Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Schadensersatzanspruchs bei Auflösungsverschulden. Schadensersatzrecht

 

Orientierungssatz

Wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, umfasst ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB im Regelfall eine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG.

 

Normenkette

BGB §§ 626, 628 Abs. 2, § 249 Abs. 1; KSchG §§ 9-10; ZPO § 322; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anl. 2a

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 01.02.2002; Aktenzeichen 12 (2) Sa 1125/01)

ArbG Aachen (Urteil vom 19.06.2001; Aktenzeichen 1 Ca 920/01 h)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 1. Februar 2002 – 12 (2) Sa 1125/01 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über einen Schadensersatzanspruch auf Grund eines Auflösungsverschuldens der Beklagten.

Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1988 bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich nach dem Dienstvertrag vom 20. September 1988. Danach fanden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes Anwendung. Seit 1991 wurde die Klägerin, nahezu ausschließlich in der Nachtschicht auf der Intensivstation eingesetzt. Seit 1. Juni 1998 erhielt sie die Vergütung nach VergGr. Kr 6 AVR Anlage 2a.

Am 21. Oktober 2000 war bei einem Patienten, der unter einem lebensgefährlichen Spannungspneumothorax litt, eine Bülau-Drainage anzulegen. Die Klägerin war nicht in der Lage, die Drainage allein anzulegen, so dass die Krankenpfleger, die sie ablösen sollte, diese Arbeiten verrichten mussten. Die Klägerin half hierbei; es kam allerdings zu einem Wortwechsel zwischen der Klägerin und den Krankenpflegern.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 versetzte die Beklagte die Klägerin auf Grund dieses Vorfalles wegen “Verletzung der arbeitsvertraglichen Dienstpflichten” von der Intensivstation auf die interdisziplinäre Station 3. Gegen die Zuweisung der neuen Tätigkeit wehrte sich die Klägerin mit Schreiben vom 14. November 2000, 17. Januar 2001 und 22. Januar 2001. Die Klägerin ließ die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten abmahnen. Sie nahm die zugewiesene Tätigkeit auch nicht auf. Dies nahm die Beklagte zum Anlass, das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos wegen Arbeitsverweigerung mit Schreiben vom 31. Januar 2001 zu kündigen. Die Klägerin ihrerseits kündigte das Arbeitsverhältnis ebenfalls unter dem 31. Januar 2001 fristlos, wobei sie die Kündigung auch darauf stützte, dass die Beklagte zur Gehaltszahlung ab 19. Januar 2001 nicht bereit war. Diese Kündigung ging der Beklagten am 1. Februar 2001 zu. Am 1. Februar 2001 trat die Klägerin eine neue Stelle an.

Die Klägerin hat neben der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von mindestens 30.000,00 DM (15.338,76 Euro) begehrt, hilfsweise Schadensersatz in gleicher Höhe für den entgangenen Besitzstand, da die Beklagte sie zu ihrer außerordentlichen Eigenkündigung veranlasst habe. Eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs sei nicht möglich, da dieser in der Höhe von einer Entscheidung über eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG abhängig sei, deren Festsetzung im Ermessen des Gerichts liege und deshalb vorab nicht beziffert werden könne.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag hinsichtlich der Kündigung stattgegeben und der Klägerin Gehaltsansprüche aus Annahmeverzug bis 31. Januar 2001 zugesprochen. Die Berufung hinsichtlich des Auflösungsantrages hat es jedoch zurückgewiesen, weil es die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 31. Januar 2001 für wirksam gehalten hat. Den Schadensersatzanspruch hat das Landesarbeitsgericht nicht für begründet gehalten, da keine Auflösungsgründe bestünden. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 1. Oktober 2002 – 9 AZN 290/02 – die Revision hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruchs zugelassen.

Die Klägerin hat ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, wenn zwar die Wirksamkeit ihrer außerordentlichen Eigenkündigung wegen bestehender Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses festgestellt werde, auf der anderen Seite aber im Rahmen der Auflösung von der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werde. Die Anforderungen an einen wichtigen Grund nach § 626 BGB seien sogar noch höher als die an einen Auflösungsgrund nach § 9 KSchG. Überdies sei bei einer wirksamen, von dem Arbeitgeber verursachten, außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers immer ein Schadensersatzanspruch für den entgangenen Besitzstand in Höhe einer Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG gegeben.

