Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlußfrist. Auslegung rechtsgeschäftsähnliche Handlung;

 

Leitsatz (amtlich)

Verlangt eine tarifliche Verfallklausel zur Vermeidung des Verfalls die (mündliche) Geltendmachung von Ansprüchen, so liegt eine hinreichende Zahlungsaufforderung regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer beim Empfang der Lohnabrechnung bemängelt, ein bestimmter Lohnbestandteil fehle. Einer solchen Erklärung muß der Arbeitgeber entnehmen, der Arbeitnehmer verlange Abrechnung und Zahlung auch dieses Lohnbestandteils.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; Manteltarifvertrag für die ArbeitnehmerInnen im Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. März 1995 i.d.F. vom 13. Mai 1996 § 16

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.08.1999; Aktenzeichen 11 Sa 675/99)

ArbG Wesel (Urteil vom 24.03.1999; Aktenzeichen 2 Ca 3975/98)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. August 1999 – 11 Sa 675/99 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht – auch über die Kosten der Revision – zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin war von 1985 bis zum 30. September 1998 bei der Beklagten als Geschäftsführer-Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für ArbeitnehmerInnen im Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. März 1995 in der Fassung vom 13. Mai 1996 (MTV) anzuwenden. Nach § 7.4.3 MTV hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsgeld von 35,00 DM brutto pro Urlaubstag. Bei zeitanteiliger Beschäftigung wird das Urlaubsgeld entsprechend gekürzt (§ 7.5.3 MTV). Das Urlaubsgeld ist vor Antritt des Urlaubs zu zahlen (§ 7.5.1 MTV). In § 16.1 „Ausschlußfristen” MTV heißt es:

„Alle beiderseitigen Ansprüche verfallen, wenn sie nicht 3 Monate nach Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Beim Ausscheiden aus dem Betrieb verfallen alle Ansprüche nach 2 Monaten.”

Im Mai 1998 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, in dem ua. bestimmt ist:

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung seitens der Beklagten vom 22.04.1998 mit Ablauf des 30.09.1998 sein Ende finden wird.

2. Bis zum 30.09.1998 wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet, wobei die Klägerin unter Fortzahlung ihrer Bezüge und unter Anrechnung auf den ihr zustehenden Urlaub von der Arbeitsleistung freigestellt wird.”

Die Beklagte zahlte kein Urlaubsgeld. Das stellte die Klägerin fest, als sie die Gehaltsabrechnung September 1998 am 15. Oktober 1998 im Betrieb abholte. In den vergangenen Jahren hatte die Beklagte das jährliche Urlaubsgeld mit der Abrechnung Januar des Folgejahres gezahlt.

Mit Schreiben vom 30. November 1998, das der Beklagten nicht vor Anfang Dezember 1998 zuging, verlangte die Klägerin vergeblich die Zahlung von Urlaubsgeld für 24 Urlaubstage. Mit ihrer im Dezember 1998 erhobenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten zunächst Zahlung von 840,00 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag begehrt und hierüber ein Versäumnisurteil erwirkt. Den Einspruch der Beklagten hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen und das Versäumnisurteil aufrechterhalten.

Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht die Klage wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung in Höhe von 243,60 DM brutto nebst Zinsen zurückgenommen. Sie hat nunmehr geltend gemacht, sie habe nach Aushändigung der Septemberabrechnung durch die Mitarbeiterin der Beklagten V. dieser gegenüber sofort gerügt, das Urlaubsgeld fehle. Frau V. habe sich bei dem Betriebsleiter H. erkundigen und dann bei der Klägerin melden wollen. Nachdem sie in den nächsten beiden Tagen ohne Nachricht geblieben sei, habe sie – die Klägerin – persönlich bei Herrn H. vorgesprochen. Dieser habe zugesagt, die Frage nochmals zu prüfen. Als sie nach etwa drei bis vier Tagen nichts gehört habe, sei sie gemeinsam mit ihrem Ehemann zum Betrieb gegangen. Der Betriebsleiter H. habe dort erklärt, der Urlaub sei mit der Kündigungsfrist bezahlt. Sie habe darauf hingewiesen, daß damit zwar das Urlaubsentgelt, nicht aber das Urlaubsgeld gezahlt sei. Herr H. habe eine erneute Prüfung zugesagt und versprochen, sich zu melden. Das sei nicht geschehen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 15. Januar 1999 sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 24. März 1999 insoweit aufrechtzuerhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, an sie 596,40 DM nebst 4% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab 22. Dezember 1998 zu zahlen und die Berufung der Beklagten insoweit zurückzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Urlaubsgeld 1998 ist entstanden. Nach § 7.4.3 MTV des jedenfalls kraft Allgemeinverbindlichkeit(AVE vom 30. Oktober 1995, BAnz. 7. Dezember 1995 Nr. 230 S 12262) auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrags (§ 5 Abs. 4 TVG) hat der Arbeitgeber für jeden Urlaubstag ein zusätzliches Urlaubsgeld von 35,00 DM brutto zu zahlen. Wegen der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin vermindert sich ihr Anspruch nach § 7.5.3 MTV auf 24,85 DM täglich. Für 24 Urlaubstage ergibt sich daraus der rechnerisch unstreitige Klagebetrag von 596,40 DM brutto.

II. Ob der Anspruch der Klägerin noch besteht, kann nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilt werden.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe das Urlaubsgeld nicht rechtzeitig iSv. § 16.1 MTV geltend gemacht. Zur Geltendmachung gehöre, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Eine Erklärung, aus der sich lediglich ergebe, der Arbeitnehmer sei mit seiner Vergütung nicht einverstanden, genüge nicht. Nach eigenem Vorbringen habe die Klägerin nach Erhalt der Septemberabrechnung 1998 lediglich gerügt, das Urlaubsgeld fehle.

2. Diesen Ausführungen stimmt der Senat nicht zu.

a) Das Landesarbeitsgericht hatte eine sogenannte nichttypische Erklärung auszulegen, nämlich das Verhalten der Klägerin und die von ihr im Anschluß an das festgestellte Fehlen des Urlaubsgeldes abgegebenen Erklärungen. Die Auslegung solcher nichttypischer Erklärungen ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist aber, ob gesetzliche Auslegungsregeln iSd. §§ 133, 157 BGB, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen worden ist(ständige Rechtsprechung vgl. BAG 22. September 1992 – 9 AZR 385/91 – AP BGB § 117 Nr. 2 = EzA BGB § 117 Nr. 3). Dem Urteil muß nachvollziehbar zu entnehmen sein, welche für und gegen die Auslegung sprechenden Gründe das Gericht zu seinem Ergebnis bestimmt haben. Ob es den Auslegungsstoff insoweit hinreichend beachtet hat, beurteilt sich ua. nach dem Vorbringen der Parteien, das sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt (§ 561 Abs. 1 ZPO).

Bei der Geltendmachung einer Forderung handelt es sich zwar um keine Willenserklärung, sondern um eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung(vgl. BAG 11. Oktober 2000 – 5 AZR 313/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf solche Handlungen sind aber die Vorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) entsprechend anzuwenden; das gilt auch für den revisionsrechtlichen Prüfmaßstab(BGH 14. Oktober 1994 – V ZR 196/93 – NJW 1995, 45).

b) Diesem eingeschränktem Prüfmaßstab hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Seine Ausführungen lassen nicht erkennen, weshalb die Beklagte die „Rüge” der Klägerin nach dem objektiven Erklärungsinhalt und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§§ 133, 157 BGB) nicht als Aufforderung verstehen mußte, das fehlende Urlaubsgeld zu zahlen. Die Bedeutung einer Rüge nach allgemeinem Sprachverständnis wird nicht erörtert. Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, hat das Landesarbeitsgericht zudem ihr Vorbringen nicht vollständig gewürdigt. Die Klägerin hat nicht lediglich nach Erhalt der Septemberabrechnung gerügt, das Urlaubsgeld fehle und dann bis zur Fertigung des Schreibens vom 30. November 1998 nichts getan. Vielmehr behauptet sie, sie habe den Betrieb im Oktober 1998 noch zweimal aufgesucht, um die Angelegenheit „Urlaubsgeld” mit Herrn H. zu besprechen, nachdem Zusagen von Frau V. und von Herrn H., sich bei ihr zu melden, nicht eingehalten worden seien.

3. Das Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt, hat sie entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts den Anspruch auf das Urlaubsgeld mündlich iSv. § 16.1 MTV geltend gemacht. Darüber kann der Senat selbst entscheiden; die Klägerin hat erkennbar abschließend vorgetragen.

a) Ausschlußfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offene Forderung einstellen, Beweise sichern oder – bei hohen Summen – vorsorglich Rücklagen bilden können. Die Geltendmachung einer Forderung im Sinne einer tariflichen Ausschlußfrist verlangt daher, daß die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufgefordert wird. Als unzureichend ist die Aufforderung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber beurteilt worden, die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine freiwillige Zulage schriftlich zu begründen und „noch einmal zu überdenken” (BAG 5. April 1995 – 5 AZR 961/93 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 130 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 111). Ebensowenig genügt eine Erklärung des Arbeitnehmers, er behalte sich die Geltendmachung seiner Ansprüche vor (LAG Köln 24. Juli 1984 – 6 Sa 509/84 – LAGE TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 2) oder er bitte „um Prüfung” seiner Eingruppierung (BAG 10. Dezember 1997 – 4 AZR 228/96 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 234). Gleichwohl kommt es auf die Wortwahl im Einzelnen nicht an. Für die Geltendmachung genügt eine Erklärung einer Partei, mit der klargestellt wird, sie stelle an die Gegenseite einen näher bestimmten Anspruch.

b) Diesen Anforderungen wird die „Rüge” der Klägerin gerecht, das Urlaubsgeld fehle.

aa) Nach allgemeinem Sprachverständnis enthält eine Rüge eine Zurechtweisung oder auch Mißbilligung. Sie kann sich auf ein Verhalten oder auf einen Zustand beziehen. Der Gerügte kann ihr entnehmen, daß der Rügende mit den beanstandeten Verhältnissen nicht einverstanden ist. Hierauf beschränkt sich die Bedeutung einer Rüge nicht. Je nach den Umständen des Einzelfalls ist sie zukunftsbezogen: Die kritisierten Umstände sollen geändert, die Fehlerquelle soll beseitigt werden.

Verlangt eine tarifliche Verfallklausel zur Vermeidung des Verfalls die mündliche Geltendmachung von Ansprüchen, so liegt eine hinreichende Zahlungsaufforderung regelmäßig vor, wenn der Arbeitnehmer beim Empfang der Lohnabrechnung bemängelt, ein bestimmter Lohnbestandteil fehle. Einer solchen Erklärung muß der Arbeitgeber entnehmen, der Arbeitnehmer verlange Abrechnung und Zahlung auch dieses Lohnbestandteils.

bb) Die Beklagte konnte die Rüge der Klägerin nicht anders verstehen. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dem Erhalt der Lohnabrechnung September 1998 nicht nur allgemein zum Ausdruck gebracht, sie sei mit ihrer Vergütung nicht einverstanden, sondern sie hat mit dem Hinweis auf das Fehlen des Urlaubsgeld den Anspruch konkret bezeichnet und deutlich gemacht, daß sie von der Beklagten Zahlung erwarte. Für die Beklagte konnte an dem Inhalt der „Rüge” auch deshalb kein Zweifel bestehen, weil ihr die Regelungen des Tarifvertrags bekannt waren und damit auch der Anspruch der Klägerin auf das tarifliche Urlaubsgeld. Sie konnte nicht etwa annehmen, die Klägerin wolle die Beklagte nur um Prüfung des Anspruchs bitten und mache die Durchsetzung des Anspruchs vom Ergebnis dieser Prüfung abhängig. Ebensowenig konnte die Beklagte der Erklärung der Klägerin die Einschränkung entnehmen, die Klägerin bestehe nicht auf der Erfüllung ihrer Forderung, sondern behalte sich eine – spätere – Geltendmachung des Urlaubsgeldes nur vor.

cc) Unschädlich ist, daß die Klägerin nicht vorgetragen hat, ob sie der Beklagten die genaue Forderungshöhe mitgeteilt hat. Der Anspruch der Klägerin war der Beklagten nach Grund und Höhe bekannt. In einem solchen Fall bedarf es keiner Konkretisierung.

c) Von einem Geltendmachen iSv. § 16.1 MTV ist im übrigen spätestens aufgrund des weiteren Vorbringens der Klägerin auszugehen. Aus dem zweimaligen Nachfragen im Betrieb und der Diskussion mit dem Betriebsleiter über das Urlaubsgeld und den durch die Freistellung abgegoltenen Urlaub mußte der Beklagten klar sein, daß die Klägerin ihren tariflichen Anspruch auf Urlaubsgeld erfüllt wissen wollte.

4. Die mündlichen Erklärungen der Klägerin im Oktober 1998 waren auch geeignet, den Verfall des Anspruchs zu verhindern; der Anspruch der Klägerin ist erst mit dem 30. September 1998 fällig geworden.

a) Die Verfallfrist des § 16.1 MTV beginnt mit der Fälligkeit des Anspruchs und beträgt drei Monate. Beim Ausscheiden aus dem Betrieb verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach zwei Monaten. Der Anspruch auf das Urlaubsgeld ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.

b) Nach § 7.5.1 MTV ist das Urlaubsgeld vor Antritt des Urlaubs zu zahlen. Das Urlaubsgeld wird nicht bereits mit der zeitlichen Festlegung des Urlaubs auf einen bestimmten Zeitabschnitt im Jahr fällig, sondern erst dann, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub antritt. Der Urlaub wird angetreten, sobald der Arbeitnehmer aufgrund der urlaubsbedingten Freistellung nicht mehr zu arbeiten braucht. Fälligkeitstermin ist mithin der letzte Arbeitstag vor Urlaubsbeginn (§ 271 BGB).

c) Den Zeitpunkt, zu dem die Klägerin ihren Urlaub antreten sollte, haben die Parteien nicht festgelegt. Sie haben im Mai 1998 nur vereinbart, daß das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 1998 ordnungsgemäß abgerechnet und die Klägerin bis dahin unter Fortzahlung ihrer Bezüge und unter Anrechnung auf den ihr zustehenden Urlaub von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Das Landesarbeitsgericht hat diese Regelung im Prozeßvergleich dahin ausgelegt, die Parteien hätten sich auf einen von § 7.5.1 MTV abweichenden Zahlungstermin geeinigt; die Beklagte habe das Urlaubsgeld zum 30. September 1998 abrechnen und bezahlen sollen. Hiergegen wendet sich die Beklagte nicht.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Vorbringen der Klägerin zu den Vorgängen im Oktober 1998 vom Senat nicht wegen „Verspätung” unberücksichtigt zu lassen.

Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und es als unschlüssig beurteilt, ohne eine Zurückweisung des Vortrags nach § 67 Abs. 1 oder Abs. 2 ArbGG zu prüfen. Über die Voraussetzungen einer Zurückweisung von Vorbringen entscheidet das Landesarbeitsgericht nach freier Überzeugung. Diese Ermessensentscheidung und die dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen können vom Revisionsgericht nicht nachgeholt werden (vgl. BAG 9. November 1999 – 3 AZR 432/98 – BAGE 92, 358).

III. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO).

1. Die Klägerin geht in der Revision davon aus, ihr Vorbringen sei „unstreitig”. Das trifft nicht zu. Die Feststellungen des Berufungsurteils (§ 561 ZPO) tragen diese Behauptung nicht. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Klägerin vielmehr im streitigen Teil des Tatbestandes dargestellt und auch in den Entscheidungsgründen nicht anders behandelt. Das Landesarbeitsgericht wird daher die für die Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Feststellungen zu treffen und ggf. die angebotenen Beweise zu erheben haben.

2. Im übrigen weist die Entscheidung keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere handelt die Beklagte nicht rechtsmißbräuchlich, wenn sie den Verfall der Forderung geltend macht. Das hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Berufung auf eine Ausschlußfrist gegen Treu und Glauben verstoßen. Das wird ua. angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat (BAG 5. August 1999 – 6 AZR 752/97 – ZTR 2000, 36). Der Arbeitgeber setzt sich mit einem solchen Vorgehen in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er zunächst den Arbeitnehmer zur Untätigkeit veranlaßt, um aus dieser Untätigkeit wegen des Verfalls des Anspruchs einen Vorteil für sich herleiten will (BAG 22. Januar 1997 – 10 AZR 459/96 – AP BAT § 70 Nr. 27 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 125). Voraussetzung ist hierfür, daß das Verhalten oder das Unterlassen kausal für den Verfall der Forderungen geworden ist. Daran fehlt es. Die Klägerin hatte nach Erhalt der Septemberabrechnung Mitte Oktober 1998 bis Ende November 1998 hinreichend Zeit, ihre Forderung mündlich oder schriftlich zur Vermeidung des Verfalls geltend zu machen.

 

Unterschriften

Leinemann, Düwell, Reinecke, R. Trümner, Schwarz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.02.2001 durch Gaßmann, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 632871

DB 2001, 2353

ARST 2001, 278

FA 2001, 255

NZA 2002, 567

SAE 2002, 40

ZTR 2001, 521

AP, 0

AuA 2002, 188

EzA

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