Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestalter für Invalidenrente

 

Leitsatz (amtlich)

Eine betriebliche Versorgungsordnung kann vorsehen, daß eine Invalidenrente nur geschuldet wird, wenn die Invalidität nach Vollendung eines bestimmten Mindestalters (zB 50. Lebensjahr) eintritt.

 

Normenkette

BetrAVG §§ 1-2; BGB §§ 133, 157, 242, 139

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 15.11.1985; Aktenzeichen 6 Sa 511/85)

ArbG Koblenz (Urteil vom 19.03.1985; Aktenzeichen 5 Ca 1885/84 N)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 1985 – 6 Sa 511/85 – aufgehoben.
  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. März 1985 – 5 Ca 1885/84 N – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten eine betriebliche Invalidenrente.

Der Kläger ist am 4. Juli 1934 geboren. Er war seit dem 2. Januar 1973 bei der Beklagten als Kontrolleur beschäftigt. Seit dem 20. Januar 1984 bezieht er eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Unstreitig wurde das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers aufgelöst.

Die Beklagte gewährt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die Ruhegeldordnung vom 17. November 1957, neu gefaßt mit Wirkung vom 1. Januar 1970, bestimmt u.a. folgendes:

“§ 2

Voraussetzungen für die Gewährung von Ruhegeldleistungen

  • Ruhegeldleistungen werden nur dann gewährt, wenn der Betriebsangehörige

    • eine anrechnungsfähige Dienstzeit (§ 3) von mindestens 10 Jahren (Wartezeit) erfüllt und
    • bei Eintritt des Ruhegeldfalles in einem Arbeitsverhältnis zur Firma gestanden hat.
  • Ist der Ruhegeldfall auf einen Betriebsunfall zurückzuführen, so entsteht der Anspruch auf Invalidenrente ohne die in Absatz 1a genannte Wartezeit. In diesem Fall setzt die Firma das Ruhegeld nach pflichtgemäßem Ermessen fest.

§ 4

Arten der Ruhegeldleistungen

  • Ruhegeldleistungen werden in folgenden Formen gewährt:

    a) 

    Altersrenten

    (§ 10)

    b)

    Invalidenrenten

    (§ 11)

    c)

    Witwenrenten

    (§ 12)

  • Auf diese Renten besteht ein Rechtsanspruch.”

Gemäß § 5 der Ruhegeldordnung richtet sich die Höhe des Ruhegeldes nach der anrechnungsfähigen Dienstzeit und setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag und Steigerungsbeträgen bis zu höchstens 15 % des ruhegeldfähigen Einkommens. Über Beginn, Ende und Auszahlung des Ruhegelds bestimmt § 7:

  • Der Anspruch auf Zahlung des Ruhegeldes entsteht mit dem Versorgungsfall.
  • Der Ruhegeldanspruch erlischt mit dem Ablauf des Monats, in dem die Ruhegeldvoraussetzungen weggefallen sind.
  • Die Zahlung des Ruhegeldes erfolgt monatlich im voraus, erstmals am Ersten des Monats, der dem Versorgungsfall folgt; die Zahlung wird mit Ablauf des Monats eingestellt, in dem die Ruhegeldvoraussetzungen weggefallen sind.

Über die Invalidenrente enthält § 11 der Ruhegeldordnung u.a. folgende Regelung:

  • Invalidenrente erhält

    • der Arbeiter, der erwerbsunfähig im Sinne der Reichsversicherungsordnung (§ 1247 RVO) ist (vgl. Anlage),
    • der Angestellte, der erwerbsunfähig im Sinne des Angestelltenversicherungsgesetzes (§ 24 AnVG) ist (vgl. Anlage)
    • und das 50. Lebensjahr vollendet hat.

Die Beklagte hat dem Kläger eine zeitanteilig berechnete Altersrente zugestanden, die Zahlung einer Invalidenrente aber abgelehnt.

Der Kläger hat geltend gemacht, beginnend mit der Vollendung seines 50. Lebensjahres müsse die Beklagte die Invalidenrente zahlen. Er erfülle sämtliche Voraussetzungen des § 11 der Ruhegeldordnung: Er sei nach Ablauf einer Wartezeit von zehn Jahren erwerbsunfähig geworden und habe das 50. Lebensjahr vollendet. Nicht erforderlich sei, daß sein Arbeitsverhältnis bei Vollendung des 50. Lebensjahres noch bestanden habe. § 11 der Ruhegeldordnung verlange nicht den “Eintritt”, sondern das “Bestehen” einer Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres. Daraus folge, daß die Voraussetzungen für die Zahlung der betrieblichen Invalidenrente auch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres erfüllt werden könnten. “Ruhegeldfall” im Sinne dieser Bestimmung sei der Invaliditätsfall, jedoch seien Zahlungen frühestens von der Vollendung des 50. Lebensjahres an zu leisten. Eine Versorgungsordnung, die trotz Erfüllung der Unverfallbarkeitsfristen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt des Versorgungsfalles, hier des Invaliditätsfalles, verlange, verstoße gegen § 1 Abs. 1 BetrAVG und sei insoweit nichtig.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, an ihn gem. §§ 11, 4 und 5 ihrer Ruhegeldordnung vom 01.11.70 Invalidenrente ab dem 01.08.84 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Ruhegeldordnung setze für den Bezug der Invalidenrente voraus, daß der Kläger im Zeitpunkt des Ruhegeldfalls noch in einem Arbeitsverhältnis zu ihr stehe und das 50. Lebensjahr vollendet habe. Der Ruhegeldfall sei hier vor Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt habe das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden, so daß die Voraussetzungen des § 2b der Ruhegeldordnung nicht erfüllt seien. Diese Vorschrift verstoße nicht gegen das Betriebsrentengesetz; der Arbeitgeber müsse das Risiko einer vorzeitigen Versorgung zuverlässig überschauen können. § 1 BetrAVG sichere Versorgungsrechte nur vor dem Verfall durch vorzeitiges Ausscheiden, beschränke den Arbeitgeber aber nicht in seiner Entscheidung, eine Invalidenversorgung nur für den Fall zuzusagen, daß der Arbeitnehmer erst nach einem Mindestalter erwerbsunfähig werde und das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch bestehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts.

I. Der Kläger hat die in der Versorgungsordnung festgelegten Voraussetzungen für den Bezug einer Invalidenrente nicht erfüllt.

1. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, nach der Ruhegeldordnung der Beklagten werde eine Versorgung wegen Invalidität nur geschuldet, wenn der Arbeitnehmer bei Vollendung des 50. Lebensjahres noch im Arbeitsverhältnis gestanden habe und dann Erwerbsunfähigkeit eintrete. Das folge aus Sinn und Zweck des § 11 Nr. 1 und des § 2 Nr. 1b der Ruhegeldordnung. Das Berufungsgericht hat ergänzend ausgeführt, es handele sich nicht um eine bloße Fälligkeitsregelung, sondern um eine vertragliche Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs. Für die Fälligkeit enthalte § 7 der Ruhegeldordnung besondere Regeln. Dieser Auslegung ist im Ergebnis zu folgen.

2. Nach § 11 Nr. 1 der Ruhegeldordnung erhält der Arbeitnehmer eine Invalidenrente, wenn er erwerbsunfähig ist und das 50. Lebensjahr vollendet hat. § 2 Nr. 1b der Ruhegeldordnung setzt außerdem für sämtliche Arten von Ruhegeld voraus, daß der Arbeitnehmer beim Eintritt des Ruhegeldfalles in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten steht.

a) Der Wortlaut der Regelung ist nicht eindeutig. Der Kläger weist darauf hin, daß in § 11 Nr. 1 der Ruhegeldordnung nicht vom “Eintritt” der Erwerbsunfähigkeit die Rede ist, sondern vom “Bestehen” der Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres. Er ist der Auffassung, daß jeder Arbeitnehmer, der die Wartezeit erfüllt hat und erwerbsunfähig wird, die Invalidenrente erhält, sobald er 50 Jahre alt wird. In diesem Verständnis spielt es keine Rolle, ob und zu welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer ausgeschieden ist: nach § 1 BetrAVG führt ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr zum Untergang des Rechts, sobald die Anwartschaft unverfallbar geworden ist. Dennoch ist den Vorinstanzen zuzustimmen.

b) Die Voraussetzungen für den Bezug einer Invalidenrente sind nicht allein in § 11 der Ruhegeldordnung festgelegt. Diese Vorschrift ergänzt vielmehr § 2 der Ruhegeldordnung, der als allgemeine Anspruchsvoraussetzungen eine Dienstzeit von zehn Jahren und den Bestand des Arbeitsverhältnisses bei Eintritt des Ruhegeldfalles vorsieht. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß der Begriff “Ruhegeldfall” den Zeitpunkt festlegt, in dem die Bedingungen für den Bezug der betrieblichen Versorgungsleistungen erfüllt sind. Die Annahme des Klägers, Ruhegeldfall sei der Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für den Bezug der gesetzlichen Sozialversicherungsrente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt seien, überzeugt nicht. Die Versorgungsordnung verwendet den Begriff in § 2 einheitlich für sämtliche Arten der betrieblichen Versorgung, also gleichermaßen für Alters-, Witwen- und Invalidenrenten. Auch § 7 Nr. 1 der Ruhegeldordnung meint nichts anderes, soweit dort vom “Versorgungsfall” die Rede ist.

c) Allein aus dem Wortlaut läßt sich jedoch der Sinn der Regelung nicht erschließen. Es ist zu beachten, daß die umstrittene Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1957 stammt und zuletzt im Jahre 1969 geändert wurde. Damals durfte die Beklagte davon ausgehen, Versorgungszusagen könnten unbegrenzt und ohne zeitliche Einschränkungen die Verfallbarkeit von Anwartschaften vorsehen und damit fortbestehende Betriebstreue bis zum Eintritt des Versorgungsfalles als Anpruchsvoraussetzung fordern (BAGE 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Diese Vorstellung liegt auch der Versorgungsordnung der Beklagten zugrunde. Anhaltspunkte für eine andere Auslegung sind nicht zu erkennen, lassen sich auch nicht aus den erst später in Kraft getretenen zwingenden Vorschriften des § 1 BetrAVG entnehmen. Eine Auslegung unter Heranziehung der Wertentscheidungen des Betriebsrentengesetzes kann nicht dazu führen, den in der Versorgungszusage vorgesehenen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt eines Invaliditätsfalles als nicht mehr gewollt zu betrachten. Dies würde zu einer weitreichenden Umgestaltung der vorgesehenen Invalidenversorgung führen: Sämtliche irgendwann erwerbsunfähig werdenden Arbeitnehmer hätten dann mit der Vollendung des 50. Lebensjahres Anspruch auf eine Invalidenrente, sofern ihre Anwartschaft nur den gesetzlichen Merkmalen der Unverfallbarkeit genügte. Dies will die Versorgungsregelung der Beklagten jedoch gerade nicht. Nach ihr sollen nur solche Arbeitnehmer im Falle der Invalidität versorgt werden, die nach der Vollendung des 50. Lebensjahres erwerbsunfähig werden, sie will also die sog. Frührentner von der Versorgung ausschließen. Dies allein bezweckte die Beklagte, indem sie in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Recht verlangte, daß das Arbeitsverhältnis bis zum Invaliditätsfall fortbestand.

II. Diese Versorgungsregelung ist wirksam, soweit sie den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres des Arbeitnehmers verlangt; insoweit verstößt sie nicht gegen zwingende Vorschriften des Betriebsrentengesetzes.

1. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, nach § 1 Abs. 1 BetrAVG trete die Unverfallbarkeit für sämtliche Arten der betrieblichen Altersversorgung ein, also auch für die Invalidenversorgung; die Auffassung der Beklagten führe dazu, daß die nach § 1 Abs. 1 BetrAVG unverfallbare Anwartschaft des Klägers auf eine Invalidenversorgung ersatzlos entfalle. Insoweit sei die Versorgungszusage der Beklagten unwirksam. Das Berufungsgericht hätte ergänzend auf § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG hinweisen können, wonach bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Invalidität ein vorher mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer Anspruch auf mindestens die gesetzliche Teilleistung hat. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, auch ein vor Vollendung des 50. Lebensjahres erwerbsunfähig gewordener Arbeitnehmer könne einen Anspruch auf Invalidenversorgung erwerben, Überzeugt dennoch nicht.

2. Es trifft zu, daß die Unverfallbarkeitsregel des § 1 BetrAVG und die Berechnungsvorschrift des § 2 BetrAVG auch für Anwartschaften auf Invalidenversorgung gelten. Das folgt, schon aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften. Das bedeutet aber nur, daß der Arbeitnehmer, der mit einer kraft Gesetzes unverfallbaren Anwartschaft ausscheidet, durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Anwartschaft nicht verliert. Das gleiche läßt sich § 1 Abs. 1 Satz 5 BetrAVG entnehmen, der bestimmt, daß der Ablauf einer Wartezeit durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gehindert wird. Weiter ist unbestritten, daß das Invaliditätsrisiko im Rahmen der Vertragsfreiheit näher bestimmt werden kann, und zwar nicht nur hinsichtlich des Tatbestands (Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Betriebsunfall, formelle Nachweise), sondern auch durch den Ausschluß bestimmter Risiken (vgl. Blomeyer in Anm. zu AP Nr. 12 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen, zu II 4 a.E.; Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 1 Rz 184a und ArbGr Rz 290). Im Streitfall geht die Frage dahin, ob Arbeitnehmer von der Invalidenversorgung ausgeschlossen werden dürfen, wenn die Invalidität vor Vollendung des 50. Lebensjahres eintritt.

