Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristgerechte Kündigung wegen entgeltlicher Vermittlung der Einstellung eines Bewerbers durch den Arbeitnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

Das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers (Forderung und Kassierung einer "Vermittlungsprovision" für die Einstellung eines Arbeitnehmers), das weder zur konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses noch zur "konkreten Gefährdung" im Vertrauensbereich führt, ist nicht geeignet, einen Grund im Verhalten des Arbeitnehmers iS des § 1 Abs 2 KSchG zu bilden.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.11.1986; Aktenzeichen 13 Sa 1164/86)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.07.1986; Aktenzeichen 5 Ca 1949/86)

 

Tatbestand

Der Kläger ist Türke und seit dem 29. Oktober 1984 bei der Beklagten, die ca. 26 Arbeitnehmer beschäftigt, zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.819,20 DM als Maschinenarbeiter tätig. Am 3. Februar 1986 wurde auf seine Vermittlung sein Landsmann A eingestellt. Der Kläger hat von ihm 1.500,-- DM für die Vermittlung der Einstellung gefordert und auch erhalten.

Am 4. April 1986 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mündlich fristlos. Am 7. April 1986 händigte sie dem Kläger einen Entlassungsschein aus.

Mit seiner am 9. April 1986 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, die Kündigung sei nicht einmal sozial gerechtfertigt. Allein der Umstand, daß er von seinem Landsmann 1.500,-- DM dafür erhalten habe, daß er sich für dessen Einstellung bei der Beklagten verwandt habe, rechtfertige nicht die ordentliche Kündigung. Denn dieses Verhalten betreffe nur sein Verhältnis zu seinem Landsmann, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht Betriebsangehöriger gewesen sei. Außerdienstliches Verhalten könne nur dann zur Kündigung berechtigen, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verstöße handele. Sein Verhalten verwirkliche jedoch keinen Straftatbestand und habe auch nicht zu einer nachhaltigen Störung des Arbeitsverhältnisses geführt. Es bestehe kein Grund zu der Annahme, daß sich das vom Arbeitgeber beanstandete Verhalten wiederholen werde. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern das friedliche Zusammenleben der Arbeitnehmer untereinander beeinträchtigt worden sei, wenn manche Arbeitnehmer gegen Zahlung einer "Gebühr" in den Betrieb der Beklagten gelangten. Zudem fehle es für eine verhaltensbedingte Kündigung am Erfordernis einer vorherigen Abmahnung. Da er aus dem türkischen Rechtskreis stamme, habe er nicht unbedingt davon auszugehen brauchen, daß die Zahlung einer Vermittlungsgebühr für einen Arbeitsplatz einen Kündigungsgrund darstelle. Ein solches Verhalten sei unter türkischen Landsleuten üblich und werde auch nicht als unehrenhaft angesehen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien

durch die am 4. April 1986 ausgesprochene Kündigung

nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe seinem Landsmann A erklärt, dessen Einstellung sei davon abhängig, daß er an ihn, den Kläger 1.500,-- DM Vermittlungsgebühr zahle, er müsse einen Großteil seinem Boss, ihrem Geschäftsführer, abgeben, anderenfalls werde er nicht eingestellt. Würde ein solches Verhalten toleriert, entstünde der Eindruck, bei ihr würden die Arbeitsplätze gehandelt. Ein verständiger Arbeitgeber könne dies nicht hinnehmen. Die Beklagte hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei für den Fall ihrer Unwirksamkeit als ordentliche Kündigung anzusehen.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen A festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 4. April 1986 zum 18. April 1986 beendet worden ist und die Klage im übrigen abgewiesen. Er hat angenommen, die Kündigung der Beklagten sei als fristlose unwirksam, weil kein wichtiger Grund hierfür vorliege. Sie sei jedoch aufgrund der Erklärung der Beklagten im Verhandlungstermin vom 1. Juli 1986 in eine ordentliche umzudeuten und als solche sozial gerechtfertigt.

