Entscheidungsstichwort (Thema)

Baugewerbliche Tätigkeit. Arbeitszeit des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Beurteilung der Frage, ob in einem Mischbetrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer maßgebend. Die Tätigkeit des Arbeitgebers bzw. seines gesetzlichen Vertreters ist jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Arbeitnehmer überwiegend bauliche Leistungen erbringen.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § 1 Abs. 2 Abschn. VI

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 19.07.1993; Aktenzeichen 16 Sa 1727/92)

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.10.1992; Aktenzeichen 1 Ca 510/90)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Juli 1993 – 16 Sa 1727/92 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Klagezeitraum einen Betrieb des Baugewerbes i.S. der Sozialkassentarifverträge für das Baugewerbe unterhalten hat und deshalb zur Beitragszahlung und Auskunftserteilung an die Klägerin verpflichtet ist.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Beitragszahlung für die Zeit von März 1988 bis Dezember 1989 in bezug auf die beschäftigten Arbeiter und auf Auskunftserteilung für die Zeit von Januar bis Dezember 1989 in bezug auf die beschäftigten Angestellten in Anspruch. Für den Fall der Nichteinhaltung der Auskunftsverpflichtung begehrt die ZVK die Zahlung einer Entschädigung.

Die Beklagte, die mit “Immobilien GmbH” firmiert, unterhält einen Betrieb, der sich mit der Planung, dem Verkauf und der Überwachung von Bauvorhaben als Bauträger beschäftigt. Wegen der Auslastung örtlicher Bauunternehmen stellte die Beklagte in der Zeit vom 1. Juli 1988 bis 31. Dezember 1989 selbst zwei von ihr geplante Bauvorhaben fertig. Zu diesem Zweck beschäftigte sie neben den im Rahmen der Bauträger-Tätigkeit eingesetzten Arbeitnehmern u.a. Maurer, Bauhelfer, Dachdecker, Putzer, Installateure und Fliesenleger. Außerdem wurde u.a. ein Werkmeister bzw. Polier, eine Putzhilfe, ein Bote und ein Arbeitnehmer im Telefondienst beschäftigt.

In den Jahren 1988 und 1989 wurde die Beklagte vom Arbeitsamt zur produktiven Winterbauförderung herangezogen.

Die ZVK ist der Auffassung, der Betrieb der Beklagten sei im Klagezeitraum von März 1988 bis Dezember 1989 als baugewerblicher Betrieb anzusehen. Dazu behauptet sie, im Jahre 1988 seien zu 64,78 v.H. und im Jahre 1989 zu 63,57 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit baugewerbliche Arbeiten ausgeführt worden. Die Tätigkeit des Geschäftsführers dürfte bei der Feststellung, welche Tätigkeiten im Betrieb arbeitszeitlich überwiegend angefallen seien, nicht berücksichtigt werden. Im übrigen habe sich der Geschäftsführer im Klagezeitraum überwiegend um die Fertigstellung der Gebäude vor Ort gekümmert.

Zum betrieblichen Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) heißt es in den im Klagezeitraum geltenden Fassungen:

§ 1

Geltungsbereich

  • Betrieblicher Geltungsbereich:

    Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt VI

Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis V genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, fallen grundsätzlich als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Selbständige Betriebsabteilungen sind Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrages.

Werden in Betrieben des Baugewerbes in selbständigen Abteilungen andere Arbeiten ausgeführt, so werden diese Abteilungen dann nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt, wenn sie von einem spezielleren Tarifvertrag erfaßt werden.

Die ZVK hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  • an sie 33.184,79 DM zu zahlen;
    • ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

      • wieviel Angestellte insgesamt und wieviel Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt, in den Monaten Januar bis Dezember 1989 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen und in welcher Höhe Vorruhestands- sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,
    • für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an sie eine Entschädigung in Höhe von 13.800,-- DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte bestreitet, im Klagezeitraum überwiegend baugewerbliche Arbeiten ausgeführt zu haben. Auf die bauliche Tätigkeit seien im Jahre 1988 nur 28 v.H. und im Jahre 1989 nur 36 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit entfallen. In die betriebliche Gesamtarbeitszeit sei auch die Tätigkeit des Geschäftsführers einschließlich der von ihm geleisteten Überstunden einzubeziehen. Diese Tätigkeit müsse den nichtbaulichen Arbeiten zugerechnet werden. Der Geschäftsführer habe sich nicht vor Ort um die Fertigstellung der Gebäude, sondern entsprechend dem Geschäftszweck der Beklagten ausschließlich um die Aquisition und Planung von Gebäuden gekümmert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr für die Zeit ab 1. Juli 1988 stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die ZVK beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb der Beklagten falle in der Zeit vom 1. Juli 1988 bis Dezember 1989 unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, da arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV ausgeführt worden seien.

Im Jahre 1988 habe der Anteil der als baulich anzusehenden Arbeiten 50,4 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit in Anspruch genommen. Dies ergebe sich aus der zwischen den Parteien unstreitigen Aufstellung über die von den einzelnen Arbeitnehmern geleisteten Arbeitsstunden. Danach entfielen die Arbeitsstunden der als Maurer, als Bauhelfer, als Dachdecker sowie mit Rigips- und Spenglerarbeiten beschäftigten Arbeitnehmer auf bauliche Leistungen. Hinzuzurechnen seien die Tätigkeiten der Fliesenleger und Installateure und des mit der Kontrolle der Stundenzettel und der Erstellung der Lohnabrechnungen beschäftigten Werkmeisters bzw. Poliers. Den sich daraus ergebenden 2.117 Arbeitsstunden sei die Hälfte der Arbeitsstunden des mit Botengängen beschäftigten Arbeitnehmers zuzurechnen. Dies folge daraus, daß die für Botengänge aufgewendete Arbeitszeit entsprechend dem Verhältnis der baulichen und nichtbaulichen Tätigkeiten zu verteilen sei.

Im Kalenderjahr 1989 seien zu 53,51 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit bauliche Leistungen erbracht worden. Aufgrund der Aufstellung über die geleisteten Arbeitsstunden ergebe sich für die Maurer, Bauhelfer, Putzer, Dachdecker, Fliesenleger und Installateure sowie für den Werkmeister bzw. Polier bereits ein Arbeitszeitanteil von 50,57 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit. Diesem sei anteilig die Tätigkeit der Putzhilfe und die des im Telefondienst beschäftigten Arbeitnehmers zuzurechnen, so daß sich für bauliche Leistungen ein Gesamtarbeitszeitanteil von 53,51 v.H. ergebe.

Die vom Geschäftsführer aufgewendete Arbeitszeit, die die Beklagte dem nichtbaulichen Bereich zurechnet, könne in die Bemessung der betrieblichen Gesamtarbeitszeit nicht einbezogen werden. Dies folge aus den tariflichen Bestimmungen, die eine Berücksichtigung der Arbeitszeit des Arbeitgebers bzw. des Geschäftsführers einer GmbH allenfalls dann zuließen, wenn er selbst bauliche Tätigkeiten ausführe. Sei er in einem baufremden Bereich tätig, so beurteile sich die Frage, ob arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht worden seien, nach dem Verhältnis der Arbeitszeit der mit baulichen und nichtbaulichen Leistungen beschäftigten Arbeitnehmer.

II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen. Der Betrieb der Beklagten fiel im Zeitraum vom 1. Juli 1988 bis zum 31. Dezember 1989, der allein noch im Streit ist, unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von der ständigen Rechtsprechung des BAG aus, wonach ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird, wenn von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 VTV aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (vgl. BAGE 56, 227, 230 = AP Nr. 88 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau m.w.N.). Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Satz 1 VTV fallen Betriebe, soweit in ihnen die unter den Abschnitten I bis IV genannten Leistungen überwiegend erbracht werden, grundsätzlich als Ganzes unter den VTV. Wird ein Betrieb neben der Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten auch auf einem nichtbaulichen Bereich tätig (Mischbetrieb), so kommt es für die Geltung des VTV für den ganzen Betrieb darauf an, ob die in den Abschnitten I bis IV genannten Leistungen überwiegend erbracht werden. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Arbeitnehmer des Betriebes arbeitszeitlich überwiegend mit baulichen Tätigkeiten beschäftigt werden. Dabei sind den eigentlichen baugewerblichen Tätigkeiten auch diejenigen Nebenarbeiten zuzurechnen, die zu einer sachgerechten Ausführung baulicher Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihr in Zusammenhang stehen (BAG Urteil vom 25. Februar 1987 – 4 AZR 240/86 – AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; Urteil vom 22. April 1987 – 4 AZR 496/86 – AP Nr. 82 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis, daß im Betrieb der Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 1988 bis 31. Dezember 1989 arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen erbracht worden sind.

a) Soweit das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der zwischen den Parteien unstreitigen Aufstellung über die beschäftigten Arbeitnehmer und die von ihnen geleisteten Arbeitsstunden für das Jahr 1988 ausführt, daß die von den Maurern, Bauhelfern, Putzern, Dachdeckern, mit Rigips- und Spenglerarbeiten beschäftigten Arbeitnehmern, Fliesenlegern, Installateuren und dem Werkmeister ausgeführten Arbeiten zu den in § 1 Abs. 2 Abschnitten I bis IV VTV aufgeführten Leistungen zählen, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von der Beklagten mit der Revision nicht angegriffen. Es handelt sich um Arbeiten, die der Erstellung von Bauten i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt I VTV dienen, worunter Gebäude aller Art zu verstehen sind (BAGE 55, 67 = AP Nr. 79 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

b) Mit der Revision rügt die Beklagte jedoch, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht dem Arbeitszeitanteil, der auf diese Tätigkeiten entfalle, die Hälfte der Arbeitszeit (26 Stunden) des mit Botengängen beschäftigten Arbeitnehmers als Zusammenhangstätigkeit zugerechnet, weil es insoweit an entsprechendem Sachvortrag der Parteien fehle.

Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Den baugewerblichen Tätigkeiten sind die Tätigkeiten zuzurechnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihr in Zusammenhang stehen (vgl. BAG Urteil vom 28. März 1990 – 4 AZR 615/89 – AP Nr. 130 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Läßt sich bei einem Mischbetrieb eine Tätigkeit nicht eindeutig dem baulichen oder nichtbaulichen Bereich zuordnen, sondern wird sie für beide Bereiche gleichermaßen erbracht, so ist es sachgerecht und widerspricht entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dem Beibringungsgrundsatz, wenn ihr Arbeitszeitanteil entsprechend dem Verhältnis der auf die baulichen und auf die nichtbaulichen Leistungen entfallenden Arbeitszeit verteilt wird (§ 287 ZPO), sofern nicht eine der Parteien eine anderweitige Verteilung vorträgt. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Landesarbeitsgericht konnte daher mit Recht davon ausgehen, daß die Hälfte der Arbeitszeit des Boten dem baulichen Bereich zuzurechnen ist. Für das Jahr 1988 ergibt sich daraus ein Anteil von 50,4 v.H. baugewerblicher Tätigkeiten an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit.

c) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entfielen im Jahre 1989 50,57 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit auf bauliche Leistungen, die durch die Bauhelfer, Maurer, Putzer, Dachdecker, Fliesenleger, Installateure und den Werkmeister (Lohnabrechner) erbracht wurden. Ob das Landesarbeitsgericht diesem Arbeitszeitanteil zu Recht die Tätigkeit der Putzfrau und des für die Ablage und das Telefon zuständigen Arbeitnehmers zugerechnet hat, wodurch sich der Anteil der baulichen Leistungen auf 53,51 v.H. der Gesamtarbeitszeit erhöht, kann dahinstehen. Auch ohne diese Tätigkeiten beträgt der Anteil der auf bauliche Leistungen entfallenden Tätigkeiten 50,57 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit und überwiegt demgemäß.

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch die Arbeitszeit des Geschäftsführers der Beklagten bei der Beurteilung der Frage, ob vom Betrieb überwiegend bauliche Leistungen i.S. von § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV erbracht werden, nicht berücksichtigt.

Nach § 1 Abs. 2 Einleitungssatz VTV fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich Betriebe des Baugewerbes. Damit knüpfen die Tarifvertragsparteien zwar an den allgemeinen Betriebsbegriff an, wonach unter einem Betrieb eine organisatorische Einheit zu verstehen ist, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (vgl. BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 17/89 – AP Nr. 115 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Diese Voraussetzungen erfüllt demgemäß auch ein Betrieb, in dem keine Arbeitnehmer beschäftigt werden, sondern der arbeitstechnische Zweck allein vom Betriebsinhaber fortgesetzt verfolgt wird.

Für solche Betriebe werden jedoch tarifliche Verpflichtungen durch die Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes nicht begründet. Durch die tariflichen Bestimmungen werden die Rechtsbeziehungen zwischen baugewerblichen Arbeitgebern und den Arbeitnehmern, die unter den persönlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 3 VTV fallen, sowie zu den Sozialkassen geregelt. Tarifliche Verpflichtungen für Alleinhandwerker, auch wenn sie bauliche Leistungen erbringen, bestehen nicht.

Dem steht nicht entgegen, daß nach § 27 Abs. 3 VTV ein Arbeitgeber, der im Abrechnungszeitraum keine Arbeitnehmer beschäftigt, verpflichtet ist, eine sog. Fehlanzeige zu erstatten. Damit regeln die Tarifvertragsparteien nur den Fall, daß in einem Betrieb, dessen arbeitstechnischer Zweck fortgesetzt mit Arbeitnehmern verfolgt wird, nur vorübergehend, nämlich bezogen auf den Abrechnungszeitraum, keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dies folgt schon aus der Verwendung des Begriffs des “Arbeitgebers” in der Tarifnorm. Wird die betriebliche Tätigkeit auf Dauer nur durch den Betriebsinhaber wahrgenommen, fehlt es schon an dieser Arbeitgebereigenschaft.

