Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Straßenführers an Versandanlage. Eingruppierung eines als Straßenführer tätigen gelernten Möbelschreiners in der Abteilung Versand an einer Versandanlage, mit der das Produkt Zeitung mit Einlagen und Prospekten bestückt, gezählt, gestapelt, verpackt und verschnürt wird

 

Leitsatz (amtlich)

    • Hängen mehrere Arbeitsstationen wie “Einstecken” und “Verpacken” in der Versandanlage eines Zeitungsherstellers zusammen, handelt es sich um eine “Weiterverarbeitungsstraße” i.S. des LRTV.
    • Aus den “Protokollnotizen zur Liste der Arbeitsaufgaben” Nr. 2 und Nr. 3 folgt, daß der Begriff der Bearbeitungsstation i.S. des Tätigkeitsbeispiels Nr. 5 zur Lohngruppe VII LRTV unabhängig von der Anzahl der pro Bearbeitungsstation eingesetzten Maschinen zu bestimmen ist.
  • Lohngruppe VII LRTV setzt eine “einschlägige” abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Ob eine “einschlägige” Berufsausbildung nur dann vorliegt, wenn sie “druckindustriebezogen” ist, also in einem Berufsbild der Druckindustrie erfolgt ist, bleibt offen. Die Ausbildung zum Möbelschreiner ist für den Bereich der Abteilung Versand eines Zeitungsherstellers nicht als “einschlägige” Berufsausbildung im Tarifsinne anzusehen.
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie; Lohnrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Druckindustrie vom 6. Juli 1984 (LRTV) § 4, Lohngruppe VI und VII

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 15.03.1994; Aktenzeichen 3 (5) (19) (5) Sa 1552/93)

ArbG Essen (Urteil vom 18.05.1993; Aktenzeichen 2 Ca 3269/92)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. März 1994 – 3 (5) (19) (5) Sa 1552/93 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers nach dem Lohnrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West vom 6. Juli 1984, gültig ab 1. Oktober 1984 (LRTV), insbesondere darüber, ob der Kläger Anspruch auf Lohn nach der Lohngruppe VII des LRTV hat.

Der am 30. November 1936 geborene Kläger legte 1955 die Gesellenprüfung als Möbelschreiner ab. Seit dem 1. Februar 1966 ist er bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, beschäftigt. Seit dem 1. Februar 1991 ist er in der Abt. “Versand” als sog. Straßenführer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Der Kläger erhält Vergütung nach Lohngruppe V LRTV.

Die Beklagte verfügt über acht Weiterverarbeitungsstraßen (je vier Offset- und Hochdruckstraßen). Es handelt sich dabei um Transportbänder, die mit den Rotationsmaschinen verbunden sind, auf denen die jeweiligen Zeitungen automatisch in die Versandhalle transportiert werden.

Jede Straße mündet in zwei oder drei sog. Einsteckmaschinen. In diesen Einsteckmaschinen werden die mit der Rotation herangeführten Zeitungen automatisch mit Fremdbeilagen oder vorab gedruckten Zeitungsteilen komplettiert. Von den Einsteckmaschinen laufen dann die jeweiligen Zeitungen in den sog. Kreuzleger, in dem die Zeitungsexemplare per Laserzähler gezählt und automatisch in der vorgegebenen Anzahl gestapelt werden. Die gestapelten Zeitungen werden dann über einen sog. Unterbogenzuführer geleitet, der ebenfalls automatisch dem jeweiligen Zeitungsstapel einen Packpapierbogen unterlegt. Dieser zur Verpackung vorbereitete Stapel wird dann weitergeführt über Transportbänder in die sog. Verschnürmaschine, die automatisch den Stapel mit einer Kreuzbandverschnürung versieht. Das so gepackte Paket wird dann über weitere Transportbänder an die Rampe befördert, von wo aus die Zeitungen auf die wartenden Lastkraftwagen verladen werden.

Jede Straße besteht aus einer Zuführung (Transportband oder Print-Roll-Anlage), zwei oder drei Einsteckmaschinen nebst Kreuzlegern und aus den Unterbogenzuführern sowie einer Packzone (Verschnürmaschine).

Für den gesamten zuvor beschriebenen Arbeitsbereich setzt die Beklagte pro Schicht einen Schichtführer, für je zwei Straßen einen Linienführer und für jede Straße einen sog. Straßenführer sowie zwei Maschinenbediener ein. Während der Schichtführer von der Beklagten außertariflich entlohnt wird, vergütet sie die Linienführer nach Lohngruppe IV und die sog. Straßenführer nach Lohngruppe V des LRTV. Die Maschinenbediener sind ebenso in Lohngruppe V LRTV eingestuft (LAG Düsseldorf Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 (3) Sa 874/92 –).

