Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Mitgliedes des Wahlvorstandes

 

Orientierungssatz

Nach § 17 Abs 1 BetrVG wird der Wahlvorstand von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt. Besondere Vorschriften gelten nicht. Da es sich um bloße Vorbereitungshandlungen zu Wahl handelt, ist "übertriebener Formalismus" fehl am Platz, wenn nicht gegen die Grundprinzipien einer demokratischen Wahl verstoßen wird. Eine Wahl durch Stimmzettel ist ebensowenig notwendig wie eine geheime Abstimmung. Die Wahl kann auch durch Handaufheben erfolgen. Eine Protokollierung ist gleichfalls nicht vorgesehen.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 15; BetrVG § 17

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.07.1987; Aktenzeichen 7 Sa 113/87)

ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 04.12.1986; Aktenzeichen 2 Ca 975/86)

 

Tatbestand

Der zum Kündigungszeitpunkt 23jährige Kläger war seit dem 21. Januar 1984 als Schweißer bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttostundenlohn betrug 12,-- DM. Die Beklagte betreibt eine Firma für Heizungstechnik und beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 3. Juni 1986 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Kläger fristgerecht zum 17. Juni 1986. Sie berief sich auf angeblich mehrmaliges unentschuldigtes Fehlen des Klägers.

Der Kläger hält die angefochtene Kündigung für sozial ungerechtfertigt, er bestreitet den Umfang der Vorwürfe der Beklagten und beruft sich darauf, er sei bisher nicht abgemahnt worden.

Er ist weiter der Auffassung, die Kündigung sei gemäß § 15 Abs. 3 KSchG unzulässig, da er seit 29. März 1986 Wahlvorstand für die Betriebsratswahl gewesen sei.

Er hat dazu vorgetragen, bei der Beklagten habe ein Betriebsrat gewählt werden sollen. Daher seien alle Arbeitnehmer der Beklagten ordnungsgemäß zu einer Betriebsversammlung am 29. März 1986 eingeladen worden. Als Tagesordnungspunkt 3 sei auf dem Einladungsschreiben vom 25. März 1986 die Wahl eines Wahlvorstandes zur Einleitung einer Betriebsratswahl aufgeführt gewesen. In der Versammlung habe die Gruppe der Angestellten keinen Wahlvorschlag gemacht, es seien nur die gewerblichen Arbeitnehmer zur Wahl vorgeschlagen worden. Diese seien auch durch Akklamation gewählt worden. Das Protokoll über die Betriebsversammlung sei zwar unvollständig und enthalte nicht die Tatsache der Wahl eines Wahlvorstandes. Der Aufnahme der tatsächlich vorgenommenen Wahl in das Protokoll komme jedoch keine konstitutive Bedeutung zu. Die Betriebsratswahl sei in der Folge auch tatsächlich durchgeführt worden.

Soweit in der Revision noch erheblich, hat der Kläger beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 3. Juni 1986 zum 17. Juni 1986 nicht beendet worden sei, sondern auf unbestimmte Zeit weiter fortbestehe.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat im einzelnen die angeblichen Fehlzeiten des Klägers vorgetragen. Sie hat weiter bestritten, daß der Kläger Mitglied des Wahlvorstandes gewesen sei und daß überhaupt Angestellte an der Betriebsversammlung teilgenommen hätten. Diese seien nicht eingeladen gewesen. Aus dem Protokoll über die Betriebsversammlung vom 29. März 1986 ergebe sich zudem, daß offenbar keine Wahl stattgefunden habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers dem Feststellungsantrag stattgegeben.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.

I. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Unterzeichnung des Revisionsbegründungsschriftsatzes vom 16. Oktober 1987 durch Rechtsanwalt K ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren muß die Revisions- und Revisionsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet sein. Nach Abs. 2 Halbsatz 2 dieser Vorschrift ist dazu jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Anwalt berechtigt. Rechtsanwalt K war zur Fertigung und Einreichung der Revisionsbegründungsschrift jedenfalls wirksam unterbevollmächtigt. Dem steht nicht entgegen, daß Rechtsanwalt K im Briefkopf der Revisions- und Begründungsschriftsätze nicht genannt ist. Rechtsanwalt K ist unterhalb des Briefkopfes neben Rechtsanwalt Dr. F in der dafür vorgesehenen Zeile als Sachbearbeiter angeführt und hat den Schriftsatz ohne Zusatz unterzeichnet. Anhaltspunkte dafür, daß Rechtsanwalt Dr. F den Schriftsatz abgefaßt habe und nicht Rechtsanwalt K bestehen nicht, so daß von einem von Rechtsanwalt K selbst abgefaßten Schriftsatz auszugehen ist, für den er mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernommen hat (vgl. BAG Beschlüsse vom 11. August 1987 - 7 AZB 17/87 - EzA § 518 ZPO Nr. 32 und vom 22. Juli 1987 - 2 AZB 12/87 - n.v.).

Die Anwaltszulassung von Rechtsanwalt K steht nicht in Frage. Der Umstand, daß Rechtsanwalt K im Briefkopf der Revisionsschrift nicht genannt ist, rechtfertigt nicht den Schluß, er gehöre nicht der Kanzlei an und sei nicht bevollmächtigt. Da Rechtsanwalt Dr. F mit Schriftsatz vom 16. Oktober 1987, der wie die Revisionsbegründung rechtzeitig am 19. Oktober 1987 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen ist, auf die Revisionsbegründung Bezug genommen und diese sogar nochmals ausdrücklich "wiederholt" hat, wird deutlich, daß Rechtsanwalt K zur Revisionseinlegung bevollmächtigt war, zumindest aber ist hierin eine Klarstellung einer auch möglichen Untervollmacht zu sehen. Die Bestätigung der Schriftsatzunterzeichnung durch Rechtsanwalt K mit dem Hinweis darauf, dieser habe die Beklagte bereits in einer mündlichen Verhandlung vertreten, beinhaltet die Genehmigung dieser Prozeßhandlung. Rechtsanwalt Dr. F war aufgrund seiner Prozeßvollmacht zur Bestellung eines Vertreters ermächtigt, § 81 ZPO. Dies gilt auch für einzelne Prozeßhandlungen. Die Rechte des Untervertreters (Unterbevollmächtigten) entsprechen im Rahmen der Bestellung denen des Prozeßbevollmächtigten (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 81 Rz 15, 16).

Der Mangel der Vollmacht kann auch durch Genehmigung des Vertretenden mit rückwirkender Kraft geheilt werden, soweit noch nicht ein das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozeßurteil vorliegt, § 89 Abs. 2 ZPO (zur Einlegung eines Rechtsmittels: BGHZ 91, 111, 115).

II. Die Revision ist jedoch nicht begründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, aufgrund der Aussage des Zeugen D stehe fest, daß der Kläger Mitglied im Wahlvorstand gewesen sei, denn danach sei der Kläger neben zwei anderen Arbeitnehmern durch Handaufheben gewählt worden. Aus dem Fehlen einer entsprechenden Protokollierung sei nicht der Schluß zu ziehen, die Wahl habe gar nicht stattgefunden. Die Wahl sei auch wirksam. Die fehlende Niederschrift sei ebensowenig Wirksamkeitsvoraussetzung wie förmliche und geheime Wahl. Da das Einladungsschreiben an alle Arbeitnehmer gerichtet gewesen sei, könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, die Gruppe der Angestellten habe der Wahl nicht beigewohnt. Der Aushang sei nicht ausdrücklich bestritten worden. Im übrigen sei vom Aushang angesichts der Bekundungen des Zeugen D auszugehen.

Dem Kläger hätte deshalb nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 3. Juni 1986 ergebe sich nicht, daß die als fristgerecht bezeichnete Kündigung eine außerordentliche habe darstellen sollen. Weitere Voraussetzung sei - da ein Betriebsrat zum Kündigungszeitpunkt nicht bestanden hätte - die Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung durch das Arbeitsgericht gem. § 103 BetrVG gewesen.

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat für den Kläger zu Recht den Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 KSchG bejaht, denn der Kläger ist im Sinne dieser Vorschrift zum Wahlvorstand bestellt worden. Die Wahl zum Wahlvorstand ist nicht wegen schwerwiegender Verfahrensmängel nichtig.

a) Der besondere Kündigungsschutz eines Mitglieds des Wahlvorstandes beginnt nach § 15 Abs. 3 KSchG mit dem Zeitpunkt der Bestellung. Die Bestellung des Wahlvorstandes regelt sich nach den Vorschriften des BetrVG (BAG Urteil vom 7. Mai 1986 - 2 AZR 349/85 - AP Nr. 18 zu § 15 KSchG 1969, m.w.N.), im Streitfall nach § 17 BetrVG. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann der Wahlvorstand in Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, in einer Betriebsversammlung gewählt werden. Zu dieser Betriebsversammlung kann nach § 17 Abs. 2 BetrVG auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstandes machen. Im übrigen gelten die Vorschriften der §§ 42 ff. BetrVG über die Betriebsversammlung, soweit sie nicht das Bestehen eines Betriebsrates voraussetzen (Senatsurteil vom 7. Mai 1986, aa0, m.w.N.).

b) Im Streitfall ging die Einladung von der IG Metall aus, die das Einladungsschreiben vom 25. März 1986 verfaßt hat.

Besondere Formvorschriften sieht das Gesetz für die Einladung nicht vor, jedoch müssen gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1986, aa0). Die Einladung muß entweder alle Arbeitnehmer des Betriebes tatsächlich erreicht haben oder so bekannt gemacht werden, daß dieser Personenkreis die Möglichkeit hatte, Ort, Zeit und Zweck der Betriebsversammlung zu erfahren und an der Wahlversammlung teilzunehmen. Die Wahl wegen eines Mangels bei der Einladung ist jedenfalls dann nichtig, wenn dadurch das Wahlergebnis beeinflußt werden konnte (ebenso LAG Hamm, Urteil vom 29. November 1973 - 3 Sa 663/74 - DB 1974, 389; Beschluß vom 9. Dezember 1977 - 3 TaBV 71/77 - EzA § 4 BetrVG 1972 Nr. 3).

c) Das von der IG Metall verfaßte Einladungsschreiben erfüllt die an eine ordnungsgemäße Einladung zu stellenden Voraussetzungen. Es ist klar und eindeutig verfaßt und richtet sich an die Betriebsangehörigen der fünf im einzelnen aufgeführten Firmen "sowie (an) alle auf dem Betriebsgelände beschäftigten Arbeitnehmer", womit sowohl Arbeiter als auch Angestellte angesprochen sind. Die unrichtige Bezeichnung der Beklagten als H S Heiztechnik AG statt H S Heizungstechnik AG macht deren Identifizierbarkeit nicht zweifelhaft. Die Einladung nennt als Zweck der Betriebsversammlung unter Tagesordnungspunkt 3 die Wahl des Wahlvorstandes ebenso klar wie Zeit und Ort für deren Durchführung. Die IG Metall als Verfasserin der Einladung geht aus dieser ebenfalls deutlich hervor.

3. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Einladungsschreiben sei ausgehängt worden.

a) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe unzutreffend festgestellt, der Aushang des Einladungsschreibens sei nicht ausdrücklich bestritten worden, ist nicht begründet.

Wie der Revision zuzugeben ist, würde das Berufungsurteil allerdings auf widersprüchlichen Tatsachenfeststellungen beruhen, wenn das Vorbringen der Beklagten in der Berufung, die Behauptung des Klägers, auch Angestellte hätten an der Versammlung teilgenommen, werde bestritten, Angestellte seien zur Versammlung gar nicht eingeladen worden, als rechtserhebliches Bestreiten des vom Kläger behaupteten Aushanges der Einladung ausreichte. Das Landesarbeitsgericht hat auf diesen Schriftsatz der Beklagten im Tatbestand ausdrücklich und ohne Einschränkung Bezug genommen. Das dortige Parteivorbringen ist damit zu berücksichtigen (BGH NJW 1983, 885, 886) und könnte im Widerspruch zu anderen Feststellungen des Berufungsgerichts in den Gründen stehen. Tatbestand im Sinne des § 314 ZPO sind nämlich auch die in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen (BAGE 19, 342 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZPO). Ist der Tatbestand des angefochtenen Urteils in sich widersprüchlich, fehlt es an einer beweiskräftigen, das Revisionsgericht bindenden Feststellung. Ein widerspruchsvoller Tatbestand bietet keine geeignete Grundlage für die rechtliche Beurteilung (BAGE 19, 342 = AP, aa0; BGH, Urteil vom 5. November 1968 - VI ZR 179/67 - BGH LM Nr. 2 zu § 314 ZPO). Dies wäre der Fall, wenn das LAG den Aushang einmal als streitig und einmal als unstreitig festgestellt hätte.

b) Hiervon ist jedoch nicht auszugehen, denn das Landesarbeitsgericht hat die Feststellung, der Aushang sei unstreitig, ohne revisionsrechtlich durchgreifende Verfahrensfehler getroffen. Der vom Landesarbeitsgericht als unstreitig festgestellte Aushang des Einladungsschreibens im Verlauf des Rechtsstreits ist zwar erstmals vom im Berufungsrechtszug vernommenen Zeugen D erwähnt worden, das Landesarbeitsgericht hat aber gleichwohl - weil von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffen - für das Revisionsgericht gem. § 561 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt, auch der Kläger habe einen entsprechenden Aushang behauptet. Dies beinhaltet schon die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dieser Umstand sei nicht bestritten worden. Sofern der Kläger sich diese vom Zeugen bekundeten Einzelheiten nach dessen Vernehmung nicht ausdrücklich zu eigen gemacht hat, hat das Landesarbeitsgericht das Verhalten des Klägervertreters im Ergebnis jedenfalls dahingehend gewürdigt, er greife diese Tatsachen stillschweigend auf. Bei von Zeugen bekundeten, für die Partei günstigen Tatsachen ist hiervon in der Regel auszugehen.

c) Der behauptete Aushang ist durch das frühere Vorbringen der Beklagten, Angestellte seien zur Versammlung gar nicht geladen worden, mit dem Landesarbeitsgericht als von der Beklagten nicht angegriffen angesehen worden. Diese Würdigung des Berufungsgerichts ist aus dem Sachzusammenhang möglich und sogar naheliegend. Mit ihrer Behauptung in der Berufungserwiderung, Angestellte seien nicht geladen worden, kann die Beklagte sich noch nicht auf einen fehlenden Aushang bezogen haben, denn ein solcher war bis dahin im Prozeß noch nicht erwähnt worden, sondern nur das vom Kläger mit der Berufungsbegründung nochmals vorgelegte, an die "Betriebsangehörigen" und "Arbeitnehmer" gerichtete Einladungsschreiben vom 25. März 1986. In diesem Zusammenhang konzentriert sich der Inhalt des Beklagtenvorbringens nur darauf, die Angestellten seien im Einladungsschreiben nicht angesprochen worden oder hätten ein solches nicht erhalten. Wenn der Kläger sich in der Folge nach Vernehmung des Zeugen in der Berufungsverhandlung dessen Bekundungen zu eigen gemacht hat - wovon hier, wie dargelegt, auszugehen ist - hätte die Beklagte sich zu dieser neuen Tatsache gem. § 138 Abs. 2 ZPO erklären müssen. Ihr früheres insoweit allenfalls auf das Einladungsschreiben bezogene Vorbringen konnte die Absicht, den Aushang bestreiten zu wollen, nicht beinhalten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Das Vorbringen des Klägers ist zwar wenig konkret, reichte aber aus, da eine weitere Substantiierung nur bei einem erheblichen Bestreiten der Beklagten erforderlich gewesen wäre. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im Falle eines wirksamen Bestreitens der Beklagten unter Zugrundelegung der Aussage D ein entsprechender Beweis hätte als erbracht angesehen werden können.

