Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezahlung von Wartezeit im Transportgewerbe

 

Leitsatz (redaktionell)

Kommen Fernfahrer vorzeitig am Be- oder Entladeort an, sind die dadurch entstehenden Wartezeiten nach § 2 Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr vom 25.9. 1979 dann nicht vergütungspflichtig, wenn der Kraftfahrer in dieser Zeit völlig freigestellt ist und diese Zeit nach eigenem Belieben verwenden kann.

 

Orientierungssatz

Wartezeit und Arbeitsbereitschaft.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 10.02.1986; Aktenzeichen 3 Sa 145/84)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 26.06.1984; Aktenzeichen 5 (4) Ca 1084/82)

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten als Kraftfahrer im Güterfernverkehr beschäftigt. Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr vom 25. September 1979 - BMT-Fern - Anwendung.

Mit seiner am 25. Mai 1982 erhobenen Klage begehrt der Kläger restliche Vergütung für die Zeit von April 1981 bis März 1982.

Die Beklagte zahlte bis zum 31. März 1981 dem Kläger einen Pauschallohn auf der Grundlage von Abwesenheitsstunden. Ab dem 1. April 1981 vergütet die Beklagte ihre im Fernverkehr eingesetzten Arbeitnehmer - und damit auch den Kläger - auf der Basis von tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.

Im Kern streiten die Parteien darüber, ob Wartezeiten, d. h. Zeiten von der Ankunft des Klägers an der Be- oder Entladestelle bis zur Abfertigung, vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind. Dabei steht außer Streit, daß die Beklagte den Zeitpunkt der Be- oder Entladung vorgibt und die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Wartezeiten - z.B. vorrangige Abfertigung eines anderen Lkw's, Verzögerungen beim Be- oder Entladen - vergütet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch die Zeit zwischen seinem tatsächlichen Eintreffen an der Be- oder Entladestelle und dem vorgegebenen Be- oder Entladezeitpunkt sei nach den tariflichen Bestimmungen als Arbeitsbereitschaftszeit vergütungspflichtig. Die eintretenden Wartezeiten seien dem Einflußbereich des Arbeitnehmers weitgehend entzogen; sie resultierten aus den besonderen Arbeitsumständen eines Fernfahrers und seien damit dienstlich veranlaßt und damit im Interesse des Arbeitgebers aufgewendet. Zudem sei er in der Gestaltung der Wartezeit nicht unerheblich eingeschränkt, da er insbesondere an den Aufenthaltsort gebunden sei. Dem BMT-Fern liege - wie sich aus § 7 Buchst. b) und § 6 ergebe - zudem die Vorstellung zugrunde, der Arbeitgeber nehme während der dienstlich veranlaßten Wartezeiten die Arbeitskraft des Arbeitnehmers in irgendeiner Form in Anspruch und habe sie deshalb auch zu vergüten. Dies ergebe sich zudem aus der Tarifgeschichte. In der Fassung des BMT-Fern vom 18. Juni 1974 sei ausdrücklich geregelt worden, daß Wartezeit als Arbeitsbereitschaft zu vergüten sei. Zwar sei diese Regelung im Tarifvertrag vom September 1979 weggefallen. Dies sei jedoch nur darauf zurückzuführen, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen seien, daß die Wartezeiten als Arbeitsbereitschaftszeiten ohnehin von der vergütungspflichtigen Arbeitszeit nach § 2 BMT-Fern erfaßt würden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.310,46 DM

