Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsmitglied. Privatnutzung eines Dienstwagens. Freigestelltes Betriebsratsmitglied. Anspruch auf Überlassung eines Firmenfahrzeugs zur privaten Nutzung. Betriebsverfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Ein nach § 37 Abs. 2 BetrVG von der beruflichen Tätigkeit vollständig befreites Betriebsratsmitglied hat Anspruch auf Überlassung eines Firmenfahrzeugs zur privaten Nutzung, wenn ihm der Arbeitgeber vor der Freistellung zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt hatte und er dieses auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung auch privat nutzen durfte.

 

Orientierungssatz

  • Die Möglichkeit, ein im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses überlassenes Firmenfahrzeug privat zu nutzen, ist Teil der Arbeitsvergütung in Form eines Sachbezugs.
  • Wird der Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG vollständig von der berufichen Tätigkeit befreit, hat er nach § 611 BGB, § 37 Abs. 2 BetrVG weiterhin Anspruch auf die Überlassung eines Firmenfahrzeugs zur privaten Nutzung, da die Befreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG ohne Minderung des Arbeitsentgelts erfolgt.
  • Das gilt auch, wenn die Arbeitsvertragsparteien vertraglich vereinbart haben, dass die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs entschädigungslos endet, wenn eine Änderung der Aufgaben des Arbeitnehmers durch Anweisung des Arbeitgebers oder eine Freistellung von der Dienstpflicht keine Tätigkeit mit dienstlicher Fahrzeugnutzung mehr vorsieht. Eine vertragliche Vereinbarung, durch die Vergütungsbestandteile von dem während der Freistellung fortzuzahlenden Arbeitsentgelt ausgenommen werden, ist wegen des Verbots der Entgeltminderung nach § 37 Abs. 2 BetrVG und wegen des Benachteiligungsverbots in § 78 Satz 2 BetrVG unwirksam.
 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 2, § 78; BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 04.07.2003; Aktenzeichen 11 Sa 190/03)

ArbG Köln (Urteil vom 12.12.2002; Aktenzeichen 11 Ca 1243/02)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Juli 2003 – 11 Sa 190/03 – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Dezember 2002 – 11 Ca 1243/02 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

  • Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen PKW zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 194,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Mai 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 171,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Mai 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 285,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13. Juni 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 644,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11. Dezember 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 122,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Mai 2003 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 158,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Mai 2003 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 204,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Mai 2003 zu zahlen,
  • die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 224,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. Mai 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen PKW zur privaten Nutzung zu überlassen, sowie über Schadensersatzansprüche des Klägers.

Der Kläger ist als Vertriebsdisponent bei dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Er ist Mitglied des im Betrieb Region West der Beklagten bestehenden Betriebsrats. Die Beklagte stellte dem Kläger nach Maßgabe eines Vertrags vom 7. August 2000 ein Dienstfahrzeug zur Verfügung. In dem Vertrag heißt es:

“1. Fahrzeugüberlassung:

R… überlässt dem Mitarbeiter einen Pkw zur dienstlichen Nutzung. Ein Anspruch auf ein bestimmtes Fahrzeug (…) besteht nicht. (…)

2. Nutzung:

Die geschäftliche Nutzung (zB Durchführung von Kundenbesuchen bzw. potentiellen Firmenkontakten) hat Vorrang vor der Privatnutzung. (…)

3. Privatnutzung:

Das Firmenfahrzeug kann vom Mitarbeiter nach den Regelungen dieses Vertrages auch privat genutzt werden. Der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung wird entsprechend den jeweils gültigen Lohnsteuerrichtlinien in der Gehaltsabrechnung monatlich versteuert.(…)

4. Fahrzeugkosten:

Die Kosten für Kfz-Steuer und -Versicherung, für Wartung und Pflegedienst gemäß Inspektionsheft, Reparaturen, Betriebsstoffe und Wagenpflege werden von der Firma übernommen.

Bei Urlaubsfahrten in das Ausland trägt der Mitarbeiter die laufenden Betriebskosten (Kraftstoff, Öl, Wagenpflege).

9. Beendigung der Fahrzeugüberlassung:

Die Gebrauchsüberlassung eines Firmenfahrzeuges ist an das bestehende Arbeitsverhältnis gebunden und endet spätestens mit dessen Ende. Ein Anspruch auf Überlassung besteht nicht für Zeiten in denen das Arbeitsverhältnis ruht (zB Wehrdienst, Erziehungsurlaub, unbezahlter Urlaub) oder R… nicht zur Entgelt- bzw. Entgeltfortzahlung verpflichtet ist.(…)

Die Gebrauchsüberlassung endet auch, wenn eine Änderung der Aufgaben des Mitarbeiters durch Anweisung der Geschäftsleitung oder eine Freistellung von der Dienstpflicht keine Tätigkeit mit dienstlicher Fahrzeugnutzung mehr vorsieht.

Besteht Uneinigkeit über die Berechtigung einer Kündigung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so ist das Fahrzeug auf Verlangen Randstads anlässlich der Freistellung von der Dienstleistung sofort herauszugeben.

In allen Fällen der Beendigung der Gebrauchsüberlassung hat der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts des Mitarbeiters an dem Fahrzeug ist ausgeschlossen.”

Nachdem der Kläger nach § 37 Abs. 2 BetrVG zum Zwecke der Ausübung von Betriebratstätigkeiten vollständig von der beruflichen Tätigkeit befreit worden war, veranlasste ihn die Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar 2002 das Firmenfahrzeug zurückzugeben.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger von der Beklagten die erneute Überlassung eines Dienstwagens nunmehr nur zur privaten Nutzung sowie die Erstattung der ihm wegen des Entzugs des Fahrzeugs in der Zeit von Februar 2002 bis April 2003 entstandenen Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln verlangt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm auch während der Freistellung als Betriebsratsmitglied einen PKW zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Die Privatnutzung des Dienstwagens stelle einen geldwerten Vorteil dar, der ihm während der Freistellung als Betriebsratsmitglied nicht entzogen werden dürfe. Da die Beklagte ihm das Fahrzeug zu Unrecht vorenthalten habe, sei sie verpflichtet, ihm die durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstandenen Fahrtkosten als Schadensersatz zu erstatten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen;
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 194,50 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 171,65 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. April 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 285,20 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2002 zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 644,30 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. September 2002 aus 146,50 Euro, seit 1. Oktober 2002 aus 130,60 Euro, seit 1. November 2002 aus 156,40 Euro und seit 1. Dezember 2002 aus 210,80 Euro zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 122,40 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Februar 2003 zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 158,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. März 2003 zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 204,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. April 2003 zu zahlen,
  • die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 224,20 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Wesentlichen begründet. Sie führt zur weitgehenden Aufhebung des Berufungsurteils, zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung im gleichen Umfang und zur Stattgabe der Klage. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte nach § 611 BGB iVm. Nr. 3 des Vertrags vom 7. August 2000 und § 37 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, dem Kläger während der Dauer seiner Befreiung von der beruflichen Tätigkeit einen PKW zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Da die Beklagte gegen diese Verpflichtung in der Zeit von Februar 2002 bis April 2003 verstoßen hat, hat sie dem Kläger den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger allerdings nicht bereits ab dem ersten Tag des Monats zu, der auf die Entstehung der Fahrtkosten folgte, sondern erst ab Rechtshängigkeit. Der darüber hinaus geltend gemachte Zinsanspruch ist unbegründet. Insoweit war die Revision zurückzuweisen.

  • Der Klageantrag zu 1) ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 BGB iVm. Nr. 3 des Vertrags vom 7. August 2000 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Überlassung eines PKW zur privaten Nutzung. Dieser Anspruch besteht auch während der Befreiung des Klägers von der beruflichen Tätigkeit als Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Es kann dahinstehen, ob die Befreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG eine Freistellung iSv. Nr. 9 Unterabs. 2 des Vertrags vom 7. August 2000 ist, die zur entschädigungslosen Beendigung der Fahrzeugüberlassung führen soll. Eine Vereinbarung dieses Inhalts verletze das Verbot der Entgeltminderung in § 37 Abs. 2 BetrVG und wäre daher nach § 134 BGB nichtig.

    a) Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind die Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Den Betriebsratsmitgliedern steht während der Arbeitsbefreiung nach dem Lohnausfallprinzip dasjenige Arbeitsentgelt zu, das sie nach § 611 Abs. 1 BGB ohne Freistellung verdient hätten. Das Verbot der Entgeltminderung soll die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Übernahme eines Betriebsratsamts fördern. Ihm soll die Befürchtung genommen werden, Einkommenseinbußen durch die Wahrnehmung eines Ehrenamts zu erleiden. Dieses Ziel lässt sich nur erreichen, wenn der Arbeitnehmer weiterhin alle Vergütungsbestandteile erhält, die er ohne Freistellung erreicht hätte (BAG 16. August 1995 – 7 AZR 103/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 128, zu 1a der Gründe). Zum Arbeitsentgelt iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG zählen neben der Grundvergütung alle Zuschläge und Zulagen, die das Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsbefreiung verdient hätte, insbesondere Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Erschwernis- und Sozialzulagen (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 5. April 2000 – 7 AZR 213/99 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 131 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 141, zu 1 der Gründe mwN). Auch die Möglichkeit, einen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses überlassenen Dienstwagen für private Fahrten zu nutzen, ist Bestandteil des Arbeitsentgelts. Es handelt sich um eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeit in Form eines Sachbezugs (BAG 11. Oktober 2000 – 5 AZR 240/99 – BAGE 96, 34 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 13 = EzA MuSchG § 14 Nr. 15, zu A II 1b der Gründe; 27. Mai 1999 – 8 AZR 415/98 – BAGE 91, 379 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 12, zu I der Gründe; 16. November 1995 – 8 AZR 240/95 – BAGE 81, 294 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 4 = EzA BGB § 249 Nr. 21, zu B I 1 der Gründe; 23. Juni 1994 – 8 AZR 537/92 – AP BGB § 249 Nr. 34 = EzA BGB § 249 Nr. 20, zu II 1a der Gründe). Dabei ist unerheblich, ob das Fahrzeug vornehmlich zur Privatnutzung oder zur gemischt privat-dienstlichen Nutzung überlassen wird und ob die Privatnutzung Beschränkungen unterliegt. Nur wenn das Fahrzeug ausschließlich zur dienstlichen Nutzung überlassen wird, hat die Überlassung keinen Vergütungscharakter.

    b) Hiernach ist die Möglichkeit, einen Dienstwagen privat zu nutzen, Bestandteil der Vergütung des Klägers. In Nr. 2 des Vertrags vom 7. August 2000 haben die Parteien zwar vereinbart, dass die geschäftliche Nutzung des Dienstfahrzeugs Vorrang vor der Privatnutzung hat. Dem Kläger ist die private Nutzung aber nach Nr. 3 des Vertrags ausdrücklich erlaubt. Nach Nr. 4 des Vertrags trägt die Beklagte die Kosten für Kfz- Steuer und -Versicherung, für Wartung und Pflegedienst, Reparaturen, Betriebsstoffe und Wagenpflege einschließlich derjenigen Kosten, die bei Privatfahrten entstehen. Ausgenommen sind lediglich laufende Betriebskosten, die bei Urlaubsfahrten in das Ausland anfallen. Diesen Vergütungsbestandteil in der Form der privaten Nutzung eines PKW hat die Beklagte dem Kläger auch während der Befreiung von der beruflichen Tätigkeit als Betriebsratsmitglied zu gewähren.

    c) Aus Nr. 9 Unterabs. 2 der Vereinbarung vom 7. August 2000 ergibt sich nichts anderes. Danach endet die Gebrauchsüberlassung des Dienstwagens, wenn eine Änderung der Aufgaben des Mitarbeiters durch Anweisung der Geschäftsleitung oder eine Freistellung von der Dienstpflicht keine Tätigkeit mit dienstlicher Fahrzeugnutzung mehr vorsieht. Es kann dahinstehen, ob die Befreiung von der beruflichen Tätigkeit als Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG von dieser vertraglichen Regelung erfasst wird. Während der Befreiung als Betriebsratsmitglied fällt zwar keine Tätigkeit mit dienstlicher Fahrzeugnutzung an. Die Freistellung in Nr. 9 Unterabs. 2 des Vertrags wird jedoch im Zusammenhang mit der Änderung der Aufgaben durch Anweisung der Geschäftsleitung genannt. Dies lässt darauf schließen, dass mit der Freistellung iSd. Vertragsbestimmung die einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber, zB für die Dauer der Kündigungsfrist, gemeint ist, nicht jedoch eine Befreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG, die nicht einseitig vom Arbeitgeber vorgenommen wird, sondern auf einer Vereinbarung des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat beruht. Die Befreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG dürfte daher bereits nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht zur Beendigung der Gebrauchsüberlassung führen. Diese Frage bedarf jedoch letztlich keiner Entscheidung. Selbst wenn die Befreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG als Freistellung iSv. Nr. 9 Unterabs. 2 des Vertrags vom 7. August 2000 anzusehen sein sollte, verstieße die Vereinbarung insoweit gegen das Verbot der Entgeltminderung in § 37 Abs. 2 BetrVG und wäre daher wegen eines Verstoßes gegen ein Gesetz nichtig, § 134 BGB. Durch den entschädigungslosen Entzug der Möglichkeit, das Dienstfahrzeug privat zu nutzen, wird die Vergütung des Klägers um diesen Sachbezug gemindert. Das ist nach § 37 Abs. 2 BetrVG nicht zulässig. Wegen des Fehlens einer Öffnungsklausel in § 37 Abs. 2 BetrVG und wegen des Benachteiligungsverbots in § 78 Satz 2 BetrVG können die Arbeitsvertragsparteien nicht Vergütungsbestandteile von dem nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Arbeitsentgelt ausnehmen (BAG 5. April 2000 – 7 AZR 213/99 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 131 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 141, zu 1 der Gründe; 10. Februar 1988 – 7 AZR 36/87 – BAGE 58, 1 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 64 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 91, zu III der Gründe).

    d) Die Überlassung eines PKW zur privaten Nutzung auch während der Freistellung als Betriebsratsmitglied führt nicht zu einer Begünstigung des Klägers iSv. § 78 Satz 2 BetrVG.

    Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich eine Begünstigung nicht daraus, dass dem Kläger das Fahrzeug – anders als vor der Befreiung von der beruflichen Tätigkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG – nicht zur begleitenden, sondern zur ausschließlich privaten Nutzung überlassen ist. Denn der Zeitraum, in dem der Kläger das Fahrzeug privat nutzen kann, ändert sich durch die Befreiung als Betriebsratsmitglied nicht. Die private Fahrzeugnutzung ist dem Kläger nach wie vor nur außerhalb der Arbeitszeit möglich. Während der Arbeitszeit ist der Kläger an der Privatnutzung des Fahrzeugs durch seine Betriebsratstätigkeit gehindert. Die Arbeitgeberin könnte über die Nutzung des Fahrzeugs während dieser Zeit anderweit verfügen. Der Kläger erhält also im Vergleich zu einem nicht in dem Betriebsrat gewählten Mitarbeiter, dem ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt worden ist, keine Vergünstigung.

    Eine Begünstigung des Klägers besteht auch nicht darin, dass anderen freigestellten Betriebsratsmitgliedern oder anderen Vertriebsdisponenten der Beklagten kein Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung steht. § 37 Abs. 2 BetrVG stellt im Gegensatz zu § 37 Abs. 4 BetrVG nicht auf das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer ab, sondern allein auf die arbeitsvertragliche Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds, die während der Freistellung nicht gemindert werden darf.

  • Die Klageanträge zu 2) bis 9) sind – mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen – ebenfalls begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der durch die Vorenthaltung der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens von Februar 2002 bis April 2003 entstanden ist. Der Schadensersatzanspruch ergibt sich für die bis zum 31. Dezember 2002 angefallenen, mit den Klageanträgen zu 2) bis 5) geltend gemachten Fahrtkosten aus § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB aF, für die danach angefallenen, mit den Klageanträgen zu 6) bis 9) geltend gemachten Fahrtkosten aus § 280 Abs. 1, § 283, § 275 Abs. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (nF). Nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts auf Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch Arbeitsverhältnisse gehören, erst ab dem 1. Januar 2003 anzuwenden.

    Durch die auf Verlangen der Beklagten erfolgte Rückgabe des Dienstwagens Ende Januar 2002 wurde dem Kläger dessen Nutzung in der Zeit von Februar 2002 bis April 2003 unmöglich. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen zu privaten Zwecken zu nutzen, besteht auf der Zeitachse nur einmalig. Ist die Zeit verstrichen, kann die Nutzung nicht nachgeholt werden (BAG 27. Mai 1999 – 8 AZR 415/98 – BAGE 91, 379 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 12, zu I der Gründe). Die Unmöglichkeit beruht auf einer Pflichtverletzung der Beklagten, denn diese war nicht berechtigt, dem Kläger den auch für Privatfahrten überlassenen Dienstwagen zu entziehen. Diese Pflichtverletzung hat die vorsätzlich handelnde Beklagte zu vertreten. Sie ist dem Kläger deshalb zum Schadensersatz verpflichtet. Der konkrete Schaden des Klägers besteht in den durch die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln entstandenen, der Höhe nach unstreitigen Kosten.

    Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nur zum Teil begründet. Die Beklagte hat die geschuldeten Beträge nach § 291 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Auf die darüber hinaus geltend gemachten Verzugszinsen ab dem jeweiligen Ersten des auf die Entstehung der Fahrtkosten folgenden Monats hat der Kläger keinen Anspruch. Voraussetzung dafür wäre, dass die Beklagte mit der Erstattung der Fahrtkosten in Verzug geraten wäre, ohne dass es einer Mahnung bedurfte (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB aF, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nF). Das ist jedoch nicht der Fall. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist keine Leistung, für die eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist.

  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Krasshöfer, Gerschermann, G. Güner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1239925

BB 2004, 2360

BB 2005, 111

DB 2004, 2702

NWB 2004, 2556

EBE/BAG 2004, 162

EBE/BAG 2004, 2

ARST 2004, 261

FA 2004, 279

FA 2004, 374

FA 2005, 46

NZA 2004, 1287

SAE 2005, 179

AP, 0

AuA 2004, 41

EzA-SD 2004, 16

EzA-SD 2004, 3

EzA

PERSONAL 2004, 54

PersV 2005, 237

ZMV 2004, 199

AUR 2004, 477

ArbRB 2004, 197

ArbRB 2004, 369

BAGReport 2004, 363

GuS 2004, 62

SJ 2004, 48

SPA 2004, 4

V&S 2005, 9

b&b 2004, 365

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge