Entscheidungsstichwort (Thema)

Gratifikation - Gleichbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln eine Gratifikation gewährt, ist an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Der in den Vorjahren regelmäßig erklärte Freiwilligkeitsvorbehalt schließt die Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz im jeweiligen Jahr der Zahlung nicht aus.

2. Der Ausschluß eines Arbeitnehmers vom Bezug der Gratifikation, der im Laufe des Bezugszeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ist nicht sachfremd oder willkürlich.

3. Das gilt auch bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung.

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 14.02.1989; Aktenzeichen 5 Sa 72/88)

ArbG Bayreuth (Entscheidung vom 27.01.1988; Aktenzeichen 3 Ca 52/87 H)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer anteiligen Jahressonderleistung für 1986.

Die 1942 geborene Klägerin war seit 1967 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30. November 1986.

Die Beklagte hatte in der Vergangenheit der Belegschaft jährlich eine Sonderleistung in Höhe einer Bruttomonatsvergütung gezahlt. Zumindest in den letzten fünf Jahren erhielten die Arbeitnehmer bei Erhalt der Sonderzahlung jeweils ein Begleitschreiben, in dem Grund und Höhe der Zahlung, die Freiwilligkeit der Leistung und die Anspruchs- und Rückzahlungsvoraussetzungen beschrieben waren. Auch 1986 erhielten sie im November eine Sonderleistung zugleich mit einem Schreiben vom 21. November 1986 folgenden Wortlauts:

"Liebe Mitarbeiterin, lieber Mitarbeiter,

als Anerkennung für Ihre geleisteten Dienste und

als Anreiz für die weitere erfolgreiche Zusammen-

arbeit möchte Ihnen die Geschäftsleitung ein Ge-

schenk machen.

Zum Weihnachtsfest erhalten sie eine Gratifi-

kation in Höhe von

DM

Wir weisen darauf hin, daß es sich bei obiger

Zahlung um eine freiwillige Leistung der Firma

handelt, deren Wiederholung in den folgenden Jah-

ren sich die Firma vorbehalten muß. Die Zahlung

begründet somit keinen Anspruch für die Zukunft.

Darüberhinaus erfolgt die Zahlung unter dem Vor-

behalt, daß Ihr Arbeitsverhältnis mindestens bis

zum 31.03.1987 weiterbesteht.

Sollten Sie vor diesem Zeitpunkt auf eigenen

Wunsch oder aufgrund von Kündigung ausscheiden,

so ist die Gratifikation zurückzuzahlen.

Das Weihnachtsgeld wird auf Ihr Konto überwiesen,

die darauf anfallenden Abzüge bei der Lohn- bzw.

Gehaltsabrechnung für den Monat November berück-

sichtigt.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein frohes

Weihnachtsfest."

Das Schreiben für 1985 war inhaltlich gleich gefaßt, während das Schreiben für 1984 den Zusatz enthielt, die Rückzahlungspflicht solle beim Ausscheiden vor dem 31. März aufgrund betriebsbedingter Kündigung nicht eintreten.

Die Klägerin erhielt 1986 weder ein Schreiben noch eine Leistung. Sie hat gemeint, sie habe ebenfalls Anspruch auf Zahlung der anteiligen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1986 in unstreitiger Höhe von 1.791,99 DM. Die Gratifikation stelle nach dem Wortlaut des Begleitschreibens auch eine Anerkennung für geleistete Dienste im abgelaufenen Jahr dar. Da sie im Jahre 1986 elf Monate bei der Beklagten tätig gewesen sei, stehe ihr nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch auf 11/12 einer vollen Weihnachtsgratifikation zu. Die durch eine betriebsbedingte Kündigung der Beklagten herbeigeführte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 1986 stehe dem Anspruch nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stelle die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung keinen sachlichen Grund für einen Ausschluß von der Gratifikationsgewährung dar.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1.791,99 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich

hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustel-

lung zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein Anspruch bestehe nicht. Die Klägerin habe unstreitig keine Gratifikationszusage für 1986 erhalten. Sie habe die Voraussetzungen der Gratifikationsgewährung nicht erfüllt, weil ihr lange Zeit vor der Gratifikationszusage zum 30. November 1986 gekündigt worden sei und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31. März 1987 festgestanden habe. Ein möglicher Anspruch der Klägerin auf Gratifikation sei auch nicht vereitelt worden. Maßgebend für die Kündigung seien betriebliche Gründe gewesen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, weil sich die Beklagte in gleichgelagerten Fällen ebenso verhalten habe. Der Geltendmachung des Anspruchs stehe jedenfalls § 242 BGB entgegen, weil die Klägerin aufgrund der wirksamen Rückzahlungsklausel zur sofortigen Rückgewähr der Sonderzahlung verpflichtet sei.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiter ihr Klageziel, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine anteilige Weihnachtsgratifikation.

I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung der anteiligen Weihnachtsgratifikation zu. Bei der von der Beklagten geleisteten Sonderzahlung handele es sich nicht um eine vom Bestand des Arbeitsverhältnisses unabhängige Zuwendung, sondern um eine Gratifikation, deren Bezug vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig sei. Die Klägerin habe daher ihren Anspruch durch ihr Ausscheiden zum 30. November 1986 verloren. Zumindest habe einer Geltendmachung der Gesichtspunkt des § 242 BGB entgegengestanden, weil die Klägerin aufgrund der Rückzahlungsklausel zur alsbaldigen Rückgewähr verpflichtet gewesen sei. An diesem Ergebnis ändere auch nichts die Tatsache, daß die Klägerin aufgrund betriebsbedingter Kündigung aus dem Betrieb der Beklagten habe ausscheiden müssen. Insoweit sei die vertragliche Vereinbarung über die Rückzahlung nicht mißbräuchlich. Es bedürfe keiner gerichtlichen Korrektur, weil bei der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs eine Kontrolle über die Ausübung des Rechts nach den §§ 242, 315 BGB stattfinde. Die Beklagte habe im Sinne des § 162 BGB das Mittel der Kündigung auch nicht zu dem Zweck eingesetzt, den Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt der Zuwendung zu verhindern oder den Rückzahlungstatbestand auszulösen.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nur im Ergebnis zugestimmt werden.

II. Die Klägerin hat weder einen vertraglichen Anspruch aus einer individuellen Leistungszusage der Beklagten, einer vertraglichen Einheitsregelung, einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

1. Die Klägerin hat keinen vertraglichen Anspruch.

a) Die Beklagte hat die Klägerin von der Zusage, zum Weihnachtsfest eine Gratifikation zu gewähren, ausdrücklich ausgenommen. Es fehlt damit bereits an einem an die Klägerin individuell oder in Form einer vertraglichen Einheitsregelung (BAGE -GS- 53, 42, 55 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972) ausgesprochenen Angebot der Beklagten.

b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus einer Gesamtzusage der Beklagten. Von einer Gesamtzusage kann nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber an alle Arbeitnehmer des Betriebes oder eine abgrenzbare Gruppe ein Angebot in allgemeiner Form wie Aushang am "Schwarzen Brett", Rundschreiben oder Bekanntmachung in der Betriebsversammlung richtet. So verhält es sich im Streitfall nicht. Die im November 1986 an die Leistungsempfänger ausgehändigten Begleitschreiben waren nicht an alle Arbeitnehmer gerichtet. Sie wurden auch nicht in allgemeiner Form bekanntgemacht, sondern den jeweiligen Empfängern bei Erhalt der Gratifikation übergeben.

c) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus einer betrieblichen Übung (zu den Voraussetzungen einer betrieblichen Übung vgl. die ständige Senatsrechtsprechung BAGE 59, 73, 84, 85 = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, m.w.N.). Die Beklagte hat die jährlichen Zusagen auf Zahlung einer Sonderleistung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen. Damit erwerben Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Zahlung der Sonderleistung für das Jahr, in dem der Arbeitgeber die Leistung angekündigt hat. Ein Anspruch auf alljährliche Gewährung der Sonderleistung entsteht nur bei mehrjähriger vorbehaltloser Zahlung (BAG Urteil vom 26. Juni 1975 - 5 AZR 412/74 - AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation).

