Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung einer Jahreszuwendung

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV, wonach der Arbeiter die Zuwendung nicht erhält, wenn er in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, setzt voraus, daß das Ausscheiden auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Vertragsverletzung des Arbeiters beruht.
  • Scheidet der Arbeiter aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis aus, muß das schuldhafte Verhalten für die Kündigung ausschlaggebend gewesen sein.
  • Dem Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV steht nicht entgegen, daß der Sachverhalt, der den Anspruch auf Zuwendung ausschließt, sich vor Zahlung der Zuwendung ereignet hat und dem Arbeitgeber bei der Zahlung bekannt war.
 

Normenkette

BMT-G II; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter (Zuwendungs-TV) vom 12. Oktober 1973 § 1; BGB § 276; ZPO § 322

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 15.08.1989; Aktenzeichen 12 Sa 717/89)

ArbG Duisburg (Urteil vom 17.05.1989; Aktenzeichen 1 Ca 590/89)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. August 1989 – 12 Sa 717/89 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung der tariflichen Zuwendung für das Jahr 1987.

Der Beklagte war seit dem 1. September 1972 als Gärtner bei der Klägerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter vom 12. Oktober 1973 (Zuwendungs-TV) Anwendung.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. August 1987 zum 31. März 1988 und begründete dies mit hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten und dem Verhalten des Beklagten. Der Beklagte erhob Kündigungsschutzklage. Im November 1987 zahlte die Klägerin dem Beklagten die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV in Höhe von 1.673,19 DM.

Die Kündigungsschutzklage wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. November 1988 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen stellte das Landesarbeitsgericht in erster Linie auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Beklagten ab, die in sechs Jahren 800 Kalendertage betragen hatten. Es begründete seine Entscheidung ferner damit, daß die Stadt die Kündigung auch auf verhaltensbedingte Gründe stützen könne.

Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 16. Mai 1988 den Beklagten aufgefordert hatte, die für das Jahr 1987 erhaltene Zuwendung zurückzuzahlen, hat sie ihren Anspruch nach Abschluß des Kündigungsschutzprozesses weiterverfolgt. Sie hat den Anspruch auf folgende Bestimmungen des Zuwendungs-TV gestützt:

“§ 1

Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Arbeiter erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er

3. nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

(5) Hat der Arbeiter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 … die Zuwendung erhalten, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen …

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Rückzahlung der Zuwendung ergebe sich aus § 1 Abs. 5 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 3 Zuwendungs-TV. Der Beklagte sei zum 31. März 1988 aus seinem Verschulden ausgeschieden. Die Kündigung habe auf verhaltensbedingten Gründen beruht. Dies ergebe sich aus den auch im Kündigungsschutzprozeß vorgetragenen Tatsachen, zu denen maßgeblich der Umstand gehört habe, daß der Beklagte am 15. Dezember 1986, nachdem ihm mitgeteilt worden war, der von ihm für Weihnachten 1986 beantragte Resturlaub aus dem Jahre 1985 sei verfallen, erklärt habe: “Scheiße, acht Tage Urlaub, morgen Doktor, 15 Tage Urlaub”. Auf diese und weitere verhaltensbedingte Gründe habe auch das Landesarbeitsgericht sein Urteil im Kündigungsschutzprozeß gestützt. Dies sei für den vorliegenden Rechtsstreit bindend. Dadurch, daß sie die Zuwendung trotz der bereits ausgesprochenen Kündigung ausgezahlt habe, habe sie einen weiteren Rechtsstreit vermeiden wollen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.673,19 DM nebst 4,5 % Zinsen seit dem 15. März 1989 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei nicht wegen seines Verhaltens, sondern wegen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten ausgesprochen worden. Das ihm vorgeworfene Verhalten hätte nicht ausgereicht, eine Kündigung zu rechtfertigen. Einem Rückzahlungsanspruch stehe auch entgegen, daß die Klägerin die Zuwendung in Kenntnis der bereits ausgesprochenen Kündigung gezahlt habe. Außerdem habe er das Geld inzwischen verbraucht.

