Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 28.06.1990; Aktenzeichen 1 Sa 34/89)

ArbG Hamburg (Urteil vom 06.10.1989; Aktenzeichen 22 Ca 229/89)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Juni 1990 – 1 Sa 34/89 – teilweise aufgehoben und insgesamt neu gefaßt:

Die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Oktober 1989 – 22 Ca 229/89 – wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das Schlußurteil teilweise abgeändert und insgesamt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.685,15 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 2.602,66 DM brutto seit dem 19. Januar 1989 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus 4.082,49 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 19. Januar 1989 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger auf dessen Konto bei der Stadtsparkasse B., 104,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Februar 1989 sowie weitere 312,– DM zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 22,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Januar 1989 zu zahlen.

Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach zwei abgeschlossenen Kündigungsschutzverfahren noch über verschiedene Zahlungsansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, seit 1987 als Montierer beschäftigt. Die Parteien waren kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis fanden u.a. der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Berlin-West) vom 6. Juli 1984 sowie die entsprechenden Lohntarifverträge Anwendung. Der Stundenlohn des Klägers betrug zuletzt 18,32 DM brutto.

Mit Schreiben vom 11. März 1988 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 25. März 1988. Hiergegen erhob der Kläger am 17. März 1988 Kündigungsschutzklage (22 Ca 116/88 Arbeitsgericht Hamburg). In der in diesem Verfahren am 2. September 1988 stattfindenden Kammer Verhandlung erkannte die Beklagte den Feststellungsantrag an; das entsprechende Anerkenntnisurteil wurde dem Kläger zugestellt am 12. September 1988. Ein im selben Termin gestellter Auflösungsantrag des Klägers wurde abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 6. Oktober 1988 zugestellt.

Der Kläger war in der Zeit vom 25. März bis 10. April 1988 arbeitsunfähig krank, in der Zeit vom 11. bis 18. April arbeitslos. Ab dem 19. April 1988 war er bei einer Firma S. beschäftigt, gleichfalls ein Unternehmen der Druckindustrie. Das Arbeitsverhältnis zur Firma S. endete mit dem 7. Oktober 1988 aufgrund einer von dieser Firma ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Der Kläger war anschließend arbeitslos. Vom 17. bis 21. Oktober 1988 war er arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 2. November 1988 übersandte er der Beklagten eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Er teilte zugleich in diesem Schreiben mit, daß sein Arbeitsverhältnis mit der Firma S. zum 7. Oktober 1988 gekündigt worden sei.

Mit Schreiben vom 1. November 1988 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristgerecht. Auch hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage (22 Ca 444/88 Arbeitsgericht Hamburg). In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 10. Januar 1989 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten mit dem 18. November 1988 endete und die Beklagte sich u.a. zur ordnungsgemäßen Abrechnung bis dahin sowie Auszahlung des sich ergebenden Nettobetrages verpflichtete.

Mit Schreiben vom 18. Januar 1989 machte der Kläger erfolglos u.a. die folgenden Ansprüche geltend: Arbeitsentgelt für die Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988, vermögenswirksame Leistungen für die Monate April bis November 1988, tarifliche Kontoführungsgebühren für die Monate März bis November 1988, eine anteilige tarifliche Jahresleistung für die Zeit vom 1. Januar bis 18. November 1988 sowie die Abgeltung von 7,5 Urlaubstagen nebst Urlaubsgeld.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich auch in der Zeit nach dem 7. Oktober 1988 im Annahmeverzug befunden. Ein besonderes Arbeitsangebot sei nach dem Anerkenntnisurteil vom 2. September 1988 nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte sei vielmehr umgekehrt gehalten gewesen, ihn zur Arbeitsleistung aufzufordern. Der Annahmeverzug sei nicht aufgehoben durch das mit der Firma S. eingegangene Arbeitsverhältnis. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, der Beklagten die Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses anzuzeigen. Im übrigen sei ein Angebot auch deshalb entbehrlich gewesen, weil die Beklagte erklärt habe, sie werde ein solches nicht annehmen. Sie habe eine erneute Kündigung in Aussicht gestellt, wie dann auch mit Schreiben vom 1. November 1988 geschehen.

Die Beklagte sei zur Zahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988 in Höhe von 2.198,40 DM brutto verpflichtet. Er könne auch die Zahlung der vermögenswirksamen Leistungen für die Monate April bis November 1988 verlangen (416,– DM). Ein Anspruch gegen die Firma S. habe nicht bestanden. Dies gelte entsprechend für die ihm tariflich zustehende monatliche Kontoführungsgebühr in Höhe von 2,50 DM, welche der Kläger für die Monate März bis November 1988 einklagt (22,50 DM). Ihm stehe weiter zu ein Anspruch auf anteilige tarifliche Jahresleistung für die Zeit vom 1. Januar bis 18. November 1988 in Höhe von – zuletzt unstreitigen – 2.399,84 DM brutto. Auch insoweit könne die Beklagte ihn nicht auf die Firma S. verweisen. Er habe dort keine entsprechende Leistung erhalten. Die Beklagte habe weiter noch 7,5 Urlaubstage abzugelten für die Monate April, Oktober und November 1988. Die – unstreitig – mit der Märzabrechnung ausgezahlten 1.048,42 DM hätten den Urlaub für die Monate Januar bis März 1988 abgegolten.

