abs 1 Buchst a) und b) BUrlG entstehen nur für volle Monate des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses. Fehlen an einem vollen Monat Tage, an denen für den Arbeitnehmer bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses keine Arbeitspflicht bestanden hätte, entsteht für den nicht vollendeten Monat kein Urlaubsanspruch (Aufgabe von BAG Urteil vom 22. Februar 1966 5 AZR 431/65 = BAGE 18, 167 = AP Nr 3 zu § 5 BUrlG).

Bruchteile von Urlaubstagen, die nicht nach § 5 Abs 2 BUrlG aufgerundet werden müssen, sind entsprechend ihrem Umfang dem Arbeitnehmer durch Befreiung von der Arbeitspflicht zu gewähren oder nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abzugelten (Aufgabe von BAG Urteil vom 28. November 1968 5 AZR 133/68 = BAGE 21, 230 = AP Nr 6 zu § 5 BUrlG und BAG Urteil vom 17. März 1970 5 AZR 540/69 = AP Nr 8 zu § 5 BUrlG).

 

Normenkette

BGB §§ 187-188; BUrlG § 5 Abs. 1 Buchst. a, b, Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 31.08.1987; Aktenzeichen 1 Sa 485/87)

ArbG Kassel (Entscheidung vom 24.02.1987; Aktenzeichen 5 Ca 43/87)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Student und war bei der Beklagten befristet von Montag, dem 28. Juli 1986, bis einschließlich Freitag, dem 26. September 1986, als gewerblicher Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von 16,45 DM an jeweils fünf Arbeitstagen der Woche beschäftigt. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses hat er für einen Tag Urlaub erhalten. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe insgesamt einen Anspruch von drei Urlaubstagen erworben, so daß nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihm noch zwei Urlaubstage mit 219,34 DM abzugelten seien. Diesen Betrag begehrt er mit seiner am 6. Februar 1987 zugestellten Klage.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 219,34 DM (brutto) nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 6. Februar 1987 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die zugelassene Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nur zum Teil begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an ihn noch 32,90 DM zu zahlen. Im übrigen hat die Revision keinen Erfolg.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger nur 1/12 des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erworben hatte, weil sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten keine zwei vollen Monate bestanden hat.

Nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BUrlG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf 1/12 des gesetzlichen Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, wenn er vor erfüllter Wartefrist nach § 4 BUrlG aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Das trifft auf den Kläger zu. Er ist vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, denn sein Arbeitsverhältnis dauerte vom 28. Juli bis zum 26. September 1986 und damit weniger als sechs Monate.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nur einen vollen Monat bestanden. Maßgeblich für den Urlaubsanspruch ist nicht der Kalendermonat, sondern der Beschäftigungsmonat, also der Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht. Nach § 188 Abs. 2, 1. Alternative, § 187 Abs. 1 BGB hätte das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf des 28. September 1986 bestehen müssen, um einen Urlaubsanspruch für zwei Monate zu begründen. Daran fehlt es, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits mit dem 26. September 1986 geendet hat. An einem weiteren Monat fehlen zwei Tage.

2. Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht auch darin, daß sich an der rechtlichen Beurteilung nichts dadurch ändert, daß der Kläger an den für die Vollendung eines weiteren Monats fehlenden Tagen nicht zur Arbeit verpflichtet gewesen wäre, weil der 27. September 1986 auf einen Sonnabend und der 28. September 1986 auf einen Sonntag gefallen sind. Für das Entstehen und den Bestand des Urlaubsanspruchs kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Arbeitsleistungen in bestimmtem Umfang erbracht hat. Maßgeblich ist für den Urlaubsanspruch vielmehr allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z. B. Urteile des erkennenden Senats vom 14. Mai 1986, BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung und vom 25. August 1987 - 8 AZR 331/85 - AP Nr. 37 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt vom 26. Mai 1988 - 8 AZR 774/85 - AP Nr. 19 zu § 1 BUrlG). Für einen Teilurlaubsanspruch kann nichts anderes zutreffen.

Damit folgt der erkennende Senat nicht der Auffassung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts, der im Urteil vom 22. Februar 1966 (BAGE 18, 167 = AP Nr. 3 zu § 5 BUrlG) davon ausgegangen ist, daß ein voller Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses i. S. von § 5 Abs. 1 BUrlG auch dann anzunehmen sei, wenn an dem vollen Monat nur ein Sonn- oder Feiertag fehlt, an dem nach den betrieblichen Gegebenheiten für den Arbeitnehmer keine Arbeitspflicht bestanden hätte.