Die Klägerin beantragt noch,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 15.338,76 Euro nicht unterschreiten sollte, zu zahlen.

Die Beklagte hat auch insoweit Klageabweisung beantragt. Sie hat die Kündigung der Klägerin für rechtswidrig und ihre eigenen Maßnahmen für rechtmäßig gehalten, da die Klägerin sich zu Unrecht geweigert habe, auf dem mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 zugewiesenen Arbeitsplatz zu arbeiten. Die Tätigkeit der Klägerin habe sich nämlich keineswegs auf einen Einsatz in der Intensivstation konkretisiert. Die Klägerin sei als Krankenschwester stationsübergreifend einsetzbar gewesen. Sie hätte in der Lage sein müssen, die Bülau-Drainage zu bedienen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe sich eine Gefahr für Leib und Leben der Patienten ergeben, die sie, die Beklagte, nicht habe hinnehmen können.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat gemäß § 628 Abs. 2 BGB einen Schadensersatzanspruch in Höhe einer nach den §§ 9, 10 KSchG festzusetzenden Abfindung. Da diese Festsetzung aber im Ermessen des Tatsachengerichts steht, ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

  • Das Landesarbeitsgericht hat gegen den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch Bedenken wegen der fehlenden Bezifferung gehegt, den Anspruch aber auch in der Sache abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Klägerin hätte auch ohne die von ihr ausgesprochene – wirksame – fristlose Kündigung kein Abfindungsanspruch zugestanden, da ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar gewesen wäre. Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses kämen nur Gründe in Betracht, die in einem inneren Zusammenhang mit der zuvor vom Arbeitgeber erklärten unwirksamen Kündigung stünden oder im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens entstanden seien. Solche Umstände lägen im Streitfall nicht vor.
  • Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann weder hinsichtlich der Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage noch hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen des § 628 Abs. 2 BGB gefolgt werden.

    1. Die Klage ist entgegen der Bedenken des Landesarbeitsgerichts zulässig.

    Der Antrag ist bestimmt genug im Sinne von § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Geldforderungen sind zwar grundsätzlich durch bezifferten Klageantrag geltend zu machen. Ein unbezifferter Klageantrag ist aber zulässig, wenn eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO möglich ist (BGH 4. November 1969 – VI ZR 85/68 – AP ZPO § 253 Nr. 9). Ein solcher unbezifferter Klageantrag setzt nur voraus, dass die Tatsachen, die das Gericht für die Schätzung heranziehen muss, angegeben und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung zB durch die Benennung eines Mindestbetrages klargestellt wird (BGH 30. April 1996 – VI ZR 55/95 – BGHZ 132, 341, 350 ff.; BAG 3. September 1998 – 8 AZR 14/97 –). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat einen Mindestbetrag benannt und Angaben gemacht, anhand derer eine Schätzung ihres Schadens möglich erscheint. Die Klägerin verlangt darüber hinaus Schadensersatz in Höhe einer – entgangenen – Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG. Zur ordnungsgemäßen Geltendmachung eines Abfindungsanspruchs gegenüber dem Arbeitgeber genügt aber die Erhebung der Klage, die die Höhe der zu zahlenden Abfindung in das Ermessen des Gerichts stellt, jedenfalls dann, wenn die für das Ermessen der Abfindung maßgebenden Umstände in der Klageschrift mitgeteilt werden. Einer Bezifferung des Abfindungsanspruchs bedarf es in einem solchen Fall nicht (zu § 113 BetrVG vgl. BAG 22. Februar 1983 – 1 AZR 260/81 – BAGE 42, 1 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 7). Diese Grundsätze sind auch im Rahmen einer Schadensersatzklage, mit der eine Abfindung für den verlorenen Besitzstand geltend gemacht wird, anzuwenden.

    2. Die Revision ist auch in der Sache begründet.

    Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 628 Abs. 2 BGB sind gegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung (§§ 9, 10 KSchG analog) als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB.

    a) Nach § 628 Abs. 2 BGB ist derjenige, der durch sein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch den Vertragspartner veranlasst hat, diesem zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet. Die Regelung des § 628 Abs. 2 BGB beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass derjenige, der durch sein vertragswidriges Verhalten den anderen Teil zur Kündigung des Vertragsverhältnisses herausfordert, auch den in der Vertragsauflösung liegenden Schaden ersetzen muss (BAG 17. Januar 2002 – 2 AZR 494/00 – EzA BGB § 628 Nr. 20; 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19; 23. August 1988 – 1 AZR 276/87 – BAGE 59, 242 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 17). Der Vertragsteil, der die Auflösung des Vertrages verschuldet hat, muss gemäß § 249 Satz 1 BGB den anderen so stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch fristgemäße Kündigung beendet worden (BAG 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO).

    Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist zunächst ein “Auflösungsverschulden” des Vertragspartners. Dieses muss das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB haben. Nur derjenige kann Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB fordern, der auch wirksam sein Arbeitsverhältnis hätte fristlos kündigen können. Aus dem Zusammenhang der Absätze 1 und 2 der Norm folgt, dass nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung, die Anlass für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen ist, die schwerwiegende Folge des § 628 Abs. 2 BGB nach sich zieht (BAG 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19; 12. Juni 2003 – 8 AZR 341/02 – BB 2003, 2747, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen mwN).

    Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses bestand im Streitfall.

    aa) Die Rechtskraftwirkung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Klägerin im Rahmen des Auflösungsantrages steht einer erneuten Prüfung der Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Folge der materiellen Rechtskraft ist, dass erneute, abweichende Entscheidungen desselben oder eines anderen Gerichts innerhalb bestimmter objektiver, subjektiver und zeitlicher Grenzen ausgeschlossen sind (BAG 27. August 1968 – 1 ABR 6/68 – BAGE 21, 139, 143 = AP ArbGG 1953 § 80 Nr. 4; Zöller/Vollkommer ZPO Vor § 322 Rn. 3). Eine erneute Sachentscheidung in diesem Sinne liegt nicht nur vor, wenn der Streitgegenstand des zweiten Rechtsstreits mit dem des ersten identisch ist, sondern auch in Fällen der Präjudizialität, dh. dann, wenn die im Vorprozess entschiedene Rechtsfolge Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist. Hat das Gericht im Zweitprozess den Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses als Vorfrage erneut zu prüfen, hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung seinem Urteil zugrunde zu legen. Das Wiederholungsverbot (“ne bis in idem”) zwingt das Gericht, die präjudizielle Wirkung der Vorentscheidung ohne erneute sachliche Prüfung zu beachten (BGH 6. März 1985 – IVb ZR 76/83 – NJW 1985, 2535, 2536; 17. März 1995 – V ZR 178/93 – LM ZPO § 322 Nr. 142; BAG 11. Mai 2000 – 2 AZR 276/99 – BAGE 94, 313 = AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 42 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 41; 28. April 1998 – 9 AZR 297/96 – AP BGB § 812 Nr. 21 = EzA BGB § 812 Nr. 5; Zöller/Vollkommer ZPO Vor § 322 Rn. 22, 24; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozeßrecht § 154). Bei Urteilen erstreckt sich die Rechtskraft allerdings nur auf den Verfahrensgegenstand, über den entschieden worden ist. Nicht von der Rechtskraft erfasst werden einzelne Elemente des Verfahrensgegenstandes oder Feststellungen über tatsächliche oder rechtliche Voraussetzungen der rechtskräftig festgestellten Rechtsfolge (allgemeine Meinung, vgl. etwa Reichold in Thomas/Putzo ZPO § 322 Rn. 28; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 322 Rn. 72; vgl. auch BAG 15. August 2002 – 2 AZR 214/01 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 48 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 44).

    Hiernach ist eine Präklusionswirkung im Streitfall zu verneinen. Zwar hatte sich das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung zur Auflösung als Vorfrage mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung befasst und diese positiv festgestellt. In Rechtskraft erwächst aber allenfalls, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst werden konnte, weil es bereits zu einem früheren Zeitpunkt beendet war. Der Achte Senat hat in seiner Entscheidung vom 26. Juli 2001 (– 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19) festgestellt, dass die Rechtskraft gemäß § 322 ZPO beispielsweise nicht die Vorfrage des Grundes einer Leistungspflicht umfasse, wenn im Rahmen eines Zahlungsanspruchs die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung geprüft worden ist. Auch im Kündigungsschutzprozess erwachsen nicht die Entscheidungsgründe in Rechtskraft, sondern gemäß § 322 ZPO nur die festgestellte Rechtsfolge, dh. die Beendigung oder Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 27. September 2001 – 2 AZR 389/00 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 41 = EzA ZPO § 322 Nr. 13; 23. Januar 1992 – 6 AZR 539/89 – BAGE 69, 251 = AP BMT- G II Zuwendungs-TV Nr. 1 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 88). Entsprechendes muss gelten, wenn die positive Feststellung der Wirksamkeit einer Kündigung in einem Verfahren über einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG erfolgt ist.

    bb) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung durch die Klägerin ergibt sich jedoch nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt. Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB zutreffend davon ausgegangen, dass für die Klägerin ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung bestand (§ 626 BGB). Ein wichtiger Grund ist gegeben, weil die Beklagte der Klägerin eine nicht vertragsgemäße Arbeit zugewiesen hat bzw. bei der Umsetzung der Klägerin von der Intensivstation auf eine allgemeine Station die Grenzen ihres Direktionsrechts überschritten hat.

    (1) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht allein daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Tatsachen, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. vgl. BAG 17. Januar 2002 – 2 AZR 494/00 – EzA BGB § 628 Nr. 20; 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – BAGE 81, 27, 32 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – BAGE 92, 184 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Auch die erforderliche Interessenabwägung ist vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls dahingehend gewürdigt hat, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Zumutbarkeit der Fortsetzung sprechenden Umstände liegt hingegen weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Interessenabwägung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das Revisionsgericht die angegriffene Würdigung nicht durch seine eigene ersetzen (BAG 20. Januar 1994 – 2 AZR 521/93 – AP BGB § 626 Nr. 115 = EzA BGB § 626 nF Nr. 153; 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10, 16 = AP BGB § 626 Nr. 143 = EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Schließlich kann das Revisionsgericht auch hinsichtlich des Erfordernisses einer Abmahnung nur prüfen, ob das Berufungsgericht den ultimaratio-Grundsatz berücksichtigt, ob es diesem Prinzip den rechtlich zutreffenden Inhalt beigemessen und ob es bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes alle wesentlichen Umstände des Falls beachtet hat (BAG 8. Juni 1995 – 2 AZR 1037/94 –; 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – BAGE 81, 27 = aaO; 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – aaO).

    (2) Diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand, soweit der wichtige Grund zur Kündigung bejaht worden ist. Auf Grund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einseitig bestimmte Arbeiten unter Beachtung des Grundsatzes billigen Ermessens iSv. § 315 Abs. 3 BGB zuweisen, soweit das Weisungsrecht nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 6. Februar 1997 – 2 AZR 38/96 –; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 16; 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18). Auch nach § 7 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages (vgl. auch § 9 Abs. 4 AVR) war die Beklagte berechtigt, die Klägerin bei Bedarf auf allen Krankenpflegestationen des Hauses einzusetzen. Das Weisungs- oder Direktionsrecht berechtigt den Arbeitgeber aber nicht, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu übertragen, und zwar auch dann nicht, wenn er die der bisherigen Tätigkeit entsprechende höhere Vergütung weiter zahlt (st. Rspr. BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 455/96 – ZTR 1998, 187; 24. April 1996 – 5 AZR 1032/94 – PersR 1997, 179; 4. November 1982 – 2 AZR 277/81 –; 14. Dezember 1961 – 5 AZR 180/61 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17; 8. Oktober 1962 – 2 AZR 550/61 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18; 30. August 1995 – 1 AZR 47/95 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 44 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 14; 23. Juni 1993 – 5 AZR 337/92 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 42 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 13).

    Die Klägerin sollte zwar auch nach ihrer Umsetzung als Krankenschwester tätig werden, das Landesarbeitsgericht hat aber zutreffend festgestellt, dass es sich bei dem geplanten neuen Einsatz um eine Tätigkeit handelte, die vergütungsrechtlich niedriger bewertet war, als die Tätigkeit als Intensivkrankenschwester. Dies ergibt sich aus Folgendem:

    Die Klägerin erhielt seit 1. Juni 1998 Vergütung nach VergGr. Kr 6 Anlage 2a zu den AVR des Deutschen Caritasverbandes. Diese Vergütungsgruppe lautet:

    Krankenpflege

    1 Fachkrankenschwester/-pfleger bzw. Krankenschwestern/-pfleger mit erfolgreich abgeschlossener Weiterbildung und mit entsprechender Tätigkeit (1), (3), (10)

    2 Krankenschwestern/-pfleger der Vergütungsgruppe Kr 5a Ziffer 4 nach fünfjähriger Bewährung in einer Tätigkeit in Vergütungsgruppe Kr 5a

    3 Krankenschwestern/-pfleger der Vergütungsgruppe Kr 5 Ziffern 2 und 3 nach sechsjähriger Bewährung in der jeweiligen Ziffer der Vergütungsgruppe Kr 5 oder in dieser Tätigkeit in Vergütungsgruppe Kr 5a Ziffer 1

    4 Krankenschwestern/-pfleger in der Intensivpflege/-medizin, die einer Einheit für Intensivmedizin vorstehen (1), (3)

    5 Krankenschwestern/-pfleger mit erfolgreich abgeschlossener sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung und entsprechender Tätigkeit (1), (15)

    6 Krankenschwestern/-pfleger, die durch ausdrückliche Anordnung als Stationsschwestern/-pfleger oder Gruppenschwestern/-pfleger bestellt sind (1), (11), (12)

    7 Krankenschwestern/-pfleger, die

    a) die Herz-Lungen-Maschine vorbereiten und während der Operation zur Bedienung der Maschine herangezogen werden

    oder

    b) in Blutzentralen tätig sind (5)

    oder

    c) in besonderen Behandlungs- und Untersuchungsräumen in mindestens zwei Teilgebieten der Endoskopie tätig sind

    oder

    d) dem Operationsdienst vorstehen

    oder

    e) dem Anästhesiedienst vorstehen,

    denen jeweils weitere Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (6)

    8 Krankenschwestern/-pfleger, die Gipsverbände in Gipsräumen anlegen, denen mindestens fünf Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (6)

    9 Krankenschwestern/-pfleger in Ambulanzbereichen oder Ambulanzen/Nothilfen, denen mindestens sechs Pflegepersonen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (6)

    10 Krankenschwestern/-pfleger, denen mehrere Stationen, Pflegegruppen oder abgegrenzte Funktionsbereiche durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (1), (6), (12), (16)

    11 Krankenschwestern/-pfleger, die einer Dialyseeinheit vorstehen

    12 Krankenschwestern/-pfleger, die dem zentralen Sterilisationsdienst vorstehen und denen mindestens acht Mitarbeiter durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (6)

    13 Krankenschwestern/-pfleger, die dem zentralen Sterilisationsdienst vorstehen und denen mindestens 36 Mitarbeiter durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind (6)

    14 Krankenschwestern/-pfleger, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertretung von Krankenschwestern/-pflegern der Vergütungsgruppe Kr 7 Ziffern 3 bis 4 bestellt sind (1), (8)

    15 Krankenschwestern/-pfleger, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertretung von Stations- oder Gruppenschwestern/-pflegern der Vergütungsgruppe Kr 7 Ziffer 5 bestellt sind (1), (8)

    16 Krankenschwestern/-pfleger, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertretung von Leitenden Krankenschwestern/-pflegern der Vergütungsgruppe Kr 7 Ziffer 2 bestellt sind (8)

    17 Krankenschwestern/-pfleger, die als Unterrichtsschwestern/-pfleger tätig sind (17)

    Die Vergütungsgruppe Kr 5a lautet:

    Krankenpflege

    1 Krankenschwestern/-pfleger der Vergütungsgruppe Kr 5 Ziffern 1 bis 3 nach vierjähriger Bewährung in einer dieser Ziffern, frühestens jedoch nach sechsjähriger Berufstätigkeit nach Erlangung der staatlichen Erlaubnis (4)

    2 bis 3 (entfallen)

    4 Krankenschwestern/-pfleger, die durch ausdrückliche Anordnung als ständige Vertretung von Stations- oder Gruppenschwestern/-pflegern der Vergütungsgruppe Kr 6 Ziffer 6 bestellt sind (1), (8)

    Die Vergütungsgruppe Kr 5 lautet:

    Krankenpflege

    1 Krankenschwestern/-pfleger mit entsprechender Tätigkeit nach zweijähriger Tätigkeit in Vergütungsgruppe Kr 4 Ziffer 1 (1)

    2 Krankenschwestern/-pfleger, die als Krankenhaushygieneschwestern/-pfleger stationsübergreifend und verantwortlich eingesetzt sind

    3 Krankenschwestern/-pfleger, die

    a) im Operationsdienst als Operationsschwester/-pfleger oder als Anästhesieschwester/-pfleger tätig sind

    oder

    b) die Herz-Lungen-Maschine vorbereiten und während der Operation zur Bedienung der Maschine herangezogen werden

    oder

    c) in Einheiten für Intensivmedizin tätig sind

    oder

    d) dem Arzt in erheblichem Umfange bei Herzkatheterisierungen, Dilatationen oder Angiographien unmittelbar assistieren

    oder

    e) in Dialyseeinheiten Kranke pflegen sowie die Geräte bedienen und überwachen

    oder

    f) in Ambulanzen oder Ambulanzen/Nothilfen Tätigkeiten gemäß Buchstabe a, c oder e ausüben.

    Nach der Umsetzung sollte die Klägerin als Krankenschwester auf die interdisziplinäre Station versetzt werden, sozusagen als einfache Krankenschwester ohne Zusatzqualifikationen oder werterhöhende Tätigkeiten. Nichts anderes ergibt sich aus dem entsprechenden Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2000. Nach dem oben dargestellten Vergütungsgruppensystem kann eine solche Krankenschwester aber maximal Vergütung nach VergGr. 5a Ziffer 1 erhalten. Damit steht die niedrigere Wertigkeit fest. Mit dieser Anordnung überschritt die Beklagte ihre arbeitsvertraglichen Befugnisse. Die Versetzung hätte deshalb einer Änderungskündigung bedurft.

    (3) Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 14. November 2000 wegen dieser Pflichtverletzung ausdrücklich abgemahnt und sie in zwei weiteren Schreiben vom 17. Januar 2001 und 22. Januar 2001 auf die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten hingewiesen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt in der Regel auch von einem Arbeitnehmer, vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber abzumahnen (BAG 17. Januar 2002 – 2 AZR 494/00 – EzA BGB § 628 Nr. 20; 19. Juni 1967 – 2 AZR 287/66 – BAGE 19, 351 = AP GewO § 124 Nr. 1 = EzA GewO § 124 Nr. 1; 28. Oktober 1971 – 2 AZR 15/71 – AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 463). Der Arbeitnehmer muss die vom Arbeitgeber begangene Pflichtverletzung konkret beanstanden und deutlich machen, der Bestand des Arbeitsverhältnisses sei gefährdet, wenn der Arbeitgeber nicht zu einem vertragskonformen Verhalten zurückkehre. Solange erwartet werden kann, dass der Vertragspartner in Zukunft sein Verhalten abstellt, ist eine Kündigung regelmäßig nicht erforderlich (BAG 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – BAGE 67, 75, 81 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 37).

    (4) Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, wenigstens bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung bei der Beklagten als einfache Krankenschwester tätig zu werden. Die Frist hätte angesichts der Beschäftigungszeit der Klägerin 6 Monate zum Quartalsende betragen, wäre somit bis zum 30. September 2001 gelaufen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, dass dies für die Klägerin nicht zumutbar war.

    b) Der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB setzt ferner die Wahrung der Zweiwochenfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB voraus. Das Recht der fristlosen Kündigung ist verwirkt, wenn die gesetzliche Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB versäumt ist. Folglich kann das pflichtwidrige Verhalten nicht mehr zum Anlass einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses genommen werden und damit entfällt auch der Schadensersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB (zB BAG 8. August 2002 – 8 AZR 574/01 – AP BGB § 628 Nr. 14 = EzA BGB § 628 Nr. 21; 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19, zu B II 3d der Gründe). Die Zweiwochenfrist ist im Streitfall indessen gewahrt. Bei der Zuweisung vertragswidriger Tätigkeit handelt es sich um ein sogenanntes Dauerverhalten. Hier beginnt die Frist nicht vor Beendigung des Zustandes (BAG 8. August 2002 – 8 AZR 574/01 – aaO). Eine Beendigung des Zustandes war aber bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht eingetreten.