Gegen dieses Urteil hat nur der Kläger Berufung eingelegt. Er hat beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die am 4. April 1986 ausgesprochene Kündigung zum 18. April 1986 beendet worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist auch als fristgemäße sozial ungerechtfertigt.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Arbeitsverhältnis habe aus Gründen, die im Verhalten des Klägers lägen, fristgemäß gekündigt werden können. Der Kläger habe nach den in der Berufungsinstanz nicht mehr bestrittenen Behauptungen der Beklagten den Geldbetrag von dem Zeugen A als Honorar für die Vermittlung der Einstellung erhalten. Auf die strafrechtliche Bewertung und die zivilrechtlichen Auswirkungen dieses Vorgangs komme es nicht entscheidend an. Nach deutschem Recht stelle jedoch die Entgegennahme eines Honorars für die Vermittlung einer Arbeitsstelle ein sittenwidriges Verhalten dar. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das Verhalten in Kreisen seiner türkischen Landsleute nicht als unehrenhaft gelte. Er unterliege wie jeder andere den deutschen Rechtsvorschriften. Dem Kläger sei auch die Verwerflichkeit seines Handelns bewußt gewesen, da er nach Aussage des Zeugen versucht habe, den Geldempfang als Darlehnsnahme hinzustellen, nachdem der Arbeitgeber davon erfahren habe.

Einzuräumen sei, daß das Geschäft zwischen dem Kläger und dem Zeugen sich als quasi außerdienstliches Verhalten darstelle. Die Beklagte habe auch keinerlei konkrete Tatsachen für ihre Befürchtung anführen können, durch das Verhalten des Klägers sei der Betriebsfrieden gefährdet. Gleichwohl sei es in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht als hinreichend gewichtiger Grund für eine fristgemäße Kündigung anzusehen, daß die Beklagte der Gefahr entgegenwirken müsse, den Anschein zu erwecken, ein Verhalten wie dasjenige des Klägers werde von ihr geduldet und dadurch in Mißkredit zu geraten. Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse daran, diesen Anschein zu vermeiden. Ein außerdienstliches Verhalten gebe dann einen Kündigungsgrund ab, wenn es einen verständigen Arbeitgeber bei gerechter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu einer Kündigung veranlassen könne. Das beanstandete Verhalten müsse geeignet sein, sich nachhaltig auf das Arbeitsverhältnis auszuwirken. Wenngleich der Sachvortrag der Parteien insoweit keine tatsächlichen Feststellungen ermöglicht habe, reiche er aus, die Feststellung zu treffen, daß das Vertrauensverhältnis der Parteien schwerwiegend gestört sei. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der Arbeitnehmer damit habe rechnen müssen, daß die Beklagte sein Verhalten nicht hinnehmen werde.

Unter den gegebenen Umständen überwiege das Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses dasjenige des Klägers an seinen Fortbestand. Die Parteien hätten auch insoweit nicht vorgetragen, was Grundlage weiterer Abwägungsüberlegungen hätte sein können.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz ebenso wie bereits in der Berufungsinstanz nur noch um die Frage, ob die Kündigung vom 4. April 1986 zu einer fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Die vom Landesarbeitsgericht übernommene Würdigung des Arbeitsgerichts, die als fristlose für unwirksam erachtete Kündigung sei aufgrund der Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht in eine ordentliche umzudeuten, läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

II. Die Kündigung ist jedoch als ordentliche unwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt ist.

1. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren nur im beschränkten Maße zugänglich. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentliche Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; Senatsurteil vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu III 1 der Gründe). Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält jedoch auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand.

2. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die ordentliche Kündigung nur sozial gerechtfertigt und damit rechtswirksam, wenn sie durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Wie das Bundesarbeitsgericht in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen hat, muß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch objektive Umstände, die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im Vertrauensbereich der Vertragsparteien oder im Unternehmensbereich beeinträchtigt sein. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerdienstliches Verhalten geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1984 - 2 AZR 233/83 - AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Entscheidend ist auch hier die konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich (vgl. BAG Urteil vom 6. Juni 1984 - 7 AZR 456/82 - AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 b der Gründe).

3. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der Entgegennahme der 1.500,-- DM seitens des Klägers für die Vermittlung der Einstellung des türkischen Landsmannes um ein außerdienstliches Verhalten des Klägers. Als Maschinenarbeiter war der Kläger nicht mit der Einstellung des Personals beschäftigt. Die Beklagte hat auch keine Umstände vorgetragen, nach denen der Kläger aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Gestaltung Einflußmöglichkeiten auf Personaleinstellungen hatte. Es ist deshalb nicht ersichtlich, daß der Kläger die "Vermittlungsgebühr" in Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Arbeit entgegengenommen hat. Anders als bei einer als Schmiergeldannahme zu wertenden Annahme von Geld bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben kann vorliegend die Beklagte somit nicht geltend machen, der Kläger werde bei der Verrichtung seiner Tätigkeit ihre Interessen nicht mehr pflichtgemäß wahrnehmen, sondern sich von persönlichen Vorteilen leiten lassen (vgl. dazu BAGE 24, 401 = AP Nr. 65 zu § 626 BGB, zu III 3 der Gründe; KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 282; KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 333).

4. Das außerdienstliche Verhalten des Klägers hat jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt nicht zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zunächst ausgeführt, die Beklagte habe keine konkreten Tatsachen für ihre Befürchtung anführen können, durch das Verhalten des Klägers sei der Betriebsfrieden gefährdet. Gleichwohl sei davon auszugehen, daß ein hinreichend gewichtiger Grund für eine fristgemäße Kündigung vorhanden sei. Denn die Beklagte müsse der Gefahr entgegenwirken, den Anschein zu erwecken, ein Verhalten wie dasjenige des Klägers werde von ihr geduldet, und dadurch in Mißkredit zu geraten. Weiterhin ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, das beanstandete Verhalten müsse geeignet sein, sich nachhaltig auf das Arbeitsverhältnis auszuwirken. Wenngleich der Sachvortrag der Parteien insoweit keine tatsächlichen Feststellungen ermöglicht habe, reiche er aus, die Feststellung zu treffen, daß das Vertrauensverhältnis der Parteien schwerwiegend gestört sei.

b) Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich festgestellt, die Beklagte habe selbst für ihre Befürchtung, der Betriebsfrieden sei durch das Verhalten des Klägers gefährdet, keine konkreten Tatsachen vorgetragen. Diese Feststellung ist für den Senat bindend, weil hiergegen keine Verfahrensrügen erhoben worden sind (§ 561 Abs. 2 ZPO). Damit scheidet in jedem Fall die Annahme einer konkreten Beeinträchtigung des Betriebsfriedens aus.

Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind auch nicht geeignet, von einer durch das Verhalten des Klägers herbeigeführten konkreten Störung des Vertrauensbereichs der Parteien auszugehen. Zwar liegt eine derartige Störung grundsätzlich auch dann vor, wenn der Arbeitgeber durch das Verhalten des Arbeitnehmers diskriminiert und in der öffentlichen Meinung herabgesetzt wird (vgl. BAGE 24, 438 = AP Nr. 2 zu § 134 BGB, zu II 2 c, d der Gründe sowie Senatsurteil vom 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu III 3 c der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch auch nicht festgestellt, daß die Beklagte durch das Verhalten des Klägers tatsächlich in der öffentlichen Meinung herabgesetzt worden ist. Vielmehr hat es als ausreichend angesehen, daß sie der Gefahr entgegenwirken müsse, den Anschein der Duldung eines derartigen Verhaltens zu erwecken.

5. Das Verhalten des Klägers hat auch zu keiner konkreten Gefährdung des Betriebsfriedens oder des Vertrauensbereichs der Parteien geführt.

a) Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom 26. Mai 1977 (BAGE 29, 195 = AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu II 6 b der Gründe) ausgesprochen, zur Rechtfertigung einer (fristlosen) Kündigung genüge eine abstrakte Gefährdung des Betriebsfriedens nicht; vielmehr müsse dieser tatsächlich gestört sein oder es müsse erfahrungsgemäß zu einer Störung kommen (ähnlich bereits BAG Urteil vom 13. Januar 1956 - 1 AZR 167/55 - AP Nr. 4 zu § 13 KSchG). In dem Urteil vom 9. Dezember 1982 (BAGE 41, 150 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB, zu II 3 der Gründe) hat der Senat offen gelassen, ob eine Gefährdung des Betriebsfriedens zur Rechtfertigung einer (fristlosen) Kündigung ausreicht.

b) Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben, ob im Sinne der vorstehend angeführten Urteile eine sog. konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens aufgrund einer tatsächlichen Vermutung oder einer Besorgnis, ein bestimmtes Verhalten sei erfahrungsgemäß geeignet, Störungen auszulösen, ausreicht, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. dazu kritisch KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 93). Denn das Landesarbeitsgericht hat, wie ausgeführt, für den Senat bindend in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, die Beklagte habe für ihre Befürchtung, der Betriebsfrieden sei durch das Verhalten des Klägers gefährdet, keine konkreten Tatsachen vorgetragen.

c) Auch eine konkrete Gefährdung des Vertrauensbereichs des Arbeitsverhältnisses liegt nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor.

Das Landesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, es sehe es als einen hinreichenden Grund für eine fristgemäße Kündigung an, daß die Beklagte der Gefahr entgegenwirken müsse, den Anschein der Duldung eines derartigen Verhaltens des Klägers zu erwecken. Später hat es dargelegt, das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers müsse geeignet sein, sich nachhaltig auf das Arbeitsverhältnis auszuwirken. Im Anschluß daran heißt es, wenngleich der Sachvortrag der Parteien - und damit auch der Beklagten - insoweit keine tatsächlichen Feststellungen ermögliche, halte die Kammer ihn doch für ausreichend, die Feststellung zu treffen, daß das Vertrauensverhältnis der Parteien schwerwiegend gestört sei.

Die abschließende Würdigung, das Vertrauensverhältnis der Parteien sei schwerwiegend gestört, entbehrt jedoch einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage. Sie steht im Widerspruch zu der eingangs desselben Satzes getroffenen Feststellung, der Sachverhalt der Parteien ermögliche "insoweit", d.h. dazu, daß das Verhalten des Klägers geeignet ist, sich nachhaltig auf das Arbeitsverhältnis auszuwirken, keine tatsächlichen Feststellungen.

Eine durch Tatsachen begründete Besorgnis, das Ansehen der Beklagten könne durch das Verhalten des Klägers beeinträchtigt worden sein, und damit eine konkrete Gefährdung ihres Ansehens, kann auch aus dem im übrigen festgestellten Sachverhalt nicht hergeleitet werden. Die Beklagte hatte zwar in erster Instanz behauptet, der Kläger habe dem Zeugen A erklärt, er müsse den größten Teil des Geldes dem "Boss" (Geschäftsführer) abgeben. Durch ein solches Verhalten hätte der Kläger das Ansehen der Beklagten allerdings nicht nur konkret gefährdet, sondern beeinträchtigt. Denn er hätte damit bei einem ihrer künftigen Arbeitnehmer den Eindruck hervorgerufen, ihr Geschäftsführer fordere "Schmiergelder" für Einstellungen.

Diese Behauptung hat die Beklagte jedoch nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht beweisen können. Die Beklagte hat sich in der Berufungsinstanz nicht gegen diese Feststellung gewandt. Sie hat sich vielmehr mit dem Vorbringen begnügt, durch die Duldung des - festgestellten - Verhaltens des Klägers würde der Eindruck entstehen, bei ihr würden Arbeitsplätze gehandelt. Die Kenntnis der Beklagten von dem einmaligen Vorgang, der sich ohne ihr Wissen und Wollen im außerdienstlichen Bereich abgespielt hat, begründet jedoch nicht ohne weiteres die Vermutung, sie billige ein solches Verhalten und damit einen "Handel" mit Arbeitsplätzen in ihrem Unternehmen. Die bloße Möglichkeit, daß ein solcher Eindruck entstehen könnte, und damit eine abstrakte Gefährdung ihres Ansehens reicht, wie ausgeführt, nicht aus.

6. Die Kündigung der Beklagten ist somit als ordentliche bereits deshalb sozial ungerechtfertigt, weil das außerdienstliche Verhalten des Klägers den betrieblichen Bereich sowie den Vertrauensbereich des Arbeitsverhältnisses weder beeinträchtigt noch zumindest konkret gefährdet hat. Es bedarf keiner weiteren Ausführung dazu, wie das Verhalten des Klägers gegenüber dem Zeugen A ordnungsrechtlich (§ 228 AFG) oder unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) zu würdigen ist.

7. Der Klage war somit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils in vollem Umfang stattzugeben. Der Senat konnte abschließend entscheiden, da die Sache nach dem festgestellten Sachverhalt zur Endentscheidung reif war (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Hillebrecht Triebfürst

zugleich für den

durch Urlaub an der

Unterschrift verhinderten

Richter Ascheid

Strümper Dr. Bobke

 

Fundstellen

Haufe-Index 437693

DB 1988, 1757-1757 (LT1)

NJW 1988, 2261

NJW 1988, 2261-2262 (LT)

SteuerBriefe 1988, 425-525 (K)

ARST 1988, 132-133 (LT1)

EWiR 1988, 1233-1233 (L1)

JR 1988, 440

JR 1988, 440 (S1)

RdA 1988, 252

RzK, I 5i Nr 32 (LT1)

AP § 1 KSchG 1969, Nr 19

AR-Blattei, ES 1020 Nr 292 (LT1)

AR-Blattei, Kündigungsschutz Entsch 292 (LT1)

EzA § 1 KSchG 1969, Nr 18 (LT1)

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