Entscheidungsstichwort (Thema)

13. Monatsgehalt – Beschäftigungsverbote nach §§ 3, 6 MuSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt, das als Teil der im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Vergütung vereinbart ist („arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung”), entsteht auch für die Zeiten, in denen aufgrund der Beschäftigungsverbote nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG keine Arbeitsleistung erbracht wird.

 

Normenkette

BGB § 611; MuSchG 1986 §§ 2, 6, 11, 14

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.08.1997; Aktenzeichen 4 Sa 486/97)

ArbG Koblenz (Urteil vom 22.01.1997; Aktenzeichen 10 Ca 2225/96)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. August 1997 – 4 Sa 486/97 – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines anteiligen 13. Monatsgehalts im Jahr 1995 für die Zeit der Beschäftigungsverbote nach den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG in Höhe von 978,11 DM brutto.

Die Klägerin ist seit dem 1. Juni 1993 in der Kanzlei des Beklagten als Bürokraft mit einem monatlichen Bruttogehalt von 3.650,00 DM beschäftigt. Im Eintrittsjahr 1993 erhielt die Klägerin als zusätzliche Leistung eine zeitanteilige Vergütung, im Jahr 1994 ein volles Monatsgehalt und im Jahr 1995 eine anteilige Sondervergütung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 4. Juni 1995. Die Zahlung wurde jeweils als Weihnachtsgeld ausgewiesen. Die Zeit vom 5. Juni bis 18. September 1995, während der ein Beschäftigungsverbot nach den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG bestand, hat der Beklagte bei der Berechnung der zusätzlichen Sondervergütung nicht berücksichtigt. Ab dem 18. September 1995 befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub.

Die Klägerin verlangt eine anteilige Sondervergütung auch für den Zeitraum vom 5. Juni bis 18. September 1995, da sie der Auffassung ist, ihre Abwesenheit während der Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG dürfe sich nicht anspruchsmindernd bei der Sondervergütung für das Jahr 1995 auswirken. Eine Vereinbarung, wonach das 13. Monatsgehalt nur für Zeiten der tatsächlich geleisteten Arbeit zu zahlen sei, bestehe nicht. Im übrigen wäre eine solche Vereinbarung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des MuSchG unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 978,11 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 8. August 1996 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint, er sei zur Kürzung der Sondervergütung während der schwangerschaftsbedingten Abwesenheit der Klägerin für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG berechtigt, da bei der Einstellung zwischen den Parteien ausdrücklich mündlich vereinbart worden sei, daß sich das 13. Monatsgehalt nach der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung errechne. Diese Vereinbarung verstoße auch nicht gegen die Bestimmungen des MuSchG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 978,11 DM brutto verurteilt. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht der Klägerin den mit der Klage geltend gemachten Anspruch zuerkannt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien i.V.m. § 611 BGB ein anteiliges 13. Monatsgehalt auch für die Zeit der Beschäftigungsverbote des Mutterschutzgesetzes (§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG) zu, weil eine Kürzungsvereinbarung für solche Zeiten nicht getroffen worden sei. Nach dem Sachvortrag der Parteien sei anzunehmen, daß es sich bei der Sondervergütung um ein 13. Monatsgehalt handle. Das 13. Monatsgehalt stehe dem Arbeitnehmer in der Regel nur für solche Zeiten zu, in denen dieser tatsächlich Arbeit geleistet habe. Entsprechend der Rechtsprechung des Zehnten Senates des Bundesarbeitsgerichts zur Kürzung von Sonderleistungen bei krankheitsbedingten Fehlzeiten sei davon auszugehen, daß auch Zeiten der mutterschaftsbedingten Beschäftigungsverbote nach den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG anspruchsmindernd berücksichtigt werden könnten, wenn das ausdrücklich vereinbart worden sei. Im Gegensatz zum Erziehungsurlaub ruhe nämlich die arbeitsvertragliche Hauptpflicht des Arbeitgebers, die Vergütungszahlung, im Falle der Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG nicht. Eine ausdrückliche Vereinbarung in diesem Sinne liege aber nicht vor, da der Beklagte selbst nicht vorgetragen habe, daß auch die Zeiten der Abwesenheit der Klägerin aufgrund der Beschäftigungsverbote nach den Bestimmungen des MuSchG den Anspruch mindern sollten.

Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann jedenfalls im Ergebnis gefolgt werden.

II. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die begehrte weitere Sonderzahlung – berechnet für die Zeiten der Beschäftigungsverbote nach den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG – im Jahre 1995 zu.