    c) Für einen Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB ist weiter erforderlich, dass die Kündigung durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils veranlasst wird. Das vertragswidrige Verhalten des anderen Vertragsteils begründet im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung nur dann einen Schadensersatzanspruch, wenn es ursächlich für die Kündigung, also das Motiv für die Kündigungserklärung, war. Das Arbeitsverhältnis muss gerade “wegen” der Vertragswidrigkeit des Partners beendet worden sein. Zwischen der schuldhaften Vertragspflichtverletzung und der Veranlassung zur Auflösung des Arbeitsvertrages durch den Vertragspartner muss deshalb eine Kausalität bestehen (ErfK/Müller-Glöge § 628 BGB Rn. 79). Vorliegend hat die Klägerin die Kündigung wegen ihrer Versetzung auf die normale Krankenstation ausgesprochen.

    d) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – BAGE 98, 275 = AP BGB § 628 Nr. 13 = EzA BGB § 628 Nr. 19; 17. Januar 2002 – 2 AZR 494/00 – EzA BGB § 628 Nr. 20) beinhaltet der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB einen angemessenen Ausgleich für den Verlust des durch das KSchG vermittelten Bestandsschutzes. Den Arbeitnehmer trifft neben der für die Dauer der Kündigung entfallenden Vergütung ein weiterer wirtschaftlicher Verlust, für den er einen angemessenen Ausgleich verlangen kann. Die Lage des wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers selbst kündigenden Arbeitnehmers ist vergleichbar derjenigen des Arbeitnehmers, dem gegenüber der Arbeitgeber eine unberechtigte Kündigung ausgesprochen hat und der nun seinerseits einen Auflösungsantrag stellt, weil ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Die Bemessung dieses Ausgleichs orientiert sich dabei an der Abfindungsregelung der §§ 9, 10 KSchG. Dieser Anspruch tritt im Regelfall kumulativ zum Anspruch auf Ersatz des (evtl. entstandenen) Vergütungsausfalls hinzu (26. Juli 2001 – 8 AZR 739/00 – aaO).

    Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt zum einen diese Rechtsprechung nicht. Da die Abfindungsvorschriften der §§ 9, 10 KSchG nur entsprechend – sozusagen als Schadensposition – im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB angewandt werden, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist es unerheblich, ob der Klägerin im Streitfall Auflösungsgründe zur Verfügung standen, die nur deshalb nicht zum Tragen kommen, weil bereits die außerordentliche Kündigung der Klägerin das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt beendet hat.

    Im Übrigen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts inkonsequent, denn es ist nicht nachvollziehbar, wenn die anzufechtende Entscheidung im Rahmen der außerordentlichen Kündigung eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für die Klägerin für unzumutbar hält, aber im Rahmen des § 628 BGB iVm. § 9 KSchG eine solche Zumutbarkeit wieder verneint. Hierauf hat auch der Neunte Senat in seinem Zulassungsbeschluss zutreffend verwiesen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beinhaltet insoweit eine Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach an Auflösungsgründe noch nicht einmal die Anforderungen zu stellen sind, die an eine fristlose Kündigung gestellt werden, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass mit der Feststellung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers erst recht ein Auflösungsgrund feststeht (BAG 26. November 1981 – 2 AZR 509/79 – BAGE 37, 135 = AP KSchG 1969 § 9 Nr. 8 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 11; KR-Spilger § 9 KSchG Rn. 39).

    Dieser Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils (§ 563 ZPO).

    Das Revisionsgericht kann allerdings keine Entscheidung über die Höhe der im Rahmen von § 628 Abs. 2 BGB, § 10 KSchG festzusetzenden Abfindung treffen. Die Festsetzung einer Abfindung für den Verlust des arbeitsrechtlichen Besitzstandes liegt im Ermessen der Tatsachengerichte (KR-Spilger § 10 KSchG Rn. 71). Diese im Rahmen des § 9 anzuwendende Regel muss auch dann gelten, wenn diese Vorschrift entsprechend angewandt wird, um einen Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB zu bestimmen.

 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Laux, R. Iskra, Dr. E. Vesper

 

Fundstellen

DB 2004, 1272

ARST 2004, 277

ZTR 2004, 492

EzA

PflR 2004, 443

BAGReport 2004, 212

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