Der Kläger begehrte wiederholt, zuerst mit Schreiben vom 13. Juli 1992, erfolglos Vergütung nach Lohngruppe VII LRTV. Die Differenz zwischen der begehrten und der tatsächlich bezahlten Vergütung beläuft sich im Mai 1993 auf 672,00 DM monatlich auf der Basis von tarifvertraglich vorgesehenen 160 Arbeitsstunden im Monat.

Mit der am 11. November 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab 1. Juli 1992 nach der Lohngruppe VII LRTV zu vergüten.

Der Kläger hat dazu vorgetragen, seine Tätigkeit erfülle das Richtbeispiel Nr. 5 zu Lohngruppe VII LRTV. Im Rahmen der Arbeitsorganisation der Beklagten sei er in seiner Eigenschaft als Straßenführer für eine Verarbeitungsstraße verantwortlich. Der Straßenführer habe die Aufgabe, die Tätigkeit der Maschinenbediener, die ihre Maschinen selbst einrichteten, zu überwachen und zu kontrollieren sowie den gesamten Funktionsablauf der ihm anvertrauten Straße im Auge zu haben. Außerdem bediene und führe der Straßenführer selbst eine Maschine, nachdem er diese eingerichtet habe. Die Straßenführer seien für die Einrichtung, Bedienung und Überwachung der Fertigung an Weiterverarbeitungsstraßen mit mehr als vier Bearbeitungsstationen verantwortlich. Die Offsetstraßen verfügten über je neun (2 Stationen für Auf- und Abrollen ≪Print-Roll-System≫; 2 Bi-Liner ≪Einsteckmaschinen≫; 2 Unterbogenstationen, 2 Packzonen; 1 Ablauf zur Rampe), die Straße Nr. 8 (Offsetalt) wie auch die Hochdruckstraßen über acht Bearbeitungsstationen (Beschickung; 3 Einsteckmaschinen, 1 Kreuzleger am Überlauf; 2 Packzonen; 1 Ablauf zur Rampe), was sich aus dem Produktionsflußschema ergebe. Auch sei er für den Arbeitsablauf der von ihm zu führenden Straße verantwortlich, was sich aus der Notiz der Technischen Vertriebsleitung der Beklagten vom 7. Januar 1991 ergebe. Der Straßenführer trage die Verantwortung für den gesamten technischen Ablauf sowie für die Arbeitsergebnisse. Entsprechend habe er durch Unterschrift auf dem Straßenbericht die Versandabwicklung zu dokumentieren. Er habe die Maschinenführer zu beaufsichtigen und anzuweisen sowie die gesamten Arbeitsabläufe zu koordinieren. Auch seien von ihm u.a. die Notizen über Versandablauf und Maschinenstörungen zu erstellen. Im Hinblick auf die übertragene Verantwortung unterscheide sich der Straßenführer nach dem Willen der Beklagten von dem Maschinenführer. Der Straßenführer erhalte die entsprechenden Anweisungen hinsichtlich des einzuhaltenden Formats, der Beilagen usw. von der Beklagten, auf deren Einhaltung er anschließend, nachdem er diese an die Maschinenführer weitergegeben habe, zu achten habe. Da er über die Bedienung einer Maschine hinaus für den gesamten Ablauf Sorge zu tragen habe, erfordere seine Tätigkeit ein Maß an Verantwortung, das bei weitem über das in Lohngruppe V LRTV geforderte Maß hinausgehe. Auch handele es sich begrifflich um eine “Weiterverarbeitungsstraße”, wie den Begriffen “Verpacken” und “Palettieren” im Richtbeispiel Nr. 5 zu Lohngruppe VII zu entnehmen sei. Auch sei in Anbetracht seiner Ausbildung als Möbelschreiner von der erforderlichen “abgeschlossenen Berufsausbildung” im Sinne der Lohngruppe VII LRTV auszugehen. Diese sei auch einschlägig für seine jetzige Tätigkeit.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 1. Juli 1992 nach der Lohngruppe VII des Lohnrahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Juli 1984 zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger sei nicht in der “Weiterverarbeitung” tätig, sondern im Versand, da die Zeitung bereits zuvor ihren technischen Endzustand erreicht habe. In der Zuständigkeit des Klägers erfolge allein das anschließende maschinelle Bestücken der Zeitung mit Einlagearbeiten und Prospekten sowie die Fertigstellung zum Versand. Der Arbeitsplatz des Klägers weise höchstens drei Bearbeitungsstationen im tariflichen Sinne auf:

Abrollen (Print-Roll-System), Einstecken (Bi-Liner), Verpacken. Der Kläger sei daher nicht an einer Anlage beschäftigt, die mindestens fünf Bearbeitungsstationen aufweise, wie vom Richtbeispiel Nr. 5 zu Lohngruppe VII gefordert werde. Aus den Protokollnotizen Nr. 2, Nr. 3 zur Liste der Arbeitsaufgaben des LRTV ergebe sich, daß die vom Kläger aufgeführten Stationen an den Offset- und Hochdruckstraßen bezüglich der Print-Roll-Systeme, der Bi-Liner, der Unterbogenstationen sowie der Packzonen jeweils einheitlich zu bewerten seien. Für die Bewertung der Tätigkeit des Klägers käme das Richtbeispiel Nr. 14 zu Lohngruppe V LRTV in Betracht. Die Tätigkeit des Klägers beinhalte auch nicht das “verantwortliche Einrichten” im Sinne des LRTV. Letzteres sei mit Anforderungen verbunden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie erweitertes oder zusätzliches Fachwissen voraussetzten. Bei den von dem Kläger ausgeführten Arbeiten handele es sich lediglich um Bedienen und Überwachen, wofür eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Druckindustrie nicht erforderlich sei. Die vom Kläger genannte Notiz vom 7. Januar 1991 sei überholt, da sich seither die Tätigkeit zwischen den damaligen Straßenführern und den Maschinenbedienern faktisch völlig angeglichen habe und insoweit Austauschbarkeit bestehe. Zudem erforderten die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten allenfalls eine mittlere Verantwortung, wie sie bereits Lohngruppe V LRTV voraussetze. Er sei im Sinne mittlerer Verantwortung nur für seinen eigenen Bereich, nicht hingegen für die übrigen Aggregate verantwortlich. Für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsmäßige Erledigung der Druckaufträge sei nicht der Kläger, sondern der Schichtführer verantwortlich. Im übrigen scheitere die erstrebte Höhergruppierung bereits an der in Lohngruppe VII geforderten einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entlohnung nach Lohngruppe VII des Lohnrahmentarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West vom 6. Juli 1984, gültig ab 1. Oktober 1984 (LRTV).

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch im Bereich der Privatwirtschaft zulässig ist (BAG Urteil vom 20. Juni 1984 – 4 AZR 208/82 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, m.w.N.; BAG Urteil vom 15. März 1989 – 4 AZR 627/88 – AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Lohnrahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 6. Juli 1984 (LRTV) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Eingruppierung des Klägers sind danach folgende tarifliche Bestimmungen des LRTV heranzuziehen:

“§ 4

Eingruppierung

  • Jeder Arbeitnehmer ist aufgrund der von ihm vertraglich auszuübenden bzw. ausgeübten Tätigkeit in eine der Lohngruppen des § 3 einzugruppieren. Für die Eingruppierung sind die abstrakten Merkmale entscheidend. Erweiterte Arbeitsaufgaben sind entsprechend zu berücksichtigen.
  • Übt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten aus, die verschiedenen Lohngruppen zuzuordnen sind, erfolgt die Eingruppierung nach der überwiegenden Tätigkeit.

Diese tariflichen Bestimmungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats dahingehend auszulegen, daß dem Arbeitnehmer bei Erfüllung der tariflichen Anforderungen ein entsprechender Lohnanspruch zusteht und der Entscheidung des Arbeitgebers nur deklaratorische Bedeutung zukommt. Für die Eingruppierung ist die überwiegende Tätigkeit maßgebend, wobei die abstrakten Tätigkeitsmerkmale entscheidend sind (BAG Urteil vom 21. Oktober 1987 – 4 AZR 49/87 – AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie, m.w.N.; BAG Urteil vom 28. September 1988 – 4 AZR 326/88 – AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 15. März 1989 – 4 AZR 627/88 – AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). In den abstrakten Merkmalen der Lohngruppen I bis VII haben die Tarifvertragsparteien Bewertungskriterien hinsichtlich der Qualifikation, der geistigen Beanspruchung, der muskelmäßigen Beanspruchung und der Verantwortung normiert. Ferner bestimmt der Schlußsatz der abstrakten Tätigkeitsmerkmale in Lohngruppe VII:

“Die in den Tätigkeitsmerkmalen aufgeführten Bewertungskriterien sind nicht in jedem Fall kumulativ zu verstehen. Im Zweifel wird die Bewertung der den einzelnen Lohngruppen zuzuordnenden Richtbeispiele als Auslegungshilfe herangezogen.”

Dies bedeutet, daß die Erfordernisse einer Lohngruppe dann als erfüllt anzusehen sind, wenn ein Arbeitnehmer eine einem dieser Lohngruppe zugeordneten Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit überwiegend auszuüben hat. Bestimmen die Tarifvertragsparteien, daß “im Zweifel” die Bewertung der den einzelnen Lohngruppen zugeordneten Richtbeispiele als “Auslegungshilfe” anzusehen ist, bringen sie damit zum Ausdruck, daß sie die abstrakten Tätigkeitsmerkmale einer Lohngruppe – auch wenn nicht alle Bewertungskriterien vorliegen – dann als erfüllt ansehen, wenn diese Tätigkeit in dieser Lohngruppe als Richtbeispiel aufgeführt ist. Diese Auslegung entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung zur Bedeutung von Tätigkeitsmerkmalen in tariflichen Eingruppierungsregelungen. Die Tarifvertragsparteien wollen mit den Richtbeispielen in den Lohngruppen I bis VII, die in sich häufig auch noch verschiedene Alternativen aufweisen, im wesentlichen die für die Druckindustrie typischen Tätigkeiten erfassen und durch die Zuordnung zu einer Lohngruppe tariflich bewerten. Zu der in einem Richtbeispiel beschriebenen Tätigkeit rechnen auch die mit ihr unmittelbar zusammenhängenden Arbeiten (BAG Urteil vom 28. September 1988 – 4 AZR 326/88 – AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 15. März 1989 – 4 AZR 627/88 – AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Auf die abstrakten Tätigkeitsmerkmale muß allerdings dann zurückgegriffen werden, wenn das Richtbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können, oder eine Tätigkeit in den Richtbeispielen nicht aufgeführt ist. Auch hier entspricht es aber dem Willen der Tarifvertragsparteien, der mit der Verwendung der Bezeichnung “Auslegungshilfe” deutlich zum Ausdruck kommt, daß die Richtbeispiele bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in den abstrakten Tätigkeitsmerkmalen und bei der tariflichen Bewertung von Tätigkeiten, die als Richtbeispiele nicht genannt sind, heranzuziehen sind (BAG Urteil vom 12. März 1986 – 4 AZR 534/84 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 15. März 1989 – 4 AZR 627/88 – AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Das gleiche gilt, sofern eine Tätigkeit nicht in vollem Umfang der in einem Richtbeispiel genannten Tätigkeit entspricht. Auch in diesem Falle ist zu prüfen, ob die Tätigkeit die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der beanspruchten Lohngruppe erfüllt. Bei dieser Prüfung sind allerdings die Richtbeispiele wiederum als Auslegungshilfe heranzuziehen. Ist die Tätigkeit in keinem Richtbeispiel einer niedrigeren Lohngruppe aufgeführt, bleibt zu prüfen, ob sie die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe erfüllt, obwohl sie den Anforderungen des entsprechenden Richtbeispiels der höheren Lohngruppe nicht in vollem Umfang genügt. Insoweit gewinnt § 4 Ziff. 1 Satz 1 LRTV Bedeutung. Danach sind erweiterte Arbeitsaufgaben bei der Eingruppierung entsprechend zu berücksichtigen. Daraus folgt, daß die Tätigkeit, die den Anforderungen eines Richtbeispiels nicht in vollem Umfang entspricht, die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der begehrten Lohngruppe dann erfüllen kann, wenn zum Ausgleich für die im Einzelfall fehlende Tätigkeit andere Tätigkeiten hinzukommen, die tariflich gleichermaßen zu bewerten sind (BAG Urteil vom 15. März 1989 – 4 AZR 627/88 – AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie, m.w.N.; BAG Urteil vom 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß der Kläger das von ihm für einschlägig erachtete Richtbeispiel Nr. 5 der von ihm in Anspruch genommenen Lohngruppe VII nicht erfüllt.

  • Dieses Richtbeispiel hat folgenden Wortlaut:
  • Verantwortliches Einrichten, Bedienen und Überwachen der Fertigung an Weiterverarbeitungsstraßen mit mehr als vier Bearbeitungsstationen, z.B. Zusammentragen, Falzen, Heften, Kleben, Beschneiden, Einstecken, Beanschriften, Verpacken, Palettieren für Zeitungs-, Zeitschriften- und Katalogproduktion.

Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Kläger zeitlich überwiegend Tätigkeiten verrichtet, die die Tätigkeitsmerkmale der Richtbeispiele in Lohngruppe VII erfüllen, insbesondere, ob sie dem Richtbeispiel Nr. 5 zu Lohngruppe VII entsprechen. Es hat nämlich angenommen, die Eingruppierungsmerkmale nach Vergütungsgruppe VII seien schon deswegen nicht gegeben, weil es bereits an der geforderten einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung im Sinne der Eingruppierungsbestimmungen fehle. Das Vorliegen des abstrakten Eingruppierungsmerkmals der “einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung” im Sinne der Lohngruppe VII sei unabhängig von dem Vorliegen der zu dieser Lohngruppe vereinbarten Richtbeispiele oder der allgemeingefaßten Tätigkeitsmerkmale festzustellen. Es hat weiter ausgeführt, die abgeschlossene Berufsausbildung des Klägers als Möbelschreiner genüge nicht den tariflichen Erfordernissen. Es hat dann – von seinem Standpunkt aus konsequent – nicht mehr geprüft, ob die Voraussetzungen des Richtbeispiels Nr. 5 der Lohngruppe VII erfüllt sind, was der Kläger für gegeben hält.

Es hat zwar die dargestellte ständige Rechtsprechung des Senats zur Auslegung der Eingruppierungsbestimmungen des LRTV genannt, die der Senat zuletzt mit Urteil vom 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, bestätigt hat. Es hat aber übersehen, daß der Senat stets betont hat, daß der Schlußsatz in Lohngruppe VII in Verb. mit § 4 LRTV dahin auszulegen ist, daß die Erfordernisse einer Lohngruppe dann als erfüllt anzusehen sind, wenn ein Arbeitnehmer eine einem dieser Lohngruppe zugeordneten Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit auszuüben hat. Daran hält der Senat aus den genannten Gründen fest.

Einer Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits bedarf es aber trotz der fehlerhaften Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen durch das Landesarbeitsgericht deswegen nicht, weil der Senat aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts selbst prüfen kann, ob die Tätigkeit des Klägers die Voraussetzungen des Richtbeispiels Nr. 5 der Vergütungsgruppe VII erfüllt oder ob hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII gegeben sind.

Beides ist nicht der Fall.

Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe VII, wenn seine Tätigkeit unter das Richtbeispiel Nr. 5 zur Lohngruppe VII fällt.

Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht die Voraussetzungen dieses Richtbeispiels.

Entgegen der Annahme der Beklagten ist der Kläger an einer “Weiterverarbeitungsstraße” im Sinne des LRTV tätig.

Unter Weiterverarbeitungsstraße ist nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Gesamtheit aufgestellter Maschinen oder eine Anlage zu verstehen, in der mehrere Arbeitsgänge durchgeführt werden, wo etwas mehreren weiteren Arbeitsgängen unterzogen wird, die Ver- oder Bearbeitung fortgesetzt wird.

Der Begriff “Weiterverarbeitungsstraße” läßt erkennen, daß er nicht synonym mit “Herstellung einer Zeitung” von den Tarifvertragsparteien gebraucht wird. Die Tarifvertragsparteien haben als Beispiele für mögliche “Bearbeitungsstationen” u.a. “Einstecken, Beanschriften, Verpacken, Palettieren” in dem Richtbeispiel Nr. 5 zu Lohngruppe VII genannt. Daraus ergibt sich, daß Tätigkeiten wie das am Arbeitsplatz des Klägers anfallende “Einstecken” und “Verpacken” Bearbeitungsstationen der Weiterverarbeitung im Sinne des LRTV sind. Diese mehreren Bearbeitungsstationen hängen auch zusammen. Die Tätigkeit des Klägers erfolgt daher an einer “Weiterverarbeitungsstraße” im Sinne des LRTV.

Darauf hat das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen.

Die Voraussetzungen des Rechtbeispiels Nr. 5 zur Lohngruppe VII liegen aber schon deswegen nicht vor, weil der Kläger nicht an einer Weiterverarbeitungsstraße mit mindestens fünf Bearbeitungsstationen tätig ist.

Der Kläger hat zwar behauptet, die Offsetstraßen wiesen je neun Bearbeitungsstationen auf, nämlich

  • zwei Stationen für Auf- und Abrollen (Print-Roll-System), zwei Bi-Liner (Einsteckmaschinen),

    zwei Unterbogenstationen,

    zwei Packzonen sowie ein Ablauf zur Rampe,

  • die Straße Nr. 8 acht Bearbeitungsstationen, und zwar Beschickung,

    drei Einsteckmaschinen,

    ein Kreuzleger am Überlauf,

    zwei Packzonen,

    ein Ablauf zur Rampe.

Demgegenüber hat die Beklagte unter Hinweis auf die Protokollnotiz Nr. 3 der “Protokollnotizen zur Liste der Arbeitsaufgaben” des LRTV

  • alle Anlegestationen einer Zusammentrageeinheit einer Weiterverarbeitungsstraße gelten als eine Bearbeitungsstation “Zusammentragen” im Sinne der Richtbeispiele IV/10, V/16, VII/5 und VII/13

vom Kläger unwidersprochen vorgetragen, beide Print-Roll-Systeme seien wie eines zu zählen. Das gelte auch für die Bi-Liner, die beiden Unterbogenstationen sowie für die zwei Packzonen.

Das ist zutreffend.

Das Arbeitsgericht ist von drei Bearbeitungsstationen im Sinne des Richtbeispiels Nr. 5 Ausgegangen, und zwar vom “Abrollen” = Print-Roll-System, vom “Einstecken” = Einstreckmaschinen und vom “Verpacken” = Packzone. Es hat darauf hingewiesen, daß der Kläger die Stationen zum Teil verdoppelt habe, dabei aber verkannt habe, daß der LRTV mehr als vier Bearbeitungsstationen fordere, wobei zwangsläufig die Anzahl der pro Bearbeitungsstation im Einsatz befindlichen Maschinen differieren könne, ohne daß sich dadurch eine weitere Bearbeitungsstation im Tarifsinne ergebe. Nicht die Anzahl der pro Station verwendeten Maschinen sei entscheidend, sondern ob mehr als vier der im Richtbeispiel Nr. 5 zur Lohngruppe VII beispielhaft aufgeführten Bearbeitungsstationen vorlägen oder nicht. Dafür, daß mehr als vier Bearbeitungsstationen vorlägen, habe der Kläger nichts vorgetragen.

Das hat der Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt. In der Berufungsinstanz findet sich die Verdoppelung von vier Stationen wieder; auch in der Revisionsbegründung wird darüber hinaus nichts vorgetragen.

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts sind einleuchtend. Im übrigen hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, daß der sachliche Hintergrund für diese tarifvertragliche Einheit der sei, daß zunächst einmal ein Strom Zeitungen aus der Rotation an eine solche Versandstation herangeführt werde. Innerhalb dieser Station werde wegen der hohen Rotationsgeschwindigkeit die Tätigkeit in zwei separate Stränge aufgesplittet; dort würden die Beilagen eingesteckt, der Unterbogen zugeführt und der Stapel verpackt und dann würden beide Stränge wieder zu einem Strang zusammengeführt und zur Rampe weitergeleitet. Hinzu kommt, daß aus der Protokollnotiz Nr. 2 der Protokollnotizen zur Liste der Arbeitsaufgaben des LRTV

  • “Verpacken” in den Richtbeispielen IV/10, V/16, VII/5 und VII/13 bedeutet Kreuzlegen, Einschlagen, Verschnüren und/oder Einschweißen

geschlossen werden kann, daß das Verpacken, also die Unterbogenstation und die Verschnürstation als eine Bearbeitungsstation anzusehen ist. Die Beklagte nimmt den Ablauf zur Rampe hinzu. Das kann dahinstehen. Jedenfalls ist der vom Kläger als Bearbeitungsstation genannte “Ablauf zur Rampe” keine Bearbeitungsstation mehr. Das Paket mit den Zeitungen nebst Einlagen mit den Zeitungen ist fertig und wird nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lediglich zur Rampe befördert, von wo aus die Zeitungspakete auf wartende Lastkraftwagen verladen werden.

Sind beide Print-Roll-Systeme und sind die beiden Bi-Liner und die beiden Unterbogenstationen sowie die beiden Packzonen als je eine Bearbeitungsstation zu nehmen und der Ablauf der Rampe nicht zu berücksichtigen, so ist allenfalls von vier Bearbeitungsstationen auszugehen mit der Folge, daß schon von daher die Voraussetzungen des Richtbeispiels Nr. 5 zur Lohngruppe VII nicht gegeben sind.

Darauf, ob die übrigen Voraussetzungen des Richtbeispiels vorliegen, kommt es damit nicht mehr an.

Der Kläger erfüllt auch nicht die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII.

Diese lauten:

“Lohngruppe VII

  • Tätigkeiten,
  • die neben der abgeschlossenen Berufsausbildung zusätzliches Fachwissen erfordern, das über die Lohngruppe VI hinausgeht und durch eine Zusatzausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung erworben sein kann,
  • die große bis sehr große Anforderungen an Aufmerksamkeit wie Genauigkeit/Konzentration und Denktätigkeit im Sinne zum Beispiel von Kombinieren, Koordinieren und Disponieren (Anforderungen an Umsicht, Abstraktionsvermögen oder Dispositionsfähigkeit) stellen,

    die mit einer großen bis sehr großen Verantwortung für Betriebsmittel, eigene Arbeit und/oder Arbeit und Sicherheit anderer verbunden sind.

In Frage kommt lediglich die 1. Alternative der abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe VII.

Die 1. Alternative liegt bereits deswegen nicht vor, weil es an einer einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung fehlt.

Der Senat hat in dem Beschluß vom 10. Dezember 1986 (– 4 ABR 20/86 – AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie) ausgeführt, die Eingruppierung in die Lohngruppe VI LRTV erfordere eine abgeschlossene Berufsausbildung. Lediglich das zusätzlich geforderte erweiterte Fachwissen könne durch entsprechende Berufserfahrung erworben werden.

  • Nach Lohngruppe VI sind zu bewerten:
  • “Tätigkeiten,
  • die neben der abgeschlossenen Berufsausbildung erweitertes Fachwissen erfordern, das auch durch entsprechende Berufserfahrung erworben sein kann,

Aus dem Wortlaut dieser tariflichen Bestimmung folgt – so der Senat in dem genannten Beschluß –, daß die Tarifvertragsparteien in Lohngruppe VI eine abgeschlossene Berufsausbildung und erweitertes Fachwissen fordern. Dies wird durch die Verknüpfung, daß “neben” der abgeschlossenen Berufsausbildung erweitertes Fachwissen gefordert wird, deutlich zum Ausdruck gebracht. Nur das erweiterte Fachwissen kann auch durch eine entsprechende Berufserfahrung erworben werden, nicht jedoch kann die entsprechende Berufserfahrung die abgeschlossene Berufsausbildung ersetzen. Auch dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut der tarifvertraglichen Bestimmung. Hätten die Tarifvertragsparteien die entsprechende Berufserfahrung sowohl mit der abgeschlossenen Berufsausbildung gleichsetzen als auch zum Erwerb erweiterten Fachwissens genügen lassen wollen, hätte dies durch die Verwendung des Plurals im Nebensatz gekennzeichnet werden müssen. Daß die Tarifvertragsparteien der Lohngruppe VI nur Tätigkeiten zuordnen wollten, die eine abgeschlossene Berufsausbildung erfordern, ergibt sich auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Die Tarifvertragsparteien setzen in den Lohngruppen I bis IV keine Berufsausbildung voraus. In der Lohngruppe V wird ein Fachwissen gefordert, das durch eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung oder durch einen gleichwertigen Abschluß vermittelt wird. Dieses Fachwissen kann auch durch eine entsprechende Berufserfahrung erworben werden. Damit wird die Lohngruppe V, in der der Vergütungssatz nach § 3 Ziff. 1 LRTV 100 % des Facharbeiter-Wochenecklohnes beträgt, auch Arbeitnehmern eröffnet, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, aber über entsprechende Berufserfahrung verfügen. Demgegenüber verlangen die Tarifvertragsparteien neben erweitertem Fachwissen in Lohngruppe VI und zusätzlichem über die Lohngruppe VI hinausgehenden Fachwissen in Lohngruppe VII ausdrücklich eine abgeschlossene Berufsausbildung. Der Senat hat weiter ausgeführt, daß sich an diesem Ergebnis auch nichts im Hinblick auf den Schlußsatz in Lohngruppe VII ändert, nach dem die in den Tätigkeitsmerkmalen aufgeführten Bewertungskriterien nicht in jedem Falle kumulativ zu verstehen sind. Zwar ist die abgeschlossene Berufsausbildung ebenso wie das erweiterte Fachwissen ein Bewertungskriterium in dem abstrakten Tätigkeitsmerkmal hinsichtlich der in der Lohngruppe VI geforderten beruflichen Qualifikation des Arbeitnehmers. Die Ausnahmeregel, daß die aufgeführten Bewertungskriterien nicht in jedem Fall kumulativ zu verstehen sind, kann aber nach dem Tarifwortlaut nicht eingreifen. Die Tarifvertragsparteien haben dadurch, daß sie die abgeschlossene Berufsausbildung ausdrücklich neben dem erweiterten Fachwissen als Erfordernis aufgeführt haben, deutlich zum Ausdruck gebracht, daß in dem abstrakten Tätigkeitsmerkmal hinsichtlich der in Lohngruppe VI erforderlichen beruflichen Qualifikation gerade nicht darauf verzichtet werden kann, daß beide Bewertungskriterien kumulativ vorliegen.

Das gilt auch für die Lohngruppe VII.

Auch insoweit wird “neben” der abgeschlossenen Berufsausbildung zusätzliches Fachwissen gefordert, und zwar ein solches, das über das der Lohngruppe VI hinausgeht.

Nicht entschieden hat der Senat bislang, ob es sich insoweit um eine “einschlägige” Berufsausbildung handeln muß. Das ist zu bejahen.

Denn die Lohngruppen VI und VII bauen auf der Lohngruppe V auf, die ihrerseits wieder auf den Lohngruppen I bis IV aufbaut.

