Leitsatz (amtlich)

1. Wird die Berufungsbegründungsfrist über die beantragte Zeitspanne hinaus verlängert, darf der Berufungskläger die Berufungsbegründung innerhalb der so verlängerten Frist einreichen (Siehe auch Entscheidung in Sachen 2 AZR 482/60 vom 4. August 1960).

2. Wird die Frist des § 320 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO durch eine späte Zustellung des Urteils nur unwesentlich verkürzt, ist es doch möglich, daß diese derart verkürzte Frist immer noch die Rechtzeitigkeit des Antrags auf Tatbestandsberichtigung zuläßt. Die Prozeßpartei hat die Verpflichtung alles ihr Zumutbare zu tun, die Frist des § 320 Abs. 1 ZPO innezuhalten, auch wenn sie unerheblich verkürzt ist.

3. Der Betriebsratsvorsitzende kann durch Betriebsratsbeschluß jederzeit von seinem Vorsitzendenposten abberufen werden.

4. Der Betriebsrat hat in bestimmten Fällen die Möglichkeit, Lohnfragen des Betriebes gegenüber dem Arbeitgeber aufzugreifen. Fragen der Zahlung von Weihnachtsgratifikationen kann er überhaupt aufgreifen.

5. Der Arbeitgeber kann sich auf eine die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer herbeiführende Drucksituation nicht berufen, wenn er sie selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat.

 

Normenkette

ZPO § 519 Abs. 2; ArbGG § 64 Abs. 2; ZPO §§ 320, 286; KSchG § 13 Abs. 1, §§ 3, 13; BetrVG § 23; BGB § 228; GewO § 124a; BetrVG § 59; AZO § 12 Abs. 2; BetrVG §§ 56-57; BGB § 626

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.01.1961; Aktenzeichen 2 Sa 221/60)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, 2. Kammer Köln, vom 19. Januar 1961 – 2 Sa 221/60 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechtswegen!

 

Tatbestand

Der 28 Jahre alte, verheiratete Kläger war im Zweigwerk M. der Beklagten seit Mitte Januar 1959 als Wirker beschäftigt. Außer diesem Zweigwerk, das Anfang 1959 errichtet worden war, besitzt die Beklagte noch Betriebe in K., wo sich auch die Hauptverwaltung befindet, und in B. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer dem Kläger am 29. Januar 1960 erklärten fristlosen Kündigung.

Am 6. Oktober 1959 wurde der Kläger in den Betriebsrat gewählt, und zwar mit 24 von 27 gültigen Stimmen. Er wurde zum Vorsitzenden gewählt.

Der Kläger, der gelernter Maschinenschlosser ist, war am 11. September 1959 zur Hauptverwaltung der Beklagten nach K. gefahren. Er bat darum, in Zukunft als Schlosser beschäftigt zu werden. Diese Bitte wurde abgelehnt. Der Kläger, der in M. schon vor seiner Wahl zum Betriebsrat als Sprecher der Belegschaft aufgetreten war, brachte nunmehr Angelegenheiten des Betriebes und der Belegschaft zur Sprache. Dabei machte ihm die Gesellschafterin der Beklagten Vorhaltungen über die Art, wie er als Sprecher der Belegschaft im Betrieb aufgetreten sei.

In dem M. Betrieb, in dem etwa 30 Arbeitnehmer beschäftigt werden, arbeitet die Wirkerei in drei Schichten von je acht Stunden mit je einer halbständigen, nicht in die Schicht eingerechneten Pause, und zwar auch an den Samstagen. Die Arbeitnehmer in der Wirkerei hatten den Wunsch, die Schichten unter Wegfall der Pausen und bei Einführung von bezahlten Kurzpausen nach § 12 Abs. 2 AZO auf je 7.1/2 Stunden zu kürzen, um so in den Genuß eines längeren Wochenendes zu kommen.

In der Betriebsratssitzung vom 22. Oktober 1959 wurde der Wunsch zur Änderung der Arbeitszeit in der Wirkerei an den Vertreter der Beklagten herangetragen. Der Wunsch wurde abgelehnt. In einem Schreiben des Betriebsrates vom 2. November 1959 wurde der Wunsch erneuert mit dem Hinweis darauf, daß notfalls die Einigungsstelle nach § 50 Abs. 4 BetrVG angerufen werden müsse. Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 5. November 1959 an den Kläger als Betriebsratsvorsitzenden, in dem sie die Ansicht vertrat, in der vom Betriebsrat angeschnittenen Frage bestehe kein Mitbestimmungsrecht. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

„Wir können Ihnen daher den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie mit Ihrem ersten Auftreten eine weitgehende Verstimmung bewirkt haben, die sich auch äußerst ungünstig auf das gesamte Betriebsklima auswirkt. Man kann nicht Geschütze dieser Art auffahren, weil eine von Ihnen gewünschte Verbesserung zunächst von uns abgelehnt werden mußte.

