Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung. Tarifauslegung: Hier Auslegung des Begriffs “Kündigungsfrist”

 

Orientierungssatz

  • Regeln die Tarifvertragsparteien eine Materie unter einem bestimmten Begriff und verwenden sie diesen einheitlich und ohne nähere Bezeichnungen auch im übrigen Tarifwerk, so ist davon auszugehen, daß der Begriff im Sinne der tariflichen Regelungen verstanden werden soll.
  • Ist der im Tarifvertrag gebrauchte Begriff im übrigen weder gesetzlich definiert, noch nach der Anschauung der beteiligten Fachkreise und auch in der Alltagssprache in seiner Bedeutung eindeutig (hier: “Kündigungsfrist”), so erhalten systematische Auslegungskriterien entscheidendes Gewicht.
  • Heißt es in einem Tarifvertrag ausdrücklich, daß bei bestimmten Leistungen systematisch nicht einschlägige Tarifregeln anzuwenden sind, so kann dies den Umkehrschluß zulassen, daß ohne solche besonderen Bestimmungen die tariflichen Regelungen uneingeschränkt und ohne Abwandlung zur Anwendung kommen sollen.
 

Normenkette

TVG § 1 Auslegung

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Urteil vom 16.05.2001; Aktenzeichen 7 Sa 77/01)

ArbG Eberswalde (Urteil vom 17.11.2000; Aktenzeichen 5 Ca 996/00)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 16. Mai 2001 – 7 Sa 77/01 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der gekündigte Kläger einen tariflichen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld auch für den Zeitraum hat, der über die Dauer der tariflichen Mindestkündigungsfrist hinausgeht.

Der am 29. August 1943 geborene Kläger war seit 1968 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen als Profilierer beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Stahlindustrie von Brandenburg, Mecklenburg/Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin-Ost vom 25. März 1991 in der Fassung der Änderungstarifverträge vom 9. Februar 1994 und vom 1. August 1995 (MTV) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Im Dezember 1999, als sich der Kläger in “Kurzarbeit Null” befand, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 31. Dezember 2000. Nach § 17 Ziffer 6.1.3 MTV betrug die Kündigungsfrist sieben Monate zum Monatsende.

Der Kläger erhielt eine Sozialplanabfindung und blieb bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter in “Kurzarbeit Null”. Für die Zeit von Januar bis Mai 2000 erhielt er lediglich Kurzarbeitergeld, für die Zeit danach zahlte die Beklagte von Juni bis Dezember 2000 einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld.

Die Zahlung des Zuschusses ist tarifvertraglich in § 8 Ziffer 4 MTV geregelt. Die Bestimmung lautet:

“Wird einem Arbeitnehmer vor Einführung, bei Beginn oder während der Kurzarbeit gekündigt, so hat er für die Dauer der Kündigungsfrist Anspruch auf einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld, durch den er einschließlich des Kurzarbeitergeldes einen Verdienst erhält, der der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entspricht. …”

Bei der Neuregelung der tariflichen Kündigungsfristen durch den Änderungstarifvertrag vom 9. Februar 1994 haben die Tarifvertragsparteien unterschieden zwischen Kündigungen, die bis zum 31. Dezember 1994 ausgesprochen werden (§ 17 Ziffer 6.1.1 MTV), solchen, die im Jahre 1995 ausgesprochen werden (§ 17 Ziffer 6.1.2 MTV) und den ab 1. Januar 1996 ausgesprochenen Kündigungen (§ 17 Ziffer 6.1.3 MTV). Dabei bestimmt eine Protokollnotiz zu § 17 Ziffer 6.1.2 MTV, also für Kündigungen während des Jahres 1995:

“Für die Dauer des Anspruchs auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld gem. § 8 Ziff. 4 werden für Kündigungen, die nach dem 31.12.1994, jedoch nicht nach dem 31.12.1995 ausgesprochen werden, die Kündigungsfristen des § 17 Ziffer 6.1.1 zugrunde gelegt.”