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden (BAG Urteil vom 11. September 1974 - 5 AZR 567/73 - AP Nr. 39 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 66; 45, 76; 45, 86 = AP Nr. 66 bis 68 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Danach ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie schlechterzustellen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, bei freiwilligen Leistungen die Voraussetzungen so abzugrenzen, daß nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen bleibt (BAG Urteil vom 11. September 1974 - 5 AZR 567/73 -, aaO; BAG Urteil vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/77 - AP Nr. 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 273/77 - AP Nr. 97 zu § 611 BGB Gratifikation; Senatsurteil vom 28. September 1989 - 6 AZR 539/87 - AP Nr. 1 zu § 27 MTA). Die Beklagte hat die Sonderleistung aufgrund generellen für die Mitarbeiter gleichermaßen geltenden Regeln gewährt. Auch der regelmäßig in den Vorjahren erklärte Freiwilligkeitsvorbehalt schließt die Bindung des Arbeitgebers an den Gleichbehandlungsgrundsatz im jeweiligen Jahr der Zahlung nicht aus (BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 273/77 - AP Nr. 97 zu § 611 BGB Gratifikation).

b) Die Beklagte hat die Klägerin vom Bezug der Sonderleistung ausgenommen, weil ihr schon lange Zeit vor der Zusage und Auszahlung zu einem Zeitpunkt vor Ablauf des Bezugszeitraums gekündigt worden war. Die den anderen Arbeitnehmern überreichten Begleitschreiben vom 21. November 1986 enthalten allerdings keinen Hinweis auf die anspruchsbegründende Voraussetzung des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Zusage, Auszahlung oder bis zum Ablauf des Bezugszeitraums (Kalenderjahr). Das hindert den Ausschluß jedoch nicht. Zwar muß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Ausschluß von gekündigten oder vor einem bestimmten Stichtag ausscheidenden Arbeitnehmern von einer freiwilligen Sonderzahlung eindeutig vereinbart sein. Er folgt nicht schon aus dem Wesen einer Gratifikation (BAG Urteil vom 10. Juli 1974 - 5 AZR 494/73 - AP Nr. 83 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 26. Juni 1975 - 5 AZR 412/74 - AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation). Das gilt jedoch nur für Fälle einer bestehenden Zusage, die vom Arbeitgeber nunmehr nicht erfüllt werden soll. Im Streitfall hat die Klägerin jedoch kein Leistungsversprechen für das Jahr 1986 erhalten. In diesem Fall ist es unbeachtlich, ob die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlußgründe in den den übrigen Arbeitnehmern übergebenen Begleitschreiben enthalten sind oder nicht.

c) Der Ausschluß der Klägerin vom Bezug der Weihnachtsgratifikation mit der von der Beklagten gegebenen Begründung ist sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung nach dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einerseits und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Bezugszeitraumes andererseits ist nicht sachwidrig oder willkürlich.

aa) Die sachliche Rechtfertigung einer Differenzierung ist am Zweck der freiwilligen Leistung zu messen (BAGE 33, 57; 45, 76 = AP Nr. 44 und 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

Mit einer freiwilligen Jahresleistung können verschiedene Zwecke verfolgt werden. Regelmäßig ist sie eine zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit. Sie kann darüber hinaus aber auch ein Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachte Betriebstreue (ununterbrochene Betriebszugehörigkeit in der Vergangenheit) oder ein Anreiz für zukünftige Betriebstreue (weitere Betriebszugehörigkeit) sein. Diese Zwecke können einzeln oder auch gemeinsam einer Jahresleistung zugrunde liegen (BAG Urteile vom 18. Januar 1978 - 5 AZR 56/77 - und - 5 AZR 685/77 - AP Nr. 92 und 93 zu § 611 BGB Gratifikation; BAGE 31, 113, 119 = AP Nr. 98 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 8. November 1978 - 5 AZR 358/77 - AP Nr. 100 zu § 611 BGB Gratifikation; Senatsurteil vom 7. Dezember 1989 - 6 AZR 324/88 - AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Ob die eine oder die andere Zweckbestimmung oder mehrere gleichzeitig mit einer Jahresleistung verbunden werden sollen, hängt nicht vorrangig von deren Bezeichnung ab. Die Bezeichnung kann allenfalls als ein zusätzliches Indiz, nicht aber als ausschlaggebendes oder gar alleiniges Merkmal für eine bestimmte Zielsetzung herangezogen werden (BAG Urteil vom 8. November 1978 - 5 AZR 358/77 - AP, aaO). Ausschlaggebend für die Bestimmung des mit der Jahresleistung verfolgten Zwecks sind in erster Linie die Voraussetzungen, unter denen sie gewährt wird. Soll allein die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue entlohnt werden, so kommt dies regelmäßig in einer Zusage dadurch zum Ausdruck, daß ein Anspruch erst dann entsteht, wenn der Arbeitnehmer innerhalb des Bezugszeitraumes eine bestimmte Zeitdauer dem Betrieb angehört hat und zu einem bestimmten Stichtag Arbeitnehmer des Betriebes ist. Will der Arbeitgeber darüber hinaus mit der Jahresleistung auch einen Anreiz für zukünftige Betriebstreue geben, wird dies meist dadurch sichergestellt, daß der Arbeitnehmer am Ende des Bezugszeitraumes bis zu einem bestimmten Termin dem Betrieb weiterhin angehören muß. Wird eine Jahresleistung ohne Nennung weiterer Anspruchsvoraussetzungen gezahlt, dann ist im Zweifel davon auszugehen, daß mit ihr lediglich eine zusätzliche Vergütung für die geleistete Arbeit innerhalb des Bezugszeitraumes bezweckt wird und daher das ungekündigte Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag oder seine Fortdauer über diesen Zeitpunkt hinaus nicht anspruchsbegründend ist.

bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht die Sonderzuwendung zutreffend als Weihnachtsgratifikation qualifiziert. Ausweislich der in dem Begleitschreiben offengelegten Zweckbestimmungen hat sie die Belohnung bisheriger Dienste zum Ziel und wird zugleich in Erwartung künftiger Betriebstreue gezahlt. Es handelt sich daher um eine von mehreren Zwecken geformte Gratifikation (Entgelt im weiteren Sinne und damit um eine Weihnachtsgratifikation mit Mischcharakter; vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 1990 - 6 AZR 381/88 - AP Nr. 15 zu § 611 BGB Anwesenheitsprämie = DB 1990, 1416 = BB 1990, 1275 = NZA 1990, 601, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

cc) Bei einer Weihnachtsgratifikation mit Mischcharakter kann der Anspruch grundsätzlich davon abhängig gemacht werden, daß der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums im Arbeitsverhältnis steht (BAG Urteil vom 25. Februar 1974 - 5 AZR 225/73 - AP Nr. 80 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 139/77 - AP Nr. 96 zu § 611 BGB Gratifikation; BAGE 31, 113 = AP Nr. 98 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 23. Februar 1983 - 5 AZR 538/80 - DB 1983, 1662). Weiterhin kann die Voraussetzung aufgestellt werden, daß sie nur denjenigen Arbeitnehmern zustehen soll, die im Zeitpunkt des Versprechens oder der Auszahlung der Gratifikation in ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehen (BAG Urteil vom 4. Oktober 1956 - 2 AZR 213/54 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 18. Juni 1960 - 5 AZR 31/59 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Gratifikation; BAGE 15, 300 = AP Nr. 34 zu § 611 BGB Gratifikation; BAGE 17, 142 = AP Nr. 52 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 26. Juni 1975 - 5 AZR 412/74 - AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation).

dd) Die sich aus diesen Voraussetzungen ergebenden Folgen, daß ein oder mehrere Arbeitnehmer vom Bezug der Sonderleistung ausgenommen werden, sind nicht unsachlich oder willkürlich, sondern rechtfertigen sich aus der Unterschiedlichkeit der Sachverhalte. Ungleiches wird seiner Eigenart nach zu Recht ungleich behandelt.