Ihr vorgetragener Verbesserungsvorschlag ist auch völlig unüberlegt und einseitig und berücksichtigt, nur 9 von 24 Gefolgschaftsmitgliedern. Sie können sich für alle Zukunft darauf verlassen, daß wir einseitige egoistische Vorschläge nur negativ beantworten und besonders dann, wenn wir vermuten, daß es sich in erster Linie um Machtproben handelt, die zur Wahrung des Prestiges oder als persönliche Vergeltungsmaßnahme versucht werden …”

Nunmehr wurde die zuständige Gewerkschaft eingeschaltet, und es wurde im Beisein von Vertretern der Gewerkschaft am 30. November 1959 verhandelt, ohne daß es zu einer Einigung kam. Bei dieser Verhandlung wurde auch die Frage der Weihnachtsgratifikation angeschnitten. Am 3. Dezember 1959 gab die Beklagte ein Rundschreiben über die Weihnachtsgratifikation heraus, in dem es heißt.

„Weihnachtsgratifikation zahlen wir in diesem Jahr an alle Betriebsangehörige, die ab 1.1.1959 ununterbrochen im festen Arbeitsverhältnis bei und tätig sind.

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, daß die Zahlung eine freiwillige Leistung ist, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht und auch für die Zukunft nicht hergeleitet werden kann.”

Von den im Zweigwerk M. beschäftigten Arbeitnehmern war keiner bereits am 1. Januar 1959 bei der Beklagten beschäftigt gewesen.

Die Gewerkschaft rief nun im Auftrag des Betriebsrates die Einigungsstelle an, vor der am 22. Dezember 1959 eine Einigung erzielt wurde. Hinsichtlich der Arbeitszeit blieb es bei dem bisherigen Zustand, jedoch erhielten die Arbeiter der Nachtschicht eine zusätzliche Zulage von zehn Prozent.

Mitte Dezember 1959 hatte die Gewerkschaft ein Flugblatt herausgegeben, in dem Kritik an der Schichtzeit, der Pausenregelung und der Lohngestaltung im Betrieb M. geübt wurde. Auf der Vorderseite des Flugblatts befanden sich eine Zeichnung und die Überschrift: „Die Chefin läßt die Maske fallen”. Außerdem startete die Gewerkschaft in drei Tageszeitungen einen Angriff gegen die Beklagte wegen ihrer Lohngestaltung, der durch die Beklagte im Wege der Berichtigung nach § 11 des Pressegesetzes am 7. Januar 1960 beantwortet wurde.

Am 24. Januar 1960 fand eine Versammlung außerhalb des Betriebs statt, in der auch Vertreter der Gewerkschaft zugegen waren. In dieser Versammlung verlangten nunmehr Mitglieder der Belegschaft, der Kläger solle sein Betriebsratsamt niederlegen, da das Interesse einer besseren Zusammenarbeit zwischen der Belegschaft und der Beklagten das erfordere. Hiergegen sprachen sich die Gewerkschaftsvertreter aus. Nach der Darstellung der Beklagten soll der Kläger an diesem Tag seinen Rücktritt zum Ende der Schicht vom 27. Januar 1960 zugesagt haben unter der Voraussetzung, daß ihm dadurch im Betrieb keine Nachteile entstünden. Am 26. Januar 1960 unterschrieben 13 Betriebsangehörige folgendes Schreiben:

„Die jetzige Situation zwischen Belegschaft und Betriebsrat veranlaßt die Unterzeichnenden, an den derzeitigen Betriebsratsvorsitzenden Herrn U. P. die Bitte zu richten, sein Amt … niederzulegen.

Sollte dies in geforderter Form geschehen, verbürgen wir uns dafür, daß Herrn P. keine ungerechtfertigten Nachteile entstehen und er als Arbeitskollege nach wie vor gleichberechtigt in unserer Mitte steht”.

Die Beklagte hielt ein Schreiben vom 27. Januar 1960 mit folgendem Inhalt bereit:

„Wir bestätigen hiermit Herrn U. P., bei uns seit dem 26.1.1959 als Wirker beschäftigt, daß er seit dem 6.10.1959 Mitglied des Betriebsrates war und in seiner Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzender amtierte.

Auf Wunsch eines wesentlichen Teils der Belegschaftsmitglieder und zugunsten eines besseren Betriebsklimas, einer angenehmen Zusammenarbeit und zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in unserem Betrieb hat Herr P. sein Amt als Betriebsratsvorsitzender niedergelegt und seinen Austritt aus dem Betriebsrat erklärt.

