Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens. Anspruch auf Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens. zeitliche Begrenzung der Haftung. § 628 Abs. 2 BGB als Spezialregelung. Bindungswirkung eines zurückverweisenden Revisionsurteils. Schadensersatz

 

Orientierungssatz

  • Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen Auflösungsverschuldens des Arbeitgebers gem. § 628 Abs. 2 BGB ist zeitlich begrenzt. Nach dem Zweck der Norm beschränkt sich der Anspruch grundsätzlich auf den dem kündigenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Kündigung entstehenden Vergütungsausfall, zu dem allerdings eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG hinzutreten kann.
  • § 628 Abs. 2 BGB ist für materielle Schadensersatzansprüche wegen Auflösungsverschuldens infolge einer nicht ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Spezialregelung, hinter die andere Anspruchsgrundlagen aus Vertrag oder unerlaubter Handlung zurücktreten.
  • An die Rechtsauffassung eines zurückverweisenden Revisionsurteils sind in demselben Rechtsstreit das Berufungsgericht und das erneut entscheidende Revisionsgericht gem. § 563 Abs. 2 ZPO gebunden.
 

Normenkette

BGB § 628 Abs. 2; ZPO § 563 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.03.2003; Aktenzeichen 19 Sa 5/02)

ArbG Mannheim (Urteil vom 15.07.1999; Aktenzeichen 3 Ca 725/98)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 27. März 2003 – 19 Sa 5/02 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche des Klägers wegen Auflösungsverschuldens, Verletzung der Vertragspflichten und unerlaubter Handlung der Beklagten.

Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten ab 1991 zunächst als Omnibusjuniorverkäufer und ab 1992 als Beauftragter für den Omnibusverkauf in der Verkaufsniederlassung M… tätig. In dem Dienstvertrag vom 21. April 1992 heißt es ua.:

1.Aufgabe

1.1. Wir beschäftigen Sie im Angestelltenverhältnis als Beauftragten für den Verkauf von

– fabrikneuen Omnibussen unseres jeweiligen Programms (einschl. Vorführbusse im Bestand BVK-BS),

– fabrikneuen Omnibusfahrgestellen für Aufbauten aller Art, die in Karosserieform und Einsatzzweck einem Omnibus entsprechen oder Sonderomnibus-Aufbauten sind,

– fabrikneuen Komplettbussen auf M…-Fahrgestellen mit Fremdaufbauten anderer Karosseriefirmen, wenn M… den kompletten Omnibus anbietet und verkauft,

– fabrikneuen Motoren und Aggregaten für Omnibusse und Omnibusfahrzeuge mit Sonderaufbauten, in unserer Verkaufsniederlassung M…

2. Rechte und Pflichten

2.1. Sie unterstehen dem Leiter der Verkaufsniederlassung und haben in dem Ihnen zugewiesenen Gebiet der Verkaufsniederlassung zu arbeiten. Die VN-Leitung kann Ihr Gebiet jederzeit ändern oder Ihnen ein anderes Gebiet zuweisen oder Geschäftsfälle Ihres Gebietes von der Bearbeitung durch Sie ausnehmen oder Sie mit der Bearbeitung von Geschäftsfällen eines anderen Gebietes beauftragen. Irgendein Gebiets- oder Kundenschutz wird nicht gewährt.

3. Bezüge

3.1. Sie erhalten

– Fixum,

– Provision,

– Auto- und Spesenzuschuß sowie

– Provisionsausgleich.

9. Dauer des Vertrages

Dieser Vertrag tritt am 1. April 1992in Kraft. Er ist nach den gesetzlichen Bestimmungen kündbar.

Als Eintrittstag bei M… gilt: 01.06.1991.