Mit seiner Klage verlangt der Kläger den Zuschuß zum Kurzarbeitergeld auch für die Monate Januar bis Mai 2000. Zur Auslegung des § 8 Ziffer 4 MTV hat er die Auffassung vertreten, daß “für die Dauer der Kündigungsfrist” nur den Zeitraum zwischen dem Zugang der Kündigungserklärung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedeuten könne. Da die Beklagte die Kündigung mit Jahresfrist ausgesprochen habe, müsse sie den Kurzarbeitergeld-Zuschuß auch für die restlichen fünf Monate des Jahres 2000 an ihn zahlen. Darüber hinaus sei er, da er das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb länger als 15 Jahre angehört habe, gemäß § 17 Ziffer 6.2 MTV nur noch ausnahmsweise ordentlich kündbar. Für diese Fälle bestimme aber § 143a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB III eine Kündigungsfrist von einem Jahr.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.157,25 DM brutto minus 6.886,00 DM netto nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 29. Juni 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat § 8 Ziffer 4 MTV dahingehend ausgelegt, daß der Zuschuß nur für die Dauer der tariflichen Mindestkündigungsfrist zu zahlen ist.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Über die siebenmonatige tarifliche Kündigungsfrist hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld, wie die Auslegung des § 8 Ziffer 4 MTV ergibt.

  • Die Auslegung eines Tarifvertrages durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 12. August 1959 – 2 AZR 75/59 – BAGE 8, 91, 96). Tarifverträge sind grundsätzlich wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen zu berücksichtigen, sofern und soweit dies in den Tarifnormen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur aus ihm und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden kann (BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308). Noch verbleibende Zweifel können ohne Bindung an eine Reihenfolge mittels weiterer Kriterien wie der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch der praktischen Tarifübung geklärt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
  • Der im Wortlaut des § 8 Ziffer 4 MTV verwendete Begriff der “Kündigungsfrist”, für die der Arbeitnehmer einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld erhalten soll, ist im Tarifvertrag nicht weiter bezeichnet oder definiert.

    1. Aus dem Fehlen eines klarstellenden Zusatzes wie zB “tarifvertragliche” Kündigungsfrist kann nicht geschlossen werden, daß es in jedem Fall auf die vom Arbeitgeber gewählte Kündigungsfrist ankäme. Der MTV verwendet vielmehr den Begriff der “Kündigungsfrist” stets ohne Zusätze, und zwar auch dann, wenn es wie in § 17 MTV oder in § 8 Ziffer 3 MTV um Länge und Dauer der tariflichen Kündigungsfristen geht. Lediglich § 17 Ziffer 5 MTV in der Fassung vor dem Änderungstarifvertrag vom 9. Februar 1994 verwies noch auf eine “gesetzliche Kündigungsfrist”. Ebenso werden die tariflichen Kündigungsfristen des § 17 MTV nicht weiter als “Mindestkündigungsfristen” oder ähnliches bezeichnet, so daß viel dafür spricht, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der “Kündigungsfrist” im Tarifwerk einheitlich gebraucht haben.

    2. Die Tarifvertragsparteien haben die Kündigungsfristen als abgegrenzte, bestimmte Zeiträume in § 17 MTV normativ geregelt. Wenn sie außerhalb dieser Bestimmungen im übrigen Tarifwerk ohne nähere Bezeichnung und einheitlich den Begriff “Kündigungsfrist” verwenden, so spricht dies dafür, daß unter “Kündigungsfrist” als Tarifbegriff die tarifliche Kündigungsfrist zu verstehen ist. Dies unterscheidet das vorliegend auszulegende Tarifwerk von dem Sachverhalt, den der Senat in seinem Urteil vom 7. November 1995 (– 3 AZR 870/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 138 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 105) zu behandeln hatte. Für den damaligen tariflichen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld kam es in der maßgeblichen Variante überhaupt nicht auf eine Kündigungsfrist an, bei anderer Fallgestaltung aber auf die so bezeichnete “tarifliche Kündigungsfrist”. Da das auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwendende Tarifwerk derartige Differenzierungen nicht vorsieht, spricht dies dafür, daß § 8 Ziffer 4 MTV auf die tarifvertragliche Kündigungsfrist verweist, im Fall des Klägers also auf die sieben Monate zum Kalendermonats-Ende, § 17 Ziffer 6.1.3 MTV.

    3. Gesetzlich ist der Begriff der “Kündigungsfrist” nicht definiert. Zwar kann man grundsätzlich darauf abstellen, daß Tarifvertragsparteien einen Begriff im Tarifvertrag, der auch im Gesetz in Voraussetzungen und Folgen beschrieben ist, so verstanden wissen wollen, wie er im Gesetz verstanden wird (BAG 1. April 1987 – 4 AZR 397/86 – BAGE 55, 171). Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird der Begriff der “Kündigungsfrist” auch bei den Regelungen zum Arbeitsverhältnis, zur Wohnraummiete und -untermiete, zur Pacht und zum Dienstverhältnis verwendet. Eine gesetzliche Definition findet sich aber an keiner Stelle. Darüber hinaus ist der Sinngehalt des Gesetzesbegriffes unterschiedlich: In § 622 Abs. 15 BGB werden Mindestkündigungsfristen, in § 622 Abs. 6 und § 624 BGB dagegen Höchstkündigungsfristen normiert (vgl. ErfK/Müller-Glöge 3. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 30).

    4. Die Frage, ob in Zusammenhängen wie dem vorliegenden “Kündigungsfrist” als tatsächliche Frist oder nur als normativ vorgeschriebene Mindestfrist zu verstehen ist, wird auch in Schrifttum und Rechtsprechung nicht abschließend behandelt. Die juristische Literatur beschäftigt sich mit “Mindestkündigungsfristen”, “Grundkündigungsfristen” und “verlängerten Kündigungsfristen” und definiert im übrigen, ohne auf die hier interessierende Frage einzugehen, “Kündigungsfrist” allgemein als “Mindestfrist, die der Kündigende ausschöpfen kann, aber nicht ausschöpfen muß” (Löwisch KSchG 8. Aufl. Vorbemerkungen zu § 1 Rn. 68) oder als Zeitraum, der zwischen Zugang der Kündigungserklärung beim Adressaten und dem Zeitpunkt liegt, zu dem gekündigt werden soll (Düwell Änderungs- und Beendigungskündigung nach dem neuen Insolvenzrecht in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung – Das neue Insolvenzrecht in der Praxis 2. Aufl. Rn. 44 S 1448).

    Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil zu § 4 Nr. 5 GMTV Rheinland-Pfalz (1. August 2001 – 4 AZR 810/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 178 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 124) “Kündigungsfrist” im Sinne der dortigen Tarifbestimmung als den Zeitraum verstanden, der tatsächlich zwischen Zugang der Kündigungserklärung und dem vorgesehenen Kündigungstermin liegt. Maßgeblich für diese Auslegung war aber, daß die dortige Tarifnorm – im Gegensatz zu § 8 Ziffer 4 MTV – von dem Grundfall des zunächst nicht in die Kurzarbeit einbezogenen gekündigten Arbeitnehmers ausging. Im Gegensatz dazu regelt der hier auszulegende Tarifvertrag ausschließlich den Fall des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld, beschäftigt sich also nur mit in die Kurzarbeit einbezogenen Arbeitnehmern. Die systematischen Erwägungen des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts lassen sich daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragen.

    5. Ebenso ist der allgemeine Sprachgebrauch nicht eindeutig. Ihm zufolge kann “Kündigungsfrist” verstanden werden, als “Zeitraum zwischen Zugang der Kündigung u. Ende des Rechtsverhältnisses”, also im tatsächlichen Sinne (Brockhaus-Wahrig Deutsches Wörterbuch 4. Band 1982 S 349, ähnlich auch Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl. S 782), ebenso aber auch als “einzuhaltende Frist, die mindestens zwischen dem Zugang der Kündigung und dem Zeitpunkt liegen muß, an dem das Dauerschuldverhältnis enden soll”, also im Sinne einer Mindestkündigungsfrist (Meyers Enzyklopädisches Lexikon Band 14 1975 S 448).

  • Vorliegend ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der “Kündigungsfrist” einheitlich im Sinne einer tariflichen Mindestkündigungsfrist verwendet haben. Denn bei der Regelung von Kündigungen, die während des Jahres 1995 ausgesprochen werden, haben sie in der Protokollnotiz zu § 17 Ziffer 6.1.2 MTV ausdrücklich die Bedeutung des Begriffs “Kündigungsfrist” für die Dauer des Anspruchs nach § 8 Ziffer 4 MTV geregelt. Für den Kurzarbeitergeld-Zuschuß für im Jahre 1995 gekündigte Arbeitnehmer wird auf die (kürzeren) Kündigungsfristen des § 17 Ziffer 6.1.1 MTV verwiesen, also auf die Kündigungsfristen, die für Kündigungen gelten, die bis zum 31. Dezember 1994 ausgesprochen wurden. Dies läßt systematisch nur den Schluß zu, daß in § 8 Ziffer 4 MTV die Tarifvertragsparteien grundsätzlich von der Anwendung der tariflichen Kündigungsfrist ausgegangen sind. Die Protokollnotiz im Änderungstarifvertrag vom 9. Februar 1994, der die tariflichen Kündigungsfristen des § 17 MTV neu regelte, ist dabei als Übergangsbestimmung zu verstehen: Für den Zuschuß zum Kurzarbeitergeld sollten nicht nur für die bis 31. Dezember 1994 ausgesprochenen Kündigungen die Kündigungsfristen des § 17 Ziffer 6.1.1 MTV gelten, sondern auch für die weiteren, während des Jahres 1995 ausgesprochenen Kündigungen. Für die ab 1996 gegenüber Kurzarbeitern ausgesprochenen Kündigungen sollten dann, nach Ablauf der Übergangsfrist, die Kündigungsfristen des § 17 Ziffer 6.1.3 MTV gelten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der “Kündigungsfrist” in § 8 Ziffer 4 MTV unterschiedlich verstanden haben, je nachdem, wann eine Kündigung ausgesprochen werden sollte. Aus der Protokollnotiz zu § 17 Ziffer 6.1.2 ergibt sich, daß sie grundsätzlich von der tariflichen Kündigungsfrist ausgegangen sind, da sonst die in der Protokollnotiz festgelegte, übergangsweise Ausnahme keinen Sinn machte.
  • Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus § 143a Abs. 1 Satz 4 SGB III keine Mindestkündigungsfrist von einem Jahr. Wie bereits die Vorinstanzen richtig gesehen haben, regelt die Vorschrift lediglich, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld ruht. Die einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist wird durch diese sozialrechtliche Bestimmung nicht berührt. Hätte die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung lediglich die tarifliche Kündigungsfrist von sieben Monaten angewendet (§ 17 Ziffer 6.1.3 MTV), so wäre ihre Kündigung jedenfalls insoweit nicht unwirksam gewesen, hätte aber hinsichtlich der Ansprüche des Klägers gegen den Sozialversicherungsträger zu einem fünfmonatigen Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs geführt. Wenn die Beklagte zur Meidung derartiger Nachteile für den Kläger eine längere Kündigungsfrist eingehalten hat als sie einzuhalten verpflichtet war, so bedeutete es einen Wertungswiderspruch, wenn dies zur Folge hätte, daß sie zur Zahlung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld länger verpflichtet wäre als nur für die Zeit der tarifvertraglichen Kündigungsfrist. Es wäre weder vernünftig noch sachgerecht, einer Tarifauslegung den Vorzug zu geben, die den Arbeitgeber davon abhält, Kündigungen mit längerer als der tariflichen Kündigungsfrist auszusprechen, was notwendig sozialversicherungsrechtliche Nachteile für die Arbeitnehmer mit sich bringt.
 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Schmidt, H. Frehse

 

Fundstellen

NZA 2003, 880

AP, 0

EzA

NJOZ 2003, 1883

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