Das Arbeitgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, daß der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung der Zuwendung für das Jahr 1987 nicht zusteht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Rückzahlungsanspruch abgelehnt, weil der Beklagte nicht aus seinem Verschulden zum 31. März 1988 ausgeschieden sei. Die verhaltensbedingten Kündigungsgründe seien im vorliegenden Rechtsstreit selbständig zu bewerten. Sie seien allein nicht geeignet, die Kündigung sozial zu rechtfertigen. Selbst wenn man sie neben den personenbedingten Gründen für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung heranziehe, begründe dies nicht den Schluß, das Ausscheiden des Beklagten beruhe auf seinem Verschulden. Denn die verhaltensbedingten Gründe seien für die Kündigung nicht ausschlaggebend gewesen. Außerdem bestehe ein Rückforderungsanspruch auch deshalb nicht, weil die Klägerin in Kenntnis ihrer Nichtschuld gezahlt habe und die Bereicherung des Beklagten weggefallen sei.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin kann weder aufgrund des Zuwendungstarifvertrages noch aus dem Gesichtspunkt der angerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung der Zuwendung für das Jahr 1987 verlangen.

1. Nach § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV hat der Arbeiter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 die Zuwendung in voller Höhe zurückzuzahlen. Durch Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV machen die Tarifvertragsparteien den Rückzahlungsanspruch davon abhängig, daß der Arbeiter in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist. Diese tariflichen Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin liegen nicht vor.

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem Anspruch nicht entgegen, daß die Klägerin die Zuwendung im November 1987 und damit in einem Zeitpunkt gezahlt hat, in dem sie die Kündigung bereits ausgesprochen hatte, die ihrer Ansicht nach zum Wegfall des Anspruchs auf die Zuwendung führt.

Nach dem Tarifwortlaut, der neben dem tariflichen Gesamtzusammenhang bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen ist (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), fordern die Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV nicht, daß das zum Ausscheiden des Arbeiters bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres führende Ereignis erst nach Auszahlung der Zuwendung eintritt. Der Anspruch auf Rückzahlung hängt vielmehr allein davon ab, daß der Arbeiter die tariflichen Voraussetzungen für den Bezug der Zuwendung nicht erfüllt. Die Tarifnorm macht den Rückzahlungsanspruch nicht davon abhängig, daß der zuwendungsschädliche Sachverhalt sich erst nach Zahlung der Zuwendung ereignet hat.

Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang steht der Auslegung des Berufungsgerichts entgegen. § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV regelt als einzige Bestimmung des Tarifvertrags den Anspruch auf Rückzahlung einer ausgezahlten Zuwendung. Dies läßt darauf schließen, daß die Tarifvertragsparteien alle Fälle einbeziehen wollen, in denen eine Zuwendung zurückzuzahlen ist. Die Bestimmung erfaßt somit gleichermaßen die Fälle, in denen die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zuwendung nach ihrer Zahlung weggefallen sind, wie auch die, in denen sie von vornherein – gleichgültig aus welchen Gründen – nicht vorgelegen haben. In allen Fällen soll ein Rückzahlungsanspruch gegeben sein. Allein diese Tarifauslegung führt zu, einem sachgerechten und praktikablen Ergebnis. Der tarifliche Rückforderungsanspruch soll nicht von den Zufälligkeiten des Auszahlungszeitpunkts der Zuwendung oder des Eintritts bzw. der Kenntnis der zuwendungsschädlichen Gründe des Ausscheidens, sondern allein davon abhängen, ob die Anspruchsvoraussetzungen objektiv vorgelegen haben oder nicht.

3. Der Beklagte ist nicht aus seinem Verschulden zum 31. März 1988 ausgeschieden.

a) Die Tarifvertragsparteien haben den Tatbestand des Ausscheidens aus eigenem Verschulden nicht näher erläutert. Sie haben durch die Bezugnahme auf das Verschulden aber einen Begriff verwendet, der in der Rechtsterminologie einen vorgegebenen Inhalt hat (§ 276 BGB). Ursache des Ausscheidens muß demzufolge eine vorsätzliche oder fahrlässige Vertragsverletzung des Arbeitnehmers sein.