Das Dienstverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem Sie das 65. Lebensjahr vollendet haben, ohne daß es einer Kündigung bedarf.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1992 wurde dem Kläger mit Wirkung vom 1. Juli 1992 zusätzlich die Betreuung der Kunden im Gebiet der Verkaufsniederlassungen K… und F… übertragen. Ende 1993 wurde dem Kläger die Betreuung der privaten Omnibusunternehmer in den Verkaufsgebieten F… und K… wieder entzogen. Obwohl der Kläger mit der Gebietskürzung nicht einverstanden war und dies der Beklagten auch mehrfach mitgeteilt hatte, wehrte er sich hiergegen nicht mit rechtlichen Mitteln.

Der Kläger erzielte 1994 und 1995 jeweils ein Jahreseinkommen von ca. 130.000,00 DM. Mit Schreiben vom 25. August 1995 mahnte er die Abrechnung von provisionsausgleichspflichtigen Tagen an. Im November 1995 erbat er telefonisch bei der Beklagten die Zahlung, welche erneut abgelehnt wurde. Mit Schreiben vom 14. Februar 1996 forderte der Kläger die Beklagte nochmals vergeblich auf, ua. die Ausgleichsprovision für die Zeiträume 20. und 21. April 1994, 29. bis 31. August 1994 und 7. bis 10. September 1994 in Höhe von insgesamt 3.869,19 DM spätestens mit der Februarabrechnung zu zahlen. In diesem Schreiben heißt es ua.:

“Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß ein Arbeitsverhältnis, in dem die vertragliche Vergütung teilweise nicht bezahlt wird, für mich nicht akzeptabel ist.”

Am 23. Februar 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab dem 1. März 1996 im Bereich K…/F… nicht mehr für die ihm verbliebenen Kunden aus dem Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs zuständig sein sollte und ihm Teilgebiete der Verkaufsniederlassung M…, nämlich P… und K…, entzogen würden. Der Kläger wies die Beklagte mit Schreiben vom 29. Februar 1996 darauf hin, dass, sofern sie diese aus seiner Sicht unzulässige Teilkündigung bis zum 7. März 1996 aufrechterhalte, dies einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen könne.

Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis auf Grund des Provisionsrückstands und des Teilentzugs des Provisionsgebietes mit Schreiben vom 5. März 1996 – der Beklagten am 8. März 1996 zugegangen – fristlos. In diesem Schreiben führte der Kläger ua. aus:

“Diese außerordentliche Kündigung ist keiner Umdeutung zugänglich, ihr folgt eine Schadensersatzforderung, entsprechend § 628 Abs. 2 BGB.”

Die Beklagte bestätigte den Eingang der Kündigung mit Schreiben vom 19. März 1996 und widersprach gleichzeitig der Schadensersatzforderung.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Ersatz des Schadens, der ihm aus der am 8. März 1996 erklärten Kündigung entstanden sei und in Zukunft noch entstehen werde. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Auflösung des Arbeitsverhältnisses verschuldet. Mit der Nichtzahlung der Gehaltsrückstände habe die Beklagte ohne Entschuldigungsgründe hartnäckig gegen ihre vertraglichen Hauptpflichten verstoßen. Der Entzug der Provisionsgebiete stelle eine unzulässige Teilkündigung dar, die er nicht habe hinnehmen müssen. Die Beklagte habe die außerordentliche Kündigung durch widerspruchslose Entgegennahme akzeptiert. Eine zeitliche Eingrenzung seines Schadensersatzanspruchs scheide schon im Hinblick auf die Befristung des Arbeitsvertrages bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres und den damit verbundenen Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit aus. Trotz aller Bemühungen habe er bisher keine angemessene Stelle mehr gefunden. Die Beklagte habe sich mit der Gebietskürzung und den verspäteten Provisionszahlungen nicht nur arbeitsvertragswidrig verhalten, sondern zugleich seine Persönlichkeitsrechte verletzt und gegen § 612a BGB verstoßen. Da er immer noch arbeitslos sei, könne er auch die Mittel zur Gründung einer selbständigen Existenz bzw. solche Kosten, die für die Aufnahme eines adäquaten Angestelltenverhältnisses, wie zB Weiterbildungskosten, Umzugskosten etc. erforderlich seien, aus positiver Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung fordern.

Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen infolge der verspäteten Zahlung mit Schreiben vom 14. Februar 1996 in Höhe von 3.869,19 DM geltend gemachten Provisionen sowie infolge der Gebietskürzung vom 23. Februar 1996 zum 1. März 1996 sowie infolge der am 8. März 1996 erklärten außerordentlichen Kündigung entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist auf die Geringfügigkeit des Provisionsrückstands im Verhältnis zum Gesamtjahreseinkommen. Die Abänderung des Provisionsgebiets sei arbeitsvertraglich zulässig gewesen. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch sei in jedem Fall begrenzt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis ordentlich hätte gekündigt werden können, somit bis zum 30. April 1996.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger allen aus der am 8. März 1996 erklärten außerordentlichen Kündigung entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts durch Urteil vom 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – (BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19)aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. In den Gründen hat der Senat ausgeführt, die haftungsbegründenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers seien bislang nicht ausreichend festgestellt. Sollte das Landesarbeitsgericht auf Grund der weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB zustehe, werde es zu beachten haben, dass dieser Schadensersatzanspruch zeitlich begrenzt sei. Nach dem Zweck der Norm beschränke sich der Anspruch grundsätzlich auf den dem kündigenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Kündigung entstehenden Vergütungsausfall, zu dem allerdings eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG hinzutreten könne. Das Landesarbeitsgericht hat nunmehr auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den infolge der der Beklagten am 8. März 1996 zugegangenen fristlosen Kündigung des Klägers bis zum 30. April 1996 entstandenen Verdienstausfall zu erstatten und für den Verlust des Arbeitsplatzes eine angemessene Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG zu zahlen.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag, dass die Beklagte ihm unbegrenzt zum Schadensersatz verpflichtet sei, weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger kann nicht die Feststellung des von ihm begehrten weiteren, zeitlich unbegrenzten Schadensersatzes von der Beklagten verlangen. Er hat gegen die Beklagte lediglich einen Anspruch auf Ersatz des bis 30. April 1996 entstandenen Verdienstausfalls sowie auf eine für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlende angemessene Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG.

  • Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag im Wesentlichen mit folgender Begründung teilweise stattgegeben:

    1. Der Feststellungsantrag sei zulässig. Der Kläger begehre mit seinem Antrag nach wie vor die Feststellung eines unbegrenzten Schadensersatzes infolge der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und stütze diesen Schadensersatzanspruch nunmehr auch auf Vertragsverletzung und unerlaubte Handlung. Darin liege keine Klageerweiterung, da dem Anspruch ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde liege und der Kläger nach wie vor die unmittelbar mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes verbundenen Schäden geltend mache.

    2. Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gem. § 628 Abs. 2 BGB zu. Die der Beklagten am 8. März 1996 zugegangene außerordentliche Kündigung des Klägers sei durch ein vertragswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten, das das Gewicht eines wichtigen Grundes iSd. § 626 BGB habe, veranlasst. Insbesondere der Entzug der Provisionsgebiete durch die Beklagte stelle sich als grob vertragswidrig dar und lasse eine besondere Missachtung der Belange des Klägers erkennen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 628 Abs. 2 BGB sei allerdings zeitlich begrenzt und beschränke sich auf den dem Kläger entstandenen Verdienstausfall bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer fiktiven Arbeitgeberkündigung. Da der Kläger in seinem Arbeitsverhältnis Kündigungsschutz genossen habe und somit bei einer unberechtigten Kündigung der Beklagten Auflösungsantrag zum Kündigungstermin einer ordentlichen Kündigung hätte stellen können, komme für den Verlust des Bestandsschutzes eine angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG hinzu.

