Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung und Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz. Fortführung der bisherigen Rechtsprechung zur vorgezogenen Stellenbesetzung vor dem Hintergrund sich abzeichnender betriebsbedingter Kündigungen: Senat 21. September 2000 – 2 AZR 440/99 – BAGE 95, 350; 6. Dezember 2001 – 2 AZR 695/00 – nv.. Betriebsbedingte Kündigung nach Betriebsübergang und Widerspruch des Arbeitnehmers. Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz. Kündigung

 

Orientierungssatz

  • Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis “bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Eine Weiterbeschäftigung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG muß aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, daß ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (hier: mögliche Weiterbeschäftigung eines Hausmeisters als Kraftfahrer).
  • Diese Weiterbeschäftigungspflicht des – öffentlichen – Arbeitgebers nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG besteht unabhängig von einem Widerspruch der zuständigen Personalvertretung.
  • Als frei sind grundsätzlich solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind. Der Arbeitgeber kann sich allerdings nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen.
  • Werden im Zusammenhang mit der Umstrukturierung und Privatisierung der Hausmeisterdienste einer Universität neue Stellen, ua. als Kraftfahrer, geschaffen, so hat der Arbeitgeber durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG zu entscheiden, welche von der Organisationsentscheidung betroffenen Arbeitnehmer er auf diesen neuen Stellen weiterbeschäftigt.
  • Der Arbeitgeber muß bei der Planung und der Besetzung der – neugeschaffenen – Stellen auch damit rechnen, daß sozial schwächere Arbeitnehmer einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen externen Anbieter widersprechen.
  • Der Senat hat es – auf Grund der besonderen Einzelfallumstände – dahinstehen lassen, ob der öffentliche Arbeitgeber bei der Besetzung neuer Stellen für kündigungsbedrohte Arbeitnehmer nach Durchführung einer – internen – Ausschreibung nur noch diejenigen bei einer Stellenbesetzung berücksichtigen muß, die sich im Vorfeld auch für die entsprechende Stelle beworben haben oder ob er grundsätzlich verpflichtet bleibt, einem vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen anzubieten und dabei klarzustellen, daß im Falle einer Ablehnung eines solchen Änderungsangebots möglicherweise eine Kündigung in Betracht kommt.
 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-3; BGB §§ 162, 613a

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 14.11.2000; Aktenzeichen 10 Sa 2/00)

ArbG Dresden (Urteil vom 05.11.1999; Aktenzeichen 17 Ca 7451/98)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am 25. Juli 1960 geborene, verheiratete und seiner Ehefrau und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 1. September 1987 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger tätig. Er erhielt zuletzt eine Vergütung nach der Lohngruppe 7 MTL II bzw. MTArb-O. Zwischen 1987 und 1992 arbeitete er als Transportarbeiter und LKW-Fahrer an der Technischen Universität (TU). Danach wurde er von der TU zuletzt als sog. Territorial-Hausmeister, dem 13 Hausmeister unterstellt waren, eingesetzt.

Mit Erlaß des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 4. Juni 1996 wurde die TU aufgefordert, 139 zum Abbau geeignete Stellen zu benennen. Die TU beschloß am 6. August 1996, einen Stellenabbau vorrangig in Dienstleistungsbereichen der Verwaltung vorzunehmen und die Dienstleistungen durch externe Anbieter ersetzen zu lassen. Der Abbau sollte schrittweise bis Ende 1999 im wesentlichen durch Nutzung der natürlichen Fluktuation und Umsetzung auf frei werdende, fachlich geeignete Stellen realisiert werden. Sollten diese Maßnahmen zur Erreichung des Ziels nicht ausreichen, sollten Kündigungsverfahren eingeleitet werden.