a) Blomeyer/Otto (BetrAVG, § 1 Rz 145) vertreten hierzu unter Berufung auf Höfer/Abt die Auffassung, die Ausschließung dürfe nicht so formuliert sein, daß nur eine Invalidität im eigenen Betrieb des Arbeitgebers die Leistungen auslöse. Höfer/Abt (aaO, § 1 Rz 184a) begründen diese Ansicht damit, daß andernfalls die gesetzlich unabdingbare Unverfallbarkeit unterlaufen werde. Das ist jedoch nicht richtig: Scheidet ein Arbeitnehmer mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf Invalidenversorgung aus dem Arbeitsverhältnis aus und wird er nach Erreichen des in der Versorgungsordnung vorgesehenen Alters erwerbsunfähig, so erhält er, auch nach der Versorgungsordnung der Beklagten in Verbindung mit § 1 BetrAVG, eine Invalidenrente. Die Unverfallbarkeit aufgrund des Gesetzes wird daher nicht unterlaufen, jedoch hilft § 1 Abs. 1 BetrAVG nur über den Verlust einer Anwartschaft infolge vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweg. Er entbindet aber nicht von sonstigen Leistungsvoraussetzungen, die von weiterer Betriebstreue unabhängig sind. Der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach einem Mindestalter ist aber gerade ein dienstzeitunabhängiges Merkmal (Urteil des Senats vom 14. August 1980 – 3 AZR 437/79 – AP Nr. 12 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen, zu II 2 der Gründe; BAGE 39, 166 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG-Invaliditätsrente). Im Streitfall verdrängt § 1 BetrAVG somit nur die Bedingung der Ruhegeldordnung, daß das Arbeitsverhältnis bis zum Ruhegeldfall bzw. bis zum Invaliditätsfall fortbestehen muß (§ 2 i.Verb. mit § 11 der Ruhegeldordnung), nicht aber das weitere Merkmal, daß die Erwerbsunfähigkeit nach dem Mindestalter von 50 Jahren eingetreten sein muß.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers läßt sich ein anderes Ergebnis nicht aus den Urteilen des Senats zur Abgrenzung zulässiger Wartezeiten von unzulässigen Vorschaltzeiten herleiten (Urteil vom 7. Juli 1977 – 3 AZR 422/76 – AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Wartezeit; BAGE 29, 227 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Wartezeit; 29, 234 = AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Wartezeit). Nach dieser Rechtsprechung ist es unzulässig, die Zusage einer Versorgung allein von einem weiteren Fristablauf bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis abhängig zu machen. Darum geht es aber nicht, wenn eine Invalidenversorgung nur für den Fall des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung eines Mindestalters zugesagt wird. Die Einschränkung der Zusage ist dann nicht rein dienstzeitabhängig, sondern abhängig von einem zusätzlichen Ereignis, dem Eintritt der Invalidität in einem fortgeschrittenen Alter. In seinem Urteil vom 13. Juli 1978 – 3 AZR 278/77 – (AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Wartezeit) hat der Senat allerdings die Auslegungsregel aufgestellt, es handele sich um eine Wartezeit, wenn die Versorgungsordnung die zugesagten Leistungen von dem Erreichen eines Mindestalters abhängig mache. Dort ging es indes um eine Regelung, die sämtliche Versorgungsleistungen erst von der Vollendung des 50. Lebensjahres an vorsah. In der im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilenden Versorgungsordnung hat die Festsetzung des Mindestalters eine andere Funktion: Die Verbindung von fortbestehendem Arbeitsverhältnis und Vollendung des 50. Lebensjahres soll bewirken, daß nur eine nach Vollendung des 50. Lebensjahres eintretende Erwerbsunfähigkeit einen Anspruch auf Invalidenrente begründet. § 1 BetrAVG verhindert nur, daß ein vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer seine unverfallbare Anwartschaft auf Invalidenrente verliert. Die Vorschrift des § 11 der Ruhegeldordnung enthält dagegen, ebenso wie das Merkmal eines Höchsteintrittsalters (vgl. dazu BAGE 50, 356 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung), eine Zugangsbeschränkung, durch die Arbeitnehmer, die schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres erwerbsunfähig geworden sind, von der Versorgung wegen Invalidität ausgeschlossen werden sollen. Eine solche Begrenzung des begünstigten Personenkreises ist weder aufgrund der zwingenden Regeln des Betriebsrentengesetzes noch aus sonstigen Gründen verboten. Es verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, eine Invalidenversorgung nur für solche Arbeitnehmer vorzusehen, die erst mit 50 Jahren oder später erwerbsunfähig werden, so daß sog. Frührentner von der Versorgung ausgeschlossen bleiben.

III. Die Ruhegeldordnung der Beklagten erweist sich damit nur insoweit als nichtig, wie sie für die Invalidenrente den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebstreue des Arbeitnehmers verlangt. Nur in diesem Umfang verstößt sie gegen § 1 BetrAVG. Hingegen gilt die Risikobegrenzung, die Versorgung wegen Invalidität nur bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nach Vollendung des 50. Lebensjahres, fort. Der Arbeitnehmer muß diese vom bloßen Zeitablauf unabhängige Bedingung erfüllt haben. Die Teilnichtigkeit der Versorgungsregelung führt nicht dazu, daß seit der Geltung des Betriebsrentengesetzes eine Invalidenrente ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit geschuldet würde (§ 139 BGB). Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, bei Kenntnis der Teilnichtigkeit wäre die Invalidenversorgung auf sämtliche Fälle der Erwerbsunfähigkeit ohne Rücksicht auf deren Beginn erweitert worden. Die Beklagte müßte dann auch frühere Arbeitnehmer, die eine zehnjährige Dienstzeit zurückgelegt haben, von der Vollendung des 50. Lebensjahres an versorgen, ein Risiko, das sie nach der Ruhegeldordnung aus dem Jahre 1957 ersichtlich nicht übernehmen wollte und das sie auch seit Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes nicht zu übernehmen braucht.

 

Unterschriften

Griebeling, Dr. Peifer, Dr. Bächle, Schoden

Vorsitzender Richter am BAG Prof. Dr. Dieterich ist aus dem BAG ausgeschieden

Griebeling

 

Fundstellen

Haufe-Index 872414

RdA 1988, 125

ZIP 1988, 668

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