    3. Einen darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruch könne der Kläger auch nicht auf positive Vertragsverletzung stützen. Die durch die selbst gewollte Vertragsbeendigung entgangenen Erfüllungsansprüche bzw. notwendigen Aufwendungen für eine neue Erwerbstätigkeit seien von der Regelung des § 628 Abs. 2 BGB erfasst. Diese Vorschrift könne als spezialgesetzlich geregelter Fall der positiven Vertragsverletzung angesehen werden, so dass ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung daneben nicht mehr zu prüfen sei.

    4. Der Kläger könne den weitergehenden Schadensersatzanspruch auch nicht auf eine unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 1 oder § 823 Abs. 2 BGB stützen. Solche Schadensersatzansprüche seien neben § 628 Abs. 2 BGB zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus Persönlichkeitsrechtsverletzung bzw. wegen Verletzung eines Schutzgesetzes seien aber nicht gegeben.

    a) Es sei nicht zu erkennen, dass der Kläger sich durch das rechtswidrige Verhalten der Beklagten erheblich in seiner Persönlichkeit verletzt gesehen und deshalb eine Kündigung ausgesprochen habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Kläger die schwerwiegende Verletzung seines Arbeitsvertrages durch die Beklagte erkannt und hieraus die aus seiner Sicht gebotenen Konsequenzen gezogen habe. Im Übrigen liege eine besonders schwere Persönlichkeitsverletzung, die unter Umständen darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche rechtfertigen könnte, ersichtlich nicht vor.

    b) Ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 iVm. § 612a BGB scheide aus, weil der dem Kläger erst infolge seiner Eigenkündigung entstandene Schaden nicht unter den Schutzzweck dieser Norm falle.

  • Diese Ausführungen halten im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Landesarbeitsgericht hat den Schadensersatzanspruch des Klägers zutreffend begrenzt. Der Kläger kann die Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht der Beklagten nicht verlangen.

    1. Der Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 ZPO). Es liegt keine unzulässige Klageänderung vor (§ 263 ZPO).

    Der Kläger hat seinen Feststellungsantrag in der erneuten Berufungsinstanz neu formuliert; statt der Feststellung eines Schadensersatzanspruchs gem. § 628 Abs. 2 BGB aus der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wie bisher, verlangt er nunmehr die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm allen infolge der verspäteten Zahlung der Provisionen und infolge der Gebietskürzung sowie infolge der außerordentlichen Kündigung entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin keine Klageänderung und auch keine Klageerweiterung gesehen. Der Kläger macht nach wie vor aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt (Nichtzahlung der Provisionen, Gebietskürzung und daraus folgende fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses) Schäden geltend, die unmittelbar mit dem Verlust des Arbeitsverhältnisses zusammenhängen. Der Schadensersatzanspruch wird auch nicht dadurch verändert oder erweitert, dass der Kläger den Anspruch jetzt nicht nur auf § 628 Abs. 2 BGB, sondern auch auf positive Vertragsverletzung und auf unerlaubte Handlung stützt.

    2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht in seinem Feststellungsurteil den Schadensersatz des Klägers auf den bis 30. April 1996 entstandenen Verdienstausfall zuzüglich der Zahlung einer angemessenen Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG beschränkt. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch steht dem Kläger nicht zu.

