Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhegehaltskürzung bei Sozialversicherungsrente

 

Leitsatz (amtlich)

  • Ist ein Dienstordnungsangestellter bereits vor Inkrafttreten des Beamtenversorgungsgesetzes mit einem Ruhegehalt in den Ruhestand getreten, das sich nach Bayerischem Landesbeamtenrecht richtet, so ist bei der Berechnung der Versorgungshöchstgrenze beim Zusammentreffen von Ruhestandsbezügen mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit die Zeit vom vollendeten siebzehnten Lebensjahr an zu berücksichtigen (§ 55 Abs. 2 Nr. 1b) BeamtVG).
  • Für die Berechnung des anrechnungsfreien Teils der Angestelltenversicherungsrente sind in § 55 Abs 4 BeamtVG zwei Berechnungsverfahren vorgesehen. Diese sind nicht lückenhaft. Die Regelung erfordert keine richterliche Rechtsfortbildung.
 

Normenkette

BetrAVG § 1 Beamtenversorgung; BeamtVG §§ 69, 55 Abs. 2, 4; BGB § 611; ZPO § 256 Abs. 2, §§ 240, 246

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 25.09.1984; Aktenzeichen 4 Sa 528/84)

ArbG München (Urteil vom 24.05.1984; Aktenzeichen 7b Ca 299/83 G)

 

Tenor

  • Die Revisionen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. September 1984 – 4 Sa 528/84 – werden zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat zwei Drittel, die Beklagte hat ein Drittel der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechnung des Ruhegehalts nach § 55 Abs. 2 BeamtVG (Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten).

Der im Jahre 1910 geborene Kläger trat am 1. Dezember 1939 als Angestellter in die Dienste der Beklagten. Am 1. Dezember 1942 wurde er Dienstordnungsangestellter. Nach der bei der Beklagten geltenden Dienstordnung steht ihm Ruhegeld wie einem Beamten des Freistaates Bayern zu. Am 1. Juni 1955 wurde er in den vorgezogenen Ruhestand versetzt. Sein Ruhegehalt betrug Ende 1981 im Monat 2.239,64 DM. Zugleich erhielt er eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe von 2.210,70 DM. Im Verlaufe seines Lebens war er 20 Jahre in der gesetzlichen Sozialversicherung versichert. Hiervon sind neun Jahre mit freiwilligen Beiträgen belegt.

Aufgrund des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1523) nahm die Beklagte eine Neuberechnung der Versorgungsbezüge vor. Sie rechnete die Sozialversicherungsrente auf die Beamtenversorgungsbezüge an. Diese kürzte sie ab 1. Januar 1982 auf monatlich 1.023,76 DM und gewährte dem Kläger zugleich einen Ausgleichsbetrag nach Art. 2 § 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes in Höhe von 1.145,35 DM. Bei der Berechnung der fiktiven Höchstgrenze der Versorgungsbezüge nach § 55 Abs. 2 BeamtVG nahm sie als ruhegehaltsfähige Dienstzeit die Zeit vom vollendeten 30. Lebensjahr an. Bei der Ermittlung des Rentenanteils der freiwilligen Versicherung ging sie von dem Verhältnis der Versicherungsjahre aufgrund freiwilliger Weiterversicherung zu den gesamten Versicherungsjahren aus. Hiergegen wendet sich der Kläger.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse bei der Ermittlung der fiktiven Höchstgrenze seiner Versorgungsbezüge eine Dienstzeit vom vollendeten 17. Lebensjahr zugrunde legen. Es sei willkürlich, daß die Beklagte bei der Ermittlung der Höchstgrenze der Versorgungsbezüge nur einen Teil der Beamtendienstzeit berücksichtige, andererseits aber die Sozialversicherungsrente voll anrechnen wolle. Die Beklagte müsse aber auch einen größeren Anteil seiner Sozialversicherungsrente anrechnungsfrei lassen. Der Gesetzgeber stelle für die Ermittlung des Anteils der freiwilligen Weiterversicherung in § 55 Abs. 4 BeamtVG zwei verschiedene Verfahren zur Verfügung. Bei der Rentenberechnung nach Werteinheiten lasse sich der auf der freiwilligen Weiterversicherung beruhende Wertanteil genau ermitteln. Dagegen sei dies nicht der Fall bei einer pauschalen Berechnung nach dem Verhältnis der Versicherungsjahre. Der Gesetzgeber habe die pauschale Berechnung nach Versicherungsjahren nur eingeführt, weil in aller Regel bei Altrenten keine Versicherungskarten mehr vorlägen und der Rentenbescheid den Anteil der freiwilligen Versicherung nicht ausweise. Da er aber eine Unfallrente beziehe, enthalte sein Rentenbescheid vom 3. November 1957 auch den genauen Anteil der Rente, der auf freiwilliger Weiterversicherung beruhe. Um seinem Eigentumsschutz an der Sozialversicherungsrente, dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundsatz der angemessenen Alimentation Rechnung zu tragen, bedürfe es einer richterlichen Rechtsfortbildung von § 55 Abs. 4 Nr. 1 BeamtVG dahin, daß bei ihm eine konkrete Berechnung durchgeführt werde, in welchem Umfang seine Rente anrechnungsfrei bleiben müsse. Danach müßte von seiner Sozialversicherungsrente 70,97 % statt bisher 55 % anrechnungsfrei bleiben.