In “Lohngruppe V” sind u.a. eingestuft

  • Tätigkeiten,
  • die durch eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung oder durch einen gleichwertigen Abschluß vermitteltes Fachwissen erfordern, das auch durch entsprechende Berufserfahrung erworben sein kann,

Die Tarifvertragsparteien setzen in den Lohngruppen I bis IV keine Berufsausbildung voraus. In der Lohngruppe V wird ein Fachwissen gefordert, das durch eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung oder durch einen gleichwertigen Abschluß vermittelt wird. Dieses Fachwissen kann auch durch entsprechende Berufserfahrung erworben werden. Demgegenüber verlangen die Tarifvertragsparteien in Lohngruppe VI “neben der abgeschlossenen Berufsausbildung erweitertes Fachwissen …, das auch durch entsprechende Berufserfahrung erworben sein kann”, und in Lohngruppe VII “neben der abgeschlossenen Berufsausbildung zusätzliches Fachwissen …, das über die Lohngruppe VI hinausgeht und durch eine Zusatzausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung erworben sein kann”. Durch den Wortlaut “neben der abgeschlossenen Berufsausbildung” in den Lohngruppen VI und VII wird die in Lohngruppe V verlangte einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung wieder aufgenommen. Andernfalls hätte es statt “neben der abgeschlossenen Berufsausbildung” “neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung” heißen müssen. Das ergibt sich auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Die Vergütungsgruppen bauen aufeinander auf. Die personenbezogenen Anforderungen steigen; zu den tätigkeitsbezogenen Eingruppierungsmerkmalen treten zusätzliche hinzu. Wenn für die Lohngruppen I bis IV eine Berufsausbildung nicht erforderlich ist, für die Lohngruppe V aber eine einschlägige gefordert wird, dann ist eine solche auch für die nächsthöheren Lohngruppen VI und VII gefordert. Die einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung ist Grundlage der für die Lohngruppen VI und VII geforderten Qualifikation. Während sie bei Lohngruppe V durch einen gleichwertigen Abschluß oder durch entsprechende Berufserfahrung wettgemacht werden kann, setzen die Lohngruppen VI und VII ein Fachwissen voraus, das durch eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung vermittelt wurde. Die Tarifvertragsparteien haben nach dem Wortlaut der Lohngruppen VI und VII “neben der abgeschlossenen Berufsausbildung” erweitertes Fachwissen oder zusätzliches, über das in Lohngruppe VI geforderte hinausgehendes verlangt, so daß wegen des Lohngruppenaufbaus in Anbetracht des gewählten Wortlauts nicht davon ausgegangen werden kann, daß im Gegensatz zur Lohngruppe V überhaupt eine abgeschlossene Berufsausbildung ausreicht. Vielmehr ist eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich.

Es kann dahinstehen, ob eine “einschlägige” abgeschlossene Berufsausbildung nur dann vorliegt, wenn sie “druckindustriebezogen” ist, also in einem Berufsbild der Druckindustrie erfolgt ist, wie etwa im vorliegenden Fall Buchbinder, insbesondere Industriebuchbinder, oder ob auch eine andere Berufsausbildung als “einschlägige” angesehen werden kann, wie etwa bei Abschluß einer Berufsausbildung in der Metall- oder Verpackungsindustrie, etwa als Verpackungsmittelmechaniker/Verpackungsmittelmechanikerin (Blätter zur Berufskunde “Verpackungsmittelmechaniker/Verpackungsmittelmechanikerin”, 1 – IV B 406, 3. Aufl. 1987). Denn es ist der Beklagten darin zu folgen, daß jedenfalls die Ausbildung zum Möbelschreiner – jetzt Tischler, auch Schreiner genannt – als für den Bereich der Abt. “Versand”, in der der Kläger arbeitet, nicht einschlägig im Tarifsinne anzusehen ist. Es sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß dem Tischler oder Schreiner, der mit dem Werkstoff Holz in seiner großen Vielfalt handwerkliche Einzelfertigung betreibt, wenn auch unter Zuhilfenahme von Holzbearbeitungsmaschinen (vgl. Blätter zur Berufskunde “Tischler/Tischlerin”, 1 – III C 101, 4. Aufl. 1990), das technische Fachwissen vermittelt wurde, das für die Tätigkeit im Rahmen von Weiterverarbeitung im Tarifsinne im Bereich Versand der Druckindustrie vorausgesetzt wird.

Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Entlohnung nach Vergütungsgruppe VII LRTV ab 1. Juli 1992.

Ob seine Tätigkeit unter die Lohngruppe VI, etwa unter das Richtbeispiel Nr. 11 der Lohngruppe VI fällt, braucht der Senat nicht zu prüfen. Der Kläger hat darauf, auch nicht hilfsweise, abgestellt. Ein Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe VI ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Der Kläger hat keinen entsprechenden Hilfsantrag gestellt (vgl. BAG Urteil vom 30. Mai 1990 – 4 AZR 40/90 – AP Nr. 149 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Friedrich, Brocksiepe, Kiefer

 

Fundstellen

Haufe-Index 872267

BB 1996, 116

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