Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.12.1975; Aktenzeichen 13 Sa 604/74)

 

Tenor

  • Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 1975 – 13 Sa 604/74 – wird zurückgewiesen.
  • Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter ist.

Der Kläger ist seit 1962 – abgesehen von einer mehrmonatigen Unterbrechung der Beschäftigung im Jahre 1965 – für den Beklagten als Regisseur im Bereich Fernsehen tätig. Er betreut seit Jahren die regelmäßig wiederkehrenden Sendungen “Spektrum” und “Hier und Heute”. Für die Sendung Hier und Heute wird er in einem Abstand von acht Wochen für 14 Tage als sog. “Ablaufregisseur” tätig; er muß sich vom späten Nachmittag bis zum Ende der Sendung im Studio aufhalten. Die Sendung “Spektrum” wird an jedem zweiten Sonntag gesendet. Auch hier ist der Kläger von nachmittags bis abends im Studio. Daneben führt der Kläger die Regie in Eigenproduktionen des Beklagten. Im Durchschnitt arbeitet der Kläger dabei an 16 bis 18 Arbeitstagen im Monat jeweils durchschnittlich acht Stunden. Die Parteien streiten darüber, wie es zu den Einsätzen des Klägers kommt. Wenn der Kläger für eine Regieaufgabe vorgesehen ist, erhält er einen Einsatzplan oder Dispositionszettel. Der Beklagte schreibt darin Dienstbeginn, Dienstablauf und Dienstende vor. Die Produktionszeit, die persönlichen und sachlichen Mittel für die Herstellung des Filmes sind vorgeschrieben. Der Kläger muß insbesondere mit den festangestellten Mitarbeitern des Beklagten im Rahmen der einzelnen Produktion zusammenarbeiten.

Für die Betreuung der Sendung Spektrum erhält der Kläger feste Vergütungssätze. Seine Mitarbeit wird im übrigen nach Honorarscheinen nachträglich honoriert. Auf diese Weise erzielte der Kläger ein durchschnittliches Jahreseinkommen von etwa 43.000,-- DM brutto. Auf den Honorarscheinen bestätigte der Kläger, daß er als freier Mitarbeiter und nicht als Arbeitnehmer tätig geworden sei.

Mit der im Juli 1973 beim Arbeitsgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, er sei Arbeitnehmer des Beklagten. Dazu hat er behauptet, der Beklagte stelle laufend Einsatzpläne für Regisseure auf, nach denen er sich richten müsse. Festangestellte und als freie Mitarbeiter beschäftigte Regisseure würden nur nach Neigung und Befähigung eingesetzt. In beiden Fällen bespreche der zuständige Redakteur das Vorhaben mit dem gewünschten Regisseur. Danach komme es in dem einen wie dem anderen Fall zu einem Auftrag. Für die regelmäßig wiederkehrenden Sendungen sei er vom Beklagten ohnehin auf lange Sicht für einzelne Einsätze eingeplant. Seine Tätigkeit werde wie bei festangestellten Regisseuren auch durch Produktionsleiter kontrolliert. Nur über Details seiner Arbeit könne er eigenverantwortlich entscheiden. Er müsse sich im übrigen nach den Weisungen des Beklagten richten. Bei der Fertigung selbst gebe es in der Arbeitsweise zu festangestellten Regisseuren ohnehin keinen Unterschied.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß er sich beim Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei freier Mitarbeiter. Dazu hat er behauptet, für die regelmäßig wiederkehrenden Sendungen werde der Kläger aufgrund einer losen Absprache tätig. Im übrigen werde der Kläger nicht eingesetzt oder verplant. Zunächst müßten sich Herstellungsleiter und Redakteur über einen bestimmten Besetzungsvorschlag einigen. Wenn dabei der Kläger als Regisseur benannt werde, werde er vom betreffenden Disponenten gefragt, ob er den Auftrag übernehmen wolle. Erst wenn der Kläger zusage, könne er ihn in seine Dispositionen für diese Produktion einbeziehen. Lehne der Kläger ab, entstehe ihm dadurch kein Nachteil. Der Kläger werde auch nicht kontinuierlich beschäftigt; zwischen den Einzelaufträgen gebe es zeitliche Abstände. Dabei werde nicht erwartet, daß der Kläger sich für weitere Aufträge bereithalte. Bei der Ausführung der Aufträge sei der Kläger an Weisungen nicht gebunden. Grundlage des Auftrages sei das jeweilige Drehbuch, das in groben Zügen zwischen dem Kläger als Regisseur und dem zuständigen Redakteur abgesprochen werde. Daß der Kläger seine Arbeit innerhalb der vereinbarten Zeit und mit den zur Verfügung gestellten sachlichen und persönlichen Mitteln leisten müsse, führe nicht zu einer typischen persönlichen Abhängigkeit sondern folge aus der Natur der Sache. Das gleiche gelte für den Umstand, daß der Kläger seine Arbeit mit Mitteln und in den Räumen des Beklagten verrichte. Das Ergebnis der Tätigkeit werde nicht kontrolliert, der zuständige Redakteur nehme nur die vom Regisseur fertiggestellte Sendung ab.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er seinen Antrag auf Klageabweisung weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat mit Recht festgestellt, daß der Kläger Arbeitnehmer und kein freier Mitarbeiter ist.