Der Kläger hat beantragt,

  • die Beklagte wird verurteilt, bei der Ruhensberechnung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 55 BeamtVG bei der Bestimmung der Höchstgrenze gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG die Zeit ab dem 17. Lebensjahr des Klägers zugrunde zu legen;
  • die Beklagte wird verurteilt, bei der Ruhensberechnung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 55 BeamtVG die vom Kläger entrichteten freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung entsprechend ihres tatsächlichen Rentenanteils als Steigerungsbeträge zu berücksichtigen und nicht nur entsprechend des Anteils an den Versicherungsjahren;
  • die Beklagte wird verurteilt, aufgrund der Neuberechnung nach Ziff. 1 und Ziff. 2 die Versorgungsbezüge des Klägers rückwirkend zum 1. Januar 1982 neu zu berechnen und die sich hieraus ergebende Erhöhung der Versorgungsbezüge dem Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß sie bei der Ermittlung der fiktiven Höchstgrenze der Versorgung nur von einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit ab dem 30. Lebensjahr auszugehen brauche. Nach § 69 BeamtVG bewende es für die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits im Ruhestand lebenden. Personen bei dem bisherigen Rechtszustand. Nach den Bayerischen Gesetzen sei bei der Berechnung der Versorgungsbezüge von der Vollendung des 30. Lebensjahres auszugehen. Dies müsse dann auch bei der Berechnung der fiktiven Höchstgrenze gelten. Diesen Rechtsstandpunkt haben bereits der Bundesrat und die zuständigen Minister im Erlaßwege vertreten. Wegen der Berücksichtigung der Freibeträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung habe sie sich streng an den Wortlaut von § 55 Abs. 4 Nr. 1 BeamtVG gehalten. Soweit der Kläger die Berechnungsregel aus verfassungsrechtlichen Gründen in Zweifel ziehe, sei dies ungerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat in einem Teilurteil dem Klageantrag zu 1. (ruhegehaltsfähige Dienstzeit ab 17. Lebensjahr) stattgegeben und den Klageantrag zu 2. (Berechnung des anrechnungsfreien Teils der Rente nach Werteinheiten) abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, soweit sie unterlegen sind. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Revisionen eingelegt, mit denen sie ihre Anträge weiterverfolgen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet. Die Beklagte muß bei der Ermittlung der Versorgungshöchstgrenze die ruhegehaltsfähige Dienstzeit ab dem 17. Lebensjahr berücksichtigen. Der Kläger kann sich nicht dagegen wehren, daß die anrechnungsfähige Sozialversicherungsrente nach dem Verhältnis der Versicherungsjahre aufgrund freiwilliger Weiterversicherung zu den gesamten Versicherungsjahren berechnet wird.