In Ausführung des Beschlusses wurde im Dezember 1996 ua. ein “Konzept Privatisierung der Hausmeisterdienste” von der TU erstellt. Es sah zum einen eine Privatisierung der Hausmeisterdienste vor; spätestens zum 31. Dezember 1997 sollten keine Hausmeister mehr von der TU beschäftigt werden. Zum anderen sollten zum Ausgleich sich aus der Privatisierung ergebender Kapizitätsdefizite bestimmte Aufgaben durch fachlich geeignetes Personal aus dem Kreis der Hausmeister wahrgenommen werden. Hierzu sollten 21 Stellen neu geschaffen werden, auf die sich die 79 Hausmeister entsprechend ihrer Qualifikation bewerben konnten. Unter anderem wurden die Stellen “Kraftfahrer Post II” und “Kraftfahrer Umzug und Verlegung” neu eingerichtet. Beide Stellen waren zunächst in der Lohngruppe 4 eingeordnet; die Stelle “Umzug/Verlegung” wurde im Nachgang in die Lohngruppe 5 hochgestuft. Für die Position des “Kraftfahrers Post II” benannte das Konzept der TU den Kläger unabhängig von seiner individuellen Zustimmung als alleinigen fachlich und persönlich geeigneten Kandidaten. Der Kläger bewarb sich gemeinsam mit fünf weiteren Mitarbeitern auf diese Stelle. Die Stelle wurde zum 1. Juni 1997 mit dem Mitarbeiter L.…, geb. am 10. Dezember 1944, beschäftigt seit 1. Juni 1989, 3 Kindern zum Unterhalt verpflichtet, besetzt. Die Stelle “Kraftfahrer Umzug und Verlegung” erhielt der Mitarbeiter U.…, geb. am 15. September 1972, ledig, ohne Unterhaltspflichten, beschäftigt seit 1. September 1989. Nach der Umsetzung auf diese Position zum 1. Juli 1997 erwarb der Mitarbeiter U.… den LKW-Führerschein.

Die verbleibenden Hausmeisterstellen faßte der Beklagte in vier Lose zusammen und übertrug sie nach einer öffentlichen Ausschreibung auf vier private Unternehmen.

Mit Schreiben vom 13. August 1997 unterrichtete das beklagte Land den Kläger über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zum 1. November 1997 auf die H.-Service GmbH. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 15. September 1997 ohne Angabe von Gründen einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Ab dem 1. November 1997 wurde er im Sachgebiet “Zentrale Beschaffung, Gruppe Aussonderungslager/Verkauf/Bestandskontrolle” an der TU als Hilfsarbeiter ohne Planstelle eingesetzt.

Mit Schreiben vom 31. August 1998, dem Kläger am 1. September 1998 zugegangen, kündigte der Beklagte nach Beteiligung des Personalrats das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1999.

Der Kläger hat im Rahmen seiner am 7. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage die Auffassung vertreten, der Beklagte habe bei der Besetzung der neu definierten Stellen in den umstrukturierten Aufgabenfeldern keine Sozialauswahl vorgenommen bzw. sie fehlerhaft durchgeführt. Er hätte auf der Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” weiterbeschäftigt werden müssen. Auf diese Stelle habe er sich nur deshalb nicht beworben, weil er bereits für die andere Kraftfahrerstelle von der TU nominiert gewesen sei. Die Übernahme der Hausmeisterdienste zum 1. November 1997 stelle keinen Betriebsübergang dar. Es habe deshalb auch keines sachlichen Grundes für seinen Widerspruch bedurft.

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 31. August 1998 nicht zum 31. März 1999 aufgelöst worden ist;
  • hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. den Beklagten zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen seines als Änderungsvertrag bezeichneten Anstellungsvertrages vom 14. Oktober 1991 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 25. April 1995 ab 01. Januar 2000 als vollbeschäftigten Arbeitnehmer wiedereinzustellen;
  • hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. oder zu 2. den Beklagten zu verurteilen, ihn als vollbeschäftigten Arbeitnehmer in der Lohngruppe 7 weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei kein Arbeitsplatz frei gewesen. Der Kündigungsentschluß sei erst ein Jahr nach Besetzung der 21 neu geschaffenen Stellen auf Grund des Widerspruchs des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die H.-Service GmbH, mit dem nicht zu rechnen gewesen sei, gefaßt worden. Bei der Besetzung der freien Stellen sei er nicht an die Grundsätze der Sozialauswahl gebunden gewesen, da diese Tätigkeiten nicht mit den bisherigen Hausmeistertätigkeiten des Klägers vergleichbar gewesen seien. Auf eine fehlerhafte Sozialauswahl könne sich der Kläger im übrigen schon deshalb nicht berufen, weil er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund widersprochen habe. Wegen seiner fehlenden Bewerbung auf die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” habe er bei deren Besetzung auch nicht berücksichtigt werden müssen.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin eine Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Kündigung des Beklagten vom 31. August 1998 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Deshalb war der Kläger auch vorläufig weiterzubeschäftigen.

  • Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen angenommen, auf Grund der Übertragung der Hausmeisterdienste auf private Unternehmen zum 1. November 1997 sei der bisherige Arbeitsplatz des Klägers als Territorialhausmeister zwar weggefallen. Die Kündigung sei dennoch sozial ungerechtfertigt, weil der Beklagte den Kläger auf einem anderen freien Arbeitsplatz bei der TU hätte weiterbeschäftigen können. Er hätte bei der Besetzung der neuen Stellen die sozialen Auswahlkriterien zumindest nach § 315 BGB berücksichtigen müssen. Danach hätte die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” mit dem Kläger besetzt werden müssen. Seine fehlende Bewerbung für diese Stelle sei unbeachtlich. Der Beklagte hätte vor dem Kündigungsausspruch von sich aus diese zumutbare Weiterbeschäftigung auf dem freien Arbeitsplatz prüfen müssen. Die Auswahlentscheidung sei jedenfalls im Verhältnis zum Mitarbeiter U.… fehlerhaft. Dieser sei im Vergleich zum Kläger erkennbar weniger schutzwürdig. Das zeitliche Auseinanderfallen der Stellenbesetzungen und der Kündigung sei unbeachtlich, da die personellen Maßnahmen “uno actu” auf Grund eines einheitlichen Entschlusses erfolgt seien.
  • Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Kündigung des Beklagten ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).

    • Bei der Frage, ob eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, weil dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, geht es um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden können, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. Senat 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – BAGE 84, 209, 212; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts den Revisionsangriffen des Beklagten stand.
    • Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Möglichkeit, den Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz als Territorialhausmeister weiterzubeschäftigen, sei durch dringende betriebliche Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) weggefallen.

      • Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (st. Rspr. Senat ua. 7. Dezember 1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61; 21. September 2000 – 2 AZR 385/99 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 111 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107). Von den Arbeitsgerichten nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (Senat 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61).
      • Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, an der TU keine Hausmeister mehr zu beschäftigen und die Hausmeisterdienste auf private Unternehmen zu übertragen. Von dieser organisatorischen Maßnahme war auch der Arbeitsplatz des Klägers als Territorialhausmeister unmittelbar betroffen. Sein bisheriger Arbeitsplatz ist spätestens zum 31. Dezember 1997 weggefallen.
    • Der Wegfall dieses Arbeitsplatzes rechtfertigt jedoch nicht – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt hat – die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Der Kläger hätte nämlich auf dem Arbeitsplatz als “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” weiterbeschäftigt werden können.

      • Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis “bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem “ultima-ratio-Grundsatz”. Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu prüfende ultima-ratio-Grundsatz wird in § 1 Abs. 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG ist die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, wenn in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle des selben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann. Die Gesamtheit der Dienststellen in dem umschriebenen Bereich entspricht dem Unternehmen im Bereich der Privatwirtschaft (Senat 17. Mai 1984 – 2 AZR 109/83 – BAGE 46, 191; 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66). Diese Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch der zuständigen Personalvertretung vorliegt (Senat 17. Mai 1984 und 19. Dezember 1994 aaO). Die Weiterbeschäftigung muß aber sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein. Dies setzt voraus, daß ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist und der Arbeitnehmer über die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (allgemein zum Maßstab des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG: Senat 21. September 2000 aaO; 6. Dezember 2001 – 2 AZR 695/00 – nv.; speziell zum Maßstab des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG: Senat 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66).
      • Der Beklagte hätte den Kläger auf der anläßlich der Umstrukturierung der Hausmeisterdienste neu geschaffenen Stelle eines “Kraftfahrers Umzug/Verlegung” weiterbeschäftigen können.

        • Diese Weiterbeschäftigung war sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten zumutbar.

          • Der Kläger ist für die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” objektiv geeignet und besitzt die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse.