4. Das Landesarbeitsgericht ist auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, die Wahl habe stattgefunden und weise keine zur Nichtigkeit führenden Mängel auf.

a) Ohne Erfolg rügt die Revision, die Aussage des hierzu als Zeugen vernommenen Gewerkschaftssekretärs D belege dies nicht mit hinreichender Sicherheit. Die Revision greift insoweit die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an und will diese im Ergebnis durch ihre eigene ersetzen. Es sind jedoch weder Denkfehler, Widersprüche, außer acht gelassene Umstände oder Begründungsmängel gerügt. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Wahl des Klägers in den Wahlvorstand habe stattgefunden, ist für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO). Das Landesarbeitsgericht ist in vertretbarer Würdigung aufgrund der Aussage des Zeugen D und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Wahlvorgang und dessen Ergebnis im Protokoll nicht festgehalten sind, zur Feststellung der Mitgliedschaft des Klägers im Wahlvorstand gelangt. Diese Vorgänge hat der Zeuge selbst wahrgenommen. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen hat das Landesarbeitsgericht nicht gesehen. Sie werden auch von der Revision nicht erhoben.

b) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, beruht die Wahl nicht auf zur Nichtigkeit führenden Mängeln.

aa) Nach § 17 Abs. 1 BetrVG wird der Wahlvorstand von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt. Besondere Vorschriften gelten nicht (Senatsurteil vom 7. Mai 1986, aa0; BAGE 18, 41 = AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 17 Rz 24; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 17 Rz 13). Da es sich um bloße Vorbereitungshandlungen zur Wahl handelt, ist "übertriebener Formalismus" fehl am Platz (BAGE 18, 41 = AP, aa0), wenn nicht gegen die Grundprinzipien einer demokratischen Wahl verstoßen wird. Eine Wahl durch Stimmzettel ist ebensowenig notwendig wie eine geheime Abstimmung. Die Wahl kann auch durch Handaufheben erfolgen (Dietz/Richardi, aa0; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aa0; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 17 Rz 8). Eine Protokollierung ist gleichfalls nicht vorgesehen.

bb) Der tatsächlichen Rechtslage entspricht auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG sei nicht darin zu sehen, daß die Gruppe der Angestellten im Wahlvorstand nicht berücksichtigt sei. Unstreitig sei ein Wahlvorschlag aus der Gruppe der Angestellten nicht festzustellen gewesen, wobei die Beklagte behauptet hat, Angestellte hätten nicht teilgenommen. Ist wie im Streitfall von einer nicht zu beanstandenden Einladung auszugehen, ist jedoch kein Mitglied der einen Gruppe bereit, im Wahlvorstand mitzumachen, dann wird dieser nur mit wählbaren Arbeitnehmern der anderen Gruppe besetzt (LAG Hamm, Beschluß vom 9. Dezember 1977, aa0; Dietz/Richardi, aa0, § 16 Rz 10; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aa0, § 16 Rz 10, 16; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 16 Rz 17; GK-Thiele, 3. Bearb., § 16 Rz 18). Eine fehlende Bereitschaft einer Gruppe liegt auch dann vor, wenn kein Mitglied der Gruppe zur Wahl erscheint.

cc) Auch hinsichtlich Zeit und Ort der Wahl ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen groben Verstoß gegen Wahlgrundsätze. Die Betriebsversammlung findet nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zwar grundsätzlich während der Arbeitszeit statt, zu anderer Zeit nur, soweit die Eigenart des Betriebes eine andere Regelung zwingend erfordert. Die Regelung wird auch als zwingend angesehen (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aa0, § 44 Rz 14; GK-Fabricius, § 44 Rz 3; Dietz/Richardi, aa0, § 44 Rz 11). Über die Lage der Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten hat das LAG zwar keine Feststellungen getroffen, aber das ist unschädlich. Zweck dieser Regelung ist es nämlich, die für die Wahl aufgewendete Zeit als Arbeitszeit ohne Lohnausfall zu behandeln (GK-Fabricius, § 44 Rz 2; Dietz/Richardi, aa0, § 44 Rz 1). Solange unter Angabe von Ort und Zeit der Betriebsversammlung zu dieser geladen wurde, macht die Verletzung dieser Vorschrift die Wahl allenfalls anfechtbar, jedoch nicht zu einer Nichtwahl. Das ausgehängte Einladungsschreiben enthält insoweit genaue Angaben.

dd) Schließlich führt auch eine etwaige Verkennung des Betriebsbegriffes insoweit, als das Einladungsschreiben sich an die Betriebsangehörigen aller Unternehmen der Firmengruppe richtete, allenfalls zur Anfechtbarkeit, nicht zur Nichtigkeit der Wahl (BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972). Anhaltspunkte dafür, daß der Betriebsbegriff willkürlich verkannt worden sei, hat das Landesarbeitsgericht ausgeschlossen.

5. Der Kläger war damit zum Kündigungszeitpunkt Mitglied des Wahlvorstandes, weil die Wahl nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts am 11. Juni 1986 durchgeführt worden ist. § 15 Abs. 3 KSchG stellt auf die Bekanntgabe des Wahlergebnisses ab. Anhaltspunkte dafür, das per "Einschreiben/Rückschein" abgesandte Kündigungsschreiben sei bis dahin nicht zugegangen, ergeben sich nicht. Angesichts des nachwirkenden Kündigungsschutzes kommt es darauf im übrigen nicht an.

a) Nach § 15 KSchG ist eine Kündigung des Klägers nur aufgrund von Tatsachen zulässig, die zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Die Beklagte hat indessen keine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Wie das Landesarbeitsgericht gem. § 561 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, bringt das Kündigungsschreiben vom 3. Juni 1986 nicht eindeutig zum Ausdruck, daß die als "fristgerecht" bezeichnete Kündigung eine außerordentliche habe darstellen sollen. Die Auslegung einer atypischen Willenserklärung durch den Tatrichter ist für das Revisionsgericht nur beschränkt daraufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, gegen Denk- oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder die Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sind, außer acht gelassen hat (BAGE 33, 119 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; BAGE 22, 424 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB; BAGE 4, 360 = AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Solche Fehler sind mit Rücksicht auf den eindeutigen Wortlaut nicht ersichtlich. Als fristgerecht wird die Kündigung auch in der Klageerwiderung bezeichnet, auf die das Landesarbeitsgericht über den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug nimmt.

Die Umdeutung einer ordentlichen in eine außerordentlich Kündigung kommt wegen deren weitergehenden Folgen nicht in Betracht (KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds. Rz 317).

b) Darüber hinaus ist die Kündigung gem. § 15 Abs. 3 Satz 1, § 103 BetrVG unwirksam. Besteht noch kein Betriebsrat, muß der Arbeitgeber, der dem Mitglied des Wahlvorstandes gegenüber wirksam eine außerordentliche Kündigung aussprechen will, analog § 103 Abs. 2 BetrVG das Zustimmungsverfahren beim Arbeitsgericht erfolgreich durchgeführt haben (BAGE 28, 152; 30, 320 = AP Nr. 2 und 4 zu § 15 KSchG 1969).

Hillebrecht Triebfürst Ascheid

Thieß Binzek

 

Fundstellen

Haufe-Index 438143

RzK, II 1e 3 (ST1-4)

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