Der Kläger hat schließlich die Auffassung vertreten, Zinsen seien aus den geltend gemachten Bruttobeträgen zu gewähren, nicht nur aus den sich daraus ergebenden Nettobeträgen.

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, sie habe sich in der Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988 nicht im Annahmeverzug befunden. Der Kläger hätte die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Firma S. mitteilen und seine Arbeitskraft anbieten müssen. Er habe daher keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt für den Monat Oktober 1988. Ihm stehe auch keine anteilige Jahresleistung für die Dauer der Beschäftigung bei der Firma S. zu. Er müsse sich insoweit auf seinen Anspruch gegen diese Firma verweisen lassen. Ob die Firma S. tatsächlich gezahlt habe, sei unerheblich. Für Oktober 1988 sei mangels Annahmeverzuges ein Urlaubsanspruch nicht entstanden. Die dem Kläger noch zustehenden fünf Urlaubstage seien mit der Zahlung im März abgegolten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die von beiden Parteien eingelegte Berufung bzw. Anschlußberufung hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Hiergegen wendet sich die allein vom Kläger eingelegte Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist ganz überwiegend begründet und führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Urteils. Dem Kläger stehen die mit der Revision noch verfolgten Ansprüche zu bis auf die geltend gemachten Zinsen aus dem Bruttobetrag.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung – soweit für die Revision noch von Bedeutung – im wesentlichen auf folgende Begründung gestützt:

Die Beklagte habe sich im Oktober 1988 nicht im Annahmeverzug befunden. Der Kläger hätte nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Firma S. der Beklagten seine Arbeitsleistung spätestens am 10. Oktober (Montag) erneut anbieten müssen. Für die Dauer seines Arbeitsverhältnisses zu dieser Firma sei ihm eine Arbeitsleistung für die Beklagte tatsächlich nicht möglich gewesen. Zumindest indiziere dieses Arbeitsverhältnis einen fehlenden Leistungswillen und mangelnde Leistungsmöglichkeit. Die Beklagte habe daher nach den Erfahrungen des Arbeitslebens ohne weitere Erklärung des Klägers davon ausgehen können, daß er nicht in der Lage sei, bei ihr zu arbeiten. Es gälten insoweit die gleichen Erwägungen wie bei einer dem Arbeitgeber bekanntgewordenen zwischenzeitlichen Arbeitsunfähigkeit. Dem Kläger stehe daher ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahme Verzuges für die Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988 nicht zu.

Der Kläger könne eine anteilige tarifliche Jahresleistung nur für die Zeit von Januar bis April 1988 und für zwölf Arbeitstage im November 1988 verlangen. Für die Dauer des Vertragsverhältnisses mit der Firma S. stehe ihm ein solcher Anspruch gegen die Beklagte nicht zu. Nach der tariflichen Regelung könne dieser Anspruch nur aus einem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden. Ein Anspruch gegen mehrere Arbeitgeber entspreche nicht dem von den Tarifvertragsparteien gewollten rechtspolitischen Sinn der Vorschrift.

Urlaubsabgeltung könne der Kläger nur für fünf Urlaubstage in Höhe von insgesamt 1.030,50 DM brutto einschließlich Urlaubsgeld beanspruchen, und zwar für die Monate April und November 1988. Für die Zeit vom 19. April bis 7. Oktober 1988 stehe ihm ein Urlaubsanspruch gegen die Firma S. zu.

Vermögenswirksame Leistungen hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger nur für die Monate April und November 1988 zugesprochen. Für die Zeit von Mai bis Oktober hat es ihn auf einen entsprechenden Anspruch gegen die Firma S. verwiesen. Dies gelte auch für die tariflichen Kontoführungsgebühren. Zinsen seien aus den Bruttobeträgen und nicht nur aus den sich daraus ergebenden Nettobeträgen zu zahlen.

B. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I.1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988 in Höhe von 2.198,40 DM brutto aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges, § 615 BGB in Verb. mit §§ 293 ff. BGB. Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils entfällt der Anspruch nicht deshalb, weil der Kläger die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma S. der Beklagten erst mit Schreiben vom 2. November 1988 anzeigte.