            Seine objektive Eignung ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß die TU ihn für die Stelle “Kraftfahrer Post II” im Konzept der Universitätsverwaltung vom 18. Dezember 1996 ausdrücklich als fachlich und persönlich geeignet nominiert hatte. Sowohl die Stelle “Kraftfahrer Post II” als auch die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” gehören der gleichen Aufgabengruppe an, die die TU im Rahmen ihres Konzepts der Hausmeisterdienste gebildet hatte. Sie sind deshalb auch nach Ansicht des beklagten Landes inhaltlich ohne weiteres vergleichbar. Hinzu kommt, daß der Kläger in der Vergangenheit bereits zeitweise als Kraftfahrer gearbeitet hatte und die erforderlichen Fahrerlaubnisse besitzt.

          • Der Kläger hat durch seine Bewerbung auf die Stelle “Kraftfahrer Post II” eindeutig zu erkennen gegeben, daß er diese Position als für sich subjektiv zumutbar angesehen hat, obwohl zum Zeitpunkt der Ausschreibung – ebenso wie die Position “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” – die Tätigkeit nur in die Lohngruppe 4 eingruppiert worden war. Dies bedeutete für ihn eine Reduzierung der Vergütung um drei Lohngruppen. Ausweislich seiner Bewerbung hat er sich unter dem Eindruck des sonst drohenden Arbeitsplatzverlustes mit dieser Reduzierung aber einverstanden erklärt. Die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” ist für ihn subjektiv umsomehr zumutbar, als sie später verbindlich in die Lohngruppe 5 eingruppiert worden ist und damit seiner bisherigen Eingruppierung in die Lohngruppe 7 näherkommt.
        • Diese Stelle war iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2b KSchG “frei”.

          • Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung setzt das Vorhandensein eines “freien” Arbeitsplatzes voraus (st. Rspr. Senat seit 13. September 1973 – 2 AZR 601/72 – BAGE 25, 278). Als “frei” sind solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, dem maßgeblichen Überprüfungszeitpunkt für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung, unbesetzt sind (st. Rspr. Senat, siehe ua. 30. Mai 1985 – 2 AZR 321/84 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36 15. Dezember 1994 – 2 AZR 327/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75).
          • Zwar waren zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 1. September 1998 die anderweitig neu geschaffenen 21 Stellen und insbesondere auch die Stelle Kraftfahrer Umzug/Verlegung” bereits seit einem Jahr besetzt. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Stelle dennoch im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG zu berücksichtigen.

            Der Arbeitgeber kann sich nämlich nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht auf einen von ihm selbst treuwidrig durch eine vorgezogene Stellenbesetzung verursachten Wegfall freier Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt berufen (Senat 21. September 2000 – 2 AZR 440/99 – BAGE 95, 350 und 6. Dezember 2001 – 2 AZR 695/00 – aaO). Er hat es nicht in der Hand, den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers dadurch leerlaufen zu lassen, daß er zunächst einen freien Arbeitsplatz besetzt und erst später eine Beendigungskündigung wegen einer fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ausspricht. Erfolgen die Besetzung der freien Stelle und die Kündigung auf Grund eines einheitlichen Entschlusses, so sind beide Erklärungen des Arbeitgebers bei Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG auch als Einheit zu würdigen (BAG 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77; 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – BAGE 79, 66; 21. September 2000 und 6. Dezember 2001, aaO). Ein treuwidriges, weil rechtsmißbräuchliches Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung ein Auslaufen der Beschäftigungsmöglichkeiten für den später gekündigten Arbeitnehmer bereits absehbar war (LAG Berlin 29. August 1988 – 12 Sa 40/88 – und 59/88 – EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 58; KR-Etzel, 6. Aufl., § 1 KSchG Rn. 221).