    a) Der Senat hat im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits in seinem aufhebenden Urteil vom 26. Juli 2001 (– 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19)das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass es eine zeitliche Begrenzung des Schadensersatzes nach § 628 Abs. 2 BGB zu beachten habe, falls es auf Grund weiterer Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB zusteht. Der Schadensersatzanspruch sei auf den Zeitraum der fiktiven Kündigungsfrist zu beschränken. Zu dem Ersatz des zeitlich begrenzten Vergütungsausfalls könne aber eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG treten. Die Zuerkennung des vom Kläger geltend gemachten “Endlosschadens” entspreche weder dem Wortlaut der Norm noch ihrer Entstehungsgeschichte. Die Beschränkung auf den “Verfrühungsschaden” berücksichtige, dass jede Partei eines Arbeitsvertrages mit einer ordentlichen Kündigung des anderen immer rechnen müsse. Daraus folge, dass der zum Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens Verpflichtete so zu behandeln sei, als wenn er seinerseits gekündigt habe, sobald dies nach der Kündigung des anderen Teils statthaft gewesen sei. Die auf den reinen “Verfrühungsschaden” reduzierte Schadensersatzpflicht berücksichtige allerdings nicht hinreichend, dass der Arbeitnehmer – veranlasst durch das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers – auf den durch die Kündigungsschutzbestimmungen vermittelten Bestandsschutz verzichte. Ihn treffe insoweit neben der für die Dauer der Kündigung entfallenen Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den er einen angemessenen Ausgleich verlangen könne. Für die Bemessung dieses Ausgleichs biete es sich an, auf die Abfindungsregelung der §§ 9, 10 KSchG abzustellen. Die Lage des wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers selbst kündigenden Arbeitnehmers sei vergleichbar mit derjenigen des Arbeitnehmers, demgegenüber der Arbeitgeber eine unberechtigte Kündigung ausgesprochen habe und der nun seinerseits einen Auflösungsantrag stelle, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei.

    b) Das Landesarbeitsgericht ist der Rechtsauffassung des Senats gefolgt und hat in der auf die Zurückverweisung getroffenen Entscheidung den Schadensersatzanspruch des Klägers entsprechend zeitlich begrenzt. Dies rügt die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht war bereits auf Grund der Bindungswirkung des § 563 Abs. 2 ZPO verpflichtet, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung zugrunde zu legen, die der Senatsentscheidung, die zur Aufhebung der ersten Berufungsentscheidung führte, entsprach.

    aa) Die rechtliche Bewertung der aufhebenden Senatsentscheidung, wonach § 628 Abs. 2 ZPO nur einen zeitlich begrenzten Schadensersatzanspruch gewährt, war nicht nur ein unverbindliches “obiter dictum”. Der Senat hatte die Aufhebung der ersten Berufungsentscheidung damit begründet, dass auf Grund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB nicht zugesprochen werden könne. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB sei bislang nicht im ausreichenden Maß festgestellt. Im Übrigen sei ein Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – zeitlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven ordentlichen Kündigung zu begrenzen, zu dem allerdings eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG treten könne. Die Rechtsauffassung des Senats zur Beschränkung des Schadensersatzanspruchs nach § 628 Abs. 2 BGB war damit im Sinne einer “Entscheidungskausalität” für die Aufhebung unmittelbar mit ursächlich, so dass sich auch die Bindung des Landesarbeitsgerichts hierauf erstreckte (vgl. MünchKommZPO-Wenzel § 565 Rn. 9 mwN).

    bb) Auch der Senat ist an seine in demselben Rechtsstreit im Urteil vom 26. Juli 2001 (– 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19) vertretene Rechtsauffassung gebunden (vgl. 20. März 2003 – 8 AZR 77/02 – AP ZPO § 565 Nr. 23 = EzA ZPO 2002 § 563 Nr. 1). Zwar entfällt die Bindungswirkung dann, wenn sich zwischenzeitlich die Rechtsprechung geändert hat (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes 6. Februar 1973 – GmS-OGB 1/72 – BGHZ 60, 392 = AP RsprEinhG § 4 Nr. 1). Der Senat hat seine Rechtsprechung zum Umfang der Schadensersatzpflicht nach § 628 Abs. 2 BGB aber nicht geändert. Eine vom Kläger gegen die Senatsentscheidung vom 26. Juli 2001 (– 8 AZR 739/00 – aaO)eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 7. März 2002 – 1 BvR 250/02 –).

    cc) Der Bindungswirkung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seinen Feststellungsantrag nach der Revisionsentscheidung des Senats in der erneuten Berufungsverhandlung neu formulierte. Diesem Feststellungsantrag liegt kein neuer Sachverhalt und kein neuer Anspruch zugrunde.