a) Die Beklagte war nach der zum 25. März 1988 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung in Annahmeverzug geraten. Der Arbeitgeber gerät nach der Rechtsprechung des Senats in Annahme Verzug, wenn er dem Arbeitnehmer unberechtigterweise kündigt, ohne daß es eines Arbeitsangebotes des Arbeitnehmers bedarf (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; BAG Urteil vom 21. März 1985 – 2 AZR 201/84 – AP Nr. 35 zu § 615 BGB; BAG Urteil vom 19. April 1990 – 2 AZR 591/89 – EzA § 615 BGB Nr. 66). Der Umstand, daß der Kläger zunächst ab 25. März 1988 – also dem Tage des Ablaufs der Kündigungsfrist – bis zum 10. April 1988 arbeitsunfähig erkrankt war, ändert daran nichts. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger etwa am 11. April der Beklagten seine Arbeitsfähigkeit angezeigt hat. War der Arbeitnehmer zum Kündigungstermin befristet arbeitsunfähig krank, so treten die Verzugsfolgen mit Eintritt der Arbeitsfähigkeit jedenfalls dann unabhängig von der Anzeige der Arbeitsfähigkeit ein, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder sonstigen Widerspruch gegen die Kündigung seine weitere Leistungsbereitschaft deutlich gemacht hat (BAG Urteil vom 19. April 1990 – 2 AZR 591/89 – EzA, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen lagen vor. Es ist nicht ersichtlich, daß es sich um eine als unbefristet angezeigte Arbeitsunfähigkeit handelte, so daß die vom Senat zunächst (a.a.O.) offengelassene Frage, ob für diesen Fall die gleichen Grundsätze gelten, nicht entschieden zu werden braucht. Unabhängig davon spielt die Frage der Erkrankung des Klägers im März/April 1988 für den hier streitigen Zeitraum Oktober 1988 auch deshalb letztlich keine entscheidende Rolle, weil der Beklagten unstreitig bekannt war, daß der Kläger eine andere Beschäftigung aufgenommen hatte, also (wieder) arbeitsfähig war.

Die Beklagte befand sich also nach der Kündigung im Annahmeverzug.

b) Dieser wurde nicht beendet durch die Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zur Firma S. Dies will das Landesarbeitsgericht wohl annehmen, wenn es ausführt, die Arbeitsleistung sei dem Kläger während dieser Zeit nicht möglich gewesen, mindestens indiziere dieses Arbeitsverhältnis einen fehlenden Leistungswillen und mangelnde Leistungsmöglichkeit betreffend die Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten. Die Revision rügt zu Recht, dies werde dem Regelungsgehalt des § 615 BGB bzw. des § 11 KSchG nicht gerecht. Wie sich aus der in § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Ziff. 1 KSchG normierten Anrechnungspflicht des aus anderweitiger Verwendung der Dienste erworbenen Einkommens auf den Anspruch aus Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB deutlich ergibt, führt ein derartiges anderweitiges Arbeitsverhältnis allein noch nicht zur Beendigung des Annahme Verzuges mangels hinreichender Leistungsbereitschaft oder wegen fehlenden Leistungswillens im Sinne des § 297 BGB. Wollte man immer dann, wenn der Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit aufnimmt – worum sich zu bemühen er sogar verpflichtet ist, will er sich nicht dem Vorwurf des böswilligen Unterlassens anderweitiger Verwendung seiner Dienste aussetzen –, eine fehlende tatsächliche Leistungsmöglichkeit oder einen fehlenden Leistungswillen im Sinne des § 297 BGB annehmen, wären die Anrechnungsvorschriften des § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Ziff. 1 KSchG überflüssig: Ein Anspruch aus Annahmeverzug könnte gar nicht erst entstehen. Nach der ganz herrschenden zutreffenden Auffassung führt die Aufnahme eines anderen Arbeitsverhältnisses während des Annahmeverzuges für sich allein noch nicht zum Verlust des Anspruchs aus Annahmeverzug. Dieser bleibt vielmehr bestehen mit der Folge der Anrechnung des anderweitigen Verdienstes (vgl. schon Lotmar, Der Arbeitsvertrag, Bd. 2, S. 295, Fn. 1; vgl. weiter Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 12 KSchG Rz 13; KR-Becker, 3. Aufl., § 12 KSchG Rz 20; MünchKomm-Schaub, 2. Aufl., § 615 BGB Rz 24; Palandt/Putzo, BGB, 50. Aufl., § 615 Rz 9).

Der Annahmeverzug der Beklagten ist also nicht beendet worden durch den Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages mit der Firma S. Unerheblich ist dabei, daß das Arbeitsentgelt in diesem Arbeitsverhältnis nicht niedriger war als das bei der Beklagten gezahlte Entgelt. Dies führte nur dazu, daß infolge der Anrechnung für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses tatsächlich kein auszugleichendes Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug bestand, ändert aber nichts am grundsätzlichen Vorliegen des Verzugs.

c) Der Annahmeverzug wurde auch nicht dadurch beendet, daß der Kläger im Termin am 2. September 1988 einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG stellte. Das Bundesarbeitsgericht hat schon in seiner Entscheidung vom 18. Januar 1963 (– 5 AZR 200/62 – AP Nr. 22 zu § 615 BGB) ausgeführt, es entspreche nicht der Interessenlage eines zu Unrecht gekündigten Arbeitnehmers und daher auch nicht seinem erkennbaren Parteiwillen anzunehmen, er bringe schon mit einem bloßen Auflösungsantrag selbst zum Ausdruck, seine Dienste dem Arbeitgeber künftig nicht mehr anbieten zu wollen.

Es könne sich im Laufe eines Rechtsstreits aus sonstigen Gründen als zweckmäßig erweisen, den Antrag zurückzunehmen. Das Gesetz gestatte deswegen dem Arbeitnehmer, seine Dienste dem Arbeitgeber in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anzubieten und daneben auch einen Auflösungsantrag zu verfolgen.

