Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Anspruch auf Pausenbezahlung für Schichtarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

Die Durchführungsbestimmung (1 a) zu § 3 MTV für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie idF vom 6. Mai 1987 und später stellt eine Besitzstandsregelung dar. Hiernach setzt der dort normierte Anspruch, je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause als Arbeitszeit bezahlt zu erhalten, auch voraus, daß der Arbeitnehmer am 31. März 1988 in einem dort genannten Schichtsystem gearbeitet hat.

 

Normenkette

TVG § 1 Auslegung; Manteltarifvertrag (MTV) für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 6. Mai 1987, 10. März 1989, 3. Juli 1994 und 6. Februar 1997, Durchführungsbestimmung (1 a) zu § 3

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 05.05.1998; Aktenzeichen 1 Sa 1401/97)

ArbG Regensburg (Urteil vom 28.08.1997; Aktenzeichen 8 Ca 3868/96)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. Mai 1998 – 1 Sa 1401/97 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 28. August 1997 – 8 Ca 3868/96 – abgeändert.

3. Die Klage wird abgewiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Bezahlung von 12 Minuten der gesetzlichen Pause je Schicht als Bestandteil der Arbeitszeit.

Der Kläger arbeitet bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, in der Zeitungsfertigmacherei. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie Anwendung. Der Bruttostundenlohn des im Schichtbetrieb beschäftigten Klägers betrug im Streitzeitraum (Juni, Juli 1996) 26,73 DM.

In der Zeitungsfertigmacherei galt seit dem 2. Juni 1996 für die dort seinerzeit beschäftigten 16 männlichen Arbeitnehmer folgender Schichtplan:

Schicht 1

Sonntag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

4.30

= 7,00

Montag

19.30

-

23.30

/

0.00

-

4.00

= 8,00

Mittwoch

3.00

-

7.00

/

7.30

-

12.00

= 8,50

Donnerstag

3.00

-

7.00

/

7.30

-

12.00

= 8,50

= 32,00 Stunden

Schicht 2

Dienstag

13.30

-

17.30

/

18.00

-

21.00

= 7,00

Mittwoch

12.00

-

16.00

/

16.30

-

21.00

= 8,50

Donnerstag

12.00

-

16.00

/

16.30

-

21.00

= 8,50

Freitag

13.00

-

17.00

/

17.30

-

21.00

= 7,50

= 31,50 Stunden

Schicht 3

Sonntag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

4.30

= 7,00

Dienstag

18.00

-

22.00

/

22.30

-

3.00

= 8,50

Mittwoch

18.00

-

22.00

/

22.30

-

3.00

= 8,50

Donnerstag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

4.00

= 6,50

Freitag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

5.00

= 7,50

= 38,00 Stunden

Schicht 4

Montag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

4.00

= 6,50

Dienstag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

6.30

= 9,00

Mittwoch

21.00

-

1.00

/

1.30

-

6.30

= 9,00

Donnerstag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

4.00

= 6,50

Freitag

21.00

-

1.00

/

1.30

-

5.00

= 7,50

= 38,50 Stunden

Summe über 4 Wochen

= 140,00 Stunden

Summe pro Woche

= 35,00 Stunden

In der Anlage 1 zum Schichtplan ist unter Ziff. 2.1 bestimmt:

Jede Schicht (1-4) stellt eine Gruppe dar, die bei „Anlauf” des Schichtplanes namentlich festgelegt wird. Die Gruppen rollieren wöchentlich und bleiben „in der Regel” immer gleich. Jeweils zum Kalenderjahreswechsel können die Gruppen – nach Rücksprache mit dem BR – neu zusammengestellt werden.

Der Kläger leistete im Juni 1996 neun und im Juli 1996 zwölf Schichten. Er ist der Auffassung, er habe je Schicht Anspruch auf Bezahlung von 12 Minuten der gesetzlichen Pause, mithin für die Monate Juni und Juli 1996 auf Zahlung von 112,27 DM brutto. Nach der erfolglosen schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Beklagten erstrebt er deren Verurteilung zur Zahlung dieses rechnerisch unstreitigen Betrages.

Der Kläger ist der Auffassung, dieser Anspruch folge aus (1 a) der Durchführungsbestimmungen (DB) zu § 3 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (MTV). Danach hätten Arbeitnehmer, die in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion arbeiteten, Anspruch auf Bezahlung von zwölf Minuten der gesetzlichen Pause je Schicht als Bestandteil der Arbeitszeit. Die Voraussetzungen für diesen tariflichen Anspruch lägen vor. Denn es sei dafür nicht erforderlich, daß eine Schicht die andere ablöse. Entscheidend sei vielmehr, daß seine persönliche wöchentliche Arbeitszeit durch den rollierenden Schichtrhythmus auf unterschiedliche Tageszeiten falle. Aus dem Tarifwortlaut lasse sich auch nicht herauslesen, daß es sich bei der DB um eine Besitzstandsregelung handeln solle.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 112,27 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem jeweiligen Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des tariflichen Anspruchs der DB (1 a) zu § 3 MTV seien nicht erfüllt. Der Kläger arbeite zwar im Schichtdienst, ein Drei- oder Mehrschichtbetrieb liege aber nicht vor, da sich die Früh-, Spät- und Nachtschicht in der Zeitungsfertigmacherei nicht ablösten. Die DB (1 a) zu § 3 MTV solle zudem nur für Mitarbeiter gelten, die vor dem 1. April 1988 in einem durchgängig rollierenden Rhythmus von Früh-, Spät- und Nachtschicht, also einem Durchfahrbetrieb, gearbeitet und eine halbstündige Pause entsprechend der Arbeitszeitordnung erhalten hätten. Dies ergebe sich aus dem Tarifwortlaut sowie der Geschichte und Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von ihm zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage unbegründet.

I. Der Kläger hat keinen tariflichen Anspruch gegen die Beklagte auf Bezahlung eines Teils der gesetzlichen Pause als Bestandteil der Arbeitszeit nach der DB (1 a) Abs. 1 zu § 3 MTV. Denn die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht erfüllt.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO), das insoweit auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen hat, die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie Anwendung.

2. Für die Beurteilung des Klageanspruchs ist damit die DB (1 a) zu § 3 MTV maßgebend, die lautet:

Durchführungsbestimmungen zu § 3

(1 a) Arbeitnehmer, die in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion arbeiten, erhalten ab dem 01.04.1988 als Bestandteil der Arbeitszeit je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause bezahlt. Soweit Pausen bisher betriebsüblich bezahlt werden, kann diese betriebliche Bezahlung mit der tariflichen verrechnet werden.

Soweit aufgrund von Betriebsvereinbarungen, Entscheidungen von Einigungsstellen, Betriebsübung oder dergleichen an diese Arbeitnehmer bisher bezahlte Pausen oder Überlappzeiten gewährt werden, gelten diese als zur regelmäßigen Arbeitszeit gehörend.

Zur Bedeutung der DB zum MTV bestimmt dessen § 17 unter der Überschrift „Durchführungsbestimmungen”:

Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Manteltarifvertrag sind Bestandteil dieses Tarifvertrages. Sie erhalten nicht nur Erläuterungen, sondern auch den Stammtext ergänzende und ändernde Bestimmungen. Insoweit sind die Durchführungsbestimmungen selbständiges Tarifrecht.

3. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es möge sein, daß tarifhistorisch gesehen auch Überlegungen zum Besitzstand Motiv für die Regelung der DB (1 a) Abs. 1 Satz 1 zu § 3 MTV gewesen sei. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang lasse sich jedoch der geringste Anhalt dafür gewinnen, daß hier lediglich ein Besitzstand festgeschrieben werden sollte und nur Betriebe, die bereits vor dem 1. April 1988 bezahlte Pausen gewährt hätten, verpflichtet werden sollten. Die Bestimmung gebe den tariflichen Anspruch vielmehr jedem Arbeitnehmer in jedem Betrieb, der in mindestens dreischichtiger Produktion im Geltungsbereich des Tarifvertrages arbeite. Die Voraussetzungen der mindestens dreischichtigen Produktion lägen bei dem Schichtplan für die Zeitungsfertigmacherei bei der Beklagten vor.