Wir versichern an dieser Stelle Herrn P., daß wir dies nicht als Anlaß nehmen werden, eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses auszusprechen”.

Am 27. Januar 1960 meldete sich der Kläger krank. Er wurde von zwei Arbeitern in der Wohnung aufgesucht, lehnte jedoch ihre Forderung auf Rücktritt vom Betriebsratsamt ab. Am 28. Januar 1960 unterschrieben elf Betriebsangehörige folgendes Schreiben an die Beklagte:

„Das Verhalten des Herrn U. P., insbesondere als Betriebsratsvorsitzender im hiesigen Zweigwerk, macht eine weitere Zusammenarbeit unmöglich. Das Betriebsklima ist unerträglich geworden und restlos zerstört. Außerdem ist unser Ansehen durch diese Vorkommnisse nach außen hin erheblich geschädigt und untergraben worden. Die Unterzeichneten sehen daher keinen anderen Ausweg, als zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 15.2.1960 bzw. 30.3.1960, den. … bestehenden Arbeitsvertrag zu kündigen und jegliche weitere Zusammenarbeit mit Herrn P. zu verweigern”.

Am 29. Januar 1960 schrieb die Beklagte dem Kläger:

„Durch Ihr Verhalten, das mehrfach zu Beanstandungen Anlaß gab und das wir häufiger angemahnt haben, ist eine derartige Störung des Betriebsfriedens eingetreten, daß wir 11 Kündigungen von Belegschaftsmitgliedern aus allen Abteilungen vorliegen haben. In diesem Kündigungdsschreiben ist als Grund angegeben, daß … Mitarbeiter es ablehnen, mit Ihnen zu arbeiten, da Sie trotz wiederholter Vorhaltungen sich nicht dazu verstanden hätten, den Arbeitsfrieden zu erhalten und das Betriebsklima nicht weiter zu stören. Ihnen sind diese Vorstellungen Ihrer Arbeitskollegen genauestens bekannt, so daß wir uns ersparen können, noch auf Einzelheiten einzugehen.

Unsere Gegenvorstellungen bei den Mitarbeitern, die die Kündigung ausgesprochen haben, waren ergebnislos.

Unter diesen Umständen ist es uns unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit Ihnen auch nur bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzusetzen”.

Am 1. Februar 1960 richtete die Beklagte an alle Belegschaftsmitglieder der Betriebsstätte M. folgendes Schreiben:

„Heute vor 1 Jahr lief der Betrieb in M. an.

Daß wir alle, Sie und wir, mit vielen Sorgen in diesem Jahr zu kämpfen hatten, muß nicht besonders betont werden.

Die größten Schwierigkeiten dürften aber nunmehr überwunden sein. Wir möchten uns darum heute für Ihre Mitarbeit und Ihr Interesse, daß Sie uns auch in schwierigsten Situationen bekundet haben, herzlich bedanken.

Wir hoffen auch für die Zukunft auf eine beiderseitige vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne von Treu und Glauben, die Voraussetzung für ein gesundes, vorbildliches Betriebsklima ist.

Als Beweis für unseren guten Willen und als Bank für Ihre bisherige interessierte Mitarbeit zahlen wir aus Anlaß des einjährigen Bestehens unserer Betriebsstätte M an alle hier beschäftigten Belegschaftsmitglieder eine Gratifikation in Höhe eines Monatslohnes. Die Auszahlung erfolgt am Mittwoch, dem 3. Februar 1960, in unserem Betriebsbüro”.

Die Zahlung der Jubiläumsgratifikation erfolgte zusagegemäß.

Der Kläger begehrt mit seiner am 11. Februar 1960 eingereichten Klage

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Januar 1960 nicht aufgelöst ist.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

I. 1) Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz beantragt, die Begründungsfrist um zwei Wochen, d.h. bis zum 1. August 1960, zu verlängern. Der Vorsitzende des Berufungsgerichts hat die Verlängerung bis zum 10. August 1960 verfügt. Die Begründungsschrift ist am 2. August 1960 bei Gericht eingegangen.

Die eine Prozeßfortsetzungsbedingung betreffende und deshalb von Amtswegen vorzunehmende Prüfung der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung ergibt, daß die diesbezügliche Frist gewahrt ist. Es kommt nicht darauf an, welche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt wird, sondern nur darauf, welche Verlängerung vom Gericht gewährt wird. Das hat der Senat bereits in der zur Veröffentlichung in der Amtl. Sammlung des Gerichts bestimmten Entscheidung vom 4. August 1961 – 2 AZR 482/60 – für die jedenfalls sich innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG haltende Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ausgesprochen. Da die Frage der Verlängerung über die beantragte Frist hinaus dieselbe ist, muß dieserhalb auch dasselbe Ergebnis gelten, wenn er sich um die Berufungsbegründungsfrist handelt, bei der im übrigen eine gesetzliche Höchstfrist überhaupt nicht vorgesehen ist.

2) Mit der Revision wird geltend gemacht, daß das am 19. Januar 1961 verkündete Urteil des Landesarbeitsgerichts erst am 13. April 1961 zugestellt worden sei. Dadurch sei der Beklagten die Möglichkeit genommen worden, einen Tatbestandsberichtigungsantrag in voller Ausnützung der Frist des § 320 Abs. 1, ZPO zustellen. Andernfalls wäre ein solcher Berichtigungsantrag gestellt worden, und das Landesarbeitsgericht hätte ein Berichtigung vornehmen müssen, aus der sich ein Verstoß des angefochtenen Urteils gegen § 286 ZPO ergeben haben würde.

Es trifft zu, daß eine Rüge der verspäteten Zustellung des angegriffenen Urteils in dem geltend gemachten Sinne beachtlich sein kann (BAG 4, 81 [83]; BAG AP Nr. 6 zu § 81 ArbGG; BGHZ 32, 17 [28]. Im Streitfall liegt jedoch die Besonderheit vor, daß durch die Zustellung des Berufungsurteils die einwöchige Antragsfrist des § 320 Abs. 1 ZPO ihrerseits nur um einen einzigen Tag verkürzt worden ist. Der von der Beklagten eingereichte Berichtigungsantrag ist am 20. April 1961, also einen Tag nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO, bei Gericht eingegangen.

Zwar haben die Prozeßparteien grundsätzlich Anspruch darauf, die gesetzlichen Fristen voll ausnutzen zu dürfen. Die Revisionsrüge der Beklagten könnte deshalb Erfolg haben, wenn die Einhaltung der Frist zur Stellung des Antrags auf Tatbestandsberichtigung durch die verspätete Urteilszustellung unmöglich geworden wäre. Ein solches Unmöglichwerden kann aber im vorliegenden Falle nicht schon wegen der Verkürzung der Frist um einen einzigen Tag angenommen werden.

Die Prozeßpartei hat die Verpflichtung, dem Umstand, daß die gesetzliche Frist des § 320 Abs. 1 ZPO im Interesse schneller Klärung bewußt kurz gehalten ist, auch selbst dadurch Rechnung zu tragen, daß sie alles ihr Zumutbare tut, diese Frist innezuhalten, auch wenn sie, wie hier, unerheblich verkürzt worden ist. Zwar kann es Fälle geben, in denen die Verkürzung der Frist um nur einen Tag für die Prozeßpartei wirklich ein Hindernis darstellt, um rechtzeitig eine Tatbestandsberichtigung beantragen zu können. Daß das hier der Fall gewesen ist, ist jedoch nicht ersichtlich. Hier befanden sich vielmehr sowohl die Prozeßpartei wie ihr Prozeßbevollmächtigter an ein und demselben Ort, der selbst auch der Sitz des Gerichtes ist, bei dem der Berichtigungsantrag eingereicht werden mußte. Es ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, daß es der Beklagten nicht möglich gewesen wäre, ihren Berichtigungsantrag einen Tag früher als geschehen einzureichen.

Für die verspätete Einreichung dieses Antrags kann die Verkürzung der Frist um nur einen Tag also nicht als ursächlich angesehen werden. Es ist hiernach nicht zu prüfen, ob die Beklagte schlüssig vorgetragen hat, daß ihr Berichtigungsantrag von Erfolg gewesen wäre, wenn er rechtzeitig gestellt worden wäre.

II.

1) Mit Recht geht das angefochtene Urteil davon aus, daß Betriebsratsmitglieder, denen fristlos gekündigt wird, die Kündigung nach den Vorschriften und innerhalb der Frist des Kündigungsschutzgesetzes angreifen müssen. Eine besondere Regelung zum Angriff auf diese Kündigung sieht die Regelung des Kündigungsschutzes der Betriebsratsmitglieder nicht vor. Die Klagefrist von drei Wochen hat der Kläger aber eingehalten.

2) Beizupflichten ist dem Landesarbeitsgericht weiter darin, daß einem Betriebsratsmitglied, das gewerblicher Arbeiter ist, aus jedem wichtigen Grunde außerordentlich gekündigt werden kann. Das deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 1, 185 [188/189]; BAG 2, 138 [139]; BAG 2, 266 [269]). Dort ist unter dem Gesichtspunkt des Pflicktenverstoßes ausgesprochen, daß zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses einem Betriebsratsmitglied gegenüber nur Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen herangezogen werden können, nicht aber etwaige Verstöße des Betriebsratsmitgliedes gegen seine Amtspflichten. Die Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen müssen, wenn sie zur fristloses Kündigung berechtigen sollen, besonders gewichtig sein (vgl. auch den zur Veröffentlichung bestimmten Beschluß des Ersten Senats vom 20. Dezember 1961 in Sachen 1 AZR 404/61). Wenn ein Verhalten zu bewerten ist, das der Betriebsratstätigkeit entspringt und zugleich eine Amts- und eine Arbeitsvertragsverletzung sein kann, ist an die Annahme einer schweren Verletzung des Arbeitsvertrages ein besonders strenger Maßstab anzulegen.

Anerkannten Rechts ist ferner die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, daß Verstöße allein gegen Amtspflichten eines Betriebsratsmitglieds nicht als ein Grund zur fristlosen Entlassung anzusehen sind. Hierfür steht vielmehr § 23 Abs. 1 BetrVG zur Verfügung, nach dem der Arbeitgeber oder ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer der Belegschaft oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft beantragen kann, das betreffende Betriebsratsmitglied seines Amtes zu entheben. Die Kündigung ist das Mittel, um auf Gegebenheiten im Bereich des Arbeitsverhältnisses zu antworten, § 23 Abs. 1 BetrVG dagegen gibt die Möglichkeit, Erscheinungen in der Ebene der Betriebsverfassung zu begegnen. Handelt es sich, wie hier, um den Betriebsratsvorsitzenden, so ist auch dessen jederzeitige Abberufung von seinem Vorsitzendenposten durch Mehrheitsbeschluß des Betriebsrats möglich (Fitting-Kraegaloh, Betriebsverfassunggesetz, 5. Aufl., § 27 Anm. 8; Dietz, Betriebsverfassungsgesetz, 3. Aufl., § 27 Anm. 10; Galperin-Siebert, Betriebsverfassungsgesetz, 3. Aufl., § 27 Anm. 4). Die Bestimmung, welches Betriebsratsmitglied Betriebsratsvorsitzender sein soll, ist eine Angelegenheit des hierüber in der Sache frei befindenden Betriebsrats.

Wenn das Verhalten eines Betriebsratsmitgliedes gleichzeitig gegen den Arbeitsvertrag und gegen seine Amtspflichten als Betriebsratsmitglied verstößt, ist für die Frage des wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung ein Verstoß gegen die Amtspflichten ohne rechtliche Bedeutung. Es kommt nur auf den Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen an.

Andernfalls würde wiederum die Tragweite des § 23 Abs. 1 BetrVG beeinträchtigt. Nur dann gilt etwas anderes, wenn die Wahrnehmung der Rechte des Betriebsrats durch ein Mitglied des Betriebsrats in einer ungehörigen Form erfolgt, da dann hierdurch gleichzeitig gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen wird (BAG 1, 185 [189]).

3) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß der Kläger der Beklagten keinen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gegeben hat.

Das Landesarbeitsgericht stellt fest, daß der Kläger seine arbeitsmäßigen Leistungen ohne Vorwurf erbracht hat. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie der Zeuge Heine ausgesagt hat, dadurch gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstieß, daß er den Eintritt der Belegschaft in einen Streik befürwortete. Darauf hat sich die Beklagte zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung nämlich nicht berufen, und die Revision beanstandet es übrigens auch nicht, daß das Landesarbeitsgericht in dieser Richtung keine Feststellungen getroffen hat. Dasselbe gilt von dem im Schreiben der Beklagten vom 5. November 1959 enthaltenen Vorwurf, daß der Kläger gegen den von der Beklagten festgesetzten Arbeitszeitplan opponiert und diesen dadurch ignoriert habe, daß er zu einer Zeit zur Arbeit gekommen sei, die später gelegen habe, als von der Beklagten angeordnet. Auch dieser Umstand scheidet zur Rechtfertigung der dem Kläger gegenüber ausgesprochenen fristlosen Kündigung aus dem vorstehenden Grunde aus.

Das Landesarbeitsgericht stellt weiter fest, daß die Beklagte das Verhalten des Klägers vor dessen Wahl in den Betriebsrat, sein Auftreten als Sprecher der Belegschaft, nicht als Kündigungsgrund empfunden hat und daß der Kläger ohne Einfluß darauf gewesen ist, daß die Gewerkschaft die Beklagte in Flugblättern und Zeitungen angriff. Auch dagegen werden von der Revision keine prozessualen Bedenken erhoben, so daß der Senat an diese Feststellungen gebunden ist.