            Die Einrichtung der neuen Stellen stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der geplanten Umstrukturierung und Privatisierung der Hausmeisterdienste an der TU. Sie war gerade auch deshalb konzipiert worden, um den Stellenabbau der insgesamt 79 Hausmeisterstellen sozial verträglicher zu gestalten und erwartete Kapazitätsdefizite durch die Weiterbeschäftigung von 21 von der Umstrukturierung betroffenen Mitarbeitern auszugleichen. Zwar beabsichtigte der Beklagte zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung nicht konkret die Kündigung der übrigen 58 Mitarbeiter. Es war aber vorgesehen, die Arbeitsverhältnisse zum Beklagten endgültig zu beenden, vor allen im Wege von – geplanten – Teilbetriebsübergängen und Übertragungen der Arbeitsverhältnisse auf externe Anbieter. Dabei hat der Beklagte damit rechnen müssen, daß die betroffenen Arbeitnehmer einem möglichen Betriebsübergang berechtigterweise widersprechen können mit der Folge, daß ihr Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Arbeitgeber übergeht und beim bisherigen Arbeitgeber verbleibt. Er mußte deshalb berücksichtigen, daß die bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnisse nicht durch einen Übergang auf einen anderen Arbeitgeber beendet würden und er deshalb zur Umsetzung des geplanten Umstrukturierungskonzeptes in letzter Konsequenz betriebsbedingte Kündigungen würde aussprechen müssen. Dementsprechend hatte die TU auch bereits am 6. August 1996 festgestellt, bei Nichterreichung des Abbauziels bis Ende 1999 ggf. auch Kündigungen einzuleiten. In Kenntnis dieser möglichen, späteren Folgen sind die neuen Stellen Mitte des Jahres 1997 besetzt worden. Es war deshalb für den Beklagten zum Zeitpunkt der Stellenbesetzungen zum 1. Juni 1997 hinreichend erkennbar, daß die Beschäftigungsmöglichkeiten für andere – widersprechende – Hausmeister bei ihm wegfallen und es später zu Kündigungen kommen kann.

          • Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis auch weiter darin zu folgen, daß der Beklagte bei seiner Auswahlentscheidung für die Stellenbesetzung “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” den Kläger statt den Mitarbeiter U.… hätte berücksichtigen müssen.

            • Fallen in einer Dienststelle Beschäftigungsmöglichkeiten weg, bestehen aber in anderen Bereichen der Dienststellen für einen Teil der Arbeitnehmer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, so hat der öffentliche Arbeitgeber – soweit die Arbeitnehmer fachlich und persönlich geeignet sind – durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zu entscheiden, welchen von der Organisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer er weiterbeschäftigt (Senat 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77; 15. Dezember 1994 aaO). Der Arbeitgeber kann eine solche Sozialauswahl nicht dadurch umgehen, daß er den freien Arbeitsplatz zunächst mit einem Arbeitnehmer seiner Wahl besetzt und andere – sozial schwächere – Arbeitnehmer später mit der Begründung kündigt, eine Sozialauswahl sei nicht (mehr) möglich, weil der (früher vorhandene) Arbeitsplatz besetzt sei (Senat 10. November und 15. Dezember 1994, aaO; KR-Etzel aaO § 1 KSchG Rn. 546).
            • Es ist nicht erkennbar, daß der Beklagte die hiernach notwendige Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG bei der Besetzung der Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” getroffen hat.

              Der Beklagte hat dies nicht behauptet und dargelegt. Hat er insoweit keine Auswahlentscheidung nach sozialen Gesichtspunkten unter Einbeziehung des Klägers vorgenommen, so ist zu vermuten, daß er die Auswahlentscheidung allein auf Grund betrieblicher Belange getroffen hat und sie deshalb im Ergebnis sozialwidrig ist (Senat 21. September 2000 aaO; 18. Oktober 1984 – 2 AZR 61/83 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33).

              Im übrigen wäre auch eine die sozialen Aspekte berücksichtigende Besetzungsentscheidung des Beklagten zu Ungunsten des Klägers fehlerhaft. Der Kläger ist nämlich in Bezug auf alle drei wesentlichen sozialen Kriterien des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG deutlich sozial schutzwürdiger als der Arbeitnehmer U.…, der die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” erhalten hat. Er ist 12 Jahre älter, zwei Jahre länger beim Beklagten beschäftigt und gegenüber drei Personen unterhaltspflichtig, während der jüngere Mitarbeiter U.… ledig und kinderlos ist.

          • Dienstliche Belange, die ausnahmsweise die sozialen Belange des Klägers überwiegen könnten, sind nicht ersichtlich. Herr U.… war nicht von vornherein aus der zu treffenden Auswahlentscheidung herauszunehmen. Der Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein berechtigtes betriebliches Interesse gerade an seiner Weiterbeschäftigung auf Grund seiner Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen ergeben.
          • Entgegen der Auffassung der Revision steht dem auch nicht die fehlende Bewerbung des Klägers auf die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” entgegen.

            Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der öffentliche Arbeitgeber bei der Besetzung neuer Stellen für kündigungsbedrohte Arbeitnehmer nach Durchführung einer Ausschreibung nur noch diejenigen bei einer Stellenbesetzung berücksichtigen muß, die sich im Vorfeld auch für die entsprechenden Stellen beworben haben, oder ob er vielmehr nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich verpflichtet bleibt, einem vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen Arbeitnehmer von sich aus eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen anzubieten und dabei klarzustellen, daß im Falle einer Ablehnung eines solchen Änderungsangebotes möglicherweise eine Kündigung in Betracht kommt. Auf Grund der hier vorliegenden besonderen Fallgestaltung kann es sich jedenfalls nicht zum Nachteil des Klägers auswirken, wenn er sich nur auf eine der beiden Kraftfahrerstellen beworben hat. Das Konzept der TU vom 18. Dezember 1996, welches auch dem Personalrat vorlag, sah ausdrücklich vor, den Kläger auf der Stelle “Kraftfahrer Post II” weiterzubeschäftigen. Er war als einziger Hausmeister auf dieser Stelle benannt und hierfür “nominiert” worden, wie es die Überschrift zu II des Konzepts ausdrückt. Bei dem Kläger wurde dadurch der schützenswerte Eindruck erweckt, die Besetzung dieser Stelle sei nur noch von seiner individuellen Zustimmung abhängig. Er durfte deshalb in dieser Situation davon ausgehen, er werde die Stelle erhalten und jede andere Bewerbung sei deshalb überflüssig. Der Beklagte hat damit beim Kläger das berechtigte Vertrauen geschaffen, er werde die Stelle des “Kraftfahrer Post II” erhalten. Es wäre deshalb treuwidrig (§ 242 BGB), ihn wegen einer fehlenden ausdrücklichen Bewerbung auf die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” bei der Besetzung nicht zu berücksichtigen.

      • Schließlich führt der weitere Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses ohne Angabe sachlicher Gründe widersprochen habe, im Ergebnis zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

        Dabei kann dahinstehen, ob die Übernahme der Hausmeisterdienste an der TU durch – vier – externe Anbieter und der beabsichtigte Übergang der restlichen der 79 Hausmeisterarbeitsverhältnisse überhaupt einen Teilbetriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB darstellen. Denn auch im Falle eines solchen Betriebsübergangs rechtfertigt der Widerspruch des Klägers die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht.

        Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es dem Arbeitnehmer, dem ohne seinen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses der Arbeitsplatz bei einem Übernehmer erhalten geblieben wäre, grundsätzlich nicht verwehrt, sich auf eine mangelhafte Sozialauswahl zu berufen (18. März 1999 – 8 AZR 190/98 – BAGE 91, 129; 7. April 1993 – 2 AZR 449/91 – BAGE 70, 238; 21. März 1996 – 2 AZR 559/95 – BAGE 82, 316). Dies gilt um so mehr, wenn es sich – wie vorliegend – um die vorrangige Auswahl der Arbeitnehmer bei einer neu zu besetzenden Stelle handelt. In diesem Fall verdrängt nicht etwa ein von einem Betriebsübergang betroffener widersprechender Arbeitnehmer einen eigentlich nicht betroffenen Arbeitnehmer, weshalb in einer solchen Konstellation eine einschränkungslose Auswahl allein nach sozialen Aspekten berechtigten Zweifeln unterliegen mag. Vorliegend geht es jedoch primär um eine zutreffende Auswahl bei der Besetzung freier Stellen im Vorfeld eines Betriebsübergangs. Der Überhang von Arbeitskräften ist nicht durch den Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die H.-Service GmbH, sondern durch die vorangegangene unzutreffende Stellenbesetzung entstanden. Bei einer korrekten Besetzungsentscheidung durch den Beklagten für die Stelle “Kraftfahrer Umzug/Verlegung” wäre dann ggf. der Mitarbeiter U.… auf den möglichen Betriebsübernehmer übergegangen.

  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Eylert, Dr. Roeckl, Kuemmel-Pleißner

 

Fundstellen

Haufe-Index 862739

DB 2003, 158

ARST 2003, 115

EWiR 2003, 313

NZA 2003, 605

AP, 0

EzA-SD 2002, 10

EzA

ZfPR 2003, 82

SPA 2003, 6

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