Daran ist nach wie vor festzuhalten (vgl. KR-Becker, a.a.O., § 11 KSchG Rz 15; MünchKomm-Schaub, a.a.O., § 615 Rz 17 a; Palandt/Putzo, a.a.O., § 615 Rz 12). Es würde zu einer bedenklichen Beschränkung der Auflösungsmöglichkeit der §§ 9, 10 KSchG führen, wenn der Arbeitnehmer ohne weiteres mit dem Verlust des Anspruchs aus Annahmeverzug rechnen müßte auch für den Fall, daß das Gericht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für zumutbar ansehe. Das Ergebnis ist dem Arbeitgeber auch zumutbar. Er hat es in der Hand, durch ein Angebot der Weiterbeschäftigung den Arbeitnehmer zu einer Entscheidung zu zwingen. Zu trennen hiervon ist allerdings die Frage, ob im Einzelfall die Stellung des Antrags ein Indiz sein kann für die Annahme einer fehlenden Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers (s. dazu unter B I 1 f der Gründe).

d) Auch durch das im Termin am 2. September 1988 in dem Rechtsstreit 22 Ca 116/88 Arbeitsgericht Hamburg ergangene Anerkenntnisurteil, in dem die Unwirksamkeit der Kündigung vom 11. März 1988 festgestellt wurde, ist der Annahmeverzug der Beklagten nicht beendet worden. Der Kläger eines Kündigungsschutzverfahrens ist nicht verpflichtet, nach Abschluß des Verfahrens seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten. Es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, ihn zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aufzufordern. Auch dies entspricht ganz herrschender Auffassung (vgl. nur Herschel/Löwisch, a.a.O., § 11 Rz 3; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 11 Rz 3; KR-Becker, a.a.O., § 11 KSchG Rz 24). Ein solches ausdrückliches Angebot der Weiterbeschäftigung ist von seiten der Beklagten nicht abgegeben worden. Es lag auch nicht in dem bloßen Anerkenntnis der Unwirksamkeit der Kündigung vom 11. März 1988. Hieraus allein läßt sich noch nicht der Wille und die Absicht ableiten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Denkbar war vielmehr auch eine erneute Kündigung, zu der die Beklagte später dann gegriffen hat. Das Anerkenntnis der Unwirksamkeit ist in seiner Aussage auf einen Weiterbeschäftigungswillen des Arbeitgebers hin noch schwächer als die „Rücknahme” der Kündigung, für welche – selbst bei einverständlicher Rücknahme – die Beendigung des Annahmeverzuges nur angenommen wird, wenn der Arbeitgeber die ihm obliegende Mitwirkungshandlung vornimmt, d.h. dem Arbeitnehmer Arbeit zuweist (KR-Becker, a.a.O., § 11 KSchG Rz 24).

e) Die Beklagte befand sich also im Annahmeverzug, und zwar über den 2. September 1988 hinaus. Der Annahmeverzug wurde nicht berührt durch die zunächst unterbliebene Anzeige der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma S.

Das Landesarbeitsgericht hat insoweit für seine abweichende Auffassung auf Parallelen zur Rechtsprechung des Senats bei zwischenzeitlicher Arbeitsunfähigkeit hingewiesen. Dem ist entgegenzuhalten, daß schon die Ausgangssituation unterschiedlich ist. Während die Arbeitsunfähigkeit als objektives Leistungshindernis gemäß § 297 BGB für die Dauer ihres Bestehens tatsächlich den Annahmeverzug entfallen läßt, hat die Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit gerade nicht diese Folgen, wie unter B I 1 b der Gründe ausgeführt. Schon deshalb geht es nicht um vergleichbare Rechtslagen.

Unabhängig davon hat der Senat in seiner Entscheidung vom 19. April 1990 (– 2 AZR 591/89 – EzA § 615 BGB Nr. 66) die Rechtsprechung zum Annahmeverzug modifiziert. Unter Berücksichtigung der insbesondere von Konzen (Gemeins. Anm. zu BAG AP Nr. 34 und Nr. 35 zu § 615 BGB) vorgebrachten Kritik hat der Senat bei Arbeitsunfähigkeit während des Annahmeverzuges eine Anzeigepflicht betreffend die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit jedenfalls für den dort zugrunde liegenden Fall der befristet angezeigten Arbeitsunfähigkeit verneint. Im übrigen seien Zweifel an der Leistungsfähigkeit unerheblich, weil nach § 296 BGB der Gläubiger ohnehin über die Leistungsfähigkeit des Schuldners grundsätzlich im unklaren gelassen werde, Zweifel in dieser Hinsicht also gesetzesimmanent seien (BAG Urteil vom 19. April 1990 – 2 AZR 591/89 – EzA, a.a.O., zu II 2 d cc der Gründe). Der Verweis des Landesarbeitsgerichts auf die Rechtsprechung des Senats zum Annahmeverzug bei Arbeitsunfähigkeit ist also auch deshalb nicht (mehr) zutreffend.

Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats vom 19. April 1990 (a.a.O.) besteht kein überzeugender Grund für die Annahme, der Arbeitnehmer, der während des Annahmeverzugs ein anrechnungspflichtiges anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, sei stets verpflichtet, die Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses anzuzeigen. Auch hier gilt der Grundsatz, daß nach § 296 BGB der Gläubiger über die Leistungsfähigkeit des Schuldners grundsätzlich im unklaren gelassen wird. Überlegungen etwa im Sinne der Anrechnung eines Mitverschuldens nach § 254 BGB kommen gleichfalls nicht in Betracht, weil es sich bei dem Anspruch aus § 615 BGB nicht um einen Schadenersatzanspruch handelt.

Es besteht auch kein entsprechendes Schutzbedürfnis des Arbeitgebers. Dieser hat es – gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem er die Unwirksamkeit der Kündigung sogar selbst anerkannt hat – ohne weiteres in der Hand, durch eine ausdrückliche Aufforderung des Arbeitnehmers zur Arbeitsaufnahme alle Zweifel zu beseitigen, ob der Arbeitnehmer leistungswillig und leistungsbereit ist. Kommt der Arbeitnehmer einem solchen Angebot ohne Grund nicht nach, ist der Annahmeverzug damit allerdings beendet.

f) Es liegen auch keine sonstigen hinreichenden Anhaltspunkte vor, aus denen auf eine fehlende Leistungsbereitschaft des Klägers geschlossen werden könnte. Der Annahmeverzug entfällt allerdings, wenn der Schuldner nicht leistungsbereit ist (§ 297 BGB). Zu den Voraussetzungen der Leistungsbereitschaft gehört der ernsthafte Leistungswille des Schuldners (BAG Urteil vom 18. Dezember 1974 – 5 AZR 66/74 – AP Nr. 30 zu § 615 BGB m. Anm. v. Walchshöfer; MünchKomm-Walchshöfer, a.a.O., § 297 Rz 1; Palandt/Putzo, a.a.O., § 297 Rz 2). Darlegungs- und beweispflichtig für das Fehlen dieses Leistungswillens ist grundsätzlich der Gläubiger – hier also die Beklagte als Arbeitgeberin (MünchKomm-Walchshöfer, a.a.O., § 297 Rz 3; Palandt/Putzo, a.a.O., § 297 Rz 3). Meldet sich etwa ein Arbeitnehmer über längere Zeit nach abgeschlossenem Kündigungsschutzverfahren nicht wieder beim Arbeitgeber, kann dies ein Indiz für die Annahme sein, daß ein ernsthafter Leistungswille von Anfang an nicht bestand.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht erfüllt. Wie dargelegt, kann weder der Umstand des Eingehens eines anderen Arbeitsverhältnisses noch der gestellte Auflösungsantrag für sich allein schon als Anzeichen für eine fehlende Leistungsbereitschaft des Klägers gewertet werden. Auch die sonstigen Umstände lassen es nicht zu, einen zwingenden oder auch nur naheliegenden Schluß auf einen fehlenden Leistungswillen des Klägers zu ziehen. Das Kündigungsschutzverfahren war im Oktober noch nicht einmal rechtskräftig abgeschlossen. Das Anerkenntnisurteil war am 12. September, das Teilurteil – betreffend die Abweisung des Auflösungsantrags – sogar erst am 6. Oktober 1988 zugestellt worden. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma S. war also keines der Urteile rechtskräftig. Auch das Zuwarten des Klägers bis zu seinem Schreiben vom 2. November 1988 war nicht so lange, daß deshalb schon auf eine grundsätzlich fehlende Leistungsbereitschaft geschlossen werden könnte. Der Kläger hatte keine Veranlassung, nach Ausspruch des Anerkenntnisurteils etwa das Arbeitsverhältnis zur Firma S. seinerseits zu beenden, solange die Beklagte sich nicht erklärte, ob sie ihn weiterbeschäftigen wolle. Sie hat den Kläger aber noch nicht einmal nach dessen Angebot vom 2. November 1988 aufgefordert, noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu arbeiten.

Die unstreitigen Umstände rechtfertigen also nicht die zwingende Verneinung einer fortbestehenden Leistungsbereitschaft des Klägers nach Erlaß des Anerkenntnisurteils vom 2. September 1988.

Es bleibt daher bei der dem Arbeitgeber/der Beklagten obliegenden Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines solchen Tatbestandes. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

2. Danach waren also entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Voraussetzungen des Annahme Verzuges der Beklagten auch in der Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988 gegeben, ohne daß es eines ausdrücklichen Arbeitsangebotes des Klägers oder der Anzeige bedurfte, daß sein Arbeitsverhältnis zur Firma S. mit dem 7. Oktober ausgelaufen sei. Der Kläger hat dementsprechend Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts für diesen Zeitraum. Die Höhe des Betrages ist mit 2.198,40 DM brutto unstreitig. Eine Zahlung von Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld im Oktober 1988 ist nicht behauptet worden.

