Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Urlaubsabgeltungsanspruch. Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 33 Nr. 7c TVAL II ist nicht davon abhängig, daß ein Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder danach arbeitsfähig und arbeitsbereit ist (Anschluß an BAG Urteil vom 8. März 1984 – 6 AZR 560/83 – BAGE 45, 203 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung).

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, § 13; Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland i.d.F. vom 1. Januar 1984 § 33 Nrn. 4, 6, 7c

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 09.03.1988; Aktenzeichen 7 Sa 1050/87)

ArbG München (Urteil vom 17.09.1987; Aktenzeichen 29 Ca 3752/87)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 9. März 1988 – 7 Sa 1050/87 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger zu 1) war als Sachbearbeiter, der Kläger zu 2) als Kühlmechaniker bei dem “Headquarters Army und Air Force Exchange Service Europe” der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien war der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, zuletzt in der Fassung vom 1. Januar 1984 (TVAL II) anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:

“§ 33

Erholungsurlaub

  • Teilurlaub

    • Scheidet der Arbeitnehmer wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit oder deshalb aus dem Beschäftigungsverhältnis aus, weil er Altersruhegeld bezieht, so beträgt der Urlaubsanspruch

      • sechs Zwölftel, wenn das Beschäftigungsverhältnis in der ersten Hälfte
      • zwölf Zwölftel, wenn das Beschäftigungsverhältnis in der zweiten Hälfte

      des Urlaubsjahres endet.

  • Übertragung des Urlaubs

    • Der Urlaub soll im laufenden Kalenderjahr erteilt und genommen werden.

      Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur zulässig, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.

    • Bei Übertragung auf das nächste Kalenderjahr muß der Urlaub bis zum 31. März angetreten sein. Kann der Arbeitnehmer den Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März antreten, so muß der Urlaub innerhalb von zwei Monaten nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erteilt und angetreten werden.
  • Abgeltung des Urlaubs

    • Der Urlaub wird grundsätzlich in bezahlter Arbeitsbefreiung erteilt.
    • Ist das Beschäftigungsverhältnis gekündigt, so muß der dem Arbeitnehmer noch zustehende Urlaub während der Kündigungsfrist erteilt werden.
    • Lassen dringende betriebliche oder zwingende persönliche Gründe die Erteilung des Urlaubs bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zu, so wird der verbleibende Urlaubsanspruch in bar abgegolten.”

Der Kläger zu 1) ist seit 17. Juli 1985, der Kläger zu 2) seit 30. September 1985 arbeitsunfähig krank. Beide Kläger schieden am 30. Juni 1986 wegen Erwerbsunfähigkeit aus ihren Arbeitsverhältnissen aus. Im Juli 1986 verlangten sie Abgeltung ihres Urlaubs für 1985 und 1986 in unstreitiger Höhe. Beide Ansprüche wurden wegen der Arbeitsunfähigkeit der Kläger abgelehnt.

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 8.955, 69 DM zu verurteilen.

Der Kläger zu 2) hat einen entsprechenden Antrag in Höhe von 3.031, 54 DM gestellt.

Die Beklagte hat beantragt, beide Klagen abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Klägers zu 1) abgewiesen und der Klage des Klägers zu 2) stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers zu 1) der Klage stattgegeben und die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Klägers zu 2) zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte beide Klageabweisungsanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht beiden Klagen stattgegeben. Den Klägern stehen die beantragten Urlaubsabgeltungsansprüche zu.

1. Beim Ausscheiden am 30. Juni 1986 hatte der Kläger zu 1) noch Anspruch auf 26 Urlaubstage aus dem Jahre 1985 und 18 Urlaubstage aus dem Jahre 1986. Dem Kläger zu 2) waren zu diesem Zeitpunkt 10 Urlaubstage aus dem Jahre 1985 und 18 Urlaubstage aus dem Jahre 1986 noch nicht gewährt. Die Urlaubsansprüche der Kläger für 1985 waren nach § 33 Nr. 6a TVAL II wegen Krankheit (= in der Person liegender Grund) auf das Kalenderjahr 1986 übertragen und sind wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit der Kläger auch nicht am 31. März 1986 erloschen (§ 33 Nr. 6b Satz 2 TVAL II).