I.1. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die von dem Kläger gestellten Klageanträge zulässig sind. Der Kläger hat zwar seine Klageanträge, die die Berechnung seiner Versorgungsbezüge klären sollen, in der Form einer vollstrekkungsfähigen Leistungsklage gestellt. Die Auslegung ergibt jedoch, daß er die streitigen Berechnungsfragen festgestellt haben will, um damit seine Klage auf Auszahlung seiner Versorgungsbezüge vorzubereiten. Insoweit sind die Feststellungsanträge nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

2. Der Senat mußte noch über die Klage entscheiden. Der Kläger ist im Verlaufe des Revisionsverfahrens verstorben. Hierdurch ist eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eingetreten (§§ 239, 246 ZPO). War eine verstorbene Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten, findet nur eine Aussetzung des Verfahrens statt, wenn sie beantragt wird. Ein Antrag ist nicht gestellt worden.

II. Es ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen, daß die Beklagte die Versorgungshöchstgrenze unter Berücksichtigung einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit ab dem 17. Lebensjahr ermitteln muß.

1.a) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG richten sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des Beamtenversorgungsgesetzes am 1. Januar 1977 (§ 109 BeamtVG) vorhandenen Versorgungsberechtigten nach dem bisherigen Beamtenrecht. Das gilt jedoch nur mit der Maßgabe, daß § 55 BeamtVG Anwendung findet. Diese Bestimmung in der Fassung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes ist danach auf die Versorgungsverhältnisse der bereits im Ruhestand lebenden Versorgungsberechtigten anzuwenden. Sie enthält eine Regelung zur Berechnung der Versorgungsbezüge, wenn sie mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammentreffen. Neben Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen werden Versorgungsbezüge nur bis zu einer Höchstgrenze gezahlt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer das Gericht bindenden Wirkung entschieden, daß die Einführung einer Höchstgrenze auch für bereits im Ruhestand lebende Versorgungsberechtigte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 –).

b) Die Höchstgrenze wird nach § 55 Abs. 2 BeamtVG berechnet. Die Höchstgrenze wird bei den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen aus der Endstufe der Besoldungsgruppe errechnet, aus der das Ruhegehalt gezahlt wird; bei der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit wird die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalles berücksichtigt. Insoweit ist der Wortlaut des Gesetzes eindeutig.

2. Der Senat kann der Auffassung der Beklagten nicht folgen, nach der trotz des entgegenstehenden Wortlauts bei der Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von der Vollendung des 30. Lebensjahres auszugehen sei. Für ihre Rechtsauffassung ergibt sich nichts anderes aus der Gesetzesgeschichte.