brutto nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu

zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, Wartezeiten, die vor dem von ihr bestimmten Be- oder Entladezeitpunkt liegen, seien keine vergütungspflichtigen Arbeitsbereitschaftszeiten, sondern Ruhezeiten. Der Kläger sei nämlich in dieser Zeit zu keiner Arbeitsleistung - auch nicht in minderer Form - verpflichtet. Er könne diese Zeit nach seinem Belieben verbringen. Er sei lediglich verpflichtet, zu der bestimmten Be- oder Entladezeit am Fahrzeug zu sein. Die Ansprüche des Klägers für die Monate Mai 1981 bis November 1981 sowie Februar 1982 seien zudem wegen Nichteinhaltung der tariflichen Ausschlußfrist verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.192,91 DM nebst Zinsen stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Hauptforderung auf 2.414,59 DM brutto nebst Zinsen reduziert. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des Klägers die Klage abgewiesen.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in dem in der zweiten Instanz zur Entscheidung gestellten Umfange unter Beschränkung des Zinsanspruchs auf den Nettobetrag weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht entschieden, daß dem Kläger eine Vergütung für die geltend gemachten Wartezeiten nach dem BMT-Fern nicht zusteht.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist zwischen den Parteien nunmehr unstreitig, daß die Wartezeit von dem von der Beklagten vorgegebenen Be- oder Entladezeitpunkt bis zur Beendigung des Be- oder Entladevorganges vergütungspflichtige Arbeitszeit ist und dem Kläger vergütet wird. Der Streit bezieht sich daher nur noch auf die vergütungsrechtliche Behandlung der Zeit vom Eintreffen des Klägers bis zu dem vorgegebenen Be- oder Entladezeitpunkt.

Der Kläger will diese Zeit vergütet haben als Arbeitszeit im Sinne von § 2 BMT-Fern, wobei er die Auffassung vertritt, daß es sich hierbei um Arbeitsbereitschaftszeiten im Sinne dieser Bestimmung handelt. Die Vorschrift lautet:

*NS

Arbeitszeit

Die Arbeitszeit umfaßt die Zeiten des reinen

Dienstes am Steuer (Lenkzeit), der Be- und Entladearbeiten,

Reparaturarbeiten, Vor- und Abschlußarbeiten,

sonstigen Arbeiten sowie die

Arbeitsbereitschaftszeiten.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind aber die noch im Streit befindlichen Wartezeiten keine Arbeitsbereitschaftszeiten im Sinne dieser tariflichen Vorschrift. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte der Kläger nämlich in dieser Zeit keinerlei Arbeitsleistungen zu erbringen. Er war nach diesen Feststellungen auch nicht etwa verpflichtet, sich in irgendwelcher Form bereitzuhalten oder auch nur erreichbar zu sein. Vielmehr konnte er danach diese Zeit vom Eintreffen bis zum Be- oder Entladezeitpunkt nach seinem Belieben gestalten und verbringen.

Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind vom Kläger in der Revisionsinstanz nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden. Der Senat ist damit nach §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 561 Abs. 2 ZPO an diese Feststellungen gebunden, obwohl die Parteien in den Vorinstanzen sehr eingehend darum gestritten haben, ob der Kläger während dieser Wartezeit sich für ein eventuelles Umsetzen des Kraftwagens bereithalten oder auf den Kraftwagen aufpassen muß, um ihn vor Diebstahl zu schützen, oder ein Kühlaggregat anzuschließen hat. Vielmehr steht danach für das Revisionsgericht fest, daß der Kläger mit Ankunft am Be- oder Entladungsort in seiner Gestaltung dieser Zeit völlig frei ist und nach eigenem Belieben tun und lassen kann, was er will. Damit liegen aber im vorliegenden Falle weder Arbeitsbereitschaft noch Bereitschaftsdienst noch auch nur Rufbereitschaft vor. Zutreffend geht vielmehr die Beklagte für diesen Fall davon aus, daß es sich damit um Ruhezeiten oder Ruhepausen handelt, die nach der tariflichen bestehenden Regelung nicht zu vergüten sind.

Solche Wartezeiten, bei denen der Arbeitnehmer - wie der Kläger im vorliegenden Falle - völlig freigestellt ist, sind in der Aufzählung des § 2 BMT-Fern nicht enthalten. Der Begriff der Wartezeit hat nach dieser tariflichen Regelung keine eigenständige vergütungsrechtliche Bedeutung. Solche Wartezeiten sind weder Arbeitszeiten noch Arbeitsbereitschaftszeiten im Sinne der tariflichen Regelung. Zwar ist richtig, daß auch solche Wartezeiten, bei denen der Arbeitnehmer völlig freigestellt ist, dienstlich veranlaßt wurden und im Interesse des Arbeitgebers aufgewendet werden. Daraus kann aber noch nicht gefolgert werden, daß solche Wartezeiten im Sinne der tariflichen Bestimmung der Arbeitsbereitschaftszeit gleichgestellt und damit voll zu vergüten sind. Nach § 2 BMT-Fern sind vielmehr nur solche Wartezeiten vergütungspflichtig, die Arbeitsbereitschaftszeiten sind. Man könnte unter Umständen annehmen, daß damit nicht nur die Arbeitsbereitschaft im Sinne der ArbZO, sondern auch die nicht als Arbeitszeit geltenden Bereitschaftsdienste und eventuell sogar die Rufbereitschaft gemeint sein könnten. Tarifvertraglich kann nämlich festgelegt werden, daß auch solche nicht als Arbeitszeit geltenden Zeiten vom Arbeitgeber in einer meist geminderten Höhe zu vergüten sind. Das braucht aber hier nicht endgültig entschieden zu werden, da selbst solche abgeschwächten Formen der Arbeitsleistung oder des Bereithaltens zur Arbeitsleistung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vorliegen. Die Vergütung von Wartezeiten, in denen der Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Falle - völlig frei ist, ist damit nach dem geltenden Tarifvertrag nicht geregelt. Damit fehlt es aber an einer Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Vergütung.

Entgegen der Auffassung des Klägers läßt sich auch aus dem Tarifwortlaut, dem tariflichen Gesamtzusammenhang oder aus der Tarifgeschichte nicht herleiten, daß solche Wartezeiten vom tariflichen Rechtsbegriff der Arbeitsbereitschaft in § 2 BMT-Fern miterfaßt würden. Eine solche Erweiterung folgt auch nicht aus § 7 Buchst. a) oder aus § 6 Abs. 1 Ziffer 2 BMT-Fern. § 6 BMT-Fern ist weder eine arbeitszeitrechtliche noch eine lohnrechtliche Vorschrift, sondern regelt die zulässigen Höchstlenkzeiten des Kraftfahrers einschließlich der Unterbrechungszeiten. Wenn sich danach bei Besetzung des Fahrzeuges mit zwei Fahrern eine Unterbrechung der Lenkzeit auch in Wartezeiten ausdrücken kann, entspricht dies Artikel 8 Abs. 4 der bis zum 28. September 1986 geltenden Verordnung (EWG) Nr. 543/69 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr vom 25. März 1969 (ABlEG Nr. L 77 S. 49). Art. 14 Abs. 3 Buchst. a) dieser Verordnung definiert den Begriff der Wartezeit im Sinne der Verordnung wie folgt:

"Wartezeit ist die Zeit, in der die Mitglieder

des Fahrpersonals nur an ihrem Arbeitsplatz

verbleiben müssen, um etwaigen Aufforderungen

nachzukommen, eine der in Abs. 2 Buchst. c)

(= Lenkzeiten) und Abs. 3 Buchst. b) (= alle

sonstigen Arbeitszeiten) genannten Tätigkeiten

auszuüben oder wieder aufzunehmen."

Übernehmen die Tarifvertragsparteien eine gesetzliche Vorschrift in den Tarifvertrag und verwenden sie dabei einen Rechtsbegriff, der in der gesetzlichen Vorschrift definiert ist, so ist davon auszugehen, daß dieser Begriff auch in der Terminologie des Tarifvertrags diese Bedeutung haben soll. Damit ist dem Begriff der "Wartezeit" im Sinne seiner tariflichen Bedeutung ein Verbleiben am Arbeitsplatz und das Bereithalten zur Arbeitsaufnahme immanent.

Außerdem macht die tarifliche Bestimmung eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Wartezeiten die Lenkzeiten nicht unterbrechen. Nur bei der Zwei-Fahrer-Besatzung "genügt" nämlich die Wartezeit als Unterbrechenszeit. Auch daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der Wartezeit verstehen als eine Zeit, in der der Arbeitnehmer gerade nicht von jeglicher Arbeitsleistung freigestellt ist und über seine Zeit und seinen Aufenthaltsort nach Belieben verfügen kann, sondern an seinem Arbeitsplatz verbleiben muß, um sich zur Arbeitsaufnahme bereitzuhalten. Nur bei diesem Verständnis des Begriffs "Wartezeit" erhält die Regelung des § 6 BMT-Fern einen Sinn. Wären nach dem tariflichen Verständnis Wartezeiten Zeiten ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung - auch nicht in abgeschwächter Form -, so wäre vom Schutzzweck dieser Norm her nicht verständlich, warum solche Zeiten - von der Ausnahme zugunsten der Zwei-Fahrer-Besatzung abgesehen - die zulässige Lenkzeit nicht unterbrechen.

§ 7 BMT-Fern enthält eine Sonderregelung über "Liegezeiten". Buchst. a) und b) dieser tariflichen Bestimmung lauten:

"a) Ganztägige Liegezeiten (24 Stunden), die

infolge Wartens auf Rückladungen oder aus

sonstigen Gründen außerhalb des Standorts

entstehen, gelten nicht als Arbeitszeit,

sofern die Arbeitnehmer über diese Zeit

frei verfügen können.

b) Die Arbeitnehmer haben für die in Abs. a)

genannte Zeit Anspruch auf den vollen Tagesspesensatz

und auf Anrechnung von zehn

Stunden je Liegetag nach Maßgabe des tariflichen

Lohnes."

Aus der Regelung in Buchst. a) ist zu entnehmen, daß Zeiten infolge Wartens auf Rückladung oder aus sonstigen Gründen dem Grunde nach vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind. Nur dann, wenn der Fahrer über die Zeit frei verfügen kann, soll sie keine Arbeitszeit sein. Demnach liegt - wie sich aus der Formulierung der Ausnahme ergibt - auch dieser tariflichen Bestimmung die Vorstellung der Tarifvertragsparteien zugrunde, daß der Arbeitnehmer während der Zeit des Wartens an seinem Arbeitsplatz verbleiben muß, um sich zur Arbeitsaufnahme bereitzuhalten.

Wenn Buchst. b) gleichwohl für diese frei verfügbare Zeit eine Vergütungsregelung trifft, so ist diese Bestimmung aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts eine nur die Vergütung der ganztägigen Liegezeiten betreffende Sonderregelung. Sie enthält deshalb keine verallgemeinerbare Aussage in bezug auf die arbeitszeitrechtliche Behandlung der Wartezeit.

Der Begriff der Wartezeit hat daher bei der Auswertung des tariflichen Gesamtzusammenhangs nach dem BMT-Fern keine arbeitszeitrechtlich relevante eigenständige Bedeutung. Er erweitert somit nicht den Begriff der Arbeitsbereitschaftszeit über dessen allgemeine arbeitszeitrechtliche Bedeutung hinaus um weitere arbeitszeitrechtlich relevante Zeiten, sondern ist mit diesem deckungsgleich.

Dieses Ergebnis wird durch Heranziehung der Tarifgeschichte bestätigt. Der BMT-Fern vom 18. Juni 1974, in Kraft getreten am 1. Juli 1974, versteht nämlich den Begriff "Wartezeit" in dem zuvor dargelegten Sinne.

§ 2 BMT-Fern vom 18. Juni 1974 entspricht wörtlich dem § 2 des BMT-Fern vom 25. September 1979. Damit enthält auch dieser Tarifvertrag keine ausdrückliche arbeitszeitrechtliche Regelung über Wartezeiten.

Die Vorschrift des § 7 BMT-Fern 1974 lautet:

Wartezeit

a) Ist das Fahrzeug nur mit einem Fahrer besetzt,

so sind alle anfallenden Wartezeiten

Arbeitsbereitschaft und voll zu bezahlen.

b) Bei Besetzung des Fahrzeugs mit zwei Fahrern

sind gleichfalls alle unter zwei Stunden

anfallenden Wartezeiten Arbeitsbereitschaft

und voll zu bezahlen. Zusammenhängende,

ununterbrochene Wartezeiten von

mehr als zwei Stunden sind bis zu zwei

Stunden Arbeitsbereitschaft und voll zu bezahlen.

Darüber hinausgehende Wartezeiten

werden jedem Arbeitnehmer mit 50 % bewertet

und vergütet.

Den Begriff "Wartezeit" haben die Tarifvertragsparteien nicht definiert.

Bei der gebotenen Auslegung des § 7 BMT-Fern 1974 ist zunächst § 6 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. b) 2. Absatz (Lenkzeiten) und § 8 (Ruhezeiten) heranzuziehen. Da § 6 Abs. 1 Ziff. 2 b) 2. Absatz BMT-Fern 1974 wörtlich dem § 6 Abs. 2 Ziff. 2 2. Absatz BMT-Fern 1979 entspricht und § 8 Buchst. a) und Buchst. b) BMT-Fern 1974 - von der zu vergütenden niedrigeren Stundenzahl abgesehen - dem § 7 Buchst. a) und Buchst. b) BMT- Fern 1979 entspricht, gelten für die Auslegung des Begriffs "Wartezeit" die Ausführungen zu diesen Vorschriften.

Der Begriff "Wartezeit" kommt darüber hinaus im BMT-Fern 1974 in der Ruhezeitregelung des § 10 vor. Buchst. a) dieser Vorschrift lautet:

"Bei Besetzung des Fahrzeugs mit einem Fahrer

muß innerhalb der letzten 24 Stunden vor jedem

Zeitpunkt, zu dem eine Tätigkeit, Arbeitsbereitschaft

oder Wartezeit geleistet wird,

eine Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden

Stunden gewährt worden sein."

Diese Vorschrift beruht auf den Art. 11 ff. der EWG- Verordnung Nr. 543/69. Von ihrem Zweck her ist Ruhezeit die Zeit zur Ruhe und Erholung von der Arbeit, die tägliche Ruhezeit insbesondere die Zeit zum täglichen Schlaf. Während der Ruhezeit dürfen keine Arbeiten ausgeführt werden, auch nicht für kurze Zeit (vgl. Zmarzlik, AR-Blattei (D) Kraftfahrer I, unter V Ruhezeit). Wird nach der tariflichen Vorschrift die vorgeschriebene Ruhezeit neben den reinen Lenkzeiten und den Arbeitsbereitschaftszeiten auch ab der Wartezeit gerechnet, dann liegt dem die Vorstellung der Tarifvertragsparteien zugrunde, daß Wartezeiten Arbeitszeiten sind. Denn nur bei dieser Sichtweise wird die Aufnahme der Wartezeit in die Aufzählung der die Ruhezeit unterbrechenden Zeiten vor dem Hintergrund des Schutzzwecks dieser Vorschrift verständlich.

Aus alledem folgt, daß die Tarifvertragsparteien auch im BMT-Fern 1974 unter Wartezeit nur solche Zeiten des Kraftfahrers verstanden haben, in denen er sich am Fahrzeug zur Arbeitsaufnahme bereithält. Demnach ordnet § 7 Buchst. a) BMT- Fern 1974 eine nach § 2 BMT-Fern ohnehin geltende Rechtsfolge an. Buchst. b) der Vorschrift enthält demgegenüber eine vom Grundsatz des Buchst. a) bzw. des § 2 BMT-Fern abweichende Sonderregelung für die Vergütung. Damit wurde die Regelung des § 7 Buchst. a) nicht überflüssig. Die Klarstellung, daß Wartezeiten Arbeitsbereitschaftszeiten sind, dient nämlich zur Begründung der täglichen Arbeitszeitverlängerung nach § 7 Abs. 2 ArbZO.

Die Streichung der Wartezeitregelung im BMT-Fern 1979 bewirkt folglich lediglich einen Wegfall der Sonderregelung für Zwei-Fahrer-Besatzungen. Deren Wartezeit wird künftig voll vergütet.

Steht aber damit fest, daß Zeiten, in denen der Kraftfahrer während einer Wartezeit - wie hier - völlig freigestellt ist, nach der tariflichen Regelung nicht vergütungspflichtig sind, brauchte im vorliegenden Falle nicht endgültig entschieden zu werden, wie Wartezeiten zu vergüten sind, in denen der Arbeitnehmer Bereitschaftsdienst irgendwelcher Art zu leisten hat.

Die Revision war vielmehr mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag

Preuße Prieschl

 

Fundstellen

BB 1987, 2369

NZA 1988, 168-170 (LT)

RdA 1987, 384

ZTR 1988, 311-312 (LT)

AP § 1 TVG Tarifverträge Fernverkehr (LT1), Nr 3

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