4. Diese Auslegung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Vielmehr handelt es sich bei der DB (1 a) zu § 3 MTV um eine Besitzstandsregelung für solche Arbeitnehmer, die bei Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung auf 37,5 Stunden am 1. April 1988 in einem Schichtsystem gearbeitet haben, bei dem die Ausschöpfung der bis zum 31. März 1988 geltenden wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden nach der Arbeitszeitordnung nicht möglich war. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB Senat 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – BAGE 73, 364).

Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar ausgegangen, bei deren Anwendung aber zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt.

b) Bereits der Wortlaut der DB (1 a) zu § 3 MTV spricht für ihre Auslegung als Besitzstandsklausel.

aa) Diese Norm ist durch den MTV vom 6. Mai 1987, der nach dessen § 19 rückwirkend zum 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist, in die DB zu dessen § 3 eingefügt worden. Dessen Ziff. 1 Abs. 1 ist bei diesem Tarifabschluß wie folgt gefaßt worden:

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden. Ab 1. April 1988 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden, ab 1.4.1989 37 Stunden (1) (1a) und (2).

Zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses betrug die wöchentliche Arbeitszeit nach dem MTV somit 38,5 Stunden. Die Arbeitszeitverkürzung auf 37,5 Wochenstunden galt erst ab dem 1. April 1988, also ab dem Zeitpunkt, von dem an die Regelung der Pausenbezahlung nach der DB (1 a) zu § 3 MTV galt. Wenn die Tarifvertragsparteien bei dieser Ausgangslage am 6. Mai 1987 vereinbart haben, daß „Arbeitnehmer, die in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion arbeiten” ab dem 1. April 1988 die von ihnen näher bestimmte Pausenbezahlung erhalten, ist nach ihrem Willen neben der Arbeit in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion ab 1. April 1988 auch diejenige in einer solchen bis zu diesem Zeitpunkt Anspruchsvoraussetzung. Denn anderenfalls hätten sie bei der Neubegründung des Anspruchs auf die Pausenbezahlung ab 1. April 1988 schlicht bestimmen können, daß „Arbeitnehmer ab 1. April 1988 bei Arbeit in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion” die Pausenbezahlung erhalten.

bb) Der Wille der Tarifvertragsparteien, mit der DB (1 a) zu § 3 MTV einen am 31. März 1988 bestehenden Besitzstand zu wahren, wird ebenfalls daraus deutlich, daß dieses Datum auch in dem dem MTV vom 6. Mai 1987 nachfolgenden MTV noch immer genannt wird. Dies macht nur Sinn, wenn dieses Datum für die Anwendung der Norm mehr als zehn Jahre nach Einführung des Anspruchs auf die Pausenbezahlung noch immer von Bedeutung ist. Die Nennung des „1.4.88” in dem MTV vom 6. Mai 1987 – Schreibweise im MTV nunmehr: 01.04.1988 – läßt sich damit erklären, dieses Datum habe deshalb ausdrücklich in der DB genannt werden müssen, weil der Anspruch auf die Pausenbezahlung erst für die rund ein Jahr nach dem Tarifabschluß beginnende Zeit vereinbart worden ist. Wollten die Tarifvertragsparteien nur dies mit dem Datum in der DB (1 a) zu § 3 MTV ausdrücken, hätten sie es bei den nachfolgenden Tarifabschlüssen am 10. März 1989, 3. Juli 1994 und 6. Februar 1997 streichen können. Zur Bestimmung, der Anspruch bestehe nicht ab Inkrafttreten des MTV, sondern erst ab einem von dort aus betrachtet zukünftigen Zeitpunkt, wurde das Datum „1.4.88” bei den genannten späteren Abschlüssen nicht mehr benötigt. Es kann auch nicht angenommen werden, die Nennung dieses Datums in den späteren MTV beruhe darauf, die Tarifvertragsparteien hätten sich nicht die Mühe gemacht, den Tarifvertrag an dieser Stelle durch Streichung des Datums zu aktualisieren. Denn sie haben die DB zu § 3 MTV ansonsten stets dem aktuellen Tarifstand angepaßt, wie zB der Vergleich der jeweiligen DB (2) zu § 3 MTV in den Tarifverträgen vom 6. Mai 1987, 10. März 1989 und 6. Februar 1997 zeigt. Dies belegt, daß die Tarifvertragsparteien nach wie vor dem Datum „01.04.88” Bedeutung für den Anspruch auf Pausenbezahlung beimessen. Solche hat er nur bei der Auslegung der DB (1 a) zu § 3 MTV als Besitzstandsregelung im oben beschriebenen Sinne.

