Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Betriebsrente. Ausschluß von Dienstzeiten. Auslandstätigkeit. französische gesetzliche Rentenversicherung für leitende Angestellte (cadres). Auslegung eines Versorgungstarifvertrages. Verzicht auf Versorgungsrechte. Abfindungsverbot. Beginn der Ausschlußfrist. Verwirkung – Umstandsmoment

 

Orientierungssatz

1. Nach Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 der von der Beklagten abgeschlossenen tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung zählen die Beschäftigten, die gemäß den Bestimmungen für leitende Angestellte in der französischen gesetzlichen Rentenversicherung (cadres) oder bei einem ihr gleichgestellten gesetzlichen Träger vom Arbeitgeber voll versichert sind, nicht zu den Arbeitnehmern iSd. Versorgungsvereinbarung. Diese Ausnahmevorschrift bezieht sich auch auf die Berechnung der tariflichen Altersversorgung.

2. Eine „volle Versicherung” iSd. Ausnahmevorschrift setzt voraus, daß der Arbeitgeber die Möglichkeiten des französischen Rentenversicherungsrechts ausschöpft. Eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende, dem Arbeitnehmer günstigere Kostenverteilung ist für eine „volle Versicherung” nur dann erforderlich, wenn ohne sie der vorübergehend im Ausland Beschäftigte gegenüber den durchgängig in Deutschland Beschäftigten erheblich schlechter gestellt würde.

3. Beweisaufnahmen nach § 293 ZPO dienen lediglich dazu, dem Gericht die erforderlichen Kenntnisse des ausländischen Rechts zu verschaffen.

4. Bei einem Streit über die Berechnungsgrundlagen der Betriebsrente beginnt eine tarifvertragliche Ausschlußfrist für den Versorgungsanspruch erst nach Eintritt des Versorgungsfalles.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1, 3; TVG § 4; BGB § 242; ZPO § 293

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 01.12.1999; Aktenzeichen 9 Sa 375/98)

ArbG München (Urteil vom 05.03.1998; Aktenzeichen 33 Ca 18144/96)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 1. Dezember 1999 – 9 Sa 375/98 – aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, inwieweit bei der Berechnung der tariflichen Zusatzversorgung die von der Klägerin im Pariser Büro der Beklagten zurückgelegten Dienstzeiten zu berücksichtigen sind.

Die am 28. Januar 1942 geborene Klägerin war vom 6. Oktober 1970 bis zum 30. Juni 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Vom 6. Oktober 1970 bis zum 30. September 1972 war sie im Münchener Betrieb, vom 1. Oktober 1972 bis zum 31. Oktober 1991 im Pariser Büro und seit dem 1. November 1991 wieder im Münchener Betrieb der Beklagten tätig.

Die tarifvertragliche Versorgungsvereinbarung vom 2. Juni 1981 (VV) räumt den Arbeitnehmern und ihren Hinterbliebenen Ansprüche gegen die Beklagte auf Alters-, Invaliditäts- bzw. Hinterbliebenenrente ein. Art. I Ziff. 1.3 VV regelt den versorgungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff wie folgt:

„‚Arbeitnehmer’ im Sinne dieser Versorgungsvereinbarung (VV) sind alle Personen, die am Tage des Inkrafttretens der VV oder später dem RFE/RL in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin bzw. in anderen europäischen Ländern, mit Ausnahme von Portugal und Spanien, als festangestellte Vollbeschäftigte oder Teilzeitbeschäftigte (gem. Ziff. 7.1) angehören und die Wartezeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllen können. Hiervon ausgenommen sind diejenigen Personen, die dem U.S. Versorgungsplan angehören, sowie Arbeitnehmer, die gemäß den Bestimmungen für leitende Angestellte in der französischen gesetzlichen Rentenversicherung (cadres) oder einem ihr gleichgestellten gesetzlichen Träger vom Arbeitgeber voll versichert sind.”

Im Aufhebungsvertrag vom 31. August 1994 vereinbarten die Parteien:

„1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Parteien sind sich darüber einig, daß das seit dem 06.10.1970 bestehende Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 30.06.1995 endet.

5. Betriebsrente

Der Arbeitgeber bestätigt, daß die Arbeitnehmerin einen unverfallbaren Anspruch auf Leistungen aus dem betrieblichen Versorgungsplan erworben hat, und diese Leistungen gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Planes erhalten wird. Die Arbeitnehmerin erhält auf Anfrage eine Schätzung der erworbenen Betriebsrentenansprüche.

7. Ausgleich aller Ansprüche

Die Parteien sind sich darüber einig, daß das bestehende Arbeitsverhältnis durch diese Vereinbarung zum 30.06.1995 beendet wird und alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit Erfüllung dieser Vereinbarung ausgeglichen sind.

…”

Mit Schreiben vom 7. Oktober 1994 teilte die Beklagte der Klägerin „unter Bezugnahme auf Ziffer 5 des Aufhebungsvertrages” mit, daß ihr „unverfallbarer Betriebsrentenanspruch zum Zeitpunkt Ihres Ausscheidens (30.6.1995) DM 1.817 p.M.” betrage, sofern sie die Rente nicht vor Vollendung ihres 63. Lebensjahres in Anspruch nehme. Am Ende dieses Schreibens unterschrieb die Klägerin den Vermerk: „Kenntnis genommen 30.11.94”.

Bei der Anwartschaftsberechnung hatte die Beklagte die Dienstzeiten von Oktober 1970 bis Dezember 1976 und von November 1991 bis Juni 1995 berücksichtigt. Sie hatte lediglich die Pariser Dienstzeiten einbezogen, in denen die Klägerin nach ihrer Behauptung nicht in der französischen gesetzlichen Rentenversicherung (cadres) versichert war (Oktober 1972 bis Dezember 1976). Ab 1. Januar 1977 leistete die Beklagte ca. 2/3 und die Klägerin ca. 1/3 der Beiträge zu dieser Versicherung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung ihrer Versorgungsanwartschaft sei ihre gesamte Pariser Dienstzeit zu berücksichtigen. Der Ausnahmetatbestand des Art. I Ziff. 1.3 VV sei nicht erfüllt. Sie sei von der Beklagten in Frankreich nicht „voll versichert” worden. „Vom Arbeitgeber voll versichert” bedeute, daß er die Beiträge zur französischen gesetzlichen Rentenversicherung allein trage. Die Klägerin habe auch nicht auf einen Teil ihrer Versorgungsrechte verzichtet, und zwar weder im Aufhebungsvertrag noch in den vorausgegangenen Vertragsverhandlungen noch durch die Bestätigung, die von der Beklagten erteilte Auskunft zur Kenntnis genommen zu haben. Ebensowenig sei die Klageforderung verfallen oder verwirkt.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt

festzustellen, daß ihr eine Altersversorgung nach der Versorgungsvereinbarung vom 2. Juni 1981 unter Zugrundelegung ihrer Dienstzeit bei der Beklagten vom 6. Oktober 1970 bis 30. Juni 1995 zusteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei jedenfalls von Januar 1977 bis Oktober 1991 in der französischen gesetzlichen Rentenversicherung „voll versichert” gewesen. Dafür habe es ausgereicht, daß die Klägerin in der freiwilligen Zusatzversicherung (ANEP) zu den Höchstsätzen angemeldet worden sei und die Beklagte den im französischen Rentenversicherungsrecht vorgesehenen Arbeitgeberanteil geleistet habe. Im übrigen sei der eingeklagte Versorgungsanspruch erloschen. Die Parteien hätten sich schon vor Abschluß des Aufhebungsvertrages über die maßgeblichen Dienstzeiten geeinigt. Die Beklagte sei lediglich bereit gewesen, die Beschäftigungszeit der Klägerin in Paris vom 1. Oktober 1972 bis 31. Dezember 1976 nach Art. I Ziff. 1.3 VV anzuerkennen. Zusammen mit den Münchener Dienstjahren habe dies eine für den deutschen Versorgungsplan maßgebliche Betriebszugehörigkeit von 9 Jahren 11 Monaten ergeben. Da beide Parteien am Abschluß des Aufhebungsvertrages interessiert gewesen seien, habe die Beklagte die für eine unverfallbare Anwartschaft erforderliche zehnjährige Betriebszugehörigkeit zugestanden. Die Klägerin sei mit dieser Lösung einverstanden gewesen. Dadurch gewinne auch die Abfindungsklausel in Nr. 7 des Aufhebungsvertrages eine besondere Bedeutung. Sie schließe einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung weiterer Dienstzeiten aus. Außerdem habe die Klägerin die Rentenberechnung der Beklagten durch die Unterzeichnung der Auskunft vom 7. Oktober 1994 nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern als richtig anerkannt. Abgesehen davon habe die Klägerin die Ausschlußfrist nach Abschnitt VI Nr. 1 Buchst. a des Manteltarifvertrages der Beklagten vom 1. April 1982 versäumt. Zumindest sei der Anspruch auf Anerkennung einer längeren Dienstzeit verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die tarifliche Altersversorgung. Ob die Pariser Dienstzeiten der Klägerin unter den Ausnahmetatbestand des Art. I Ziff. 1.3 VV fallen und deshalb unberücksichtigt bleiben, hängt von der Ausgestaltung der Zusatzversicherung im französischen Rentenversicherungsrecht und von den Beitragsanteilen ab, die der Arbeitgeber für die Pflichtversicherung und die Zusatzversicherung trug. Dies hat das Landesarbeitsgericht noch aufzuklären.

I. Die Klägerin fällt unter den Geltungsbereich der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung vom 2. Juni 1981. Nach Art. II Ziff. 2.1 VV hat die Beklagte ihren Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen Versorgungsansprüche eingeräumt. Die Klägerin stand vom 6. Oktober 1970 bis zum 30. September 1972 und vom 1. November 1991 bis zum 30. Juni 1995 in einem Arbeitsverhältnis, das sich auf den Münchener Betrieb der Beklagten bezog. Damit war die Klägerin auf jeden Fall Arbeitnehmerin im Sinne des Art. I Ziff. 1.3 VV und zwar unabhängig davon, inwieweit ihre Tätigkeit im Pariser Büro unter den Ausnahmetatbestand des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV fällt.

II. Der geltend gemachte Anspruch auf eine höhere Altersversorgung ist nicht erloschen.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Klägerin auf keine Versorgungsrechte verzichtet hat. Das Revisionsgericht kann die Auslegung individueller Willenserklärungen nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht gesetzliche Auslegungsvorschriften verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat(ständige Rechtsprechung, vgl. ua. BAG 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP HGB § 74 Nr. 63 = EzA HGB § 74 Nr. 54, zu 1 der Gründe; 7. Oktober 1993 – 2 AZR 260/93 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 9, zu II 1 a der Gründe). Dies gilt auch für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als Willenserklärung anzusehen ist. Dem Landesarbeitsgericht ist bei seiner Auslegung kein derartiger Rechtsfehler unterlaufen.

a) Auch wenn die Beklagte vor Abschluß des Aufhebungsvertrages ihren Rechtsstandpunkt zur Berücksichtigung der Pariser Dienstzeiten mit der Klägerin eingehend erörtert hatte, ist dadurch noch keine vertragliche Vereinbarung über eine veränderte Berechnung der Betriebsrente zustande gekommen. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, ist der Zeuge D. zu einem unschlüssigen Vortrag angeboten worden.

b) Ebensowenig führte das E-Mail vom 27. September 1994 zu einem Erlaßvertrag. In diesem E-Mail hatte Frau Margaret R. der Klägerin mitgeteilt:

„… Obwohl ich dies nicht als eine Verpflichtung bestätigen kann, werden wir auf der Grundlage der Jahre, von denen Sie behaupten, daß Sie nicht bei der CADRE Pension versichert seien, den Versicherungsschutz nach dem DM-Pensions-Plan anerkennen. Dies führt zu der zehnjährigen Anwartschaft, die wir diskutiert haben. …”

Diese Ausführungen beziehen sich auf den künftigen Inhalt des Aufhebungsvertrages und kündigen an, daß der Klägerin unabhängig von den bestehenden Verpflichtungen eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft eingeräumt werden solle. Die Klägerin antwortete mit E-Mail vom 28. September 1994: „Danke Ihnen Margaret”. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß sich dieser Dank auf die Bereitschaft der Beklagten beziehen könne, wenigstens eine „zehnjährige Anwartschaft” anzuerkennen. Einen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf weitergehende Versorgungsrechte hat das Landesarbeitsgericht in dieser Äußerung nicht gesehen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Verhalten der Klägerin war, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, vor dem Hintergrund zu sehen, daß zwischen den Parteien seit 1993 Streit über die Ansprüche aus der Versorgungsvereinbarung bestand. In der Versorgungsangelegenheit hatte Rechtsanwältin Dr. Geiersberger namens der Klägerin mit der Beklagten korrespondiert. Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, daß die Klägerin mit dem schlichten Wort „Danke” Versorgungsrechte aufgeben wollte, zu deren Durchsetzung sie sich einer Rechtsanwältin bedient hatte.

Außerdem diente das von Frau R. verfaßte E-Mail lediglich der Vorbereitung des Aufhebungsvertrages. Die Rechte der Klägerin sollten im Aufhebungsvertrag geregelt werden. In Nr. 5 des Aufhebungsvertrages „bestätigt” die Beklagte, daß „die Arbeitnehmerin einen unverfallbaren Anspruch auf Leistungen aus dem betrieblichen Versorgungsplan erworben hat”, und diese Leistungen „gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Planes erhalten wird”. Diese Bestätigung enthält keine Verschlechterung, sondern allenfalls eine Verbesserung der Versorgungsrechte der Klägerin. Von den Vorschriften der Versorgungsvereinbarung ist nach dem unmißverständlichen Wortlaut des Aufhebungsvertrages nicht zu Lasten der Klägerin abgewichen worden. Im Gegenteil: die Beklagte sagte ausdrücklich zu, daß die Vorschriften der Versorgungsvereinbarung eingehalten werden.

c) Ein Verzicht auf Versorgungsrechte kann auch nicht darin gesehen werden, daß die Klägerin auf der ihr erteilten Auskunft bescheinigte, daß sie die Rentenberechnung „zur Kenntnis genommen” habe. Dabei handelte es sich um eine Empfangsbestätigung ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungswert.

2. Da sich die Beklagte in Nr. 5 des Aufhebungsvertrages ausdrücklich verpflichtet hat, die der Klägerin nach der Versorgungsvereinbarung zustehenden Versorgungsansprüche zu erfüllen, fallen diese Ansprüche, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, nicht unter die Ausgleichsregelung in Nr. 7 des Aufhebungsvertrages. Im übrigen wären sowohl eine Abgeltung der Versorgungsanwartschaft durch die vereinbarte Abfindung als auch ein entschädigungsloser Verzicht auf die Versorgungsanwartschaft nach § 3 BetrAVG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Das sich aus § 3 BetrAVG ergebende Abfindungsverbot umfaßt alle Vertragsgestaltungen, die wirtschaftlich als Abfindung von Versorgungsanwartschaften anzusehen sind(vgl. BAG 24. März 1998 – 3 AZR 800/96 – BAGE 88, 212, 214 f.). Eine Versorgungsanwartschaft, die nicht einmal gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben werden kann, darf erst recht nicht entschädigungslos erlassen werden (BAG 22. September 1987 – 3 AZR 194/86 – BAGE 56, 148, 154). § 3 BetrAVG untersagt auch eine Teilabfindung und einen Teilverzicht(vgl. BAG 17. Oktober 2000 – 3 AZR 7/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 2 b cc der Gründe).

3. Die geltend gemachten Versorgungsrechte sind nicht nach Art. VI Nr. 1 des Manteltarifvertrages verfallen. Diese tarifvertragliche Ausschlußfrist beginnt nicht vor dem Entstehen der Ansprüche. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Höhe der Versorgungsansprüche der Klägerin. Die Versorgungsansprüche entstehen erst nach Eintritt des Versorgungsfalles. Die Feststellungsklage ist schon vorher erhoben worden. Neben dem Versorgungsanspruch gibt es keinen weiteren, selbständigen Anspruch auf richtige Berechnung der für die Betriebsrente maßgeblichen Dienstzeit.

4. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht eine Verwirkung der Klageforderung verneint. Zumindest fehlt das Umstandsmoment. Die Klägerin hat nicht den Eindruck erweckt, sie werde die ihr zustehenden Versorgungsrechte nicht mehr geltend machen. Vor Abschluß des Aufhebungsvertrages nahm Rechtsanwältin Dr. Geiersberger die Versorgungsrechte der Klägerin gegenüber der Beklagten wahr. In Nr. 5 des Aufhebungsvertrages verpflichtete sich die Beklagte zur Einhaltung der Versorgungsvereinbarung.

III. Die Höhe des tariflichen Versorgungsanspruchs hängt davon ab, inwieweit die Pariser Dienstzeiten der Klägerin nach Art. I Ziff. 1.3 VV mitzählen. Zur Beantwortung dieser Frage reichen die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus.

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, daß sich die Ausnahmevorschrift des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV auch auf die Berechnung der tariflichen Betriebsrente bezieht. Die Höhe der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten richtet sich unter anderem nach den „anrechnungsfähigen Dienstjahren” (Art. III Ziff. 3.3, Art. V Ziff. 5.7 und Art. VI Ziff. 6.3 VV). Die anrechnungsfähigen Dienstjahre sind in Art. I Ziff. 1.7 VV definiert. Dabei handelt es sich um „die ununterbrochenen vollen Dienstjahre und -monate der Beschäftigung beim Arbeitgeber”, wobei die anrechnungsfähige Dienstzeit „mit dem Monat der Anstellung beginnt und mit dem Monat des Eintritts des Versorgungsfalles bzw. dem Tage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet”. Da Art. I Ziff. 1.7 VV von „Arbeitgeber” und „Arbeitsverhältnis” spricht, muß der Beschäftigte ein Arbeitnehmer im Sinne des Art. I Ziff. 1.3 VV sein.

Dies entspricht auch dem erkennbaren Zweck des Art. I Ziff. 1.3 VV. Wenn der durch eine Auslandsbeschäftigung ausgelöste Versorgungsbedarf bereits anderweitig ausreichend gedeckt ist, soll das Auslandsarbeitsverhältnis bei der im deutschen Versorgungsplan geregelten Altersversorgung unberücksichtigt bleiben. Da eine generelle Anrechnungsklausel fehlt und die Gesamtversorgungsobergrenze des Art. III Ziff. 3.4 VV nur begrenzt Doppelleistungen vermeidet, ist es systemgerecht, daß sich der Ausnahmetatbestand des Art. I Ziff. 1.3 VV auf die maßgebliche Dienstzeit auswirkt.

2. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des Art. I Ziff. 1.3 VV seien nur dann erfüllt, wenn die Beklagte die Versicherungsbeiträge zur französischen gesetzlichen Rentenversicherung (cadres) allein und in voller Höhe entrichtet habe. Mit der Ausgestaltung des französischen Rentenversicherungsrechts haben sich die Vorinstanzen nicht näher auseinandergesetzt. Die konkreten Anforderungen des Art. I Ziff. 1.3 VV hängen jedoch davon ab, wie die Pflichtversicherung und die freiwillige Zusatzversicherung im französischen Rentenversicherungsrecht geregelt sind.

a) Im Vorwort der Versorgungsvereinbarung vom 2. Juni 1981 heißt es, daß die Beklagte „für die Zukunftssicherung ihrer Arbeitnehmer und deren Hinterbliebenen im Falle der Invalidität, des Alters und des Todes … gemeinschaftlich mit den Gewerkschaften einen Versorgungsplan auf Kosten des Arbeitgebers errichtet”. Diese Ausführungen beziehen sich auf die Finanzierung des tariflichen, deutschen Versorgungsplans. Das Vorwort befaßt sich nicht mit der Kostenverteilung bei den Zusatzversorgungen ausländischen Rechts.

Dies bedeutet allerdings nicht, daß insoweit die im deutschen Versorgungsplan vorgesehene Kostenverteilung überhaupt keine Rolle spielt. Sie ist im Zusammenhang mit dem letzten Absatz des Vorworts zu sehen. Dort weisen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich darauf hin, daß es „nach wie vor der Wille aller Beteiligten ist, mit dem Inkrafttreten der Neufassung dieser Versorgungsvereinbarung zu einer Gleichbehandlung aller unter diesen Plan fallenden Arbeitnehmer zu kommen”. Dies zeigt, daß die Tarifvertragsparteien der Gleichbehandlung eine besondere Bedeutung beigemessen haben. Den im Vorwort zum Ausdruck gebrachten Zielvorstellungen und der Systematik der Versorgungsvereinbarung ist zu entnehmen, daß die Vorschriften über die Berücksichtigung von Auslandsbeschäftigungen insbesondere dazu dienen, annähernd gleichwertige Versorgungsbedingungen herbeizuführen. Auch die Beklagte hat – wie ihre Revisionsbegründung zeigt – angenommen, daß die Tarifvertragsparteien bei Art. I Ziff. 1.3 VV „von einem tariflichen Gesamtzusammenhang ausgegangen sind, der darin bestand, eine bestimmte Arbeitnehmergruppe nicht schlechter, aber auch nicht besser als andere Arbeitnehmer der Beklagten zu stellen”.

b) Aus dem Vorwort läßt sich jedoch nicht ableiten, daß die Tarifvertragsparteien die Altersversorgung unabhängig von den Besonderheiten der nationalen Rentensysteme völlig vereinheitlichen wollten. Die tarifliche Zusatzversorgung kann auch nicht losgelöst von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gesehen werden, die eine Basisversorgung gewährleistet. Nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht und der tarifvertraglichen Versorgungsvereinbarung hat der Arbeitgeber die Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung zur Hälfte und die Kosten der Zusatzversorgung allein zu tragen. Hat der Arbeitgeber, wenn er den Arbeitnehmer zur freiwilligen Zusatzversicherung für leitende Angestellte (cadres) anmeldet, nach französischem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht sowohl die Pflichtversicherung als auch die freiwillige Zusatzversicherung zu 2/3 zu finanzieren, so kann dies eine annähernd gleichwertige Gesamtversorgung darstellen.

c) Aus dem Wortlaut des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV ergibt sich nicht, daß diese Ausnahmevorschrift nur dann eingreifen soll, wenn die Beklagte unabhängig von der Ausgestaltung des französischen Rentenversicherungsrechts die gesamten Versicherungsbeiträge übernimmt. Wortlaut und Systematik der Versorgungsvereinbarung vom 2. Juni 1981 sprechen vielmehr gegen eine solche Auslegung.

aa) Die im Vorwort gebrauchte Formulierung „auf Kosten des Arbeitgebers” fehlt in Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV. Soweit der Arbeitgeber die Kosten allein tragen soll, ist dies in der Versorgungsvereinbarung eindeutig vorgeschrieben. Beispielsweise ist der Arbeitgeber nach Art. XI Ziff. 11.1 Satz 1 VV verpflichtet, einen Gruppenversicherungsvertrag in Form einer Direktversicherung und/oder Rückdeckungsversicherung mit einem in Deutschland zugelassenen Versicherungsträger abzuschließen und die Zahlung der Prämien für diesen Vertrag zu übernehmen.

bb) Die Versorgungsvereinbarung unterscheidet die Finanzierungspflichten vom Versicherungsumfang. So sieht Art. XI Ziff. 11.1 Satz 2 VV vor, daß bestimmte Leistungen „nicht versichert” werden müssen. Der tarifliche Sprachgebrauch ist auch bei der Auslegung des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV zu berücksichtigen. Diese Vorschrift stellt darauf ab, ob der Arbeitnehmer „vom Arbeitgeber voll versichert” ist. Die Formulierung „voll versichert” bringt zum Ausdruck, daß die Möglichkeiten der konkreten Versicherung ausgeschöpft werden, insbesondere muß der Arbeitnehmer zu den für ihn möglichen Höchstsätzen angemeldet werden. Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Klägerin höchst möglich versichert. Die Klägerin hat dies nicht bestritten.

cc) Die Formulierung „vom Arbeitgeber … versichert” bedeutet, daß er ein Versicherungsverhältnis begründen muß. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann aus diesen Worten nicht ohne weiteres abgeleitet werden, daß der Arbeitgeber die Kosten der Zusatzversicherung allein trägt. Die Vorinstanzen haben nicht beachtet, daß Art. I Ziff. 1.3 VV die weitere Tatbestandsvoraussetzung „gemäß den Bestimmungen für leitende Angestellte in der französischen gesetzlichen Rentenversicherung” enthält. Ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer voll versichert hat, ist demnach an diesen Bestimmungen des französischen gesetzlichen Rentenversicherungsrechts zu messen, die bisher nicht festgestellt sind.

(1) Falls das französische Rentenversicherungsrecht auch für die Zusatzversicherung bei einer Anmeldung durch den Arbeitgeber eine bestimmte Beitragsverteilung vorschreibt, genügt es, daß der Arbeitgeber diesen Beitrag leistet. Eine nach diesem Rentenversicherungssystem „volle Versicherung” liegt nicht erst dann vor, wenn die Parteien eine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende, dem Arbeitnehmer günstigere Kostenverteilung vereinbaren. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn ohne eine derartige Vereinbarung die vorübergehend in Frankreich beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber den durchgängig in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern erheblich schlechter gestellt würden.

(2) Falls das französische Rentenversicherungsrecht keine festen Beitragssätze, sondern einen Rahmen vorgibt, hat der Arbeitgeber den gesetzlich vorgesehenen Höchstanteil zu leisten. Falls nach französischem Rentenversicherungsrecht die Arbeitsvertragsparteien über die Beitragsanteile frei entscheiden, hat der Arbeitgeber den Beitrag zur Zusatzversicherung allein zu tragen. Ansonsten sind die Möglichkeiten der französischen gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausgeschöpft und es liegt keine „volle Versicherung” im Sinne des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV vor.

(3) Sofern der Wechsel vom Pariser Büro in den Münchener Betrieb der Beklagten zu einer überproportionalen Einschränkung der Versicherungsleistungen geführt hat, kann dies für die Anwendbarkeit des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV von Bedeutung sein. Eine „volle Versicherung” kann dann fehlen, wenn die Klägerin wegen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem französischen Rentenversicherungssystem eine deutlich unterwertige Versicherungsleistung erhält (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung § 18 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung).

d) Der Sinn und Zweck des Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 VV führt zu keiner weitergehenden Einschränkung dieser Ausnahmevorschrift. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß die in Frankreich beschäftigten Arbeitnehmer dann keinen Anspruch auf Betriebsrente haben sollen, wenn der Arbeitgeber ihnen bereits nach französischen Rentenversicherungsrecht eine ausreichende Altersversorgung verschafft hat. Diese Voraussetzung kann jedoch – auch unter Berücksichtigung der angestrebten Gleichbehandlung – bei einer Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers vorliegen. Beim Vergleich der Versorgungssysteme ist es erforderlich, nicht nur auf die Finanzierung der Zusatzversorgung abzustellen, sondern auch die Beitragsverteilung in der Pflichtversicherung zu berücksichtigen.

e) Die Tarifvertragsparteien haben in Art. I Ziff. 1.3 Satz 2 festgelegt, unter welchen Voraussetzungen sie ausländische Zusatzversorgungen trotz der bestehenden Unterschiede für ausreichend angesehen haben. Sie haben zum Ausdruck gebracht, daß der Arbeitgeber einerseits von allen gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch machen muß, die das französische Rentenversicherungsrecht für leitende Angestellte vorsieht, und dies andererseits genügt. Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob eine andere tarifvertragliche Abgrenzung zweckmäßiger und gerechter gewesen wäre.

3. Das Landesarbeitsgericht hat nach § 293 Satz 2 ZPO im Wege des Freibeweises unter Benutzung aller Erkenntnisquellen zu ermitteln, wie in Frankreich die Rentenversicherung der leitenden Angestellten (cadres) vom 1. Oktober 1972 bis 31. Oktober 1991 geregelt war. Bei den erforderlichen Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht zwischen der gesetzlichen Pflichtversicherung und der freiwilligen Zusatzversicherung unterscheiden müssen. Ebenso wie nach dem deutschen Versorgungsplan muß der Arbeitgeber für die Ausnahmebestimmung des Art. I Ziff. 1.3 VV nicht den Beitrag des Arbeitnehmers zur gesetzlichen Pflichtversicherung übernehmen. Es kommt auf die im französischen Rentenversicherungsrecht vorgesehenen und vom Arbeitgeber tatsächlich geleisteten Beitragsanteile zur freiwilligen Zusatzversorgung an. Im Berufungsurteil wird der Beitragsanteil der Beklagten „in der französischen gesetzlichen Sozialversicherung (cadres)” mit „ca.” 2/3 und der Beitragsanteil der Klägerin mit „ca.” 1/3 angegeben. Diese Ungenauigkeit legt die Frage nahe, ob es sich um einen Mittelwert aus dem Beitragsanteilen zur Pflichtversicherung und zur freiwilligen Zuatzversicherung handelt. Im Schriftsatz vom 16. Juli 1997 S 3 hatte die Beklagte behauptet, auch im französischen gesetzlichen Rentenversicherungsrecht belaufe sich der Beitragsanteil des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zur Pflichtversicherung auf je 50 %. Diesen Beitragsanteil habe die Beklagte getragen. Die freiwillige Zusatzversicherung bei cadres habe sie allein finanziert. Später spricht die Beklagte von den im Berufungsurteil aufgeführten Beitragsanteilen, ohne klar zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger Zusatzversicherung zu unterscheiden. Im Schriftsatz vom 8. November 2000 geht sie davon aus, daß die Zusatzversicherung „überwiegend allein” von ihr finanziert wurde. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Beklagten zu den von ihr tatsächlich entrichteten Beitragsanteilen keine Auskunft nach § 293 ZPO einzuholen. Beweisaufnahmen nach § 293 ZPO dienen lediglich dazu, dem Gericht die erforderlichen Kenntnisse des ausländischen Rechts zu verschaffen. Soweit die Beklagte keine Unterlagen über die entrichteten Beiträge mehr hat und sich derzeit zu ihrem eigenen Verhalten nicht äußern kann, muß sie sich selbst die fehlenden Informationen beschaffen.

 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Bepler, V. Ludwig, Goebel

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 21.11.2000 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 651428

NZA 2002, 112

NJOZ 2002, 358

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