    Die Bindungswirkung des § 563 Abs. 2 ZPO (§ 565 Abs. 2 ZPO aF) erstreckt sich zwar nicht auf einen neuen Sachverhalt und auf neue Ansprüche (Stein/Jonas/Grunsky ZPO § 565 Rn. 15; MünchKommZPO-Wenzel § 565 Rn. 12). Diese Beschränkung der Bindungswirkung greift im Streitfall jedoch nicht ein. Bis zur vorangegangenen Revisionsentscheidung hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte gem. § 628 Abs. 2 BGB verpflichtet sei, ihm allen weiteren aus der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten entstandenen und in Zukunft noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Begründet hat der Kläger diesen Anspruch damit, dass er die außerordentliche Kündigung ausgesprochen habe, weil die Beklagte ihm rechtswidrig Provisionszahlungen vorenthalten und Provisionsgebiete gekürzt habe. Nunmehr beantragt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte ihm allen infolge der verspäteten Zahlung der Provisionen und infolge der Gebietskürzung sowie infolge der am 8. März 1996 erklärten außerordentlichen Kündigung entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat. Als zu ersetzenden Schaden sieht der Kläger nun auch die notwendigen Mittel zur Gründung einer selbständigen Existenz und die Aufwendungen zur Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses an. Auch hierbei handelt es sich um materielle Beendigungsschäden.

    Damit macht der Kläger mit seiner Feststellungsklage nach wie vor den materiellen Beendigungsschaden wegen Auflösungsverschuldens der Beklagten geltend. Es liegt weder ein neuer Sachverhalt noch ein neuer Anspruch vor. Die Beschränkung der Haftung nach § 628 Abs. 2 BGB gilt auch für solche materiellen Schäden, die mit der Aufnahme einer neuen Berufstätigkeit im Zusammenhang stehen. Da diese Vorschrift die Schadensersatzpflicht nicht auf einen “Endlosschaden” erstreckt, sondern grundsätzlich auf den “Verfrühungsschaden” beschränkt (vgl. Senat 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19), kann sie nicht zum Ersatz von Schäden führen, die, wie die Kosten der Aufnahme einer neuen Berufstätigkeit, auch im Falle einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers entstanden wären.

    c) Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie die weitergehenden Schadensersatzansprüche des Klägers auf positive Vertragsverletzung und unerlaubte Handlung stützt. § 628 Abs. 2 BGB ist für materielle Schadensersatzansprüche wegen Auflösungsverschuldens infolge einer nicht ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Spezialregelung, hinter die andere Anspruchsgrundlagen zum Ersatz von Beendigungsschäden aus positiver Vertragsverletzung oder unerlaubter Handlung zurückzutreten (vgl. ErfK/Müller-Glöge § 628 BGB Rn. 114; im Verhältnis zur positiven Vertragsverletzung bereits Senat 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19, zu B II 1 der Gründe).

    Soweit der Kläger die geltend gemachten Beendigungsschäden auf eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB stützt, gilt nichts anderes. Zwar wäre eine immaterielle Entschädigung wegen erheblicher Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht von den Voraussetzungen des § 628 Abs. 2 BGB abhängig und auch nicht von der Begrenzung dieses Schadensersatzanspruchs erfasst. Der Kläger hat jedoch klargestellt, dass es ihm nicht um Schmerzensgeld geht, sondern um die durch die (angebliche) Persönlichkeitsrechtsverletzung adäquat kausal verursachten materiellen Folgeschäden, also die materiellen Beendigungsschäden. Deren Geltendmachung ist jedoch nach Sinn und Zweck des § 628 Abs. 2 BGB auf den Verfrühungsschaden begrenzt.

  • Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Laux, Haible, Ma. Schallmeyer

 

Fundstellen

Haufe-Index 1203673

DB 2004, 1784

AP, 0

EzA-SD 2004, 5

EzA

ArbRB 2004, 265

BAGReport 2004, 283

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