Auch aus dem Gesamtzusammenhang der übrigen Bestimmungen des Verfahrenstarifvertrages folgt, daß die Tarifvertragsparteien nur Betriebe erfassen wollen, in denen Arbeitnehmer beschäftigt werden. Die Tarifvertragsparteien knüpfen nämlich bei der Normierung der tariflichen Rechte und Pflichten in den §§ 4 bis 33 VTV stets an die Arbeitgebereigenschaft an und gehen damit davon aus, daß im Betrieb Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Werden von den tariflichen Bestimmungen deshalb grundsätzlich nur Betriebe erfaßt, die Arbeitnehmer beschäftigen, so ist es sachgerecht, für die Beurteilung der Frage, ob überwiegend die in den Abschnitten I bis V genannten Leistungen erbracht werden, auf die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer des Betriebes abzustellen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (ausdrücklich seit: BAG Urteil vom 10. September 1975 – 4 AZR 456/74 – AP Nr. 24 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), der sich der Senat angeschlossen hat (BAG Urteil vom 18. August 1993 – 10 AZR 177/91 – AP Nr. 166 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die vom Arbeitgeber bzw. seinem gesetzlichen Vertreter selbst aufgewendete Arbeitszeit ist deshalb bei der tariflichen Zuordnung eines Mischbetriebes jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn sich, wie im Regelfall, eine Zuordnung aufgrund der überwiegenden Arbeitszeit der Arbeitnehmer vornehmen läßt.

Damit wird zugleich dem Grundsatz Rechnung getragen, daß derjenigen Tarifauslegung der Vorzug zu geben ist, die zu einer sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II). Bei der Einbeziehung der Arbeitszeit des Arbeitgebers bzw. seiner gesetzlichen Vertreter fehlte es nämlich, anders als bei der Beurteilung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer, an Beurteilungskriterien, wie sie sonst durch die arbeitsvertragliche Bindung bestimmt sind. Der Arbeitgeber ist sowohl hinsichtlich der zeitlichen als auch der inhaltlichen Gestaltung seiner Tätigkeit frei. So kann er bei einem Mischbetrieb die verschiedenen Betriebszwecke gleichermaßen verfolgen oder sich auch nur maßgeblich um den einen oder den anderen Betriebszweck kümmern. Ihm bleibt es aber auch unbenommen, die Betriebszwecke allein durch die beschäftigten Arbeitnehmer verfolgen zu lassen. Deshalb ist es sachgerecht, daß für die tarifliche Zuordnung grundsätzlich auf die von den Arbeitnehmern ausgeübte betriebliche Tätigkeit, wie sie am Markt angeboten wird, abgestellt wird. Dies schließt nicht aus, im Einzelfall die Tätigkeit des Arbeitgebers bzw. der gesetzlichen Vertreter dann zu berücksichtigen, wenn in einem Mischbetrieb von den Arbeitnehmern unterschiedliche Betriebszwecke mit gleichem Arbeitszeitaufwand verfolgt werden.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist jedoch sowohl im Jahre 1988 als auch im Jahre 1989 die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf die Erbringung baulicher Leistungen entfallen, so daß es für die tarifliche Zuordnung zum Baugewerbe nicht darauf ankommt, in welchem Umfange der Geschäftsführer der Beklagten für den baulichen oder den nichtbaulichen Bereich tätig geworden ist.

3. Bei der Fertigstellung der beiden Bauobjekte im Klagezeitraum handelt es sich auch um eine gewerbliche Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BAG (BAGE 58, 116, 125 = AP Nr. 95 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) verwenden die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 2 VTV den Begriff des Gewerbes in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen Rechts, insbesondere des Gewerberechts. Der Gewerbebegriff umfaßt danach alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden, unter Ausschluß der Urproduktion (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei) des öffentlichen Dienstes und der freien Berufe. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Tätigkeit seitens des Unternehmers in Erwerbsabsicht erfolgt, ihr Zweck also nachhaltige Gewinnerzielung ist, wobei es auf die jeweilige subjektive Absicht und Motivation des Betreibers ankommt.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Gebäude wurden von der Beklagten zum Zwecke des Verkaufs und damit zur nachhaltigen Gewinnerzielung errichtet. Da die bauausführende Tätigkeit einen Zeitraum von 18 Monaten in Anspruch nahm, lag auch eine fortgesetzte, d.h. nicht nur gelegentliche, Tätigkeit vor (vgl. BAG Urteil vom 7. April 1993 – 10 AZR 506/91 – n.v.).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Schömburg, Tirre

 

Fundstellen

Haufe-Index 856708

BB 1994, 2284

NZA 1995, 1116

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