Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagefrist nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz

 

Normenkette

KSchG § 7

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 05.11.1997; Aktenzeichen 18 Sa 56/97)

ArbG Berlin (Urteil vom 24.04.1997; Aktenzeichen 19 Ca 46181/96)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. November 1997 – 18 Sa 56/97 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags.

Die Klägerin war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 8. September 1995 seit dem 11. September 1995 bis zum 3. August 1996 als Lehrerin beschäftigt. Das beklagte Land verlängerte das Arbeitsverhältnis nicht. Die Klägerin bemühte sich in der Folgezeit mehrfach um eine Weiterbeschäftigung. Mitte November 1996 wurde ihr mitgeteilt, eine Einstellung sei nicht möglich.

Mit der am 27. November 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags geltend gemacht. Später hat sie hilfsweise ein Angebot auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags begehrt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 3. August 1996 hinaus ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis besteht,

2. für den Fall der Stattgabe mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin als Lehrkraft an der Berliner Schule zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen,

3. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein Angebot auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu ansonsten unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 8. September 1995 zu unterbreiten.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat gemeint, die vereinbarte Befristung sei gem. § 7 KSchG in Verb. mit § 1 Abs. 5 BeschFG wirksam, weil die Klägerin ihre Klage nicht rechtzeitig erhoben habe. Darüber hinaus habe die Klägerin ihr Klagerecht verwirkt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat zwar ihr Recht nicht verwirkt, die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend zu machen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aber infolge Fristablaufs am 3. August 1996 geendet. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Befristung gilt gem. § 7 KSchG in Verb. mit § 1 Abs. 5 BeschFG als wirksam, weil die Klägerin ihre Klage nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 1 Abs. 5 BeschFG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1476) erhoben hat.

I. Die Klage ist zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Voraussetzungen einer Prozeßverwirkung, wie sie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat, nicht gegeben sind. Bei dieser Würdigung läßt der Senat dahingestellt, ob die Verwirkung der Befugnis, einen anderen vor Gericht zivilrechtlich zu belangen, denselben Voraussetzungen unterliegt wie die materiell-rechtliche Verwirkung eines Anspruchs nach § 242 BGB. Denn das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu Recht angenommen, das Vertrauen des beklagten Landes überwiege das Interesse der Klägerin an einer sachlichen Prüfung nicht in der Weise, daß ihm die Einlassung auf die im November 1996 eingereichte und im Dezember 1996 zugestellte Klage nicht zuzumuten sei. Die Ausführungen des beklagten Landes in der Revisionsinstanz rechtfertigen keine anderweite Beurteilung. Sie setzen sich insbesondere nicht mit dem entscheidenden Umstand auseinander, daß das beklagte Land wegen einer Vielzahl von Klagen zur Wirksamkeit der befristeten Arbeitsverhältnisse von Lehrern im Schuljahr 1995/1996 mit dem Streitstoff bestens vertraut war und auch bei einer Klageerhebung im ersten Halbjahr des nächsten Schuljahres nicht vor dem Problem stand, den Sachverhalt nicht mehr ordnungsgemäß aufarbeiten zu können.

II. Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend erkannt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der vereinbarten Befristung am 3. August 1996 geendet hat. Die von den Parteien im Arbeitsvertrag vom 8. September 1995 vereinbarte Befristung gilt gem. § 7 KSchG in Verb. mit § 1 Abs. 5 BeschFG als wirksam.

1. Die Vorschrift des § 1 Abs. 5 BeschFG findet entgegen der Auffassung der Revision auch auf die Verträge Anwendung, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 1996 abgeschlossen worden sind und die nach der jeweiligen, dem Vertrag zugrunde liegenden Befristungsvereinbarung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes beendet sein sollten und bei denen der Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Befristung nach dem 1. Oktober 1996 überprüfen läßt. Das ergibt die Auslegung der Vorschriften in Art. 4 des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 über die Änderung des Beschäftigungsförderungsgesetzes von 1985 und in Art. 13 Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz über dessen Inkrafttreten. Danach ist die Bestimmung über die Klagefrist in § 1 Abs. 5 BeschFG ohne Einschränkung seit dem 1. Oktober 1996 in Kraft. Eine anderslautende Übergangsregelung für sog. Altverträge fehlt. Deshalb müssen Arbeitsvertragsparteien und Gerichte für Arbeitssachen seit dem 1. Oktober 1996 die Einhaltung der Klagefrist beachten. Das gilt auch deswegen, weil der Gesetzgeber zu den geänderten Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes, des Bundesurlaubsgesetzes und des Entgeltfortzahlungsgesetzes in den Art. 1 Nr. 2 c, Art. 2 Nr. 3 und Art. 3 Nr. 6 Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz Überleitungsvorschriften geschaffen hat. Bestätigt wird die Auslegung durch die Tatsache, daß der Gesetzgeber in der Vergangenheit zum Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mehrfach für Altfälle besondere, abweichende Vorschriften geschaffen hat (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 KSchG 1991, § 57 f. HRG, Art. 12 des 2. Gleichberechtigungsgesetzes für die Klagefristen des § 61b ArbGG und die Ausschlußfrist des § 611a Abs. 4 BGB).

2. Die von der Revision geforderte Auslegung des geänderten Beschäftigungsförderungsgesetzes und der Inkrafttretensvorschrift mit dem Ergebnis, daß geltendes Recht nicht anwendbar sei, weil im Streitfall eine Klageerhebung innerhalb von drei Wochen wegen Verstreichens der Klagefrist vor Inkrafttreten des Gesetzes nicht möglich war, ist unter alleiniger Beachtung des Wortlauts der Bestimmungen denkbar. Die Revision übersieht jedoch, daß der Geltung des Gesetzes durch eine verfassungskonforme Auslegung Beachtung verschafft werden kann, die eine Rückwirkung vermeidet. Die Anwendung des Gesetzes bedeutet nämlich nicht, daß die Frist für die Klageerhebung am 3. August 1996 angelaufen ist. Vielmehr lief die seit dem 1. Oktober 1996 einzuhaltende dreiwöchige Klagefrist für alle Arbeitsverhältnisse, die bis zum 30. September 1996 einschließlich enden sollten, erst mit Beginn des 1. Oktober 1996 an. Folglich trat die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG in Verb. mit § 7 KSchG mit Ablauf des 21. Oktober 1996 ein (§§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB). Denn nur der Fristbeginn mit dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes für alle auf einen Tag vor dem 1. Oktober 1996 befristeten Arbeitsverhältnisse ermöglicht, daß den die Unwirksamkeit der Befristungsvereinbarung reklamierenden Arbeitnehmern eine gleichmäßige Überlegungsfrist von drei Wochen ab Inkrafttreten des Gesetzes zusteht.

a) Das gilt zunächst für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zwischen dem 10. September 1996 und dem 30. September 1996 aufgrund einer Befristungsabrede enden sollten. Bei der Annahme einer am vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses anlaufenden Frist hätten die Arbeitnehmer nach dem Inkrafttreten des Gesetzes unterschiedliche Überlegungsfristen von einem Tag bis zu 20 Tagen. Für eine derartige Ungleichbehandlung ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Die Bestimmung wäre dann nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Diese Erkenntnis gebietet eine verfassungskonforme Auslegung, daß die Frist gleichmäßig für alle Arbeitnehmer mit Altverträgen dieser Art am 1. Oktober 1996 anlief.

b) Das gilt im Ergebnis ebenso für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 10. September 1996 enden sollte. Eine Auslegung der Art. 4 und 13 Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz, wonach diese Arbeitnehmer trotz uneingeschränktem Inkrafttreten des Gesetzes keine Klagefrist einzulegen hätten und bis zur Grenze der Verwirkung eine Befristungskontrolle verlangen könnten, steht ebenfalls nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang. Dieser gebietet vielmehr eine Auslegung, daß alle Arbeitnehmer, die nach dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG am 1. Oktober 1996 die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen wollen, für ihre Entscheidung eine dreiwöchige Überlegungsfrist seit dem Inkrafttreten des Gesetzes haben (ebenso ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rz 182; KR-Lipke, 5. Aufl., § 1 BeschFG 1996 Rz 178; Sowka, BB 1997, 677, 679; Stahlhacke/Preis, WiB 1996, 1025, 1028). Die gegenteilige Ansicht, nach der das Gesetz Rechtswirkungen nur für solche Arbeitsverhältnisse hat, die nach Inkrafttreten des Gesetzes noch bestehen (von Hoyningen-Huene/Linck, DB 1997, 41, 46), übersieht, daß gerade die zur gerichtlichen Beurteilung anstehende Rechtsfrage den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Inkrafttreten des Gesetzes betrifft.

3. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen das beklagte Land auf Abgabe eines Angebots auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags zu ansonsten unveränderten Bedingungen verneint. Nach der Senatsrechtsprechung zur Übernahme eines Arbeitnehmers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach Beendigung eines wirksam befristeten Arbeitsvertrags (vgl. Urteil vom 26. April 1995 – 7 AZR 936/94 – AP Nr. 4 zu § 91 AFG, zu II 2 der Gründe) genügt es nicht, daß der Arbeitnehmer subjektiv erwartet, der Arbeitgeber werde ihn nach Fristablauf weiterbeschäftigen. Entscheidend ist vielmehr, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in seiner Erwartungshaltung durch sein Verhalten bei Vertragsschluß oder während der Dauer des Vertragsverhältnisses eindeutig bestärkt hat. Erfüllt dann der Arbeitgeber die eigengesetzte Verpflichtung nicht, ist er nach Maßgabe der Grundsätze eines Verschuldens bei Vertragsschluß zum Schadensersatz verpflichtet. Er hat mit dem Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht bei seiner Würdigung des unstreitigen Vorbringens der Klägerin ausgegangen, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Dabei läßt der Senat dahingestellt, ob die von der Klägerin behaupteten Äußerungen der Mitarbeiterinnen im Landesschulamt auch unter Beachtung der Grundsätze des Rechtsscheins dem Land zuzurechnen sind und deshalb einen auf Abgabe einer Vertragserklärung gerichteten Schadensersatzanspruch auslösen können. Denn die Auslegung der Erklärungen auf Seiten des Landesschulamts und der Erklärungen der Klägerin durch das Landesarbeitsgericht verstoßen weder gegen Denkgesetze noch sind sie widersprüchlich. Es ist auch nicht erkennbar, daß das Landesarbeitsgericht wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Schmidt, Fischermeier, Nottelmann, G. Metzinger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2628970

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