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 284 Abs. 2, § 288 BGB. Der Anspruch auf Lohnzahlung für den Monat Oktober, um den es geht, ist eine nach dem Kalender bestimmte Leistung im Sinne des § 284 Abs. 2 BGB; die Beklagte war auch ohne Mahnung in Verzug geraten mit dem Zahlungstermin für den Oktoberlohn, der in jedem Fall vor dem 19. Januar 1989 lag.

a) Der Kläger kann Zinsen allerdings nur aus dem sich aus dem Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag verlangen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II, ausdrücklich gegen zwischenzeitliche Kritik bestätigt durch Urteil vom 13. Februar 1985 – 4 AZR 295/83 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse), an der der Senat festhält.

b) Soweit das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, hat es dem Kläger allerdings Zinsen aus den Bruttobeträgen zugesprochen. Da die Beklagte hiergegen keine Revision eingelegt hat, bleibt es insoweit bei dieser Entscheidung.

II. Die Revision rügt zu Recht auch die Abweisung des Antrags auf tarifliche Jahresleistung für die Zeit von Mai bis Oktober 1988.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit nach dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Berlin-West) vom 6. Juli 1984 (MTV), Gemäß § 9 MTV erhalten die Arbeitnehmer eine tarifliche Jahresleistung. Voraussetzung für die volle Jahresleistung ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses seit dem 4. Januar bis einschließlich 31. Dezember des laufenden Fälligkeitsjahres; bei kürzerem Bestehen des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer Anspruch auf anteilige Jahresleistung nach näherer Maßgabe der tariflichen Regelung.

2. Richtig ist, daß der Kläger keinen Anspruch auf die volle Jahresleistung gemäß § 9 Ziff. 2 MTV hat, da sein Arbeitsverhältnis mit dem 18. November 1988 endete. Einen solchen vollen Anspruch macht der Kläger aber auch nicht geltend. Er begehrt eine anteilige Jahresleistung nach Maßgabe des § 9 Ziff. 5 MTV (Beendigung in der Zeit nach dem 30. September bis 31. Dezember des Fälligkeitsjahres),

3. Diesen Anspruch hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht nur für die Monate Januar bis April und für die Zeit vom 3. bis 18. November 1988 zugesprochen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die tarifliche Regelung sei dahin auszulegen, daß es immer nur einen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis gebe, nicht aber einen doppelten Anspruch (bei verschiedenen Arbeitsverhältnissen), hält der Überprüfung nicht stand.

a) Tarifverträge sind entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung auszulegen. Dabei ist zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. nur BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

b) Der Wortlaut des Tarifvertrages deckt die in dem angefochtenen Urteil vertretene Auslegung nicht. Es ist nicht die Rede von einem – im Gegensatz zu mehreren – Arbeitsverhältnis, sondern etwa davon, daß Voraussetzung für den vollen Anspruch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist oder daß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine anteilige Jahresleistung gewährt wird. Dies läßt sich nur dahin verstehen, daß die Tarifvertragsparteien – wie üblich – ein ganz bestimmtes Arbeitsverhältnis regeln wollten, also alle Rechte und Pflichten einer individualrechtlichen Beziehung, nicht aber zugleich Ansprüche aus einer anderen Beziehung ausschließen wollten.

c) Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen gegen den vom Landesarbeitsgericht gezogenen Schluß. Die tarifliche Jahresleistung ist ausgestaltet als Anspruch, der dem Arbeitnehmer zusätzlich zum „normalen” Lohn gegen den Arbeitgeber seines konkreten Arbeitsverhältnisses zusteht. Sie ist keine lohnunabhängige einmalige Größe, sondern orientiert sich am jeweiligen Arbeitslohn. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Ansprüche auf diesen Lohnbestandteil nicht gegen mehrere Arbeitgeber entstehen können, wenn der Arbeitnehmer – auf welchen Ausgangsfall das Landesarbeitsgericht abstellt – zwei rechtswirksame Arbeitsverhältnisse nebeneinander abschließt. Hierin liegt keine verdoppelte Begünstigung. Der Arbeitnehmer erhält in jedem Arbeitsverhältnis nur das, was ihm tariflich gegen diesen Arbeitgeber zusteht. Seine Jahresleistung ist immer nur orientiert an dem Lohnanspruch aus dem konkreten Arbeitsverhältnis, wobei bei zwei Arbeitsverhältnissen in der Regel ohnehin eine Teilzeitbeschäftigung vorliegen wird mit der Folge der anteilsmäßigen Kürzung der Jahresleistung gemäß § 9 Ziff. 6 MTV.

Die Auslegung des Tarifvertrages dahin, es stehe auch bei mehreren Arbeitsverhältnissen dem Arbeitnehmer nur eine Jahresleistung zu, ist daher nicht gerechtfertigt.

4. Wie unter B I der Gründe festgestellt, hat sich die Beklagte nach Ausspruch der Kündigung vom 11. März 1988 zum 25. März seit Ablauf der Kündigungsfrist durchweg in Annahmeverzug befunden. Während des Annahmeverzuges ist gemäß § 615 Satz 1 BGB die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen.

a) Hierzu gehört nicht nur die Grundvergütung, sondern auch zusätzliche Leistungen mit Entgeltcharakter, also z.B. Gratifikationen oder das sog. 13. Monatsgehalt (vgl. schon BAG Urteil vom 18. Januar 1963 – 5 AZR 200/62 – AP Nr. 22 zu § 615 BGB; KR-Becker, a.a.O., § 11 KSchG Rz 24; MünchKomm-Schaub, a.a.O., § 615 Rz 47). Der Kläger hat danach für die Dauer des Annahmeverzuges der Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung der anteiligen Jahresleistung bzw. einen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Zeiten für die Berechnung seines Anspruchs.

b) Sein Anspruch ist nicht entfallen infolge Anrechnung einer anderweit für den gleichen Zeitraum gewährten Leistung gemäß § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Abs. 1 Ziff. 1 KSchG. Der Kläger hat nach seinem unwidersprochenen Vortrag von der Firma Storck eine anteilige Jahresleistung nicht erhalten.

Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, einen eventuellen Anspruch auf anteilige tarifliche Jahresleistung gegen die Firma S. zu verfolgen. Auch wenn man zugunsten der Beklagten eine Tarifbindung in diesem Arbeitsverhältnis unterstellt, gibt der Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, das Verhalten des Klägers stelle eine böswillige Unterlassung anderweitigen Erwerbs im Sinne des § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Abs. 1 Ziff. 2 KSchG dar oder sei nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen treuwidrig – unbeschadet der Frage, inwieweit diese Grundsätze neben der Sonderregelung des § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Abs. 1 Ziff. 2 KSchG überhaupt zur Anwendung kommen. Darlegungspflichtig für die Umstände, aus denen sich die Böswilligkeit bzw. die Treuwidrigkeit ergibt, ist die Beklagte, die keinerlei derartige Gründe vorgetragen hat. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Zahlung einer anteiligen Jahresleistung durch die Firma S. unterblieb. Allein deswegen, weil der Kläger einen solchen Anspruch nicht gerichtlich gegen die Firma S. geltend gemacht hat, ist ihm noch keine Böswilligkeit oder Treuwidrigkeit vorzuwerfen. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, aus denen etwa auf ein Zusammenwirken zwischen dem Kläger und der Firma S. zu Lasten der Beklagten geschlossen werden könnte.

c) Eine Anrechnung nach Maßgabe des § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Abs. 1 Ziff. 2 KSchG scheidet mithin hinsichtlich der tariflichen Jahresleistung aus. Der Kläger kann daher eine anteilige Leistung von der Beklagten auch für die Monate Mai bis Oktober 1988 verlangen. Die Höhe ist nach den Erklärungen der Parteien in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht mehr streitig. Zinsen stehen dem Kläger in der geltend gemachten Höhe ab dem beantragten Zeitpunkt zu, jedoch nur aus dem sich aus dem Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag.

III. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils ferner Anspruch auf Gewährung der vermögenswirksamen Leistungen auch für die Monate Mai bis Oktober 1988.

1. Gemäß § 2 Ziff. 1 des Tarifvertrages über vermögenswirksame Leistungen vom 10. Dezember 1970 (TV 1970), dessen Geltungsbereich sich mit dem des MTV deckt, erbringt der Arbeitgeber für die anspruchsberechtigten gewerblichen Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.

Der Anspruch auf die Leistungen entsteht gemäß § 2 Ziff. 3 a Abs. 1 TV 1970 mit Beginn des siebten Kalendermonats einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit. Die Anwartschaft bleibt erhalten bei Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Druckindustrie, sofern die Unterbrechung nicht mehr als drei Wochen beträgt.

2. Die Beklagte befand sich während des gesamten streitbefangenen Zeitraums in Annahmeverzug. Zu der nach § 615 Satz 1 BGB fortzuzahlenden vereinbarten Vergütung gehören auch die sog. vermögenswirksamen Leistungen, weil sie Lohnbestandteil sind. Der Kläger hat nach seinem auch hier unwidersprochenen Vortrag von der Firma S. keine nach § 615 Satz 2 BGB anrechenbaren vermögenswirksamen Leistungen erhalten. Auch hier gilt, daß in der unterbliebenen Verfolgung solcher eventuellen Ansprüche gegen die Firma S. allein weder ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs noch eine allgemeine Treuwidrigkeit zu sehen ist. Nähere Umstände, aus denen auf einen derartigen Tatbestand geschlossen werden könnte, sind nicht dargelegt. Insoweit kann auf die Ausführungen unter B II der Gründe verwiesen werden.

Dem Kläger steht daher auch für die Monate Mai bis Oktober ein Anspruch auf Gewährung der vermögenswirksamen Leistungen zu in Höhe von insgesamt 312,– DM. Zinsen werden nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag des Klägers aus diesem Betrag nicht geltend gemacht.

IV. Der Kläger kann entgegen der Auffassung des Berufungsurteils schließlich auch Kontoführungsgebühren für die Monate Mai bis Oktober 1988 verlangen.

1. Gemäß § 2 Ziff. 4 c des Lohnrahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West vom 6. Juli 1984 (Lohnrahmen-TV) erhält jeder Arbeitnehmer bei bargeldloser Lohnzahlung eine pauschale Abgeltung für die Kontoführungskosten in Höhe von 2,50 DM monatlich. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, von der Firma S. derartige Kontoführungsgebühren nicht erhalten zu haben. Der Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB erfaßt auch den Auslagenersatz jedenfalls insoweit, als die Auslagen während des Verzuges anfallen (MünchKomm-Schaub, a.a.O., § 615 Rz 48). Hierunter sind die Kontoführungsgebühren einzuordnen, wobei zu bemerken ist, daß es sich um eine pauschale Abgeltung handelt ohne den Nachweis tatsächlich entstandener Kosten.

2. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger sein Lohnkonto für die Dauer des Annahmeverzuges der Beklagten nicht fortgeführt hat. Hierzu bestand für ihn auch kein Anlaß. Er konnte zu Recht davon ausgehen, daß die Aufrechterhaltung des Kontos im Hinblick auf den Annahmeverzug der Beklagten und die daraus resultierende Nachzahlungspflicht berechtigt war. Insofern kann ihm auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte das Konto stillegen müssen, einmal abgesehen davon, daß der Tarifvertrag gerade nicht darauf abstellt, ob überhaupt Kosten entstanden sind oder nicht.

Der Kläger kann auch hier nicht darauf verwiesen werden, einen eventuellen Anspruch gegen die Firma S. durchzusetzen. Ein derartiges Vorgehen allein im Interesse der Beklagten ist ihm nicht zumutbar. Auch insoweit gelten die Ausführungen unter B II und B III der Gründe entsprechend.

3. Die Beklagte ist daher zur Zahlung von Kontoführungsgebühren auch für die Zeit von Mai bis Oktober 1988 (6 × 2,50 DM) verpflichtet, also weiterer 15,– DM. Die Zinszahlung rechtfertigt sich aus § 284 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 288 BGB; eine Brutto-Nettoproblematik besteht hier nicht. Soweit das Landesarbeitsgericht in der Tenorierung seines Urteils offenbar versehentlich die auch nach seiner Meinung dem Kläger zustehenden 5,– DM für die Monate April und November 1988 ausgelassen hat, ist dies im Tenor klarzustellen.

V. Dem Kläger steht entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch noch ein Abgeltungsanspruch für weitere 2,5 Urlaubstage zu. Nach § 10 Ziff. 2 Abs. 1 MTV besteht für jeden Kalendermonat Beschäftigungsdauer im gleichen Betrieb Anspruch auf 1/12 des Urlaubs? ein angefangener Kalendermonat wird als voller gerechnet, wenn der Arbeitnehmer an mehr als der Hälfte der Arbeitstage dieses Kalendermonats im gleichen Betrieb gearbeitet hat.

1. Die Beklagte befand sich im gesamten Monat Oktober in Annahmeverzug, wobei der Kläger in der Zeit vom 8. bis 31. Oktober 1988 nicht gleichzeitig in einem anderen Arbeitsverhältnis stand. Selbst wenn man für den Urlaubsanspruch nur auf diesen letztgenannten Zeitraum abstellt, hat der Kläger einen Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für den Monat Oktober erworben, da er an mehr als der Hälfte der Arbeitstage dieses Kalendermonats im gleichen Betrieb „gearbeitet hat” – der Tatbestand des Annahmeverzuges ist der Arbeit insoweit gleichzusetzen.

2. Dem Kläger stand daher auch für den Monat Oktober ein Anspruch von 2,5 Urlaubstagen zu. Dieser ist gemäß § 10 Ziff. 7 MTV abzugelten, da er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Kündigung durch die Beklagte nicht mehr genommen werden kann. Der Abgeltungsbetrag ist in der Höhe unbestritten. Der Kläger hat auch Anspruch auf Zahlung des tariflichen Urlaubsgeldes gemäß § 10 Ziff. 5 b MTV in Höhe von 50 % des auf den jeweiligen Urlaub entfallenden Urlaubsentgelts. Auch dieser Betrag ist in der Höhe nicht streitig.

Dem Kläger sind daher weitere 515,35 DM brutto zuzusprechen nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag.

C. Die Revision des Klägers ist damit überwiegend erfolgreich; sie ist unbegründet nur insoweit, als er Zinsen aus den Bruttobeträgen und nicht nur aus den sich daraus ergebenden Nettobeträgen verlangt.

Bei der Tenorierung war zu berücksichtigen, daß nur der Kläger Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts eingelegt hat, es also insoweit rechtskräftig geworden ist, als es der Klage unter Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung stattgegeben hat. Weiter war zu berücksichtigen, daß bereits das erstinstanzliche Urteil nur teilweise durch Berufung/Anschlußberufung angefochten wurde, also auch insoweit teilweise Rechtskraft eingetreten ist. Zur Klarstellung war der Tenor daher insgesamt neu zu fassen.

D. Da der Kläger insgesamt nur hinsichtlich der aus dem Bruttobetrag statt aus dem Nettobetrag geforderten Zinsen unterliegt und diese Mehrforderung nicht wertsteigernd ist und besondere Kosten nicht verursacht, sind die Kosten des gesamten Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Dr. Rost, Brocksiepe, Holst

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073391

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