Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgung von Außendienstmitarbeitern, Gleichbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber muß bei der Aufstellung einer Ordnung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungsordnung) den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.

2. Auch Arbeitgeber und Betriebsrat müssen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten, wenn sie in einer Betriebsvereinbarung Ansprüche der Arbeitnehmer des Betriebes begründen.

3. Der Ausschluß einer Gruppe von Arbeitnehmern von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung - hier: Mitarbeiter im Außendienst - ist nur dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn er nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (im Anschluß an BAG Urteil vom 5.3.1980, 5 AZR 881/76 = BAGE 33, 57 = AP Nr 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

4. Der Zweck einer betrieblichen Altersversorgung besteht darin, zur Versorgung der Arbeitnehmer im Alter beizutragen sowie in der Regel Betriebstreue zu fördern und zu belohnen. Der Arbeitgeber darf Außendienstmitarbeiter von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht deshalb ausschließen, weil diese ein höheres Entgelt (Fixum und Provision) als Mitarbeiter im Innendienst erhalten.

5. Die Zwecke, die die unterschiedlichen Behandlungen bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung rechtfertigen sollen, müssen aus der Versorgungsordnung erkennbar sein. Ist der Grund der Ungleichbehandlung nicht ohne weiteres erkennbar, muß der Arbeitgeber ihn spätestens dann offenlegen, wenn ein von der Vergünstigung ausgeschlossener Arbeitnehmer Gleichbehandlung verlangt (Bestätigung von BAGE 33, 57 = AP Nr 44 zu § 242 Gleichbehandlung).

6. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann zur Begründung von Ruhegeldansprüchen führen. Der Arbeitgeber muß dem benachteiligten Arbeitnehmer das Ruhegeld zahlen, das er einem vergleichbaren begünstigten Arbeitnehmer schuldet.

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 16.10.1992; Aktenzeichen 15 Sa 1052/92)

ArbG Essen (Entscheidung vom 21.05.1992; Aktenzeichen 3 Ca 786/92)

 

Tatbestand

Der Kläger fordert von der beklagten Arbeitgeberin die Zahlung einer Betriebsrente; er beruft sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Beklagte betreibt eine Weberei für Bekleidungsstoffe. Der Kläger war für die Beklagte seit 1955 als Angestellter im Verkaufsaußendienst beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1982 war der Kläger sog. "AT-Angestellter"; die Tarifverträge für die Nordrheinische Textilindustrie sollten auf sein Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden sein. Nach § 5 des Arbeitsvertrages setzte sich das "Jahreseinkommen" des Klägers zusammen aus einem Grundbetrag von 40.000,-- DM und einem umsatzabhängigen Anteil. Der Arbeitgeber garantierte dem Kläger - wie auch den übrigen Mitarbeitern im Außendienst - ein Mindest-Durchschnittseinkommen. Dieses "garantierte durchschnittliche Mindesteinkommen" betrug nach dem Vertrag von 1982 12 x 5.040,-- DM = 60.480,-- DM. Es sollte sich jährlich um das 12-fache des absoluten Betrages erhöhen, um den das monatliche Tarifeinkommen für eine entsprechende Tätigkeit (zur Zeit die Tarifgruppe G 6 mit dem bei längster Beschäftigungsdauer vereinbarten Einkommen) im Laufe des Jahres durch neue Tarifvereinbarungen für die Nordrheinische Textilindustrie stieg. Im Jahre 1991 betrug das garantierte Mindesteinkommen 78.912,-- DM.

Die Beklagte zahlte ihren Arbeitnehmern Betriebsrenten, zunächst über eine Unterstützungskasse und ab Ende 1979 unmittelbar auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung. Nach den seit 1942 maßgebenden Richtlinien der Unterstützungskasse waren "Angestellte, die im Verkaufs-Außendienst tätig sind und neben einem Fixum eine Provision vom Umsatz erhalten", von den Leistungen ausgeschlossen. In den ab 1. Dezember 1977 geltenden Richtlinien heißt es (§ 1):

"Begünstigt sind:

1. Betriebsangehörige der Firma Gebrüder C

(Trägerunternehmen).

Als Betriebsangehörige gelten:

a) Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts,

b) tätige Gesellschafter,

Angestellte, die im Verkaufsaußendienst tätig

sind und eine Umsatzprovision erhalten, sind

ausgenommen.

2. frühere Betriebsangehörige des Trägerunterneh-

mens,

3. Witwen und Waisen des in Ziffern 1 und 2 ge-

nannten Personenkreises."

Ähnlich heißt es in der Betriebsvereinbarung vom 28. November 1979 (§ 1):

"Anspruchsberechtigte sind:

1. alle derzeit beschäftigten Betriebsangehörige

der Firma.

Als Betriebsangehörige gelten:

a) Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts;

b) tätige Gesellschafter;

Angestellte, die im Verkaufsaußendienst tätig

sind und eine Umsatzprovision erhalten, sind

ausgenommen.

2. frühere Betriebsangehörige der Firma;

3. Witwen und Waisen des in Ziffern 1 und 2 ge-

nannten Personenkreises;

4. Die Firma behält sich entsprechend der gesetz-

lich begründeten Rechtslage vor, den Kreis der

Versorgungsberechtigten dergestalt abzugren-

zen, daß künftig eintretende Arbeitnehmer

keine Versorgungszusage erhalten."

Am 30. November 1991 endete das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Aufhebungsvertrag. Der damals 64 Jahre alte Kläger bezieht seither Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger fordert von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente von 635,-- DM. Er hat die Auffassung vertreten, der Ausschluß der Angestellten des Verkaufsaußendienstes von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sei unwirksam. Die Außendienstmitarbeiter dürften ohne sachlichen Grund nicht schlechter behandelt werden als die Mitarbeiter im Innendienst. Einen sachlichen Grunde gebe es nicht.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß er seit dem 1. Dezember 1991

einen Anspruch auf eine Betriebsrente in Höhe von

635,-- DM monatlich habe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Ausschluß der Außendienstmitarbeiter von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Kläger und die übrigen Reisenden hätten aufgrund der besonderen Vergütungsregelung - gemessen am Anforderungsprofil ihrer Tätigkeit - ein weitaus höheres Einkommen erzielt als vergleichbare tarifgebundene Arbeitnehmer im Innendienst. Die Außendienstmitarbeiter seien in der Lage, aus ihren Provisionseinnahmen selbst Rücklagen für das Alter zu bilden. Außerdem seien die Reisenden weniger in die betrieblichen Arbeitsabläufe integriert. Sie seien weniger an den Betrieb gebunden und nach ihrer Stellung freien Handelsvertretern vergleichbar.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann aus Gründen der Gleichbehandlung von der Beklagten ab 1. Dezember 1991 eine monatliche Betriebsrente von 635,-- DM verlangen.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren lediglich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht kommt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann zur Begründung von Ruhegeldansprüchen führen. Das ergibt sich für Ruhegeldansprüche schon aus § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG. Im übrigen gelten für Ruhegeldansprüche dieselben Grundsätze wie für andere freiwillige Leistungen des Arbeitgebers. Verstößt eine Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, so muß der benachteiligte Arbeitnehmer den Begünstigten gleichgestellt werden, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, den Verstoß zu beseitigen. Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei der Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung führt dazu, daß der Arbeitgeber dem benachteiligten Arbeitnehmer das Ruhegeld zahlen muß, das er einem vergleichbaren begünstigten Arbeitnehmer schuldet (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Senats vom 12. November 1991 - 3 AZR 489/90 - AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu 3 b der Gründe).

Das gilt auch dann, wenn die Ansprüche der begünstigten Arbeitnehmer auf einer Betriebsvereinbarung beruhen (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG). Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden und jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen und gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung unterbleibt. Darüber hinaus sind die Betriebsparteien an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Damit gilt das Verbot der unterschiedlichen Behandlung auch für Normen einer Betriebsvereinbarung (vgl. BAGE 53, 309, 314 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung, zu 2 a der Gründe).

2. Der Kläger ist als Außendienstmitarbeiter mit Umsatzprovision nach der Betriebsvereinbarung vom 28. November 1979 von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen. Die Innendienstmitarbeiter können dagegen nach der Versorgungsordnung Ansprüche auf Betriebsrente erwerben. Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob der Ausschluß des Klägers als Außendienstmitarbeiter aus der betrieblichen Altersversorgung nach der Betriebsvereinbarung vom 28. November 1979 mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu vereinbaren ist.

a) Arbeitgeber und Betriebsrat mußten bei der Ausgestaltung der Versorgungsordnung den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt für alle freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers. Freiwillig sind die Leistungen, zu denen der Arbeitgeber nicht durch Gesetz oder Tarifvertrag verpflichtet ist (vgl. BAG Großer Senat Beschluß vom 16. September 1986, BAGE 53, 42, 55 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C II 1 a der Gründe). Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehören im Unternehmen der Beklagten zu diesen freiwilligen Leistungen.

b) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Eine Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien entsprechen. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

c) Die Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bei freiwilligen Leistungen ist nur dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 Gleichbehandlung). Die Prüfung des sachlichen Grundes für eine Ausnahme von allgemein begünstigenden Leistungen muß sich an deren Zweck orientieren (BAG Urteil vom 11. September 1985 - 7 AZR 371/83 - BAGE 49, 346 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, mit zustimmender Anmerkung von Hromadka). Maßstab kann nur der Zweck sein, den der Arbeitgeber bzw. Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung verfolgen (Hromadka, aaO). Bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist daher zu fragen, ob ausgeschlossene Arbeitnehmer dieselben Gründe für sich in Anspruch nehmen können, die für die Leistung an die begünstigten Arbeitnehmer maßgeblich sind.

Der Zweck einer betrieblichen Altersversorgung besteht darin, zur Versorgung der Arbeitnehmer im Alter beizutragen; in der Regel soll die Betriebstreue gefördert und belohnt werden (vgl. BAGE 24, 177, 183 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu A II 2 a der Gründe; BAGE 32, 139, 146 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Treuebruch, zu III 1 b der Gründe; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 81 I 2, m.w.N.).

Die mit der betrieblichen Altersversorgung verfolgten Zwecke rechtfertigen daher in der Regel eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf einen unterschiedlichen Versorgungsbedarf (vgl. BAG Urteil vom 10. Januar 1989 - 3 AZR 308/87 - BAGE 60, 350, 353 f. = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, zu II 2 c der Gründe). Eine unterschiedliche Behandlung kann auch zulässig sein, um eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern durch Versorgungsleistungen näher an das Unternehmen zu binden, also Betriebstreue in besonderer Weise zu honorieren (vgl. Beschluß des Senats vom 11. November 1986 - 3 ABR 74/85 - BAGE 53, 309 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung).

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Kläger nicht wirksam aus der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen.

a) Die Versorgungsordnung der Beklagten gibt keine Gründe an, die für die unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitern des Innen- und des Außendienstes maßgeblich sein könnten. In der Betriebsvereinbarung vom 28. November 1979 werden ebenso wie schon in den Richtlinien der früheren Unterstützungskasse der Beklagten ohne Begründung nur Arbeitnehmer des Innendienstes begünstigt. Die für den Bezug von Leistungen aufgestellten Voraussetzungen lassen auch nicht erkennen, daß Arbeitgeber und Betriebsrat mit der betrieblichen Altersversorgung im Unternehmen der Beklagten andere als die im allgemeinen mit diesen Leistungen verfolgten Zwecke erreichen wollten.

b) Nach einem Rundschreiben der Beklagten an die Außendienstmitarbeiter vom 29. Juni 1982 wurden diese deshalb von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen, weil sie die Möglichkeit hätten, mit ihren Provisionen selbst Rücklagen für das Alter zu schaffen. Dies kann nach dem Zweck der betrieblichen Altersversorgung (Versorgung der Arbeitnehmer oder Belohnung der Betriebstreue einschließlich der gesamten für das Unternehmen geleisteten Arbeit) kein Grund für den Ausschluß sein. Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt dies auch dann, wenn die Außendienstmitarbeiter, wie im vorliegenden Fall, besonders gute Verdienstmöglichkeiten haben. Der Ausschluß von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung kann nicht durch eine gute Bezahlung ausgeglichen werden. Fixum und Provision sind Entgelt und Gegenleistung für die von den Außendienstmitarbeitern erbrachten Leistungen. Ihre Vergütung haben diese Arbeitnehmer mit ihren Leistungen verdient. Diese unmittelbar leistungsbezogenen Entgelte lassen sich nicht vergleichen mit den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die einen anderen Zweck verfolgen. Könnte der Arbeitgeber den Ausschluß dieser Arbeitnehmer von freiwilligen sozialen Leistungen durch ein höheres unmittelbar leistungsbezogenes Entgelt ausgleichen, fehlte es an jedem Maßstab, an dem sich der Grundsatz der Gleichbehandlung orientieren muß. Das Vergütungssystem wäre insgesamt nicht mehr durchschaubar.

c) Die Beklagte kann die unterschiedliche Behandlung auch nicht damit rechtfertigen, daß die Außendienstmitarbeiter weniger mit dem Unternehmen verbunden seien und daher ihre Betriebstreue für das Unternehmen weniger wichtig sei als die der Innendienstmitarbeiter. Zwar hat der Senat im Beschluß vom 11. November 1986 (- 3 ABR 74/85 - BAGE 53, 309 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Gleichberechtigung) entschieden, daß es nicht willkürlich ist, wenn in einer Betriebsvereinbarung die betriebliche Altersversorgung nur für einen bestimmten Personenkreis vorgesehen wird, den der Arbeitgeber wegen seiner Bedeutung für das Unternehmen besonders gut entlohnen und an das Unternehmen binden will. Die Beklagte kann aber nicht überzeugend begründen, weshalb sämtliche Innendienstmitarbeiter im Gegensatz zu den Reisenden zu einer herausgehobenen, für das Unternehmen besonders wichtigen Arbeitnehmergruppe gehören, deren Betriebstreue stärker zu fördern sei. Vielfach werden Produktion und Vertrieb und damit Innendienst- und Außendienstmitarbeiter gleichermaßen für den Unternehmenserfolg von Bedeutung sein. Zudem hat die Beklagte in ihrem Schreiben an die Außendienstmitarbeiter vom 15. Juni 1982 die besondere Bedeutung der Reisenden für das Unternehmen sogar hervorgehoben und erklärt, diese müßten übertariflich bezahlt werden, damit sie "bei der Stange gehalten werden könnten". Diese Erklärung steht im Widerspruch zur Behauptung der Beklagten, die Betriebstreue der Außendienstmitarbeiter sei weniger wichtig.

d) Im übrigen ist der Vortrag der Beklagten zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung von Innen- und Außendienstmitarbeitern nach der Bedeutung der Arbeitnehmergruppen für das Unternehmen verspätet.

Grundsätzlich müssen die Zwecke, die die unterschiedliche Behandlung bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung rechtfertigen, in der Versorgungsordnung geregelt und aus ihr zu erkennen sein. Ohne Offenlegung der Differenzierungsgründe durch den Arbeitgeber wird sich der benachteiligte Arbeitnehmer häufig kein Bild darüber machen können, ob er gerecht behandelt wurde. Ist der Grund einer Ungleichbehandlung nicht ohne weiteres erkennbar, muß der Arbeitgeber ihn spätestens dann offenlegen, wenn ein von der Vergünstigung ausgeschlossener Arbeitnehmer Gleichbehandlung verlangt (vgl. BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 Gleichbehandlung).

Die Beklagte hatte die unterschiedliche Behandlung zunächst allein damit begründet, die Außendienstmitarbeiter könnten wegen ihrer guten Einkünfte selbst Rücklagen für ihr Alter bilden. Erst nachdem diese Begründung in der ersten Instanz keinen Erfolg hatte, wechselte die Beklagte ihre Begründung. Ein solches Nachschieben von Gründen ist nicht zulässig. Der Arbeitnehmer muß die Gründe, die seinen Ausschluß von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung rechtfertigen sollen, selbst beurteilen können. Werden Unterscheidungsmerkmale nachgeschoben, legt das die Annahme nahe, daß diese Gesichtspunkte ursprünglich nicht maßgeblich waren.

4. Die Berechnung der Betriebsrente ist zwischen den Parteien unstreitig. Damit hat die Beklagte dem Kläger die vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilte Betriebsrente zu zahlen.

Dr. Heither Griebeling Dr. Wittek

Dr. Reinfeld Arntzen

 

Fundstellen

BAGE 73, 343-350 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

BAGE, 343

DB 1994, 102-104 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

DStR 1994, 665 (Kurzwiedergabe)

FamRZ 1994, 308-309 (Leitsatz)

BetrAV 1994, 49-51 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

JR 1994, 220

JR 1994, 220 (Leitsatz)

NZA 1994, 125

NZA 1994, 125-127 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

AP § 1 BetrAVG, Nr 11

AR-Blattei, ES 460 Nr 289 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Nr 4 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

Heither, ES-BetrAVG Nr 4110/3 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

MDR 1994, 808-809 (Leitsatz)

PERSONAL 1996, 446 (Leitsatz 1-5)

VersR 1994, 457-459 (Leitsatz 1-6 und Gründe)

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