Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Übergangsversorgung. Vertrauensschutz. Gleichheitssatz. Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Tarifvertrages. Recht der Vorruhestandsleistungen. Tarifrecht

 

Orientierungssatz

  • § 5 und die Protokollnotiz II 1a des TV-ÜVCockpit 1989 sind so auszulegen, daß die Übergangsversorgung mit Ablauf des 63. Lebensjahres endet. Voraussetzung ist, daß der ehemalige Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt neben der gesetzlichen Altersrente auch eine Zusatzrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder erhält. Es ist nicht entscheidend, ob er dort bereits 35 Jahre Versicherungszeit zurückgelegt hat.
  • Die Tarifvertragsparteien dürfen Rechtsverhältnisse ua. dann für die Zukunft neu regeln (“unechte Rückwirkung”), wenn die bisherige Regelung objektiv nicht geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand zu begründen. Tarifvertragliche Übergangsversorgungsregelungen dienen dem Zweck, den Zeitraum zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der Rentenberechtigung finanziell abzusichern. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, eine tarifvertragliche Übergangsversorgung, die Leistung bis zum Abauf des 65. Lebensjahres gewährt, so abzuändern, daß sie bereits dann auslaufen soll, sobald der Arbeitnehmer mit Vollendung des 63. Lebensjahres berechtigt ist, eine Rente zu beziehen. Das gilt auch, wenn die Voraussetzungen für die Übergangsversorgung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der tariflichen Regelung schon ganz oder teilweise erfüllt waren.
  • Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien einerseits die Übergangsversorgung ab dem Zeitpunkt einstellen, ab dem ein gesetzlich und in der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versicherter Arbeitnehmer eine mit Abschlägen verbundene Gesamtversorgung erhält, andererseits aber den Arbeitnehmern, die eine befreiende Lebensversicherung bezogen auf das Erreichen des 65. Lebensjahres abgeschlossen haben, nicht zumuten, diese vorzeitig aufzulösen.
 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; “Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Oktober 1989” bei der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH) und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) § 5, Protokollnotiz II 1a; “Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Oktober 1989” ua. der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH) und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) (künftig: TV-ÜVCockpit 1989) § 5, Protokollnotiz II 1a; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 28 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 13.12.2000; Aktenzeichen 8 Sa 1657/99)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.05.1999; Aktenzeichen 11 Ca 9213/98)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2000 – 8 Sa 1657/99 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Übergangsversorgung bis zum 63. oder bis zum 65. Lebensjahr zu zahlen hat.

Der Kläger war bei der Beklagten mehr als 30 Jahre als Mitarbeiter des Cockpitpersonals beschäftigt. Nach Vollendung seines 55. Lebensjahres schied er mit Ablauf des Monats Oktober 1989 aus. Die Beklagte zahlte ihm auf der Basis des “Tarifvertrag(es) Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Oktober 1989” (künftig: TV-ÜVCockpit 1989) ab dem 1. November 1989 eine Übergangsversorgung, die zuletzt monatlich 9.097,98 DM betrug. Nachdem der Kläger sein 63. Lebensjahr vollendet hatte, stellte die Beklagte die Übergangsversorgung ein. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger eine Altersrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (künftig: BfA) und eine Rente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (künftig: VBL) beziehen. Er hatte jedoch noch keine 35 Jahre Versicherungszeit in der VBL zurückgelegt.

Der TV-ÜVCockpit 1989 trat – mit hier nicht einschlägigen Ausnahmen – nach seinem § 9 Abs. 1 am 1. Oktober 1989 in Kraft und lautete auszugsweise:

“§ 5

(1) Der Mitarbeiter hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente, wenn er wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und 10 Dienstjahre vollendet hat; (…).

(2) Die Zahlung der Zusatzrente beginnt in dem Monat nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemäß Abs. 1 und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung (AV) bzw. der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahrs.

(…)

§ 6

(1) (…)

(2) Auf die Zusatzrente sind Altersrenten oder Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit von der VBL bzw. AV anzurechnen. (…)”

Dem Tarifvertrag ist folgende Protokollnotiz II 1a (künftig: Protokollnotiz) beigefügt:

“Die Zahlung der Zusatzrente (§ 5) endet regelmäßig mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Sofern bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung aus dieser Versicherung nach dem am 01.10.1989 gültigen Versicherungsvertrag erst ab Alter 65 bestehen, wird die Übergangsversorgung solange fortgeführt. Entsprechendes gilt, soweit und solange Anspruch auf VBL-/AV-Gesamtversorgung noch nicht besteht, weil der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch nicht erfüllt hat.”

Vor dem TV-ÜVCockpit 1989 galt bei der Beklagten ein entsprechender Übergangsversorgungstarifvertrag aus dem Jahre 1982 (künftig: TV-ÜVCockpit 1982). Nach dessen § 5 Abs. 2a wurde

“die Zusatzrente … vom vollendeten 55. Lebensjahr bis zum Beginn der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung bzw. VBL, längstens bis zum vollendeten 65. Lebensjahr gezahlt, wenn der Arbeitnehmer bei Vollendung des 55. Lebensjahres noch im Dienste der DLH/CFG steht”.

Ferner war in § 9 Abs. 1 Unterabs. 1 bestimmt:

“Auf die Zusatzrente des unmittelbar Berechtigten sind Renten aus der Angestelltenversicherung, der VBL-Versorgung (…) in voller Höhe anzurechnen.”

Der Hintergrund der Änderung des Tarifvertrages ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Die Beklagte beruft sich darauf, die Änderung weiche von der alten tariflichen Regelung ab, nach der es auf die tatsächliche Gewährung einer Rente angekommen sei. Es werde jetzt auf die Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezuges abgestellt. Demgegenüber trägt der Kläger vor, die Tarifvertragsparteien hätten hinsichtlich der Wartezeit keinen Unterschied zwischen der BfA- und der VBL-Rente machen wollen. Die Vollendung des 63. Lebensjahres als Zeitpunkt möglichen Rentenbezuges sei deshalb aufgenommen worden, weil 1989 in diesem Lebensalter eine abschlagsfreie Altersrente im Normalfall sichergestellt gewesen sei.

Der TV-ÜVCockpit ist am 15. Mai 2000 mit Wirkung vom 1. Juli 2000 neu gefaßt worden (künftig: TV-ÜVCockpit 2000). Nach § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 endet die Zusatzrente nunmehr mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensalter vollendet wird. In § 5 Abs. 2 Unterabs. 2 iVm. § 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 ist sichergestellt, daß Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der VBL auf diese Zusatzrente angerechnet werden, sobald sie bezogen werden können.

Der TV-ÜVCockpit 2000 wurde von der Beklagten mit Rundschreiben “An alle Cockpitbesatzungen” vom 6. Juni 2000 bekanntgegeben. Darin wurde ua. ausgeführt, der neue Tarifvertrag gelte “für alle diejenigen von Ihnen, die vor dem 1.1.1995 eingestellt worden sind, also noch eine VBL-gleiche Altersversorgung erhalten”.

Nachdem die Beklagte außergerichtlich die Forderung des Klägers, ihm die Zusatzrente bis zum 65. Lebensjahr zu zahlen, abgelehnt hatte, verfolgt er seine Forderung nunmehr gerichtlich weiter. Er macht geltend, zwar habe er bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine BfA- und VBL-Rente beanspruchen können, diese sei aber niedriger, als wenn er sie erst mit dem 65. Lebensjahr in Anspruch genommen hätte. Die Zahlung der Zusatzrente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres stünde ihm deshalb zu, weil er bei Vollendung des 63. Lebensjahres noch nicht 35 Jahre bei der VBL versichert gewesen sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  • an ihn 218.351,52 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus je 9.097,98 DM brutto seit dem 1. Dezember 1997, dem 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 1998 sowie ab 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 1999 zu zahlen;
  • ihm monatliche Abrechnungen über die Übergangsversorgung für den Zeitraum November 1997 bis einschließlich Oktober 1999 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

  • Die Revision ist unbegründet. Der tarifvertragliche Anspruch des Klägers auf Zusatzrente ist mit Vollendung des 63. Lebensjahres erloschen. Diese zeitliche Begrenzung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Dem Kläger steht auch nicht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage des TV-ÜVCockpit 1989 ein weitergehender Anspruch auf Übergangsversorgung zu.

    • Für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ist der TV-ÜVCockpit 1989 einschlägig. Der Zeitraum, für den der Kläger Leistungen geltend macht, liegt sowohl außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereiches des TV-ÜVCockpit 1982 als auch desjenigen des TV-ÜVCockpit 2000. Von der Anwendbarkeit des TV-ÜVCockpit 1989 auf das Rechtsverhältnis der Parteien kann mit diesen ausgegangen werden. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich daraus kein Anspruch auf den weiteren Bezug von Übergangsversorgung. Der Kläger kann auch keine Ansprüche aus der Protokollnotiz oder der Gesamtsystematik des Tarifvertrages herleiten.

      • Nach § 5 Abs. 2 TV-ÜVCockpit 1989 endet der Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente aus der Angestelltenversicherung bzw. der VBL-Rente. Da der Kläger mit Erreichen seines 63. Lebensjahres berechtigt war, sowohl eine BfA- als auch eine VBL-Rente zu beziehen, liegen die Voraussetzungen für eine Beendigung der Übergangsversorgung vor.
      • Der Kläger kann sich auch nicht auf die Protokollnotiz berufen.

        Protokollnotizen der Tarifvertragsparteien können selbst eine tarifvertragliche Regelung enthalten, ihnen kann die Bedeutung einer authentischen Interpretation des Tarifvertrages oder aber ein bloßer Hinweis auf den Willen der Tarifvertragsparteien zukommen. Welche Bedeutung im einzelnen anzunehmen ist, ist durch Auslegung der Protokollnotiz und des von ihr betroffenen Tarifvertrages zu entnehmen (BAG 12. Januar 1993 – 1 ABR 42/92 – BAGE 72, 123). Die hier auszulegende Protokollnotiz steht im engen Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 TV-ÜVCockpit 1989 und enthält selber detaillierte Regelungen. Daraus ergibt sich, daß sie Teil des Tarifvertrages ist. Die Voraussetzungen, unter denen der Kläger aus ihr Ansprüche ableiten könnte, liegen jedoch nicht vor.

        Nach Satz 1 der Protokollnotiz endet die Zusatzrente regelmäßig mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Dieses hat der Kläger erreicht. Er kann für sich auch aus Satz 3 iVm. Satz 2 der Protokollnotiz nichts herleiten. Nach dieser Regelung ist – als Ausnahme zu Satz 1 – die Übergangsversorgung fortzuführen, soweit und solange ein Anspruch auf “VBL/AV Gesamtversorgung” noch nicht besteht, weil der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch nicht erfüllt hat.

        Für die Ansicht des Klägers, unter “Gesamtversorgung” sei eine Versorgung zu verstehen, die sowohl bei der BfA-Rente als auch bei der VBL-Rente eine Wartezeit von 35 Jahren voraussetze, gibt der Wortlaut der Vorschrift keinen Anhaltspunkt. Unter “Gesamtversorgung” wird eine Versorgung im Alter verstanden, deren Höhe in einem Leistungsplan so festgelegt wird, daß ein bestimmter Grad des zuletzt auf Grund Arbeitgeberleistungen erreichten Lebensstandard erreicht werden soll (vgl. BAG 21. August 2001 – 3 AZR 746/00 – AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 10 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 78). Zu diesem Zweck hat der Arbeitgeber anderweitige Renteneinkünfte entsprechend aufzustocken. Eine Gesamtversorgung in diesem Sinne hat auch der Kläger erreicht. Der Höhe nach bestimmt sie sich nach einem vom Hundertsatz des gesamtversorgungsfähigen Entgelts, der seinerseits von der gesamtversorgungsfähigen Zeit abhängt. Der so von der VBL-Satzung definierte Lebensstandard wird dadurch sichergestellt, daß die Differenz zwischen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt als VBL-Rente gewährt wird (§§ 40, 41 der VBL-Satzung). Das entsprach auch der Rechtslage bei Abschluß des TV-ÜVCockpit 1989.

      • Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften des TV-ÜVCockpit 1989 folgt, daß die Zusatzversorgung solange zu gewähren ist, bis eine Wartezeit von 35 Jahren in der VBL erfüllt ist.

        • Dagegen spricht schon der Zusammenhang zwischen Satz 3 und Satz 2 der Protokollnotiz. Satz 2 betrifft die Fälle, daß vor Erreichen des 65. Lebensjahres bei einer befreienden Lebensversicherung keine Ansprüche auf Altersversorgung bestehen. Nach der tariflichen Systematik sollte diesem Fall die Situation gleichgestellt werden, daß vor Erreichen des 65. Lebensjahres auch bei Versicherungspflicht keine Leistungen aus der gesetzlichen Altersversorgung und der VBL bezogen werden können. Demgegenüber ist nicht entscheidend, daß die diese Leistungen hinter einer – im Tarifvertrag im übrigen nicht ausdrücklich definierten – möglicherweise erreichbaren Maximalleistung des Altersversorgungssystems zurückbleiben.
        • Wie das Landesarbeitsgericht bereits zu Recht ausgeführt hat, kennt lediglich die gesetzliche Altersversorgung (früher § 25 Abs. 1 1. Alt. AVG, nunmehr § 36 SGB VI), nicht jedoch die VBL eine Wartezeit von 35 Jahren. Bei der VBL beträgt die Wartezeit vielmehr nur 60 Umlagemonate (§ 38 der VBL-Satzung). Gleichwohl ist die Wartezeit der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Gesamtversorgung, die von den tariflichen Vorschriften in Bezug genommen wird, verknüpft. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der VBL-Satzung stellt nämlich der Bezug einer Altersrente für langjährig Versicherte, der nunmehr in § 36 SGB VI geregelt ist, einen Versicherungsfall in der VBL dar. Wenn die Wartezeit von 35 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt ist, kann auch eine VBL-Rente bezogen werden.

          Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, daß in der VBL-Satzung für Pflichtversicherte nach Vollendung des 63. Lebensjahres bei Erreichen von mindestens 420 Umlagemonaten – was 35 Jahren entspricht – ebenfalls der Versicherungsfall eintritt (§ 39 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b der VBL-Satzung). Diese Regelung gilt nur für den Fall, daß der bei der VBL Versicherte nicht rentenversicherungspflichtig ist. Sie betrifft somit nur einen Ausnahmefall, den der Kläger nicht zur Begründung seiner Auslegung heranziehen kann.

        • Der Zweck der Einführung einer tariflichen Übergangsversorgung spricht ebenfalls nicht für die von der Revision vertretenen Auslegung.

          Die tarifliche Übergangsversorgung dient dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die aus dem tarifvertraglich vorgesehenen Ausscheiden von Cockpitpersonal ab dem 55. Lebensjahr entsteht. Die Arbeitnehmer sollen sozial abgesichert werden, weil ihnen durch die Einführung einer Altersgrenze nach § 19 des Manteltarifvertrages für das Bordpersonal die Weiterarbeit versagt (Senat 27. Februar 2002 – 9 AZR 38/01 – EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 5). Diese soziale Absicherung rechtfertigt die Befristung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 – BAGE 88, 162). Dieser Zweck läßt keinen Schluß darauf zu, daß die Übergangsversorgung auch über den Zeitpunkt der möglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersversorgung hinaus fortgeführt werden soll.

        • Für die Auslegung des Klägers kann auch nichts aus Klauseln in § 6 Abs. 2 TV-ÜVCockpit 1989 hergeleitet werden, nach der VBL- und BfA-Renten auf die Zusatzrente anzurechnen sind. Diese Bestimmung hat ein eigenes Anwendungsfeld für Renten, die Schwerbehinderten bereits ab dem 60. Lebensjahr gewährt werden konnten (§ 25 Abs. 1 2. Alt. AVG, § 37 SGB VI). Außerdem konnten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrages auch Längerarbeitslose ab dem 60. Lebensjahr Rente beziehen (§ 25 Abs. 2 AVG, § 38 SGB VI, zwischenzeitlich durch das Rentenreformgesetz 1999 vom 16. Dezember 1997 – BGBl. I S 2998 – aufgehoben). Die Inanspruchnahme dieser Renten ist – wie schon bei Abschluß des Tarifvertrages – ein Versicherungsfall für die Inanspruchnahme von Leistungen der VBL (zuletzt § 39 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c und d der VBL-Satzung).
        • Auch die in § 5 Abs. 2 TV-ÜVCockpit festgelegte Höchstgrenze von 65 Jahren für den Bezug der Übergangsversorgung spricht nicht für die Auslegung des Klägers. Die Bestimmung weist das Risiko der Absicherung für die Zeit des üblichen Renteneintrittsalters ausdrücklich dem Arbeitnehmer zu. Ein Wille, die Übergangsversorgung stets bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres sicherzustellen, ergibt sich daraus nicht.
        • Schließlich läßt sich zu Gunsten des Klägers nichts aus der zwischenzeitlichen Tarifentwicklung herleiten. Zwar kann eine spätere Tarifentwicklung auch für die Auslegung herangezogen werden (BAG 4. April 2001 – 4 AZR 180/00 – BAGE 97, 271). Aus der Heraufsetzung der Regelaltersgrenze für den Bezug von Zusatzrente auf 65 Jahre im TV-ÜVCockpit 2000 kann aber nicht auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, die bewußt eine andere Regelaltersgrenze vereinbart hatten.
      • Die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Landesarbeitsgericht zu Recht den Beweisantritten des Klägers nicht nachgegangen.

        Nach der Rechtsprechung des BAG sind subjektive Vorstellungen der Tarifvertragsparteien für die Auslegung eines Tarifvertrages lediglich dann von Bedeutung, wenn sich für sie Anhaltspunkte im Tarifwortlaut oder im Tarifzusammenhang finden lassen (23. Februar 1994 – 4 AZR 224/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Kirchen Nr. 2 mwN). Das ist hier nicht der Fall.

    • Entgegen der Revision hat die Änderung des TV-ÜVCockpit 1982 durch den TV-ÜVCockpit 1989 nicht das Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Satz 1 GG) in der Ausprägung des Vertrauensgrundsatzes verletzt.

      Es steht den Tarifvertragsparteien frei, tarifliche Regelungen durch neue abzulösen, auch wenn sie für die Arbeitnehmer ungünstiger sind (BAG 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309). Gleiches gilt für Änderungen, die ehemalige Arbeitnehmer – hier Zusatzrentenberechtigte – betreffen.

      Soweit Änderungen der Tarifnormen Sachverhalte berühren, die in der Vergangenheit liegen, haben die Tarifvertragsparteien dieselben Grenzen einzuhalten, wie sie vom Gesetzgeber zu beachten sind (BAG 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – aaO; ähnlich 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 10). Eine solche Rückwirkung in Form der unechten Rückwirkung liegt vor, wenn der Normsetzer an Rechtssetzungen und Lebenssachverhalte anknüpft, die in der Vergangenheit begründet wurden, auf Dauer angelegt waren und noch nicht abgeschlossen sind (BVerfG 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256). Eingriffe durch derartige Neuregelungen sind nur zulässig, wenn entweder die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung nicht geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen in ihren Fortbestand zu begründen oder die für die Änderung sprechenden Gründe bei Abwägung dem Vertrauensschutz vorgehen (vgl. BVerfG 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – aaO; vgl. auch BAG 22. Februar 2000 – 3 AZR 39/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 13 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 3 und 22. Februar 2000 – 3 AZR 108/99 – AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 14 = EzA BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 4).

      Die tarifliche Änderung nach dem TV-ÜVCockpit 1989 gegenüber dem TV-ÜVCockpit 1982 in der hier angenommenen Auslegung könnte eine unechte Rückwirkung bewirkt haben. Die alte tarifliche Regelung knüpfte an Betriebszugehörigkeit an, die der Kläger unter ihrer Geltung bereits zurückgelegt hatte und deren Auswirkungen nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des TV-ÜVCockpit 1982 zu seinen Lasten durch die tarifliche Neuregelung eingeschränkt wurden. Die Grenzen der unechten Rückwirkung wurden jedoch eingehalten. Der Kläger konnte objektiv nicht darauf vertrauen, daß für das Ende der Zusatzrente auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Rentengewährung und nicht auf den Zeitpunkt der Rentenberechtigung abgestellt würde. Das folgt schon aus dem Zweck der tariflichen Leistung. Diese dient dazu, die ehemaligen Arbeitnehmer für Zeiten abzusichern, während derer sie einerseits nicht mehr bei ihrem Arbeitgeber tätig sein konnten, weil der Tarifvertrag ihr Ausscheiden erzwang, sie sich andererseits aber noch nicht in einer Situation befanden, die vom System der Altersversorgung erfaßt wird. Diesem Zweck widersprach es von vornherein, in einer tariflichen Regelung auf den tatsächlichen Bezug von Altersversorgung und nicht auf einen dahingehenden Anspruch abzustellen. Ein Vertrauen darauf, daß die Tarifvertragsparteien diese zweckwidrige Ausgestaltung der tariflichen Regelung unverändert lassen würden, konnte objektiv nicht begründet werden.

    • Die tarifvertragliche Regelung verstößt ferner nicht gegen den Gleichheitssatz. Dabei kann dahingestellt bleiben, in welchem Maße die Tarifvertragsparteien an den Gleichheitssatz gebunden sind. Selbst wenn man davon ausgeht, daß sie direkt an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind, haben sie einen weiten Gestaltungsspielraum (BAG 29. November 2001 – 4 AZR 762/00 – AP GG Art. 3 Nr. 296 = EzA GG Art. 3 Nr. 94). Diesen haben die Tarifvertragsparteien hier gewahrt.

      Es ist zunächst nicht gleichheitswidrig, daß die Arbeitnehmer, für die die TV-ÜVCockpit 1982 und TV-ÜVCockpit 2000 gelten, nicht der Kläger, bis zum 65. Lebensjahr die tarifliche Zusatzrente erhalten. Es handelt sich um eine rechtlich zulässige Stichtagsregelung (BAG 29. November 2001 – 4 AZR 762/00 – aaO). Die Tarifvertragsparteien haben auch nicht den ihnen zukommenden Gestaltungsspielraum überschritten, in dem sie den ehemaligen Arbeitnehmern mit einer befreienden Lebensversicherung, die Übergangsversorgung bis zum 65. Lebensjahr erhalten (Satz 2 der Protokollnotiz), deren Versicherungsvertrag auf das Lebensalter 65 abstellt, während bei Arbeitnehmern, die in der BfA und der VBL rentenberechtigt sind, bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres keine Zusatzrente mehr erhalten.

      Die Möglichkeit einer befreienden Lebensversicherung beruhte auf Art. 2 § 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 AnVNG. Danach konnten Angestellte unter bestimmten Voraussetzungen von der Rentenversicherungspflicht befreit werden, wenn sie mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen für sich und ihre Hinterbliebenen einen Versicherungsvertrag für den Fall des Todes und des Erlebens des 65. oder eines niedrigeren Lebensjahres abgeschlossen hatten und für diese Versicherung mindestens ebensoviel aufgewendet wurde, wie für die Angestellten Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen gewesen wären. Weitere Voraussetzungen waren durch diesen Versicherungsvertrag nicht zu erfüllen (grundlegend: BSG 13. August 1965 – 11/1 RA 207/62 – BSGE 23, 241). Damit konnte eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch eintreten, wenn der Versicherungsvertrag bei vorzeitiger Auflösung vor dem 65. Lebensjahr erhebliche Verschlechterungen vorsah, die sich nicht am Zweck der Alterssicherung, sondern an wirtschaftlichen Überlegungen des Versicherers orientierten. Demgegenüber konnten die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme von BfA- und VBL-Renten am Zweck der Altersversorgungssysteme – der Absicherung der ehemaligen Arbeitnehmer im Rentenalter – ausgerichtet sein würden.

    • Entgegen der Revision ergeben sich auch keine Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob – wie der Kläger geltend macht – die rentenrechtliche Situation bei Abschluß des TV-ÜVCockpit 1989 sei Geschäftsgrundlage der Tarifvertragsparteien gewesen. Ein möglicher Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Tarifvertrages läßt seine normativen Regelungen unberührt. Denn für die Normunterworfenen ist nicht erkennbar, auf welcher Geschäftsgrundlage ein Tarifvertrag beruht. Es bleibt vielmehr in derartigen Fällen den Tarifvertragsparteien vorbehalten, den Tarifvertrag an die veränderten Verhältnisse anzupassen (BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 49 mwN; Wank in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 821; offengelassen in BAG 9. Dezember 1999 – 6 AZR 299/98 – BAGE 93, 63). Eine Änderung im Sinne des Klägers haben die Tarifvertragsparteien weder bei Abschluß des TV-ÜVCockpit 2000 noch danach vorgenommen.
    • Der Kläger kann auch aus dem Einführungsschreiben der Beklagten zum TV-ÜVCockpit 2000 nichts herleiten. Dieses Schreiben ist an “alle Cockpitbesatzungen”, nicht aber an den Kläger als ehemaligen Arbeitnehmer gerichtet.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
 

Unterschriften

Düwell, Zwanziger, Ina Gosch, B. Lang

Die Richterin am BAG Reinecke ist infolge Krankheit dienstunfähig. Sie ist an der Unterschrift verhindert.

Düwell

 

Fundstellen

Haufe-Index 893426

AP, 0

EzA-SD 2003, 23

EzA

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