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Urlaubsansprüche der Kläger nicht deshalb als gemindert angesehen, weil die Kläger 1985 nur teilweise und 1986 gar keine Arbeitsleistungen erbracht haben. Der Urlaubsanspruch setzt nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der Wartezeit, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraus (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z.B. BAGE 52, 67, 69 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe).

2. Mit dem Ausscheiden der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1986 haben sich ihre Urlaubsansprüche gemäß § 33 Nr. 7c TVAL II in Abgeltungsansprüche gewandelt. Die tariflichen Voraussetzungen sind gewahrt, da die Kläger durch Krankheit gehindert waren, bis zur Beendigung ihrer Beschäftigungsverhältnisse Urlaub zu nehmen.

3. Die Abgeltungsansprüche der Kläger sind nicht dadurch erloschen, daß die Urlaubsansprüche wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit der Kläger bei Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse bis Ablauf der tariflichen Übertragungsfrist nicht hätten erfüllt werden können. Die Regelung über die tarifliche Urlaubsabgeltung nach § 33 Nr. 7c TVAL II weicht von § 7 Abs. 4 BUrlG ab. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.

a) Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht als Abfindungsanspruch, sondern als Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Er ist deshalb an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch selbst. Der als Abgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG zu zahlende Geldbetrag steht somit einem Arbeitnehmer nur zu, wenn in seiner Person, bestünde die Arbeitspflicht fort, der Urlaub noch gewährt werden könnte. Liegen diese Voraussetzungen – etwa wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – bis zur Beendigung des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums nicht vor, so erlischt der Abgeltungsanspruch durch Fristablauf ebenso wie der Urlaubsanspruch erlöschen würde (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. z.B. BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 1989 – 8 AZR 621/87 –, zur Veröffentlichung bestimmt).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, aus § 33 Nr. 4c TVAL II ergebe sich, daß im Falle der Erwerbs- wie auch der Arbeitsunfähigkeit des ausscheidenden Arbeitnehmers sein Abgeltungsanspruch entgegen § 7 Abs. 4 BUrlG nicht in Frage gestellt werde. Dabei hat es übersehen, daß die Tarifvorschrift lediglich die Höhe des Urlaubsanspruchs bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit regelt, jedoch keine Abgeltungsregelung enthält.

c) Aus § 33 Nr. 7c TVAL II ergibt sich aber, daß der dort geregelte tarifliche Abgeltungsanspruch in Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG nicht davon abhängig ist, daß der Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder danach arbeitsfähig und arbeitsbereit ist, weil der verbleibende Urlaubsanspruch u.a. dann bar abzugelten ist, wenn er aus zwingenden persönlichen Gründen, also wegen Krankheit, nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilt werden konnte. Gegen eine solche tarifliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung bestehen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG keine Bedenken (vgl. BAGE 45, 203, 207 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu III 3 der Gründe).

Nach § 33 Nr. 7c TVAL II wird unter der Voraussetzung, daß dringende betriebliche oder zwingende persönliche Gründe die Erteilung des Urlaubs bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zulassen, der verbleibende Urlaubsanpruch in bar abgegolten. Die tarifliche Abgeltungsregelung setzt somit die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Wenn aber eine tarifliche Urlaubsabgeltung an die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung anknüpft, ist anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien bei fortdauernder Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Gewährung der Abgeltung nicht von der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abhängig gemacht haben. Es gelten dann dieselben Grundsätze, wie sie der Sechste Senat bereits im Urteil vom 8. März 1984 zu § 51 Abs. 1 BAT a.F. aufgestellt (BAGE 45, 203 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung) und denen sich der erkennende Senat im Urteil vom 18. Dezember 1986 (– 8 AZR 357/84 – n.v.) angeschlossen hat. Unerheblich ist es, daß § 33 Nr. 7c TVAL II anders als § 51 Abs. 1 BAT in der bis zum 31. Dezember 1986 geltenden Fassung den Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht unmittelbar an die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung wegen Arbeitsunfähigkeit knüpft, sondern daran, daß “zwingende persönliche Gründe” die Urlaubsgewährung nicht zulassen. Dies begründet keine Unterscheidung in der Sache.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Harnack, Wittendorfer

 

Fundstellen

Haufe-Index 872099

RdA 1990, 59

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