Entscheidungsstichwort (Thema)

Karenzentschädigung. Karenzentschädigung aus nachvertraglichem Wettbewerbsverbot trotz Aufhebungsvertrag mit Abgeltungsklausel? Auslegung der Abgeltungsklausel. Wettbewerbsverbot. Vertragsauslegung

 

Orientierungssatz

  • Abgeltungsklauseln in Aufhebungsverträgen sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Fehlt eine entsprechende Einschränkung, erfassen sie in der Regel auch Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
  • Dies gilt auch dann, wenn ein Tarifvertrag für die Aufhebung des Wettbewerbsverbots Schriftform vorsieht.
 

Normenkette

BGB §§ 125-126, 133, 157; MTV für akademisch gebildete Angestellte in der Chemischen Industrie i.d.F. vom 2. Mai 2000 § 6

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.11.2002; Aktenzeichen 12 Sa 63/02)

ArbG Mannheim (Urteil vom 30.01.2002; Aktenzeichen 11 Ca 168/01)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 6. November 2002 – 12 Sa 63/02 – aufgehoben.
  • Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.

Der Kläger ist Diplomchemiker und war bei der Beklagten bis 30. September 2000 als Forschungsleiter beschäftigt. Seine letzten vertragsgemäßen Jahresbezüge betrugen ohne Berücksichtigung der Arbeitnehmererfindungsvergütung 219.113,00 DM brutto.

Die Parteien vereinbarten unter dem 12. September 1989 in Ergänzung zum Anstellungsvertrag vom 28. August 1989 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für zwei Jahre, wobei die Beklagte verpflichtet sein sollte, eine Entschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt vertragsgemäß bezogenen Bezüge zu zahlen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für akademisch gebildete Angestellte in der Chemischen Industrie in der Fassung vom 2. Mai 2000 (im folgenden: MTV) auf Grund beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dieser Tarifvertrag beinhaltet ua. folgende Regelungen:

“§ 6 Wettbewerbsverbot

III. Entschädigungspflicht

1. Das Wettbewerbsverbot ist nur gültig, wenn sich der Arbeitgeber in der Vereinbarung verpflichtet, dem Angestellten für die Sperrzeit eine Entschädigung zu zahlen.

IV. Entschädigungshöhe

Für die regelmäßige Sperrzeit ist dem Angestellten eine Entschädigung in Höhe der letzten Bezüge (Abschnitt V) zu zahlen, …

V. Berechnung der Entschädigung

1. Die Entschädigung wird nach den letzten vertragsmäßigen laufenden Bezügen des Angestellten berechnet. …

2. Hinzuzurechnen sind Weihnachtsgratifikationen und ähnliche Bezüge, sofern sie ausdrücklich vertraglich zugesichert oder mit Rücksicht auf die Verkehrssitte oder die sonstigen Umstände als vereinbart anzusehen sind, oder soweit sie dem Angestellten im Jahre seines Ausscheidens bei ungekündigter Stellung zugestanden hätten und ihm bei Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses gezahlt worden wären.

3. Erfindervergütungen aller Art, Auslösungen, Auslagenersatz und Jubiläumsgaben (Dienstaltersprämien) werden nicht berücksichtigt.

4. Die Entschädigung ist in monatlichen Teilbeträgen nachträglich zu zahlen.

VI. Kündigung

Der Arbeitgeber kann vor Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, daß er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.

VII. Unwirksamwerden des Wettbewerbsverbots

Das Wettbewerbsverbot wird unwirksam, wenn

3. das Anstellungsverhältnis einverständlich aufgelöst und gleichzeitig das Wettbewerbsverbot schriftlich aufgehoben wird.

…”

Mit einem dem Kläger am selben Tag ausgehändigten Schreiben vom 27. Oktober 1999 erklärte die Beklagte ihren Verzicht auf das Wettbewerbsverbot. Unter dem 2. November 1999 schlossen die Parteien nach mehrmonatigen Verhandlungen über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgende Vereinbarung:

“1. Das zwischen Herrn Dr. M… und der D… GmbH bestehende Arbeitsverhältnis wird einvernehmlich zum 30.09.2000 beendet.

4. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens oder wahlweise zum 01.01.2001 erhält Herr Dr. M… eine Abfindung in Höhe von DM 180.000,--.

7. Mit Abschluß dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme des Zeugnisanspruches abgegolten.”

Speziell über das Wettbewerbsverbot war zuvor nicht verhandelt worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Verzicht der Beklagten habe das Wettbewerbsverbot und den Anspruch auf Karenzentschädigung nach § 6 MTV erst ab 28. Oktober 2000 beseitigt. Die Ausgleichsklausel im Aufhebungsvertrag habe das Wettbewerbsverbot nicht erfaßt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.131,07 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 ab dem 1. November 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, daß der Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung gem. § 6 VII MTV und Ziff. 7 des Aufhebungsvertrages ausgeschlossen sei. Dem Vertrag sei klar zu entnehmen, daß neben der Abfindungszahlung keine weiteren finanziellen Leistungen mehr erfolgen sollten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Wettbewerbsverbot sei nicht iSv. § 6 VII Ziff. 3 MTV “gleichzeitig” mit der einverständlichen Auflösung des Anstellungsvertrags “schriftlich aufgehoben” worden. Die Abgeltungsklausel in Ziff. 7 des Aufhebungsvertrages vom 2. November 1999 habe den Anspruch auf Karenzentschädigung nicht erfaßt, denn für diesen sei kennzeichnend, daß er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werde, während Verzichtserklärungen umgekehrt dazu bestimmt seien, die Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses zu erleichtern und rückblickend etwa bestehende Unklarheiten zu beseitigen. Etwas anderes hätte klar zum Ausdruck gebracht werden müssen. Der Kläger habe in diesem Zusammenhang vorgetragen, bei den sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Verhandlungen über die – schließlich am 2. November 1999 – erzielte Einigung sei die Karenzentschädigung niemals ausdrücklich thematisiert worden; bereits vor Abgabe der Verzichtserklärung durch die Beklagte seien Entwürfe für eine Aufhebungsvereinbarung von der Beklagten vorgelegt worden, die jeweils mit der gleichen floskelartigen Verzichtserklärung versehen gewesen seien. Die Beklagte sei dem nicht substantiiert entgegengetreten. Es sprächen mithin keine tatsächlichen Begleitumstände außerhalb der Vertragsurkunde für eine Einbeziehung des streitigen Anspruchs in die Aufhebungsklausel. Zwar könnte auf den ersten Blick die vereinbarte Ausnahme des Zeugnisanspruchs den Umkehrschluß zulassen, alle anderen Ansprüche seien abgegolten. Die Abfindungshöhe sei jedoch weitaus geringer als das dem Kläger zuletzt zustehende Jahresgehalt von ca. DM 220.000,00. Die Abfindung kompensiere daher den Verlust des 13jährigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses in Ansehung der üblichen “Faustformel” für Abfindungen keineswegs in unüblich großer Höhe, so daß nicht angenommen werden könne, die Abfindung diene zugleich der Abgeltung der Karenzentschädigung.
  • Dem folgt der Senat nicht. Die Auslegung der Abgeltungsklausel in Ziff. 7 der Vereinbarung vom 2. November 1999 steht nicht im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

    1. Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht allerdings darin, daß die Verzichtserklärung der Beklagten vom 27. Oktober 1999 keine Aufhebung des Wettbewerbsverbots iSv. § 6 VII Ziff. 3 MTV darstellt, weil die Tarifbestimmung eine einvernehmliche Aufhebung durch die Parteien voraussetzt. Auf die Frage der “Gleichzeitigkeit” des einseitigen Verzichts der Beklagten vom 27. Oktober 1999 mit der Vereinbarung über die Auflösung des Anstellungsverhältnisses vom 2. November 1999 kommt es deshalb nicht an.

    2. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts könnte jedoch Ziff. 7 des Aufhebungsvertrages vom 2. November 1999 dahin auszulegen sein, daß mit der einverständlichen Auflösung des Anstellungsverhältnisses gleichzeitig das Wettbewerbsverbot aufgehoben werden und damit der Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung entfallen sollte.

    a) Bei den Bestimmungen des Aufhebungsvertrages handelt es sich um nichttypische Erklärungen, deren Auslegung in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob das Tatsachengericht gegen die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen hat, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 558/01 – AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64 mwN). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält jedoch die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung nicht stand.

    aa) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, der Erlaßvertrag, das konstitutive und das deklaratorische negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlaßvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllen betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder eine bestimmte Gruppe von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen zu bringen. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis ist anzunehmen, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen.

    Es ist der in der auszulegenden Erklärung verkörperte maßgebliche Wille der Parteien zu ermitteln. Läßt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in dem Vertrag nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Läßt sich ein solch übereinstimmender Wille nicht feststellen, sind die jeweiligen Erklärungen der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und mußte. Die Auslegung hat ausgehend vom Wortlaut, der nach dem Sprachgebrauch der jeweiligen Verkehrskreise zu bewerten ist, alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluß, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsschluß vorliegende Interessenlage (BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 558/01 – AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64 mwN).

    bb) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Auslegung nicht berücksichtigt, daß nach der Rechtsprechung des Senats Ausgleichsklauseln in gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen und Aufhebungsverträgen im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind (vgl. BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 558/01 – AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64 sowie 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – AP HGB § 74 Nr. 74 = EzA HGB § 74 Nr. 63, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, jeweils mwN). In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie daran dachten oder nicht. Ein Wettbewerbsverbot hat seine Grundlage im Arbeitsvertrag und die daraus resultierenden Pflichten werden mit und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die vertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen während der Dauer des Wettbewerbsverbots fort. Vom Wortlaut der Ziff. 7 der Vereinbarung vom 2. November 1999, wonach “sämtliche Ansprüche aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme des Zeugnisanspruches abgegolten” sind, werden deshalb auch Ansprüche aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot erfaßt (vgl. BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 558/01 – und – 10 AZR 513/01 – aaO, mwN).

    cc) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts läßt sich auch aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1981 – 3 AZR 1013/78 – (AP HGB § 74 Nr. 39 = EzA HGB § 74 Nr. 39) nicht die Auslegungsregel entnehmen, daß Ausgleichsklauseln wie Ziff. 7 der Vereinbarung vom 2. November 1999 grundsätzlich nachvertragliche Wettbewerbsverbote und Karenzentschädigungen nicht umfassen. In dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Fall ist das Bundesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Wortsinn einer allgemeinen Ausgleichsklausel derartige Ansprüche durchaus umschließen kann. Lediglich aus den Begleitumständen, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Erklärung im Zusammenhang mit einer Quittierung des Erhalts von Arbeitspapieren (Ausgleichsquittung) hat das Bundesarbeitsgericht den Schluß gezogen, daß dies im konkreten Fall nicht Erklärungsinhalt war.

    b) Ob entsprechend dem Wortlaut von Ziff. 7 der Vereinbarung vom 2. November 1999 das Wettbewerbsverbot aufgehoben wurde oder ob auf Grund der bei der Auslegung zu berücksichtigenden sonstigen Umstände die Aufhebung des Wettbewerbsverbots nicht Gegenstand der Vereinbarung war, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es ist nämlich im Hinblick auf den vom Landesarbeitsgericht vertretenen Rechtsstandpunkt nicht ersichtlich, daß insoweit der Sachverhalt durch die Vorinstanzen bereits vollständig festgestellt wurde und eine weitere Sachverhaltsaufklärung keine neuen, die Auslegung beeinflussenden Gesichtspunkte erwarten läßt. Allein aus dem Umstand, daß sich die Verhandlungen über die Auflösung des Anstellungsverhältnisses länger hinzogen, auch schon vor dem 27. Oktober 1999 vorgeschlagene Versionen der Auflösungsvereinbarung die Abgeltungsklausel enthielten und speziell über das Wettbewerbsverbot nicht verhandelt wurde, ergibt sich noch keine Einschränkung der Klausel im Sinne einer Ausklammerung des Wettbewerbsverbots. Die Beklagte kann die Verzichtserklärung vom 27. Oktober 1999 auch nur vorsorglich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen über die Auflösung des Anstellungsverhältnisses abgegeben haben. Auch die spekulative Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Abfindungssumme kompensiere wohl nur den Verlust des 13jährigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses, vermag eine einschränkende Auslegung der Abgeltungsklausel nicht zu rechtfertigen (vgl. auch BAG 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – AP HGB § 74 Nr. 74 = EzA HGB § 74 Nr. 63, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3c bb (2) der Gründe). Ebensowenig gebietet dies die für die Aufhebung des Wettbewerbsverbots in § 6 VII Ziff. 3 MTV vorgesehene Schriftform. Daraus kann nicht abgeleitet werden, das Wettbewerbsverbot hätte ausdrücklich aufgehoben werden müssen, damit die Aufhebung gemäß §§ 125 f. BGB wirksam wäre. Auch bei formbedürftigen Erklärungen ist in einem ersten Untersuchungsschritt festzustellen, wie die Erklärung unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände auszulegen ist. Erst anschließend ist zu prüfen, ob die so ausgelegte Erklärung der Form genügt (BGH 17. Februar 2000 – IX ZR 32/99 – NJW 2000, 1569; Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 133 Rn. 19; jeweils mwN). Ergibt die Auslegung, daß die Abgeltungsklausel in Ziff. 7 der Vereinbarung vom 2. November 1999 auch die nach dem MTV grundsätzlich zulässige Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und der aus ihm folgenden Ansprüche beinhaltete, so steht der Wirksamkeit § 125 BGB nicht entgegen, weil die Vereinbarung vom 2. November 1999 den Formerfordernissen des § 126 BGB genügte. Dabei sind für die Auslegung auch Umstände außerhalb der Urkunde mitzuberücksichtigen, soweit sie unstreitig bzw. bewiesen sind und der daraus abgeleitete Wille der Parteien in der Urkunde einen, wenn auch unvollkommenen, Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH 17. Februar 2000 aaO; 12. Juli 1996 – V ZR 202/95 – NJW 1996, 2792; 25. März 1983 – V ZR 268/81 – BGHZ 87, 150, 154; Palandt/Heinrichs aaO; jeweils mwN). Das Landesarbeitsgericht wird deshalb die für die Auslegung bedeutsamen Umstände weiter aufzuklären und sodann neu zu entscheiden haben.

  • Das Landesarbeitsgericht hat auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mitzuentscheiden.
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Hermann, Kay Ohl

 

Fundstellen

BB 2004, 1280

DB 2004, 1733

NZA 2004, 554

AP, 0

AuA 2004, 51

EzA-SD 2004, 5

EzA

NJW-Spezial 2004, 26

SPA 2004, 6

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