Nach § 5 Abs. 1 Buchst. b BUrlG ist für den Arbeitnehmer, der vor Erfüllung der Wartefrist für den Vollurlaubsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ebenso wie für den Vollurlaubsanspruch selbst nur auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses abgestellt.

Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht zulässig, aus Billigkeitserwägungen den Bestand des Arbeitsverhältnisses dennoch mit zwei Monaten anzunehmen oder gar die Auffassung der Beklagten als rechtsmißbräuchliche Urlaubsverkürzung zu beanstanden: Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien hat von Anfang an auch für den Kläger erkennbar festgestanden, daß das Arbeitsverhältnis nicht zwei volle Monate dauern würde.

3. Soweit die Revision weiter geltend macht, die Beklagte habe durch die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 26. September 1986 von der Gestaltungsmöglichkeit eines Arbeitsverhältnisses „in objektiv funktionswidriger Weise Gebrauch” gemacht, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis.

Zwar hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 12. Dezember 1985 (BAGE 50, 292 = AP Nr. 65 zu § 1 LohnFG) entschieden, daß einem Arbeitnehmer entgegen § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG ein Anspruch auf Lohnfortzahlung dennoch zusteht, wenn von einer im Gesetz eingeräumten Gestaltungsmöglichkeit (Begründung eines Arbeitsverhältnisses für höchstens vier Wochen) in objektiv funktionswidriger Weise Gebrauch gemacht werde (Fehlen eines sachlichen Grundes für die Befristung). Die Rechtsauffassung des Klägers läßt sich jedoch mit dieser Entscheidung nicht stützen. Dabei kann dahinstehen, ob die Grundsätze der Entscheidung auf urlaubsrechtliche Zusammenhänge übertragen werden können. Jedenfalls hätte es dazu eines Tatsachenvortrags des Klägers bedurft, aus dem zu entnehmen ist, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 26. September 1986 sachlich nicht begründet war. An einem solchen Tatsachenvortrag fehlt es. Der Kläger hat insoweit mit der Revision auch keine verfahrensrechtliche Rüge geltend gemacht.

4. Hat daher das Arbeitsverhältnis des Klägers nur einen vollen Monat bestanden, steht dem Kläger 1/12 des gesetzlichen (Voll-) Urlaubsanspruchs zu. Dieser Urlaubsanspruch umfaßt 18 Werktage. Da der Kläger an fünf Arbeitstagen der Woche beschäftigt war, errechnen sich für ihn insgesamt 15 Arbeitstage (BAGE 54, 141 = AP Nr. 30 zu § 13 BUrlG). Davon hat er unstreitig während des Arbeitsverhältnisses einen Urlaubstag erhalten. Ihm ist damit wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein dem Urlaubsentgelt für 0,25 Urlaubstage entsprechender Betrag als Abgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu zahlen.

Das Landesarbeitsgericht hat ohne weiteres angenommen, daß der Urlaubsanspruch des Klägers auf einen Urlaubstag abzurunden sei und hat deswegen einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubsanspruchs von 1/4 Urlaubstag verneint. Damit hat es sich an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den Urteilen vom 28. November 1968 (BAGE 21, 230 = AP Nr. 6 zu § 5 BUrlG) und vom 17. März 1970 (- 5 AZR 540/69 - AP Nr. 8 zu § 5 BUrlG) angeschlossen. In diesen Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, daß Bruchteile von Urlaubstagen, die nicht mindestens einen vollen Tag ergeben, nicht für den Urlaubsanspruch zu berücksichtigen, also abzurunden seien. Dies sei zwar nicht ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen, ergebe sich jedoch als Wille des Gesetzgebers bei einer den tragenden Grundgedanken des Urlaubsrechts berücksichtigenden Auslegung von § 5 Abs. 2 BUrlG, wonach Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind. Zu diesen Grundgedanken gehöre seit jeher die Bemessung des Urlaubs nach der zeitlichen Einheit des ganzen Tages, also nicht nach Bruchteilen (Stunden) eines Tages. Von diesem Ganztagsprinzip habe der Gesetzgeber auch nicht im Rahmen der Zwölftelung des Urlaubs nach § 5 BUrlG abweichen wollen, anderenfalls wäre eine klare gegenteilige gesetzgeberische Aussage zu erwarten gewesen.

Dieser Auffassung, die im Schrifttum auf Zustimmung, aber auch auf Ablehnung gestoßen ist (vgl. zur Zusammenstellung des Meinungsstands Bachmann, GK-BUrlG, 4. Aufl., § 5 Rz 42), folgt der erkennende Senat nicht.

Nach § 5 Abs. 2 BUrlG sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden. Mit dieser Regelung wird für Arbeitnehmer, die nach § 5 Abs. 1 BUrlG Anspruch auf einen Bruchteil eines Urlaubstags haben, der Anspruch auf einen ganzen Urlaubstag begründet, sofern der Bruchteil mindestens die Hälfte eines Urlaubstags umfaßt. § 5 Abs. 2 BUrlG enthält damit eine Anspruchsgrundlage, nach der Bruchteile eines halben Urlaubstags auf einen ganzen Urlaubstags aufzurunden sind.

Die Regelung eines Ausschlußtatbestands, nach der Bruchteile eines Urlaubsanspruchs einem Arbeitnehmer nicht zustehen, wenn sie die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 BUrlG nicht erreichen, also weniger als einen halben Urlaubstag betragen, enthält § 5 Abs. 2 BUrlG nicht. Einer solchen Regelung hätte es aber gerade bedurft, um den Anspruch auszuschließen. Enthält das Gesetz keinen Ausschlußtatbestand, bleibt der (Bruchteils-) Urlaubsanspruch dem Arbeitnehmer ebenso wie der Urlaubsanspruch im übrigen erhalten, bis er erfüllt oder durch Zeitablauf erloschen ist. Daß dieser Zusammenhang im Gesetzgebungsverfahren nicht unbekannt war, ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG. Diese Regelung enthält, darauf hat bereits der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hingewiesen (Urteil vom 18. Juni 1980 - 6 AZR 328/78 - AP Nr. 6 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit = EzA § 13 BUrlG Nr. 14), einen gestuften Ausschlußtatbestand für den gesetzlichen Vollurlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, daß § 5 Abs. 2 BUrlG entgegen seinem Wortlaut notwendigerweise ebenfalls eine Regelung über einen Ausschlußtatbestand enthalte.

Eine solche Regelung ist auch nicht als Umkehrschluß aus § 5 Abs. 2 BUrlG ableitbar. Der Umkehrschluß aus § 5 Abs. 2 BUrlG bedeutet nur, daß Urlaubsansprüche von weniger als einem halben Tag nicht aufzurunden sind, nicht jedoch, daß sie entfallen.

Für die Beurteilung von § 5 Abs. 2 BUrlG kann dahinstehen, welche Rolle dem sog. Ganztagsprinzip in den Ländergesetzen zum Urlaubsrecht und im Gesetzgebungsverfahren zum Bundesurlaubsgesetz beigemessen worden ist. Mit dem Wort Ganztagsprinzip wird umschrieben, daß Urlaubsansprüche, die nach Tagen bemessen werden, nur in ganzen Tagen zu erfüllen sind, Urlaubsansprüche also nicht in Bruchteile eines Tages aufgeteilt werden dürfen. Hiervon zu unterscheiden ist aber die nach § 5 Abs. 2 BUrlG zu stellende Frage, was mit einem Bruchteil eines Urlaubsanspruchs zu geschehen hat, wenn dem Arbeitnehmer kein voller Urlaubstag, sondern nur ein Bruchteil davon zusteht, der kleiner als die Hälfte eines Urlaubstags ist. Auf diese Frage kann das Ganztagsprinzip keine Antwort geben. Ein Grund, unter Hinweis auf dieses Prinzip von der klaren gesetzgeberischen Aussage in § 5 BUrlG abzuweichen, ist daher nicht ersichtlich.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Wittek, R. Schmidt, Schömburg

 

Fundstellen

Haufe-Index 60056

BAGE 61, 52-57 (LT1)

BAGE, 52

BB 1989, 2189-2190 (LT1)

DB 1989, 2129-2130 (LT1)

SteuerBriefe 1989, 414-414 (K)

EBE/BAG 1989, 130-131 (LT1)

ARST 1989, 236-237 (LT1)

ASP 1990, 20 (K)

EWiR 1989, 1201-1201 (L1)

Gewerkschafter 1989, Nr 11, 38-38 (ST1)

JR 1990, 308

JR 1990, 308 (L1)

NZA 1989, 756-758 (LT1)

RdA 1989, 376

SAE 1990, 268-270 (LT1)

ZAP, EN-Nr 363/89 (S)

ZTR 1989, 492-493 (LT1)

AP, (LT1)

AR-Blattei, ES 1640 Nr 324 (LT1)

AR-Blattei, Urlaub Entsch 324 (LT1)

EzA, (LT1)

EzBAT, (LT1)

GdS-Zeitung 1990, Nr 2, 16 (T)

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