Erfolgt das Ausscheiden aufgrund einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung, so führt dies zum Verlust der Zuwendung, wenn die Kündigung ihre Ursache allein in einem schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers hat (vgl. BAG Urteil vom 23. Februar 1967 – 5 AZR 234/66 – AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation). Welches Gewicht den verhaltensbedingten Gründen beizumessen ist, wenn sie neben anderen – z.B. personenbedingten – Gründen zur Begründung der Kündigung herangezogen werden, ergibt sich nicht aus dem Tarifwortlaut. Jedoch läßt der tarifliche Gesamtzusammenhang den Schluß zu, daß das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers die Kündigung unmittelbar verursacht und herbeigeführt haben muß. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV das Ausscheiden auf eigenen Wunsch dem Ausscheiden aus eigenem Verschulden gleichgesetzt. Ein Ausscheiden auf eigenen Wunsch liegt vor, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitnehmers erfolgt. Dies ist der Fall, wenn er den Beendigungstatbestand unmittelbar verursacht und herbeiführt (vgl. BAG Urteil vom 31. Januar 1979 – 5 AZR 551/77 – AP Nr. 101 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteil vom 21. Februar 1991 – 6 AZR 617/89 – nicht veröffentlicht). In gleicher Weise ist zu beurteilen, ob das Ausscheiden aus eigenem Verschulden erfolgte. Dies bedeutet bei einem Ausscheiden aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber, daß das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers unmittelbar ursächlich und damit ausschlaggebend für den Ausspruch der Kündigung gewesen sein muß.

b) Das Landesarbeitsgericht ist damit vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen, wenn es geprüft hat, ob das dem Beklagten von der Klägerin vorgeworfene Verhalten die Kündigung rechtfertigte oder unter Berücksichtigung der personenbedingten Gründe für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit ausschlaggebend war. Die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts kann vom Revisionsgericht nur dahingehend überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht den zutreffend interpretierten Rechtsbegriff bei der Subsumtion wieder aufgegeben hat, oder gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen außer acht gelassen hat (vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 1988 – 4 AZR 585/87 – AP Nr. 15 zu § 24 BAT).

Derartige Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen. Das Landesarbeitsgericht hat im einzelnen unter Abwägung aller Umstände geprüft, ob das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten die Kündigung allein sozial gerechtfertigt hätte, und dies verneint. Zur Begründung hat es in bezug auf die Äußerungen des Beklagten vom 15. Dezember 1986 auf die fehlende Abmahnung verwiesen. Den weiteren Vortrag der Klägerin zur verhaltensbedingten Kündigung hat es als unsubstantiiert angesehen bzw. ihn für die soziale Rechtfertigung der Kündigung als nicht maßgebend erachtet. In einer abschließenden Gesamtschau der personen- und verhaltensbedingten Gründe ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, die verhaltensbedingten Gründe seien nicht auschlaggebend und tragend für die Kündigung gewesen. Dies ist unter Berücksichtigung des dem Tatsachengericht zukommenden Beurteilungsspielraums revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Die Bewertung der Kündigungsgründe durch das Landesarbeitsgericht steht auch im Einklang mit ihrer Beurteilung in der Berufungsinstanz des Kündigungsschutzprozesses. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte im Urteil vom 8. November 1988, in dem die Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen wurde, zur Begründung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung in erster Linie auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten abgestellt und nur ergänzend das Verhalten des jetzigen Beklagten herangezogen.

d) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Kündigungsgründe im vorliegenden Verfahren daraufhin zu überprüfen sind, ob sie den Schluß zulassen, daß das Ausscheiden des Beklagten auf seinem Verschulden beruhte. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes erwachsen auch im Kündigungsschutzprozeß nicht die Entscheidungsgründe in Rechtskraft, sondern gemäß § 322 ZPO nur die festgestellte Rechtsfolge. Dies war vorliegend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1988.

4. Da der Beklagte aufgrund der Kündigung zum 31. März 1988 nicht aus seinem Verschulden ausgeschieden ist, erfüllte er die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Zuwendung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV. Ein Rückzahlungsanspruch nach § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV ist damit nicht begründet. Ein Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts somit schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte die Zuwendung nicht rechtsgrundlos erlangt hat.

III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Ostkamp, Buschmann

Richter Dr. Armbrüster ist dienstunfähig erkrankt und daher verhindert, seine Unterschrift beizufügen.

Dr. Peifer

 

Fundstellen

Haufe-Index 838607

BAGE, 251

BB 1992, 922

NJW 1992, 2045

NZA 1992, 1086

RdA 1992, 283

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