Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigter Lehrer

 

Normenkette

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 09.07.1991; Aktenzeichen 16 Sa 515/91)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 28.02.1991; Aktenzeichen 9 Ca 6663/90)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Juli 1991 – 16 Sa 515/91 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aufgrund einer Teilzeittätigkeit für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Juli 1987 noch restliche Vergütungsansprüche gegen das beklagte Land zustehen.

Der am 16. Februar 1953 geborene Kläger ist ausgebildeter Lehrer. Im Oktober 1980 erwarb er die Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe I, am 10. Juni 1985 zum Lehramt für die Sekundarstufe II.

Im Oktober 1981 nahm der Kläger bei dem beklagten Land eine Beschäftigung als Lehrkraft an der (Berufs-)Schule für M. in D. auf. Seine Unterrichtszeit betrug bis zum 28. Februar 1985 zunächst zwölf Wochenstunden. Eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkraft unterrichtet 25 Wochenstunden.

Am 1. März 1985 begann der Kläger eine Tätigkeit mit 40 Wochenstunden als Verwaltungsmitarbeiter beim A. in B.. Im Hinblick darauf vereinbarten die Parteien eine Reduzierung seiner Unterrichtszeit auf vier Wochenstunden. Ab 1. August 1985 einigten sich die Parteien auf eine unbefristete Verlängerung der bis dahin jeweils befristet abgeschlossenen Anstellungsverträge. Zum 31. Juli 1986 gab der Kläger seine Tätigkeit beim A. auf. Anschließend war er bis zum 31. Dezember 1986 arbeitslos gemeldet und erhielt Arbeitslosengeld. Seine Unterrichtstätigkeit mit vier Wochenstunden führte er weiter.

Mit Beginn des Jahres 1987 wurde der Kläger pädagogischer Mitarbeiter mit 40 Wochenstunden an der Volkshochschule G.. Seine bisherige Tätigkeit als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft beim beklagten Land gab er zum 31. Juli 1987 auf.

Der Kläger erhielt vom beklagten Land eine Vergütung nach Einzelstunden (Jahreswochenstunden). Der Vergütungssatz betrug entsprechend einem Runderlaß des Kultusministers im März 1985 22,90 DM und im August 1985 31,80 DM je Einzelstunde. Eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkraft mit der Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe I wurde nach VergGr. IV a BAT vergütet, mit der Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe II nach VergGr. II a BAT. Der dem Kläger jeweils gewährte Stundensatz lag niedriger als der Stundensatz, den eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkraft erhielt.

Nachdem die Parteien sich auf einen Verzicht des beklagten Landes auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 1990 geeinigt hatten, hat der Kläger am 27. Dezember 1990 beim Arbeitsgericht Klage eingereicht und die Nachzahlung von Differenzvergütungsbetragen geltend gemacht. Er hat vorgetragen:

Für eine anteilig geringere Vergütung seiner Unterrichtstätigkeit fehle es an einem sachlichen Grund. Die Vergütungsvereinbarung der Parteien verstoße daher gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Eine soziale Absicherung habe er, der Kläger, in seinen außerschulischen Tätigkeiten nicht gefunden. Diese – berufsfremden – Tätigkeiten habe er nur aufgenommen, um zur Sicherung seiner Existenzgrundlage die Zeit bis zur erhofften Festeinstellung als hauptberuflicher Lehrer überbrücken zu können.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

  1. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai 1985 bis 10. Juni 1985 4/25 der Vergütung aus VergGr. IV a BAT, für den Zeitraum ab 11. Juni 1985 bis 31. Juli 1987 4/25 der Vergütung aus VergGr. II a BAT, unter Anrechnung der jeweils für diesen Zeitraum gewährten Vergütung zusätzlich einer anteiligen Zulage i. H. von 100,– DM monatlich nebst 4 % Zinsen auf die jeweiligen monatlichen Nettodifferenzbeträge ab monatlicher Fälligkeit zu zahlen;
  2. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 31. Juli 1987 eine Zuwendung in Anlehnung an den Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte, sowie Urlaubsgeld unter Anrechnung des für den vorgenannten Zeitraum bereits bezogenen Urlaubsgeldes nebst 4 % Zinsen ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen: Zur Zeit der Herabsetzung der Unterrichtszeit auf vier Wochenstunden im März 1985 und bei der unbefristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses im August 1985 habe der Kläger durch sein damaliges Vollzeitarbeitsverhältnis über eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage verfügt, die eine unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 gerechtfertigt habe. Darüber hinaus sei die hauptberufliche Tätigkeit des Klägers ab 1. Januar 1987 sowie die vorhergehende Zeit der Arbeitslosigkeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 1986 zu berücksichtigen, während derer ihm Arbeitslosengeld gezahlt worden sei. Die soziale Lage des Klägers unterscheide sich somit über den Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse hinaus für den gesamten Klagezeitraum von anderen Teilzeitbeschäftigten dadurch, daß er einer Haupttätigkeit nachgegangen sei, aus der er für sich und seine Familie eine ausreichende soziale Absicherung gewonnen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach den zuletzt gestellten Anträgen des Klägers erkannt. Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten Landes, mit der es sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen angenommen, der Kläger habe einen Anspruch auf höhere Vergütung gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG 1985, § 612, Abs. 2 BGB. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 dürfe der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Erfolge eine unterschiedliche Behandlung bei der Vergütung aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Regelung der Parteien, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund bestehe, führe dies zur Nichtigkeit dieser Regelung (§ 134 BGB). An die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Ein sachlicher Grund hinsichtlich der Höhe seiner Unterrichtsvergütung lasse sich im Fall des Klägers nicht aus seiner hauptberuflichen Beschäftigung ab 1. März 1985 herleiten. Die Tätigkeit während der Zeit vom 1. März 1985 bis zum 31. Juli 1986 stelle keine solche dar, aus der der Kläger eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage habe gewinnen können. Gleiches gelte für die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 1986 sowie auch für die weitere Tätigkeit vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1987. Hinzu komme, daß der Kläger eine berufsfremde Hauptbeschäftigung aufgenommen habe, um sein bis dahin relativ geringes Einkommen als teilzeitbeschäftigter Lehrer aufzustocken.

Das Landesarbeitsgericht hat auf den Streitfall die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. Insoweit ist ihm zu folgen. Weiter ist ihm im Ergebnis darin beizupflichten, daß die anderweiten Beschäftigungen des Klägers keinen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 für eine vergütungsmäßige Schlechterstellung bilden.

II.1. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die Schaffung weiterer Teilzeitarbeitsplätze zu fördern, aber auch, die Teilzeitbeschäftigten, deren Zahl in den Jahren vor Erlaß des Beschäftigungsförderungsgesetzes insbesondere wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt stark zugenommen hatte, zu schützen und zu verhindern, daß sie zusätzlich zu ihrer geringeren Verdienstmöglichkeit auch noch weitere Schlechterstellungen im Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten hinnehmen müssen. Dieser Schutzzweck der Norm entfällt bei denjenigen Teilzeitbeschäftigten, die ihre Tätigkeit nur nebenberuflich ausüben, in erster Linie aber einem Vollzeitberuf nachgehen. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Umstände zu dem Zeitpunkt an, in dem das Teilzeitarbeitsverhältnis begründet wird; spätere Änderungen der Verhältnisse können zu einer anderen Wertung führen.

In dieser Hinsicht kann die hauptberufliche Tätigkeit einen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen, der die unterschiedliche vergütungsmäßige Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten mit Hauptberuf gegenüber einem Teilzeitbeschäftigten ohne Hauptberuf nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der Vorschrift erscheinen läßt. Das hat der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Beschäftigungsförderungsgesetzes und weiter auf Hanau (NZA 1984, 345, 347) im Urteil vom 22. August 1990 (– 5 AZR 543/89 – AP Nr. 8 zu § 2 BeschPG 1985, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) im tatbestandlich besonders gestalteten Falle eines im landeskirchlichen Dienst stehenden Pfarrers, der sechs Wochenstunden Religionsunterricht erteilte, näher ausgeführt (vgl. weiter die Senatsurteile vom 7. August 1991 – 5 AZR 88/91 – und vom 21. August 1991 – 5 AZR 634/90 –, beide nicht veröffentlicht; sowie die Urteile des Vierten Senats vom 23. Oktober 1991 – 4 AZR 500/90 – und vom 27. November 1991 – 4 AZR 245/91 –, ebenfalls nicht veröffentlicht, und des Sechsten Senats vom 6. Dezember 1990 – 6 AZR 159/89 – NZA 1991, 350, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; a. A. Lipke, ArbuR 1991, 76, 79; Schüren/Kirsten, SAE 1991, 116 ff. und in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 11. März 1992 – 5 AZR 237/91 – nochmals bestätigt).

2. Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ergibt sich, daß die Vergütungsvereinbarung der Parteien über Jahreswochenstunden für die Zeit ab 1. Mai 1985 einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschPG 1985 bedeutet.

Allerdings hat der Kläger vom 1. März 1985 bis zum 31. Juli 1986 neben seinem vierstündigen wöchentlichen Unterricht eine Vollzeitbeschäftigung mit 40 Wochenstunden als Verwaltungsmitarbeiter beim A. ausgeübt. Diese Beschäftigung hat er aber erkennbar nicht als Hauptberuf im Sinne seiner durch Ausbildung und bisherige Tätigkeit bestätigten Berufsentscheidung angesehen. Denn er hat noch am 10. Juni 1985 die Befähigung zum Lehramt für die Sekundarstufe erworben und mit Wirkung ab 1. August 1985 eine unbefristete Verlängerung seiner bis dahin jeweils befristeten Teilzeitbeschäftigung beim beklagten Land erwirkt. Zudem hat er die Vollzeitbeschäftigung als Verwaltungsmitarbeiter selbst aufgegeben und eine gewisse Zeit der Arbeitslosigkeit hingenommen, bis er ab 1. Januar 1987 eine Verwirklichung seines Berufswunsches, Lehrer zu werden, erreichte und als pädagogischer Mitarbeiter bei einer Volkshochschule Beschäftigung fand. Diese Beschäftigung ist als Hauptberuf anzusehen. Es kann dem Kläger aber nicht zum Nachteil ausschlagen, wenn er erst die Probezeit und den Eintritt des Kündigungsschutzes abwartete, bis er seine bisherige Nebentätigkeit beim beklagten Land zum 31. Juli 1987 aufgab.

3. Der Feststellungsanspruch des Klägers erstreckt sich auch auf einen entsprechenden Anteil der Zulage von monatlich 100,– DM, nämlich 16,– DM brutto (4/25 × 100,– DM) pro Monat sowie auf eine entsprechende anteilige Zuwendung nach Maßgabe des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte sowie ein entsprechendes anteiliges Urlaubsgeld (zur Zuwendung vgl. BAG Urteil vom 6. Dezember 1990 – 6 AZR 159/89 –, a.a.O., zu II 3 der Gründe; zum Urlaubsgeld vgl. BAG Urteil vom 15. November 1990 – 8 AZR 283/89 – NZA 1991, 346).

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Schlemmer, Schütters

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073531

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