a) Richtig ist, daß im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Bundesregierung gebeten wurde zu prüfen, ob wegen der Versorgungsempfänger, deren Beamtenverhältnis vor dem 1. Januar 1966 begründet worden ist und die in das Gesetz einbezogen sind, noch weitere Anpassungsregelungen erforderlich seien. Sie hat vorgeschlagen, bei den nach altem Recht berechneten Versorgungsbezügen den Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG zugrunde zu legen, mindestens den erdienten Ruhegehaltssatz (BT-Drucks. 9/842, S. 98 zu Art. 2 § 1 Nr. 6 und 9§§ 55, 69 BeamtVG). Der Bundesrat hat darauf am 28. September 1981 Stellung genommen. Er hat ausgeführt “Für die Berechnung der Höchstgrenze gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG muß ein fiktives Ruhegehalt ermittelt werden. Die hierfür geltenden Maßgaben des § 55 Abs. 2 BeamtVG setzen die Anwendung der Ruhegehaltsskala des § 14 Abs. 1 BeamtVG oder einer damit übereinstimmenden Ruhegehaltsskala voraus. Für Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge gemäß §§ 69, 78 BeamtVG nach einer abweichenden Ruhegehaltsskala berechnet sind, bedarf es zum Zwecke der Höchstgrenzenregelung (und nur dafür) einer positiven Regelung zur Anwendung der Ruhegehaltsskala nach dem neuen Recht” (BT-Drucks. 9/842, S. 98, 99 zu Art. 2 § 1 Nr. 6 und 9§§ 55, 69 BeamtVG). Schließlich heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats vom 8. Oktober 1981 (BT-Drucks. 9/888 S. 8 zu § 69): “Der Anregung des Bundesrats wird nicht zugestimmt. Es ist sachgerecht, bei nach altem Recht berechneten Versorgungsbezügen auch der Berechnung der Höchstgrenze die Ruhegehaltsskala des alten Rechts zugrunde zu legen.” Die Bundesregierung ging somit davon aus, daß § 55 BeamtVG ohne eine gesetzliche Klarstellung zu diesem Ergebnis führt. Dagegen soll nach dem Anliegen des Bundesrats der für die Berechnung der Höchstgrenze maßgebende Ruhegehaltssatz nicht hinter dem erdienten Ruhegehaltssatz zurückbleiben. Aus den verschiedenen Stellungnahmen ergibt sich nur, welche Rechtsansicht die Bundesregierung gehabt hat. Diese Äußerung läßt aber keinen Schluß auf die Absichten der gesetzgebenden Körperschaften zu.

In seinem Runderlaß vom 21. Dezember 1981 geht der Bundesminister des Innern zu Nr. 2.5 davon aus, daß bei der Berechnung der Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG die Ruhegehaltsskala anzuwenden ist, die für den zu berechnenden Versorgungsbezug maßgebend ist. Dieser Rechtsauffassung hat sich das Staatsministerium der Finanzen des Freistaates Bayern am 11. November 1983 angeschlossen. Auch das Schrifttum ist ihr teilweise gefolgt (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 55 Rz 8; ohne Stellungnahme GKÖD, Bd. I Teil 4, Stand 3/87, § 55 Rz 23 ff.; Schütz/Brockhaus, Beamtenrecht, 5. Aufl., Stand 1986, § 55 BeamtVG Rz 4, 5). Diese Rechtsauffassungen sind für die Gerichte nicht bindend.

b) Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Gründe des Systemzusammenhangs erfordern nicht, daß die Ermittlung der fiktiven Höchstgrenze nach der Ruhegehaltsskala des Freistaats Bayern erfolgt. Die jeweiligen Ruhegehaltsskalen dienen zur Ermittlung der konkreten Versorgung im Einzelfall. Dagegen ist die Höchstgrenze in § 55 Abs. 2 BeamtVG ein fiktiver Betrag, über den die Gesamtversorgung aus Versorgungsbezügen und Sozialversicherungsrenten nicht steigen soll. Wendet man für die Bestimmung der Höchstgrenze in § 55 Abs. 2 BeamtVG nur kürzere Dienstzeiten und andere Ruhegehaltsskalen an, muß sich folgerichtig für die Altrenten in Bayern eine geringere Gesamtversorgung ergeben. Es gibt aber keinen sachlichen Grund, bei der Berechnung der Versorgungsbezüge in Bayern zwischen Versorgungsempfängern zu unterscheiden, die vor oder nach Inkrafttreten des Beamtenversorgungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind. Auch der mit § 55 Abs. 2 BeamtVG verfolgte Zweck spricht gegen die Auffassung des Bundesinnenministers. Es sollte eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen verhindert werden. Der Versorgungsberechtigte soll nicht mehr erhalten, als er erhalten hätte, wenn er von vornherein während seines ganzen Berufslebens als Beamter beschäftigt gewesen wäre, also vom 17. Lebensjahr an bis zum Eintritt des Versorgungsfalles. Bleiben Dienstzeiten vom 17. bis zum 30. Lebensjahr unberücksichtigt, werden aber andererseits die Sozialversicherungsrenten für diesen Zeitraum angerechnet, bleiben bestimmte Lebenszeiten ohne die Möglichkeit des Versorgungserwerbs. Der Versorgungsberechtigte wird doppelt betroffen, ohne daß hierfür Gründe ersichtlich sind.