cc) Ein weiteres Argument für diese Auslegung ist die Erwähnung der „Überlappzeiten” in Abs. 2 der DB (1 a) zu § 3 MTV. Dort ist bestimmt, daß, soweit aufgrund von Betriebsvereinbarungen Entscheidungen von Einigungsstellen, Betriebsübung oder dergleichen an diese Arbeitnehmer bisher bezahlte Pausen oder Überlappzeiten gewährt werden, diese als zur regelmäßigen Arbeitszeit gehörend gelten. Die genannten Regelungen sollen somit nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unter der Neuregelung der Arbeitszeit für Arbeitnehmer in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion Bestand behalten. Unter Überlappzeiten sind bezahlte Zeiten ohne Arbeitsleistung und Anwesenheitspflicht des Schichtarbeiters zu verstehen, die dann anfielen, wenn das praktizierte Schichtsystem wegen der gesetzlichen Pausenzeit nach der AZO die Ausschöpfung der tariflichen Arbeitszeit nicht ermöglichte. Diesbezüglich bestehende betriebliche Sonderregelungen sollten nach Abs. 2 der DB (1 a) zu § 3 MTV Bestand behalten. Dies spricht dafür, daß auch die tarifliche Neuregelung des Abs. 1 der DB (1 a) zu § 3 MTV die Nichtausschöpfung der tariflichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei Inkrafttreten der Arbeitszeitverkürzung am 1. April 1988 voraussetzt.

c) Aus dem Gesamtzusammenhang ergeben sich keine zwingenden Argumente für die zwischen den Parteien streitige Auslegung.

d) Die Entstehungsgeschichte der streitigen Tarifnorm belegt hingegen eindeutig, daß die DB (1 a) zu § 3 MTV eine Besitzstandsregelung enthält. Das Zustandekommen des MTV vom 6. Mai 1987 und der darin neu aufgenommenen DB (1 a) zu § 3 MTV ist in der Broschüre „Arbeitszeitverkürzung – Erläuterungen und Handlungsanleitungen zur Arbeitszeitverkürzung in der Druckindustrie und im Zeitungsverlagsgewerbe” (Heft 38 aus 8/87 der Schriftenreihe für Betriebsräte der Industriegewerkschaft Druck und Papier) ausführlich dargestellt. In dem Abschnitt „Arbeitszeitverkürzung für Arbeitnehmer in drei- und mehrschichtiger Produktion” (aaO S. 25, 26) ist dort folgendes ausgeführt:

Die Wirksamkeit der Arbeitszeitverkürzung für Beschäftigte in Drei-Schicht-Produktion war der Streitpunkt, an dem die Schlichtung beinahe gescheitert wäre.

Das Problem besteht seit 1984. Unternehmer, die in ihren Betrieben bzw. einzelnen Abteilungen dreischichtig arbeiten lassen, mußten bisher, unter der Geltung der 40-Stunden-Woche, eine bezahlte Pause in die tägliche Schicht einbauen. Der Grund: Der Tag hat nur 24 Stunden, so daß pro Schicht genau 8 Stunden anfallen. Auf der anderen Seite schreibt die Arbeitszeitordnung zwingend vor, daß eine Ruhepause von mindestens 30minütiger Dauer (oder 2 × 15 Minuten) zu gewähren ist.

Da bei der Verkürzung der Arbeitszeit im Jahre 1985 auf 38,5 Stunden für diesen Personenkreis keine Sonderregelung hinsichtlich ihrer Arbeitszeit vereinbart worden war, hatte dies zur Folge, daß in einem Teil der Betriebe der Druckindustrie „Arbeiter in dreischichtiger Produktion leer ausgingen” (aaO S. 26). Für die IG Druck und Papier habe „von vornherein” festgestanden, „daß sich gleiches wie 1985 nicht wiederholen dürfe” (aaO S. 27). Das Ergebnis der Verhandlungen zu diesem Streitpunkt war dann die DB (1 a) zu § 3 MTV, die gewährleisten sollte, daß auch die Arbeitnehmer in drei- oder mehr als dreischichtiger Produktion an der (zweiten) Arbeitszeitverkürzung (von 38,5 auf 37,5 Wochenstunden) ab 1. April 1988 teilhaben sollten. Die Ausführungen der IG Druck und Papier zur „Bestimmung” des von dieser Norm betroffenen „Personenkreises” enden mit folgender Zusammenfassung (aaO S. 29):

  • Es muß sich um einen Betrieb bzw. eine Abteilung mit drei- bzw. mehr als dreischichtiger Produktion handeln.
  • Auf Grund der drei- oder mehr als dreischichtigen Arbeitsweise ist die individuelle Arbeitszeit der dort Beschäftigten kürzer als 8 Stunden am Tag bzw. 40 Stunden in der Woche, sei es, daß die Beschäftigen innerhalb ihrer Arbeitszeit eine bezahlte Pause haben, sei es, daß sich nach Schichtende eine bezahlte Überlappzeit anschließt, während der jedoch weder Arbeits- noch Anwesenheitspflicht besteht.

Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, so bestehen Ansprüche aufgrund der Durchführungsbestimmung (1 a), …

Der Besitzstand der tatsächlich 37,5stündigen wöchentlichen Arbeitszeit dieses Personenkreises bei Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden um eine Wochenstunde zum 1. April 1988 wurde mit der DB (1 a) zu § 3 MTV dadurch verwirklicht, daß diesen Arbeitnehmern je Schicht 12 Minuten der gesetzlichen Pause, bei fünf Schichten in der Woche somit eine Stunde, als Arbeitszeit zu bezahlen waren. Auch das für sich betrachtet ungewöhnlich erscheinende Zeitmaß der Pausenbezahlung von 12 Minuten je Schicht belegt somit Sinn und Zweck der Norm.

5. Danach hat der Kläger keinen Anspruch nach DB (1 a) zu § 3 MTV auf Bezahlung von 12 Minuten der gesetzlichen Pause je Schicht als Bestandteil seiner Arbeitszeit für die Monate Juni und Juli 1996. Er hat nicht vorgetragen, bei Inkrafttreten der tariflichen Arbeitszeitverkürzung am 1. April 1988 in einem Schichtbetrieb gearbeitet zu haben, bei dem die Ausschöpfung der bis dahin geltenden tariflichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden nicht möglich war.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

[1]

 

Unterschriften

Schliemann, Wolter, Bott, H. Scherweit-Müller, Sieger

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 24.11.1999 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BAGE, 26

DB 2000, 881

FA 2000, 137

NZA 2000, 599

AP, 0

AUR 2000, 198

[1] Vorinstanz-Aktenzeichen,

Verkündungsdatum

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