1. Die Klage ist zulässig. Der Senat hat das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung, daß ein Mitarbeiter der Rundfunkanstalten Arbeitnehmer ist (sog. Statusklage) in vergleichbaren Fällen regelmäßig bejaht, weil von dieser Grundfrage alle weiteren Rechte abhängen, insbesondere der Bestandsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 2. Juni 1976 – 5 AZR 131/75 – Außenrequisiteur – [demnächst] AP Nr. 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit [zu I 2 der Gründe]). Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Die hier begehrte Feststellung umfaßt entgegen der Ansicht der Revision auch beide Tätigkeitsgebiete des Klägers; das Berufungsgericht hat nicht nur die Tätigkeit als Ablaufregisseur beurteilt, seine rechtliche Würdigung umfaßt auch die Regietätigkeit in den Eigenproduktionen des Beklagten. Dabei waren sowohl die Tätigkeit als solche als auch ihr zeitlicher Umfang unstreitig; der Beklagte hat die Behauptung des Klägers, er habe durchschnittlich zwischen 16 und 18 Arbeitstagen monatlich gearbeitet, nicht bestritten.

2. Zwischen den Parteien ist eine Dauerrechtsbeziehung zustande gekommen. Die Rechtsbeziehung erschöpft sich nicht in Einzelleistungen. Der Kläger gehört zu den Mitarbeitern, die der Beklagte ständig und planmäßig einsetzt. Das gilt uneingeschränkt für die regelmäßig wiederkehrenden Sendungen “Spektrum” und “Hier und Heute”, die der Kläger seit Jahren betreut. Es gilt aber auch für den Einsatz als Regisseur in anderen Fernsehproduktionen. Nach der Darstellung des Beklagten gehört der Kläger zu einem Kreis von Regisseuren, die von ihm entsprechend ihrer Neigung und Befähigung mit einer gewissen Regelmäßigkeit Aufträge erhalten. Die bisherige Praxis bestätigt das. Danach streiten die Parteien allein über die Statusbeurteilung, nicht aber über den Bestand einer Dauerrechtsbeziehung.

3. Das Berufungsgericht ist bei der Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat. Danach kann durch praktische Durchführung und Gestaltung der Vertragsbeziehungen trotz entgegenstehender Erklärungen ein Arbeitsverhältnis entstehen, das durch einen höheren Grad an persönlicher Abhängigkeit gekennzeichnet ist (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 9. März 1977 – 5 AZR 110/76 – [demnächst] AP Nr. 21 zu § 611 BGB Abhängigkeit [zu 1a der Gründe] – Fernsehreporterin – mit weiteren Nachweisen).

Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall im wesentlichen auch zutreffend angewendet.

a) Das Berufungsgericht hat mit Recht entscheidend darauf abgestellt, daß der Beklagte im Rahmen der Dauerrechtsbeziehung vom Kläger eine ständige Dienstbereitschaft erwartet habe. Dies ist ein taugliches Abgrenzungskriterium (vgl. das eben genannte Urteil des Senats vom 9. März 1977 [zu 2b der Gründe]).

Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, daß der Beklagte den Kläger in seine Programmgestaltung fest einplane und mit der regelmäßigen Mitarbeit des Klägers nicht nur bei den Sendereihen “Spektrum” und “Hier und Heute” sondern auch bei der übrigen Produktion rechne. Der Einsatz der Regisseure, der Festangestellten wie der als freie Mitarbeiter bezeichneten, hänge nur von dem erforderlichen Interesse, von der Eignung im Einzelfall und davon ab, ob der gewünschte Regisseur für dieses Einzelvorhaben auch zur Verfügung stehe und nicht bereits anderweitig tätig sei.

Daraus wird deutlich, daß der Beklagte vom Kläger über die Mitwirkung an einzelnen Produktionen hinaus Dienstbereitschaft erwartet. Der Kläger muß sich in seinen zeitlichen Dispositionen nach den Wünschen des Beklagten richten. Andernfalls ist weder ein solches System der regelmäßigen Betreuung von Sendungen noch regelmäßige und sinnvolle Mitarbeit an Regieaufgaben außerhalb der genannten Sendereihen möglich. Bei der Auswahl der benötigten Regisseure kommt es, wenn der Regisseur nicht anderweitig für den Beklagten tätig ist, nur auf Eignung und Interesse an. Die unterschiedlichen Rechtsverhältnisse der herangezogenen Regisseure spielen jedenfalls bei der Auswahl keine Rolle. Auch dieses System funktioniert nur so lange, wie der einzelne Mitarbeiter sich zu der ständigen wiederkehrenden Leistung bereit erklärt und bereit hält. Tatsächlich hat der Kläger von dem ihm angeblich eingeräumten Recht, einzelne Aufträge nach Belieben ablehnen zu können, ohne daß ihm daraus Nachteile entstünden, keinen Gebrauch gemacht. Dadurch wird bestätigt, daß der Beklagte davon ausgehen konnte und auch davon ausgegangen ist, daß der Kläger keinen Auftrag ohne sachlichen Grund ablehnte.

Die Revision kann demgegenüber nicht einwenden, dieses Merkmal der geforderten Bereitschaft zur Übernahme weiterer Aufträge setze eine Vollzeitbeschäftigung des Mitarbeiters voraus. Das ist nicht richtig. Die geforderte Dienstbereitschaft kann auch zeitlich beschränkt sein. Es entsteht dann ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Zu Unrecht vermißt die Revision auch Feststellungen des Berufungsgerichts darüber, in welcher Weise der Kläger für den Beklagten außerhalb der genannten Sendereihen gearbeitet hätte. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Das Berufungsgericht ist ersichtlich von dem unstreitigen Sachverhalt ausgegangen, wonach der Kläger für den Beklagten an durchschnittlich 16 bis 18 Arbeitstagen im Monat tätig war und außerhalb der Betreuung der Sendereihen für einzelne Produktionen Regie geführt hat. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Auftragsvergabe beziehen sich gerade auf diesen Teil der Tätigkeit.

