Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsinteresse bei fernliegender Einstandspflicht

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats:

"Kein Rechtsschutzinteresse für eine alsbaldige Feststellung der Gewährshaftung der Bundesrepublik Deutschland für den Fall einer Insolvenz der Deutschen Post AG."

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. November 1998 -

19 Sa 27/97 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darum, ob die beklagte Bundesrepublik die Gewährshaftung für Versorgungsansprüche und Beihilfeansprüche des Klägers übernehmen muß, die dieser seit dem 1. Januar 1995 erworben hat und in Zukunft erwerben wird.

Der Kläger ist am 22. Januar 1948 geboren. Er wurde von der Deutschen Bundespost zum 1. Oktober 1980 als Postbetriebsarzt bei der Oberpostdirektion Karlsruhe eingestellt. Nach dem Arbeitsvertrag gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages Nr. 356 vom 22. Juni 1979 in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. In §11 dieses Tarifvertrages heißt es:

"§ 11

Versorgung

(1) Der Postbetriebsarzt sowie seine Hinterbliebenen haben

Anspruch auf Versorgung und Beihilfen in entsprechender

Anwendung der für die Beamten der Deutschen Bundespost jeweils

geltenden Bestimmungen. ..."

Der Kläger war als beamtenähnlicher Angestellter in der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung versicherungsfrei.

Die Deutsche Bundespost wurde aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation vom 14. September 1994 (BGBl. I S 2325) in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Deutsche Post AG wurde Rechtsnachfolgerin des Sondervermögens Deutsche Bundespost Postdienst. Das Personalrecht der Beschäftigten der Deutschen Bundespost wurde durch das Postpersonalrechtsgesetz vom 14. September 1994 (PostPersRG, BGBl. I S 2353) geregelt. Hiernach bleibt der Bund weiterhin Dienstherr der bei den einzelnen Aktiengesellschaften tätigen Beamten. Für die Angestellten und Arbeitnehmer gilt, daß die Aktiengesellschaften in die Rechte und Pflichten der mit den Unternehmen der Deutschen Bundespost geschlossenen Arbeitsverhältnisse eintreten. Die bei Umwandlung geltenden Tarifverträge bleiben bis zum Abschluß neuer Tarifverträge in Kraft.

Mit Schreiben vom 30. Januar 1995 teilte die Deutsche Post AG dem Kläger mit, daß er als Angehöriger des Unternehmens Postdienst bei der Deutschen Post AG beschäftigt werde. Sein Arbeitsverhältnis bleibe hiervon unberührt. Der Kläger ist auch über den 1. Januar 1995 hinaus wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze von der Krankenversicherungspflicht befreit. Er ist jedoch seit diesem Zeitpunkt in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert. Die Deutsche Post AG hat sich aber in einer Nebenabrede zum Anstellungsvertrag verpflichtet, vom 1. Januar 1995 an für die Dauer des abgeschlossenen Vertrages übertariflich die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie den Steueranteil des geldwerten Vorteils zu übernehmen.

Mit Schreiben seiner späteren Prozeßbevollmächtigten vom 3. April 1996 wies der Kläger das zuständige Bundesministerium darauf hin, daß der Gesetzgeber wegen des Anspruchs des Klägers auf Versorgung keine Gewährshaftung des Bundes vorgesehen habe. Im Falle einer Insolvenz der Deutschen Post AG hafte der Bund daher derzeit nicht für die tarifvertraglich garantierte Versorgung. Der Kläger bat, diesem unbefriedigenden Regelungszustand durch eine vertragliche Zusage oder durch die Schaffung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung abzuhelfen. Im Laufe des Rechtsstreits wurde durch Gesetz vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S 3108) dem § 14 des PostPersRG ein Absatz 5 angefügt, der den folgenden Wortlaut hat:

"Für die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes aus dem

Tarifvertrag für die Postbetriebsärzte entstandenen

Versorgungsansprüche der Postbetriebsärzte übernimmt der Bund die

Gewährshaftung."

Der Kläger hat mit seiner Klage den Standpunkt eingenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland müsse für einen etwaigen Ausfall bei den ursprünglich von ihr versprochenen Versorgungs- und Beihilfeansprüchen einstehen. Es sei fraglich, inwieweit der Pensions-Sicherungs-Verein im Falle einer Insolvenz der Deutschen Post AG einstandspflichtig sei. Die Beklagte sei verpflichtet, ihn versorgungsrechtlich den Beamten gleichzustellen. Darüberhinaus müsse die Beklagte ihn auch so behandeln wie die Vorstandsmitglieder und außertariflichen Angestellten der Deutschen Post AG. Für die Versorgungsansprüche dieser Mitarbeiter habe der Bund in § 19 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG eine Gewährshaftung übernommen.

Der Kläger hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - sinngemäß beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die

Gewährshaftung für die Versorgungsansprüche und die

Beihilfeansprüche zu übernehmen, die ihm seit dem 1. Januar 1995

entstanden sind und entstehen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Deutsche Post AG sei für den Kläger kein Rechtsnachteil eingetreten. Im Falle einer Insolvenz der Deutschen Post AG seien die ab dem 1. Januar 1995 erworbenen Versorgungsanwartschaften durch den Pensions-Sicherungs-Verein gesichert. Im übrigen gehöre das Fehlen eines Insolvenzrisikos beim öffentlichen Arbeitgeber nicht zum Inhalt des mit dem Kläger vereinbarten Arbeitsverhältnisses. Im Falle einer Privatisierung gebe es keine Kompensationspflichten des Bundes. Eine Verletzung von Grundrechten sei nicht erkennbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage unzulässig sei. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Sachantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage zurecht als unzulässig abgewiesen.

I. Mit seinem Antrag geht es dem Kläger nicht um die Feststellung, daß die Beklagte seine Versorgungs- und Beihilfeansprüche zu erfüllen hat. Es steht außer Streit, daß die Deutsche Post AG uneingeschränkt für diese Ansprüche und Anwartschaften einzustehen hat. Der Kläger will vielmehr festgestellt wissen, daß die Beklagte im Wege einer Ausfallhaftung einzustehen hat, falls die Deutsche Post AG in Zukunft nicht in der Lage sein sollte, seine Versorgungs- und Beihilfeansprüche oder die seiner Hinterbliebenen in vollem Umfang zu erfüllen. Es geht dem Kläger um die Gewißheit, daß die Beklagte bei einer Insolvenz oder bei Zahlungsschwierigkeiten der Deutschen Post AG für etwa eintretende Anspruchsverluste oder Anspruchskürzungen einzustehen hat.

II. Der Klageantrag ist unzulässig, weil der Kläger für seinen Feststellungsantrag nicht das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse hat. Eine Feststellungsklage ist nur dann statthaft, wenn es um die Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geht, und wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß dieses Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.

Mit der von ihm geltend gemachten Pflicht der Beklagten, für seine Versorgungsansprüche im Falle eines Ausfalls der Deutschen Post AG einstehen zu müssen, geht es dem Kläger zwar um das Bestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses. Er will eine schon derzeit bestehende Verpflichtung der Beklagten festgestellt wissen, bei Wegfall oder Einschränkung der Leistungsfähigkeit seiner jetzigen Arbeitgeberin für Versorgungs- und Beihilfeansprüche einstehen zu müssen, soweit sie auf Beschäftigungszeiten seit dem 1. Januar 1995 zurückgehen. Der Kläger hat jedoch kein rechtlich geschütztes Interesse daran, daß die Rechtslage insoweit alsbald durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt wird.

Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse muß zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Es genügt nicht, daß es in einer ungewissen Zukunft möglicherweise einmal bestehen wird (Stein/Jonas/Schumann ZPO Band 3 21. Aufl. § 256 Rn. 76 mwN). So verhält es sich aber beim Kläger.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, es fehle jeder nachvollziehbare Vortrag des Klägers dazu, daß in absehbarer Zeit und mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Insolvenz oder eingeschränkte Zahlungsfähigkeit der Deutschen Post AG zu erwarten ist. Es besteht jedenfalls derzeit kein Anlaß zu der Befürchtung, die Deutsche Post AG werde versuchen, sich durch eine Sitzverlegung ins Ausland ihrer Zahlungspflichten zu entledigen. Allein die Tatsache, daß die Deutsche Post AG als privatwirtschaftliches Unternehmen einem höheren Insolvenzrisiko unterliegt als die Beklagte, kann ein Interesse an alsbaldiger Feststellung der vom Kläger geltend gemachten Verpflichtung des Bundes zur Gewährshaftung nicht begründen.

Das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse kann der Kläger auch nicht damit begründen, ihm und vor allem auch seiner Familie sei nicht zuzumuten, jahrelang mit der Ungewißheit zu leben, daß anders als bei Abschluß seines Arbeitsvertrages mit dem Staatsunternehmen Deutsche Bundespost das Risiko bestehe, daß die Liquidität der Deutschen Post AG zur genauen Erfüllung seiner Versorgungsansprüche nicht ausreiche. Der Kläger kann sich hierfür nicht auf die ständige Rechtsprechung des Senats stützen, wonach das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Versorgungsanspruchs bereits im Anwartschaftsstadium regelmäßig zu bejahen ist (vgl. BAG 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236, 239 zu A III 2 der Gründe). Darum geht es dem Kläger nicht. Er will nur Klarheit darüber, ob die ihm und seiner Familie unstreitig zustehenden Versorgungs- und Beihilfeansprüche bei einem Ausfall der Deutschen Post AG als seiner originären Schuldnerin von der Beklagten erfüllt werden. Dieser Unterschied ist grundlegend: Ein Arbeitnehmer, der durch gerichtliche Entscheidung erfährt, daß er einen von seiner Arbeitgeberin bestrittenen Versorgungsanspruch haben wird, kann insoweit auf private Vorsorge verzichten; ein Arbeitnehmer dessen entsprechender Feststellungsantrag zurückgewiesen wird, weiß, daß in jedem Falle eine Versorgungslücke besteht; er wird im Hinblick darauf zu erwägen haben, ob er private Vorsorgemaßnahmen ergreift. Solche Folgen sind für den Kläger nach aller Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Er macht sie selbst auch nicht geltend: Bei einem verständigen Arbeitnehmer der Deutschen Post AG ist auszuschließen, daß er bei sicherer Kenntnis des Umstandes, daß für seinen zukünftigen Ansprüche nur seine Arbeitgeberin und nicht auch die Bundesrepublik Deutschland haftet, anders disponiert, als im Falle einer entgegengesetzten gerichtlichen Entscheidung. Er wird unter den derzeitigen Bedingungen zum Ausgleich für ein solches, derart fernliegendes Risiko weder eine ergänzende Lebensversicherung noch eine zusätzliche Krankenversicherung abschließen.

Dagegen spricht auch, daß der Kläger im Falle einer Insolvenz oder bei Zahlungsschwierigkeiten der Deutschen Post AG mit seinen Versorgungsansprüchen nicht ausfallen würde. Soweit seine Versorgungsansprüche und die seiner Hinterbliebenen bis zum 31. Dezember 1994 entstanden sind, hat die Beklagte nach § 14 Abs. 5 PostPersRG in der Fassung vom 17. Dezember 1997 einstehen. Soweit Versorgungsansprüche in der Zeit danach erdient werden, handelt es sich um Betriebsrentenanwartschaften, für die der Pensions-Sicherungs-Verein VVaG nach § 7 BetrAVG einstehen muß. Der Umstand, daß die Deutsche Post AG als privatwirtschaftliches Unternehmen einen Versorgungsanspruch nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erfüllen muß, ändert nichts daran, daß es sich insoweit um Betriebsrenten iSd. § 1 BetrAVG handelt, die insolvenzgesichert sind. § 7 BetrAVG ist nur in den Bereichen nicht anwendbar, in denen der Konkurs nicht zulässig ist und bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert (§ 17 Abs. 2 BetrAVG). Dies ist für die Zeit seit dem 1. Januar 1995 bei der Deutschen Post AG nicht mehr der Fall.

Reinecke Kremhelmer

Bepler

Schoden Auerbach

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610919

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