d) Entgegen der Auffassung der Revision gilt das auch dann, wenn die Voraussetzung aufgrund einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nicht erfüllt werden kann. Zu Unrecht beruft sich die Revision auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Juni 1975 (- 5 AZR 412/74 - AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation) und vom 27. Oktober 1978 (- 5 AZR 287/77 - BAGE 31, 113 = AP Nr. 98 zu § 611 BGB Gratifikation). Beide Urteile befassen sich ebenso wie die vorausgegangene Entscheidung vom 13. September 1974 (- 5 AZR 48/74 - AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation) mit Sachverhalten, in denen die Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums gearbeitet haben und in denen lediglich die Voraussetzung der zukünftigen Betriebstreue nicht erfüllt werden konnte. Demgegenüber fehlt es im Streitfall an einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses über den vollständigen Bezugszeitraum. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß der Anspruch auf eine Sonderzuwendung, die auch in der Vergangenheit geleistete Dienste vergüten will, davon abhängig gemacht werden kann, daß der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums im Arbeitsverhältnis gestanden hat (BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 139/77 - AP Nr. 96 zu § 611 BGB Gratifikation; Senatsurteile vom 24. August 1989 - 6 AZR 752/87 -, nicht veröffentlicht und vom 26. April 1990 - 6 AZR 278/88 - DB 1990, 1871 = NZA 1990, 814, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Kann der Arbeitnehmer diese von ihm als Voraussetzung für den Zuwendungsanspruch zu erbringende Leistung nicht erfüllen, gleich aus welchem Grunde, so hat er keinen Anspruch auf die Zuwendung. Nach der von der Revision angezogenen Rechtsprechung war es dem betriebsbedingt kündigenden Arbeitgeber lediglich dann verwehrt, sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen betriebsbedingter Gründe zu berufen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung im Bezugszeitraum voll erbracht hat und nur an der Erfüllung der zukunftsbezogenen Voraussetzungen durch betriebsbedingte Kündigung gehindert wird (zur Änderung dieser Rechtsprechung vgl. aber BAG Urteil vom 4. September 1985 - 5 AZR 655/84 - BAGE 49, 281 = AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation und die Senatsurteile vom 25. April 1991 - 6 AZR 180/90 - n.v., und - 6 AZR 183/90 -, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Nichts anderes gilt bei der Bewertung der Sachwidrigkeit bzw. Willkürlichkeit einer Differenzierung im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes (BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 273/77 - AP Nr. 97 zu § 611 BGB Gratifikation). Der Arbeitgeber, der eine Gratifikation zuwendet, die auch Belohnung für erwiesene Dienste in der Vergangenheit sein soll, handelt nicht sachfremd oder willkürlich, wenn er Arbeitnehmer vom Bezug ausnimmt, die nicht während des gesamten Bezugszeitraums im Arbeitsverhältnis stehen.

e) Die Beklagte hätte allerdings willkürlich differenziert, wenn sie allein oder wesentlich mit dem Ziel gekündigt hätte, den Gratifikationsanspruch der Klägerin zu vereiteln (vgl. § 162 BGB). Dazu hat die Klägerin jedoch keinerlei Tatsachen darzulegen vermocht.

f) Angesichts dessen ist die Rüge der Revision unbeachtlich, das Landesarbeitsgericht habe das Begleitschreiben vom 21. November 1986 falsch ausgelegt. Dieses beschäftigt sich lediglich mit der Rückzahlungspflicht der Arbeitnehmer, die bereits nach Erfüllung der Arbeitsleistung während des Bezugszeitraums eine Gratifikation erhalten haben. Inwieweit dadurch betriebsbedingte Arbeitgeberkündigungen erfaßt werden und ob sich der Arbeitgeber in einem solchen Fall auf die Rückzahlungsklausel hätte berufen können, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Dr. Röhsler Dr. Etzel Dörner

Schmidt Mergenthaler

 

Fundstellen

Haufe-Index 440835

BAGE 68, 32-40 (LT1-3)

BAGE, 32

BB 1991, 1715

BB 1991, 1715-1717 (LT1-3)

DB 1991, 1575-1577 (LT1-3)

DStR 1991, 1433-1433 (T)

EBE/BAG 1991, 158-160 (LT1-3)

Stbg 1992, 94-94 (K)

NZA 1991, 763-765 (LT1-3)

RdA 1991, 256

SAE 1992, 234-237 (LT1-3)

ZAP, EN-Nr 638/91 (S)

AP § 611 BGB Gratifikation (LT1-3), Nr 137

AR-Blattei, ES 820 Nr 97 (LT1-3)

AR-Blattei, Gratifikation Entsch 97 (LT1-3)

EzA § 611 BGB, Gratifikation, Prämie Nr 84 (LT1-3)

MDR 1991, 876 (LT1-3)

Belling / Luckey 2000, 67

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