1. Bei der Regelung über die Zahlung des 13. Monatsgehalts handelt es sich um eine einzelvertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Die Auslegung einzelvertraglicher Vereinbarungen obliegt den Tatsachengerichten. Sie ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt nachprüfbar. Das Revisionsgericht kann eine solche Auslegung nur daraufhin überprüfen, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt worden sind (BAG Urteil vom 19. April 1995 – 10 AZR 49/94 – AP Nr. 173 zu § 611 BGB Gratifikation), ob dabei gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet worden ist oder ob eine gebotene Auslegung völlig unterblieben ist.

Nach diesen Grundsätzen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, das 13. Monatsgehalt sei ausschließlich ein zusätzlicher Teil der Vergütung und könne nicht als sog. Gratifikation mit Mischcharakter angesehen werden. Auch die Parteien greifen diese Auslegung nicht an. Wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, spricht für diese Auslegung insbesondere die anteilige Leistung der Sonderzahlung im Jahre 1993. Auch der Umstand, daß weitere Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs nicht vorgetragen sind, belegt die vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegung.

2. Es handelt sich somit – entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats – um einen Teil der als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldeten Vergütung, der in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 BGB) eingebunden ist („arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung”, vgl. BAG Urteil vom 16. März 1994 – 10 AZR 669/92 – BAGE 76, 134 = AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation). Ruht das Arbeitsverhältnis und sind damit die gegenseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert – wie z. B. bei Erziehungsurlaub –, besteht für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung und für den Arbeitgeber keine Vergütungspflicht. Erfaßt der Wegfall der Vergütungspflicht des Arbeitgebers alle Vergütungsbestandteile, die im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehen, entsteht für solche Abrechnungszeiträume ein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt nicht (BAG Urteil vom 19. April 1995 – 10 AZR 49/94 – AP Nr. 173 zu § 611 BGB Gratifikation).

Nach der Rechtsprechung des Senats sind „arbeitsleistungsbezogene” Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter allerdings auch in den Fällen zu gewähren, in denen dem Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen das Entgelt auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung fortzuzahlen ist, wie z.B. im Falle des Urlaubs, der unverschuldeten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit oder des Mutterschutzes (BAG Urteil vom 10. Mai 1995 – 10 AZR 648/94 – AP Nr. 174 zu § 611 BGB Gratifikation).

Für die Zeit der Beschäftigungsverbote nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG folgt dies zwar nicht daraus, daß diese Zeiten einer tatsächlichen Arbeitsleistung gleichzustellen sind (BAG Urteil vom 12. Juli 1995 – 10 AZR 511/94 – AP Nr. 182 zu § 611 BGB Gratifikation). Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird jedoch während dieser Zeiten trotz fehlender Arbeitsleistung nicht in vollem Umfange aufgehoben. Er bleibt vielmehr nach Maßgabe des § 14 MuSchG zur Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld verpflichtet. Dies rechtfertigt den Schluß, daß sich die Zeiten der Beschäftigungsverbote nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG nicht anspruchsmindernd auf ein 13. Monatsgehalt, das als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung vereinbart ist, auswirken.

3. Ob eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die bei arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen eine Kürzung für Zeiten der Beschäftigungsverbote nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG vorsieht, rechtlich zulässig ist, kann dahinstehen.

Zwar hat der Senat eine solche Vereinbarung für krankheitsbedingte Zeiten, für die der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, für zulässig gehalten (BAGE 78, 174 = AP Nr. 18 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie) und im Urteil vom 12. Juli 1995 (– 10 AZR 511/94 – AP Nr. 182 zu § 611 BGB Gratifikation) darauf hingewiesen, daß nicht erkennbar sei, warum der Entgeltsicherung der schwangeren Arbeitnehmerin während der Schutzfristen nach § 14 MuSchG eine weitergehende Schutzfunktion zukommen solle als der Entgeltsicherung im Krankheitsfalle. Insoweit bedarf es jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 2 ZPO), die vom Beklagten mit Revisionsrügen nicht angegriffen worden sind, ist eine ausdrückliche Vereinbarung über die Kürzung des Anspruchs auf das 13. Monatsgehalt für Zeiten der Mutterschutzfristen nicht getroffen worden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Freitag, Hauck, Böck, Lindemann, Paul

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 25.11.1998 durch Susdorf, Reg.-Hauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436286

BB 1999, 1764

DB 1999, 1119

NJW 1999, 3431

NWB 1999, 1893

ARST 1999, 182

FA 1999, 168

NZA 1999, 766

RdA 1999, 421

ZTR 1999, 284

ZTR 1999, 331

AP, 0

ZfPR 2000, 46

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