Was dem Kläger von der Beklagten vorgeworfen wird, nämlich als Betriebsratsmitglied eine Änderung der Schichtenregelung betrieben, im Zusammenhang damit Lohnfragen aufgeworfen und ein Begehren auf Zahlung von Weihnachtsgeld gestellt zu haben, könnte schon rein begrifflich nur einen Verstoß gegen dessen Pflichten als Betriebsratsmitglied darstellen. Ein solcher Verstoß ist aber, wie betont, für die Frage der Berechtigung der außerordentlichen Kündigung unerheblich. Es ist hier nichts dafür hervorgetreten und auch von der Beklagten nichts in der Richtung behauptet worden, daß der Kläger bei der Wahrnehmung seiner Betriebsratsobliegenheiten sich der Beklagten gegenüber in der Form vergriffen hätte.

Im Rahmen der dem Revisionsgericht zur Verfügung stehenden Nachprüfungsmöglichkeit muß also davon ausgegangen werden, daß dem Kläger nicht vorgeworfen werden kann, er habe durch Verletzung seiner, arbeitsvertraglichen Pflichten einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben. Das gilt auch angesichts der Tatsache, daß die Beklagte dem Kläger eine Störung des Betriebsfriedens vorwirft. Eine solche Störung müßte sich ebenfalls im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Pflichten ereignet haben. Ein etwaiger Verstoß gegen die Amtspflichten des Klägers als Betriebsratsmitglied scheidet auch in diesem Zusammenhang als Grund zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus.

Darüber hinaus ist aber dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen, wenn es die Ansicht vertritt, daß der Kläger sich auch insoweit korrekt verhalten hat, und deswegen überhaupt nicht gestört haben kann. Hierzu gilt folgendes:

a) Für den Betrieb galt mangels einer Tarifbindung der Beklagten kein Tariflohn. Es war also nicht zu beanstanden, daß der Betriebsrat wegen einer Lohnerhöhung bei der Beklagten vorstellig wurde, Zwar soll, wie aus § 59 BetrVG entnommen werden muß, Lohnpolitik grundsätzlich aus den Betrieben herausbleiben. Die Tarifautonomie der Koalitionen in ihrer Bedeutung für unser Gesellschafts- und Wirtschaftsleben soll vorrangig bleiben (Fitting-Kraegeloh, Betriebsverfassungsgesetz, § 59 Anm. 2; auch Galperin-Siebert, Betriebsverfassungsgesetz, § 59 Anm. 4). Sie hat auch üblicherweise vor allem Lohnfragen zum Gegenstand. Der Betriebsrat hat aber dann Zugang zu einer betrieblichen Lohnpolitik, wenn der Arbeitgeber, wie hier, den Abschluß von überbetrieblichen Regelungen, also von Tarifverträgen, ablehnt. Es kommt dann die allgemeine Stellung des Betriebsrates zur Geltung, die Interessen der Belegschaft zu vertreten. Ein Vorstelligwerden wegen Lohnerhöhungen besagt auch noch nicht, daß eine diesbezügliche Betriebsvereinbarung außerhalb des Rahmens des § 59 BetrVG abgeschlossen werden solle.

b) Es ist nicht zu beanstanden, daß der Betriebsrat die Zahlung der Weihnachtsgratifikation gefordert hat. Es entspricht sogar der Regel, daß der Betriebsrat eine solche Zahlung anregt. Hier muß man bereits verneinen, daß sich die Praxis der Tarifverträge üblicherweise mit diesem Gebiet beschäftigt und tarifliche Regelungen vorsieht.

c) Ein besonderer Streit herrschte zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat wegen der Arbeitszeitregelung. Ob insoweit ein Mitbestimmungsfall vorlag, mag zweifelhaft sein. Das bedarf jedoch nicht der Entscheidung. Denn selbst wenn die Ansicht des Klägers, daß es sich um einen Mitbestimmungsfall handelte, unrichtig war, wäre das dem Kläger doch nicht anzulasten. Eine solche Ansicht wird nämlich von namhafter Seite vertreten (etwa Fitting-Kraegeloh, Betriebsverfassungsgesetz, § 56 Anm. 16). Wenn der Kläger ebenfalls diese Ansicht vertrat, so beging er keinen Verstoß gegen seine Amtspflichten. Seine Meinung war vertretbar. Der Betriebsrat kann zudem auch außerhalb der in § 56 BetrVG angesprochenen Materien an den Arbeitgeber herantreten, und zwar um freiwillige Betriebsvereinbarungen abzuschließen, die das Gesetz ausdrücklich zuläßt.

4) Hiernach bleibt, was das Landesarbeitsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, nur die Frage zu prüfen, ob die Beklagte aus einer Drucksituation heraus zur außerordentlichen fristlosen Kündigung gegenüber dem Kläger schreiten durfte. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen jedoch die Voraussetzungen, die eine solche Druckkündigung als rechtmäßig erscheinen lassen könnten, hier nicht vor.

a) Nach Rechtsprechung und Rechtslehre kann auch der Streit eines Arbeitnehmers mit anderen Arbeitnehmern für den Arbeitgeber ein Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung sein. Aber das bloße Verlangen der Belegschaft oder eines Teils derselben auf Entlassung eines Arbeitnehmers wegen Störung des Betriebsfriedens gibt einen Entlassungsgrund nur dann ab, wenn das Verlangen durch das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv gerechtfertigt ist. Das muß der Arbeitgeber prüfen. Wenn es nicht der Fall ist, muß er sich schützend vor den Arbeitnehmer stellen. Seine Fürsorgepflicht gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer gebietet ihm, Unannehmlichkeiten nicht dadurch aus dem Wege zu gehen, daß er dem Verlangen der Belegschaft nachgibt; unsachlige Gesichtspunkte dürfen keinen Einfluß nehmen (BAG AP Nr. 22 zu § 1 KSchG; BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Druckkündigung BAG 9, 53/54/.

Etwas anders gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber erfolglos versucht hat, die Belegschaft von ihrer Forderung abzubringen. Wird gleichwohl ernsthaft etwa mit einem Streik oder mit Massenkündigungen gedroht und drohen schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber, etwa sogar die Vernichtung seiner Existenz, so kann die Kündigung sozial gerechtfertigt, des näheren betriebsbedingt sein. Voraussetzung ist jedoch, daß die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zunächst muß alles Zumutbare versucht werden, um die Belegschaft auf andere Weise von ihrer Drohung abzubringen (BAG 9, 53 [54]; BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Druckkündigung).

Allerdings ist von Bedeutung auch das Verhalten des Arbeitnehmers selbst, besonders dessen etwaiges Verschulden. Denn auch der Arbeitnehmer muß sich entsprechend verhalten, sich etwa an einen zumutbaren anderen Arbeitsplatz versetzen lassen (BAG 9, 53 [54/55]). Er muß nämlich nach Möglichkeit Nachteile für den Arbeitgeber vermeiden und vermeiden helfen (BAG 9, 53 [54/55]). Liegt auf seiner Seite kein Verschulden vor, so fällt das aber zu seinen, des Arbeitnehmers, Gunsten ins Gewicht (Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 4. Aufl., § 1 Anm. 35a).

Es ist auch zu beachten, daß ein Arbeitgeber sich nicht auf eine Drucksituation berufen kann, die er selbst verschuldet, also in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, und die Fürsorgepflicht würde auch in besonders schwerer Weise verletzt.

b) Das Landesarbeitsgericht hat, wie auch die Revision nicht in Abrede stellt, diese Rechtsgrundsätze beachtet.

aa) In tatsächlicher Hinsicht geht es davon aus, daß die elf Belegschaftsmitglieder, die am 28. Januar 1960 ihre Kündigungen ausgesprochen hatten, diese ernstlich gemeint hatten und daß die Beklagte, wenn diese elf Belegschaftsmitglieder ihre Arbeit eingestellt hätten, dadurch in ihrer Existenz gefährdet gewesen wäre. Angesichts dieser Feststellung des Landesarbeitsgerichts greift die prozessuale Rüge der Revision nicht durch, daß das Landesarbeitsgericht zu Unrecht über die Folgen des Unterlassens der fristlosen Kündigung dem Kläger gegenüber keinen Beweis erhoben hätte. Das Landesarbeitsgericht hat als richtig unterstellt, was die Beklagte selbst hinsichtlich der Situation vorgetragen hat, in die sie durch die Kündigungen der elf Belegschaftsmitglieder geriet.

Das Landesarbeitsgericht stellt weiter fest, daß die Beklagte nicht schuldlos in diese Situation hereingeraten ist, sondern daß sie selbst durch ihr Verhalten die von ihr behauptete Existenzgefahrt herbeigeführt hat. Darüber hinaus ist es aufgrund tatsächlicher Würdigung zu der Auffassung gekommen, daß es für die Beklagte durchaus ein anderes Mittel gab, die Drucksituation zu beenden, als die dem Kläger gegenüber erklärte außerordentliche fristlose Kündigung.

Soweit die Revision sich gegen diese Annahmen des Landesarbeitsgerichts wendet, kann sie deshalb keinen Erfolg haben, weil es sich hier um eine Würdigung der von den Vorinstanzen durchgeführten Beweisaufnahme handelt. Diese liegt auf tatsächlichem Gebiet und ist der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen. Es ist nicht ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung wesentlichen Prozeßstoff außer Acht gelassen hätte, daß es gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hätte oder daß in seiner Beweiswürdigung Widersprüche vorhanden wären.

Insbesondere kann die Revision nicht mit der Rüge gehört werden, das Landesarbeitsgericht hätte die früheren Vorfälle aus der Zeit vor der Betriebsratswahl nicht mit heranziehen dürfen, um zu der Feststellung zu kommen, daß die Beklagte von Anfang an gegen den Kläger eingestellt gewesen ist und seit Beginn der Amtstätigkeit des Klägers als Betriebsratsmitglied darauf ausging, diesen aus dem Betriebsrat und schließlich auch aus dem Betrieb selbst zu entfernen. Auch diese Erwägungen des angefochtenen Urteils halten sich im Rahmen der den Tatsacheninstanzen freistehenden Beweiswürdigung und innerhalb der auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachtenden allgemeinen Sätze bei der Vornahme einer Beweiswürdigung.

Entgegen der Ansicht der Revision ist es weiter nicht richtig, daß das Landesarbeitsgericht nur Vermutungen ausgesprochen, nicht aber Tatsachen festgestellt habe. Darauf, woher der Zeuge F. wußte, daß die Beklagte sich vom Kläger trennen wollte, kommt es für die Entscheidung nicht an. Von Bedeutung ist insoweit nur das vom Landesarbeitsgericht bindend festgestellt tatsächliche Wissen des Zeugen von der Absicht der Beklagten. Auch ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht die Auffassung vertritt, die Beklagte habe sich so oder so vom Kläger trennen wollen. Auch insoweit handelt es sich um Schlüsse des Landesarbeitsgerichts, die aus der Beweisaufnahme gezogen worden sind, ohne daß dabei ein Verstoß gegen Prozeßrecht erkennbar wäre.

Wenn die Revision schließlich meint, nach Ausspruch der Kündigungen habe die Beklagte auf die kündigenden Belegschaftsmitglieder eine Einwirkung nicht mehr ausüben können, so ist auch das eine Frage tatsächlicher Art. Das Landesarbeitsgericht ist zu der Auffassung gekommen, daß die Beklagte die Weihnachtsgratifikation, um die es sich im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Belegschaft in erster Linie gehandelt habe, bewußt zurückgehalten hat, bis der Kläger aus dem Betrieb entfernt worden war. Die Entscheidung darüber, ob diese vom Kläger aufgestellte Behauptung wahr oder nicht wahr gewesen ist, kann nur vom Tatsachenrichter getroffen werden. An seine Auffassung ist der Senat gebunden.

bb) Greifen hiernach die Angriffe der Revision gegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht durch, so ist die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung deshalb ungerechtfertigt, weil die Beklagte nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Situation, die durch den illegitimen, weil nicht durch ein Verhalten des Klägers gerechtfertigten Druck entstanden war, dadurch hätte beenden können, daß sie die Zahlung der Prämie für das einjährige Bestehen des Betriebes um wenige Tage früher vornahm. Wenn das Landesarbeitsgericht das annimmt, so ist das um so weniger zu beanstanden, als es – für den Senat bindend – davon ausgeht, daß die Beklagte diese Auszahlung bereits zu Weihnachten vorgenommen haben würde, wenn sie nicht den Zweck verfolgt hätte, mit der Zurückhaltung der Auszahlung die Position des Klägers bei der Belegschaft zu erschüttern.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist auch davon auszugehen, daß die Beklagte ihre Drucksituation selbst verschuldet hat. Schon aus diesem Grunde war es ihr versagt, dem Kläger, dem kein Vorwurf gemacht werden kann, zu kündigen.

Da die Beklagte selbst diese Drucksituation herbeigeführt hat, kann vom Kläger ferner nicht verlangt werden, daß er von sich aus dem Betriebsrat ausschied oder wenigstens den Vorsitz niederlegte. Es ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nun einmal auch nicht ersichtlich, daß der Kläger gegen seine Amtspflichten als Betriebsratsmitglied verstoßen hatte. Ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, der Kläger habe seinen Austritt aus dem Betriebsrat versprochen, hat das Landesarbeitsgericht mit Recht dahingestellt gelassen. Denn auch eine solche Zusage konnte nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils nur auf dem gegen den Kläger gerichteten Druck beruhen.

Schließlich kann sich die Beklagte nicht auf die Versammlung vom 15. Juli 1960 berufen. Die Tatsache, daß sich in dieser Versammlung nach dem Vortrag der Beklagten die Belegschaft erneut gegen den Kläger ausgesprochen hat, kann rückblickend zwar unter Umstanden von gewisser Bedeutung sein. Hier liegt aber die Situation derart, daß die Beklagte zu der Einstellung der Belegschaft gegen den Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst den Anlaß gegeben hat. Deshalb kann sie sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens auf diese Einstellung der Belegschaft dem Kläger gegenüber nicht berufen.

 

Unterschriften

gez. Dr. Müller, Dr. Meier-Scherling, Wichmann, Dr. Siebrecht, Fink

 

Fundstellen

Haufe-Index 1169520

BAGE, 220

NJW 1962, 1413

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