Bei der unstreitig großen Intensität der Inanspruchnahme bestand auch kein Anlaß, eine von beiden Seiten möglicherweise gewollte losere Form der Zusammenarbeit ernsthaft in Betracht zu ziehen (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1975 – 5 AZR 430/74 – [demnächst] AP Nr. 18 zu § 611 BGB Abhängigkeit [zu II 5 der Gründe] – Rundfunkredakteur). Zwar wird bei künstlerischer Tätigkeit – ebenso wie bei wissenschaftlicher oder journalistischer Tätigkeit – häufig von beiden Seiten eine losere Form der Zusammenarbeit gewünscht. Bei einem Regisseur, der für Regieaufgaben in einer einzelnen Produktion verpflichtet wird, kann die künstlerische Einzelleistung im Vordergrund stehen. Im Gegensatz dazu steht die Tätigkeit der Regisseure, die laufend für den Sendebetrieb benötigt werden; ihre Aufgabe liegt in der regelmäßigen künstlerischen Betreuung von Sendungen, wobei selbstverständlich auf Neigungen und Interessen des Regisseurs im Interesse beider Seiten Rücksicht genommen wird. Der Kläger gehört nach dem unstreitigen Sachverhalt zu der zweiten Gruppe. Ihm gegenüber trifft der Einwand nicht zu, der Beklagte müsse auf einen größeren Kreis von freien Mitarbeitern zurückgreifen können, die er nicht ständig beschäftigen wolle. Der Beklagte hat jedenfalls in der Vergangenheit zu erkennen gegeben, daß er den Kläger regelmäßig und in einem relativ großen zeitlichen Umfang einsetzen will.

b) Das Berufungsgericht hat weiter darauf abgestellt, daß der Kläger bei der Ausführung der einzelnen Aufträge weitgehend den Dispositionen des Beklagten unterworfen ist. Material- und Zeitaufwand waren vorgeschrieben. Der Kläger war auch an Arbeitszeiten gebunden, da er mit festangestellten Mitarbeitern zusammen arbeiten mußte. Insoweit war der Kläger voll und ganz in den Sendebetrieb des Beklagten eingegliedert. Auch daraus folgt ein erhebliches Maß an persönlicher Abhängigkeit (vgl. Urteil des Senats vom 9. März 1977 – 5 AZR 110/76 – Fernsehreporterin – [demnächst] AP Nr. 21 zu § 611 BGB Abhängigkeit [zu 2c der Gründe]). Zwischen der Arbeitsweise des Klägers und einem festangestellten Regisseur besteht insoweit kein Unterschied.

Die hierzu von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe sich Feststellungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht, ohne im einzelnen zu bezeichnen, welche Feststellungen gemeint seien, ist unbegründet. Zwar hat das Berufungsgericht bemerkt, die vom Arbeitsgericht getroffenen Feststellungen seien zutreffend; sie zeigten auf, wie fest der Kläger in den Sendebetrieb des Beklagten eingegliedert sei. Dieser von der Revision beanstandete Satz findet sich in einem einleitenden Abschnitt, in dem es noch nicht um konkrete Feststellungen geht. Wo dies dann im weiteren Verlauf der Argumentation erforderlich wird, gibt das Berufungsgericht im einzelnen die Gründe an, die für seine richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das sind im wesentlichen die Aussagen der Zeugen K… und Sch…. Daß diese gemeint sind, wenn das Berufungsgericht allgemein von den “Aussagen der Zeugen” spricht, ergibt sich aus dem sachlichen Zusammenhang der Urteilsgründe.

4. Die Feststellung, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, scheitert nicht daran, daß der Personalrat des Beklagten bei der Einstellung des Klägers nicht beteiligt wurde. In Fällen der vorliegenden Art, in denen ein Arbeitsverhältnis nicht durch Vereinbarung sondern durch praktische Handhabung der Vertragsbeziehungen entsteht, kann sich der Beklagte auf das Fehlen einer etwa erforderlichen Zustimmung des Personalrats jedenfalls dann nicht berufen, wenn er keine Gründe angibt, die die Personalvertretung zur Verweigerung der Zustimmung berechtigen würden (Urteil des Senats vom 9. März 1977 – 5 AZR 110/76 – Fernsehreporterin – [demnächst] AP Nr. 21 zu § 611 BGB Abhängigkeit [zu 5 der Gründe] mit weiteren Nachweisen).

 

Unterschriften

Dr. Hilger, Dr. Heither, Werner, Dr. Gundelach

Dr. Seidensticker ist im Urlaub

Dr. Hilger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1767490

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge