Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung – Teilbetriebsübergang

 

Normenkette

BGB § 613a; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 09.12.1997; Aktenzeichen 13 Sa 703/97)

ArbG Emden (Urteil vom 18.03.1997; Aktenzeichen 2 Ca 279/95)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Dezember 1997 – 13 Sa 703/97 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung der Beklagten.

Die 1955 geborene Klägerin war seit 1971 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst im Ausbildungsverhältnis, danach als Bürokauffrau. 1985 übertrug ihr die Beklagte die Leitung der Finanz- und Personalbuchhaltung. Im Jahre 1994 gab die Beklagte ihren Betriebsteil Tankstellenbelieferung auf. In diesem Zusammenhang wechselten sieben LKW-Fahrer zu einem anderen Unternehmen. Gegenstand des Unternehmens waren Ende 1994 noch die Bereiche Hafen (sieben oder acht Arbeitnehmer), Spedition (20 Arbeitnehmer) und Mineralölhandel (ca. sieben Arbeitnehmer), die zu jeweils 1/3 am Umsatz der Beklagten beteiligt waren. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte die Beklagte neun Angestellte, darunter neben der vollbeschäftigten Klägerin die teilzeitbeschäftigte Frau G., bei der Beklagten seit 1965 tätig und ebenfalls in der Buchhaltung beschäftigt, sowie den 31 Jahre alten Herrn F. als Speditionskaufmann.

1994 entschied die Beklagte, die genannten Betriebsteile zu veräußern. Sie übertrug die Spedition zum 1. Januar 1995 auf die neu gegründete C. Speditions GmbH (CBS-GmbH), den Mineralölhandel zum 1. März 1995 auf die C. Mineralöl GmbH (BM-GmbH) und den Hafenbetrieb ebenfalls zum 1. März 1995 auf die R. AG (R-AG). Alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der Klägerin arbeiteten bei den Erwerbern der Betriebsteile weiter.

Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 27. Februar 1995 ordentlich zum 30. September 1995. Sie stellte ihren Betrieb endgültig zu diesem Termin ein. Die Klägerin und Frau G. waren noch bis Ende August 1995 mit Buchhaltungstätigkeiten für die BM-GmbH und die CBS-GmbH befaßt. Frau G. übernahm dann die Buchhaltung der BM-GmbH. Die Buchhaltung der CBS-GmbH erledigte im Monat September 1995 ein Steuerberatungsbüro. Ab Oktober 1995 übernahm sie der Angestellte und Gesellschafter der CBS-GmbH F.

Mit ihrer am 13. März 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Ihre Tätigkeit habe sich zu 10 v.H. auf den Hafenbetrieb, zu 55 v.H. auf die Spedition und zu 35 v.H. auf den Mineralölhandel erstreckt. Sie sei anstelle des Angestellten F. weiterzubeschäftigen. Auf welches Unternehmen ihr Arbeitsverhältnis übergegangen sei, könne sie allerdings nicht sagen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27. Februar 1995 zum 30. September 1995 beendet worden sei.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und geltend gemacht, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt. Die Tätigkeit der Klägerin habe sich zu je 1/3 auf Spedition, Hafen und Mineralölhandel erstreckt. Die CBS-GmbH habe sich Ende 1994 entschlossen, ab dem 1. Oktober 1995 die Buchhaltung außer Haus zu vergeben, so daß ein Arbeitsplatz für die Klägerin auch dort nicht mehr vorhanden gewesen sei. Am 6. April 1995 habe die CBS-GmbH einen Auftrag zur Übernahme der Buchhaltung ab dem 1. Oktober 1995 an ein Steuerberatungsbüro vergeben.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten zum 30. September 1995 beendet worden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht auf eines der Nachfolgeunternehmen übergegangen. Um festzustellen, ob ein Übergang stattgefunden habe, hätten zunächst die Buchhaltungsarbeiten anteilig den Betriebsteilen zugeordnet werden müssen, mit denen sie verknüpft gewesen seien. Sodann wären die sich daraus ergebenden Arbeitsplätze unter Heranziehung der sozialen Auswahlkriterien den betroffenen Arbeitnehmerinnen zuzuordnen gewesen. Da die beiden Arbeitskräfte in der Buchhaltung arbeitsteilig für den Gesamtbetrieb zuständig gewesen seien, müsse von ursprünglich anderthalb Arbeitsplätzen ausgegangen werden. Hiervon seien etwa ein halber Arbeitsplatz für Buchhaltungsarbeiten im Speditionsbereich und ein weiterer halber Arbeitsplatz für Buchhaltungsarbeiten im Bereich des Mineralölhandels übriggeblieben. Diese beiden halben Arbeitsplätze seien der BM-GmbH und der CBS-GmbH zuzuordnen. Die Besetzung des einen halben Arbeitsplatzes mit Frau G. sei nicht zu beanstanden, weil diese nicht sozial stärker sei als die Klägerin. Eine Änderungskündigung habe gegenüber der Klägerin hinsichtlich des anderen halben Arbeitsplatzes nicht ausgesprochen werden müssen, da die Klägerin nicht erklärt habe, daß sie diesen angenommen hätte. Außerdem sei die Klägerin nicht vergleichbar mit Herrn F., da dieser nicht nur Angestellter, sondern auch Mitgesellschafter der CBS-GmbH sei.

II. Dem kann sich der Senat nur im Ergebnis anschließen.

1. Die Kündigung ist nicht wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils ausgesprochen worden (§ 613 a Abs. 4 BGB). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist weder im Zusammenhang mit Betriebsteilübertragungen am 1. Januar 1995 und am 1. März 1995 noch im Zusammenhang mit der Auflösung der Buchhaltung der Beklagten im August oder September 1995 auf ein anderes Unternehmen übergegangen.

a) Wegen eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613 a BGB wird eine Kündigung dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Übergang muß Beweggrund für die Kündigung sein. Dabei ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung abzustellen. Damit kann ein bevorstehender Betriebsübergang nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung feststehen und bereits greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur Senatsurteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – AP Nr. 169 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 der Gründe, m.w.N.).

b) Die Kündigung ist nicht wegen eines Betriebsteilübergangs am 1. Januar 1995 oder 1. März 1995 ausgesprochen worden, weil die Klägerin den übergegangenen Betriebsteilen nicht angehört hat.

aa) Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, daß der betroffene Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil angehört. Nicht ausreichend ist es, wenn er, ohne dem Betriebsteil anzugehören, als Beschäftigter einer Verwaltungsabteilung des Unternehmens, die selbst nicht übertragen wurde, Tätigkeiten für den übertragenen Teil des Unternehmens verrichtete (BAG Urteile vom 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – AP Nr. 16 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B 3 a der Gründe; vom 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – AP Nr. 170 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3 der Gründe, jeweils m.w.N.). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der verbleibende Restbetrieb fortgesetzt werden kann (BAG Urteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – aaO, zu II 2 g der Gründe).

bb) Demnach sind nur die Arbeitsverhältnisse der in den übertragenen Betriebsteilen Beschäftigten übergegangen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin gehörte nicht dazu. Als Leiterin der Finanz- und Personalbuchhaltung war sie für den Gesamtbetrieb der Beklagten zuständig. Dazu zählten zunächst auch die Tankstellenbelieferung und der Hafenbetrieb, später noch die Bereiche Spedition und Mineralölhandel. Eine Zuordnung zu einem dieser Betriebsteile war unstreitig nicht erfolgt.

c) Die Buchhaltung ist nicht auf eines der Nachfolgeunternehmen übergegangen.

aa) Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden (vgl. nur BAG Urteil vom 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – AP Nr. 172 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 2 a, b der Gründe).

bb) Die Identität der Buchhaltung der Beklagten ist nicht gewahrt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Buchhaltung überhaupt einen abgrenzbaren eigenständigen Betriebsteil darstellte. Anhaltspunkte dafür, die wesentlichen Betriebsmittel seien auf einen der Käufer übergegangen, liegen nicht vor. Die Klägerin behauptet selbst nicht, einer der Käufer, etwa die CBS-GmbH, habe die wesentlichen Aufgaben der Buchhaltung der Beklagten fortgeführt. Das Verwaltungspersonal der Buchhaltung bestand lediglich aus der Klägerin und Frau G.. Die Übernahme einer von zwei Arbeitnehmerinnen führt nicht dazu, daß eine Abteilung identitätswahrend übergeht.

2. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG).

aa) Dringende betriebliche Erfordernisse können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber im Unternehmensbereich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblichen Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. dazu BAG Urteil vom 26. September 1996 – 2 AZR 200/96 – AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.).

bb) Die Beklagte hat vor Ausspruch der Kündigung die unternehmerische Entscheidung getroffen, nach der Veräußerung ihrer Teilbetriebe die betriebliche Tätigkeit insgesamt und endgültig aufzugeben. Sie hat ihre Entscheidung wie vorgesehen umgesetzt. Mit dieser organisatorischen Maßnahme ist spätestens ab Oktober 1995 das Bedürfnis entfallen, die Klägerin zu beschäftigen.

cc) Die Arbeitsgerichte können die unternehmerische Entscheidung nicht auf deren Zweckmäßigkeit oder sachliche Rechtfertigung, sondern nur auf die Einhaltung äußerster Grenzen der offenbaren Unvernunft oder Willkür hin überprüfen (BAG Urteil vom 26. September 1996, aaO, zu II 2 b der Gründe, m.w.N.). Gegen die Entscheidung der Beklagten, nach der Veräußerung der Teilbetriebe den Restbetrieb stillzulegen, bestehen keine Bedenken.

b) Die Beklagte konnte die Kündigung nicht durch andere Maßnahmen vermeiden.

Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein, also eine Kündigung notwendig machen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art zu entsprechen als durch eine Beendigungskündigung (BAG Urteil vom 7. Dezember 1978 – 2 AZR 155/77 – BAGE 31, 157, 161 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 a der Gründe). Die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG setzt das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes bei demselben Arbeitgeber voraus (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Urteil vom 13. September 1973 – 2 AZR 601/72 – BAGE 25, 278, 289 f. = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969, zu III 2 a der Gründe). Bei der Beklagten bestand nach der Betriebsschließung keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr. Die Klägerin beruft sich auch nicht auf die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung bei der Beklagten.

c) Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt. Für eine Sozialauswahl war angesichts der Schließung des verbliebenen Restbetriebs kein Raum.

3. Die gesetzliche Kündigungsfrist der Klägerin gem. § 622 Abs. 2 BGB ist gewahrt.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Morsch, Lorenz

 

Fundstellen

Haufe-Index 732502

ZInsO 1999, 361

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