III. Die Beklagte durfte bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Rente auf das Verhältnis der Versicherungsjahre aufgrund freiwilliger Weiterversicherung zu den gesamten Versicherungsjahren abstellen.

1. Nach § 55 Abs. 4 Nr. 1 BeamtVG werden zwei Methoden zur Verfügung gestellt, nach denen anrechnungsfreie Renten ermittelt werden. Zum einen wird abgestellt auf das Verhältnis der Versicherungsjahre aufgrund freiwilliger Weiterversicherung oder Selbstversicherung zu den gesamten Versicherungsjahren. Zum anderen wird abgestellt auf Werteinheiten, wenn sich die Rente nach Werteinheiten berechnet. Während sich bei der Berechnung nach Werteinheiten der der freiwilligen Weiterversicherung oder Selbstversicherung entsprechende Rentenanteil genau ermitteln läßt, ist das Verfahren nach dem Verhältnis der Versicherungszeiten ungenauer. Der Gesetzgeber hat dies für vertretbar gehalten, weil im allgemeinen der Versorgungsberechtigte begünstigt wird; erfahrungsgemäß werden freiwillige Weiterversicherungsbeiträge in geringerer Höhe gezahlt.

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Rente des Klägers nicht nach Werteinheiten berechnet worden ist. Damit steht für die Ermittlung des anrechnungsfreien Teils der Rente nur das Berechnungsverfahren im Verhältnis der Versicherungsjahre zur Verfügung.

2. Der Senat vermag dem Kläger nicht zu folgen, daß er im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ein drittes Verfahren zur Bestimmung des anrechnungsfreien Teils der Rente entwickeln müsse, das nur für solche Fälle gelte, in denen es technisch möglich sei, den auf freiwilliger Weiterversicherung beruhenden Anteil genau zu bestimmen. Eine richterliche Rechtsfortbildung ist nur dann möglich und zulässig, wenn die Rechtsordnung eine Lücke enthält, die von den Gerichten geschlossen werden muß (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1979, S. 350 ff.). Eine derartige Regelungslücke besteht aber nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewußt nur zwei Berechnungsverfahren zur Ermittlung des auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Rentenanteils zur Verfügung gestellt.

3. Auch aus Gründen des Verfassungsrechts ist keine Weiterentwicklung geboten.

a) Der Eigentumsschutz des Klägers an seiner Sozialversicherungsrente ist nicht verletzt. Die erworbene Sozialversicherungsrente wird voll ausgezahlt. Nur die Beamtenversorgungsbezüge ruhen, soweit sie die Höchstgrenze übersteigen (BVerfG vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 –).

b) Das Prinzip der ausreichenden Alimentation eines Beamten oder eines ihm Gleichgestellten ist nicht verletzt; der Kläger wurde weit über dem Satz seiner Besoldungsgruppe versorgt.

c) Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Der Gleichheitssatz enthält für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 3, 58, 135 f.; seither ständige Rechtsprechung). Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt. Der Gesetzgeber mußte nach den verschiedenen Rentenberechnungsarten eine hinreichend zuverlässige Methode zur Bestimmung des auf freiwilligen Beiträgen beruhenden Rentenanteils entwickeln. Hierbei durfte er sich auch einer pauschalen Betrachtungsweise bedienen.

d) Das Sozialstaatsprinzip ist nicht verletzt (Art. 20 Abs. 1 GG). Auch dann, wenn die Berechnung nach Versicherungszeiten in Ausnahme- und Sonderfällen nur einen groben Maßstab abgibt, genügt dieses Verfahren einer sachgemäßen Berechnung.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Schwarze, Grimm

 

Fundstellen

Haufe-Index 872423

RdA 1988, 317

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge