Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausländische Lohnpfändung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Stellt ein Vollstreckungsorgan eines fremden Staates (hier: Texas/USA) dem ausländischen Arbeitgeber an dessen Hauptsitz im Ausland (hier: Georgia/USA) ein Zahlungsverbot zu, so wird nicht die Pfändung des Arbeitsentgelts, eines in Deutschland ansässigen Arbeitnehmers bewirkt, der in einem inländischen Betrieb in Frankfurt am Main beschäftigt und entlohnt wird.

2. Für die Wirkungserstreckung der ausländischen Lohnpfändung durch die Gerichte für Arbeitssachen fehlt derzeit die Rechtsgrundlage.

 

Normenkette

BGB § 269; EGBGB Art. 27, 30; ZPO §§ 12, 21, 23, 29, 183, 328, 722-723, 828-829

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 06.04.1994; Aktenzeichen 2 Sa 1620/93)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.07.1993; Aktenzeichen 15 Ca 213-2/93)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. April 1994 – 2 Sa 1620/93 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für September 1992 bis Februar 1993 noch Restlohn zu zahlen hat.

Der Kläger ist Staatsbürger der USA mit Wohnsitz in Deutschland. Seine beiden Kinder Jami Dawn R., geboren am 14. Januar 1974, und John Lukas R., geboren am 11. Juli 1979, leben in W., Texas, bei der geschiedenen Ehefrau des Klägers. Nach deren Wiederverheiratung ist, so behauptet der Kläger, vereinbart worden, daß die Unterhaltspflichten durch Zahlung von 22.000 US $ erfüllt seien.

Die Beklagte ist eine international tätige Luftverkehrsgesellschaft mit Sitz ihrer Hauptgeschäftsstelle in Hartsfield Atlanta (Georgia, USA). Sie unterhält in Frankfurt ihren europäischen Stützpunkt. Auf dem Frankfurter Flughafen wird Bodenpersonal insbesondere für die technische Abwicklung des Flugbetriebes beschäftigt. Weiterhin besteht ein Stadtbüro, in dem die Beklagte u.a. die Gehaltsbuchhaltung für die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer erledigt. Die Frankfurter Geschäftsstelle wird von dem Director Personnel-Atlantic geleitet.

Der damals bereits in Deutschland wohnhafte Kläger schloß mit der Beklagten am 17. Mai 1990 den Arbeitsvertrag, in dem – soweit hier von Interesse – geregelt ist:

„1.Tätigkeit und Einstellungsdatum

1.1. Sie werden mit Wirkung zum 1. Juli 1990 von D. als Mechaniker eingestellt.

2.Beschäftigungsort

2.1. Ihr Beschäftigungsort wird in der Stadt Frankfurt sein, jedoch behält sich D. das Recht vor, Sie an einen anderen Arbeitsplatz innerhalb der Stadt oder für einen befristeten Zeitraum an einem anderen Beschäftigungsort innerhalb Deutschlands zu versetzen.

3.Gehalt

3.1. D. wird Ihnen für die Arbeitsleistungen ein monatliches Bruttogehalt von DM 6.455,– zahlen, das rückwirkend am letzten Tag eines Monats zahlbar ist. …

14. Verschiedenes

14.1. Hiermit erklären Sie sich einverstanden, daß Ihre persönlichen Daten in D.'s lokalem Büro gespeichert, als auch an D.'s Hauptzentrale nach Atlanta, Georgia, USA übermittelt und dort gespeichert werden können.”

Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte unter Berücksichtigung der Merkmale auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuern an das Finanzamt Groß Gerau und die Sozialversicherungsbeiträge an die zuständige Einzugsstelle abgeführt. Am 11. September 1992 ist ihrer Hauptgeschäftsstelle in Hartsfield Atlanta ein „Writ of Income Withholding to Employer” vom 30th District Court of W. County, Texas, vom 4. September 1990 zugeleitet worden. Die Beklagte behielt vom Nettolohn des Klägers für September 1992 bis einschließlich Februar 1993 9.528,76 DM ein und führte den Gegenwert in US-Dollar an die W. County Family Court Services ab.

Mit der am 6. April 1993 erhobenen Klage hat der Kläger den Restlohn gerichtlich geltend gemacht. Er behauptet, das Schreibendes 30th District Court of W. County vom 4. September 1992 sei ihm nicht zugestellt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.528,76 DM netto nebst 8% Zinsen seit dem 11. Februar 1993 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, sie habe mit der Abführung der einbehaltenen Lohnteile einen auch für ihre Frankfurter Geschäftsstelle wirksamen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß befolgt und zugleich in dieser Höhe Unterhaltspflichten des Klägers erfüllt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 9.528,76 DM netto nebst 4% Zinsen seit dem 11. Februar 1993 verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte widerklagend die Rückzahlung der zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung an den Kläger ausgezahlten Klageforderung beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage und die Stattgabe ihrer Widerklage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 611 BGB für die in den Monaten September 1992 bis Februar 1993 geleistete Arbeit noch 9.528,76 DM netto nebst gesetzlichen Verzugszinsen.

B.

I.

Das Berufungsgericht ist zu Recht von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte für die Rechtsstreitigkeit der beiden ausländischen Parteien ausgegangen.

1. Die internationale Zuständigkeit ist eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachtende Sachurteilsvoraussetzung. Sie richtet sich nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht nach den §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, ist es im Regelfall auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (BAGE 27, 99 = AP Nr. 12 zu Internat. Privatrecht/Arbeitsrecht; BAG Urteil vom 26. Februar 1985 – 3 AZR 1/83 – AP Nr. 23 zu Internat. Privatrecht/Arbeitsrecht; BAGE 63, 17 = AP Nr. 30 zu Internat. Privatrecht/Arbeitsrecht).

2. Das nach § 35 ZPO vom Kläger ausgewählte Arbeitsgericht Frankfurt war wegen des besonderen Gerichtsstandes des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) und wegen des besonderen Gerichtsstands der Niederlassung (§ 21 Abs. 1 ZPO) örtlich zuständig.

a) Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist (§ 269 Abs. 1 BGB). Für das Arbeitsverhältnis gilt als gemeinsamer Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungsverpflichtungen der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses, der durch die Arbeitsleistung innerhalb eines Betriebes bestimmt wird (LAG Berlin, Urteil vom 19. Mai 1960 – 2 Sa. 14/60 – AP Nr. 3 zu § 269 BGB; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 29 Rz. 19; Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 29 Rz. 25 „Arbeitsvertrag”; modifizierend: Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht S. 321: Ort, wo die lohnführende Stelle des Arbeitgebers ist).

In § 2.1. des Arbeitsvertrages der Parteien war als Beschäftigungsort die Stadt Frankfurt am Main bestimmt. Dem entsprach auch die tatsächliche Handhabung durch die Beklagte, die in Frankfurt den Lohn berechnet, Steuern an das örtliche Finanzamt, Sozialversicherungsbeiträge an die zuständige AOK und den Nettolohn des Klägers auf ein Girokonto bei einem regionalen Bankinstitut überwiesen hat.

b) Die Zuständigkeit ergibt sich weiterhin aus § 21 Abs. 1 ZPO; denn die erhobene Klage bezieht sich auf den Geschäftsbetrieb der Frankfurter Niederlassung der Beklagten.

Jede außerhalb des Hauptsitzes betriebene und aus eigener Entscheidung zum Geschäftsabschluß und zum Handeln berechtigte Geschäftsstelle hat als Niederlassung im Sinne des § 21 Abs. 1 ZPO zu gelten (BAG Urteil vom 26. Februar 1985 – 3 AZR 1/83 – AP Nr. 23 zu Internat. Privatrecht/Arbeitsrecht). Eine Eintragung ins Handelsregister ist nicht erforderlich (Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Aufl., § 21 Rz. 6). Die Selbständigkeit der Frankfurter Geschäftsstelle ergibt sich hier schon daraus, daß die Beklagte sich keiner fremden Agentur bedient, sondern eine eigene Geschäftsstelle für den Abschluß von Luftfrachtverträgen im Sinne von Art. 28 des Warschauer Abkommens (Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12. Oktober 1929 in der Fassung des Haager Protokolls vom 28. September 1955, BGBl. II, 291) unterhält (vgl. BGH Urteil vom 16. Juni 1982 – I ZR 100/80 – NJW 1983, 518).

II.

Der von der Revision gerügte Verfahrensmangel führt nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils.

Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht dürfe nicht überraschend im Urteil darauf verweisen, der Inhalt eines Schriftstückes müsse unberücksichtigt bleiben, weil es nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt worden sei. Zwar ist nach § 184 GVG die Gerichtssprache deutsch, nach § 142 Abs. 3 ZPO hat das Gericht jedoch rechtzeitig zu entscheiden, ob von einer in fremder Sprache vorgelegten Urkunde eine Übersetzung beigebracht werden soll. Der gerügte Verfahrensfehler war jedoch im Streitfall nicht ursächlich (§ 549 Abs. 1 ZPO); denn das Landesarbeitsgericht hat die Anerkennung der möglicherweise in Georgia (USA) bewirkten Lohnpfändung ohne Rücksicht auf den konkreten Inhalt des „Writ of Income Withholding to Employer” abgelehnt.

III.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich dennoch im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO). Weder ist für die Monate September 1992 bis Februar 1993 der Lohnanspruch durch Gläubigerwechsel aus dem Vermögen des Klägers ausgeschieden, noch ist durch die Abführung des einbehaltenen Lohns an die W. County Family Court Services der Lohnanspruch erloschen. Das am Hauptsitz der Beklagten zugestellte „Writ of Income Withholding to Employer” begründet auch keinen Einwand der Beklagten, ihr sei als Drittschuldnerin in Deutschland die Erfüllung der Lohnforderung des Klägers verboten.

1. Deutsches Sach-Recht ist anzuwenden; denn das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt nach dem Gesetz zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 (BGBl. S. 1142) deutschem Recht.

Die Parteien haben von der Möglichkeit der Rechtswahl in Art. 27 Abs. 1 EGBGB nicht Gebrauch gemacht. Deshalb unterliegt hier nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Das ist die Bundesrepublik Deutschland; denn nach dem Arbeitsvertrag ist der Beklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt, den Kläger im Ausland einzusetzen. Aus den übrigen Umständen ergeben sich auch keine engeren Verbindungen zu anderen Staaten. Die Entlohnung ist in Deutscher Mark vereinbart, die Abrechnung erfolgt entsprechend dem deutschen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht von der Frankfurter Geschäftsstelle. Der Kläger erhält in Frankfurt am Main seine Weisungen. Er untersteht dem dortigen Director Personnel-Atlantic und dem Manager-Labor Relations-Atlantic.

2. Das Landesarbeitsgericht hat generell jede Möglichkeit einer Rechtswirkung des der Beklagten an ihrem Hauptsitz zugegangenen „Writ of Income Withholding to Employer” ausgeschlossen. Im Inland könne nur ein von einem deutschen Amtsgericht erlassener Pfändungs- und Überweisungsbeschluß Rechtswirkungen entfalten. Das ist zu weitgehend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das nach Art. 100 Abs. 2 GG die Geltung und Tragweite von Völkerrechtsregeln verbindlich feststellt, ist die Rechtswirkung einer Beschlagnahme durch das Vollstreckungsorgan eines ausländischen Staates zu beachten, sofern dessen Beschlagnahmezugriff sich auf die innerhalb seines Hoheitsgebiets befindlichen Gegenstände beschränkt (BVerfGE 64, 1, 19, 20).

3. Die möglicherweise mit der Zustellung des vom texanischen Gerichts erlassenen „Writ of Income Withholding to Employer” in Georgia (USA) verbundene Beschlagnahme der Lohnforderung des Klägers gegen die Beklagte ist von den deutschen Gerichten für Arbeitssachen nicht anzuerkennen. Die Lohnforderung des Klägers ist nämlich im Betrieb der inländischen Niederlassung der Beklagten entstanden. Die Erfüllung der Forderung ist auch von der Beklagten dort zu bewirken. Deshalb ist kein Beschlagnahmezugriff für das texanische Vollstreckungsorgan, sondern die internationale deutsche Zuständigkeit zur Forderungspfändung gegeben. Für die Erstreckung der Rechtswirkungen der in Georgia (USA) erfolgten Pfändungsmaßnahme auf das laufende Arbeitseinkommen des im Inland wohnenden ausländischen Klägers fehlen sowohl völkerrechtliche als auch nationale Rechtsgrundlagen.

a) Ob überhaupt und unter welchen Voraussetzungen Rechtswirkungen ausländischer Forderungspfändungen in Deutschland anzuerkennen sind, ist bisher weder staatsvertraglich noch gesetzlich geregelt (vgl. Marquordt, Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. Köln 1975, 131; Mössle, Internationale Forderungspfändung, Diss. Berlin 1991, S. 240).

§ 328 ZPO befaßt sich nur mit der Anerkennung ausländischer Urteile. Vollstreckungsakte sind davon ausgenommen. Sie sind nämlich nicht wie Urteile der materiellen Rechtskraft fähig (Reichsgericht Urteil vom 18. Juni 1907 – II 110/07 – Seufferts Archiv, Neue dritte Folge Band 8, S. 41, 42; Zöller/Geimer, ZPO, 19. Aufl., § 328 Rz. 26, 27; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 328 Rz. 3, 15; Marquordt, a.a.O., S. 79 f.; Mössle, a.a.O., S. 240). Gesetzlich geregelt ist – soweit hier von Interesse – die Möglichkeit der ausländischen Unterhaltsgläubiger, die sachliche Rechtskraft eines ausländischen Unterhaltsurteils nach § 328 ZPO im Inland anerkennen zulassen, dessen inländische Vollstreckbarkeit nach §§ 722, 723 ZPO herbeizuführen und wegen dieses vollstreckbaren Titels durch das für den Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners zuständige Amtsgericht (§ 828 Abs. 2 1. Alternative ZPO) die Pfändung einer Geldforderung des Unterhaltsschuldners nach § 829 ZPO zu bewirken, indem dem Drittschuldner das gerichtliche Verbot zugestellt wird, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen. Da für ausländische Gläubiger eine Vollstreckungsmöglichkeit vorhanden ist, liegt es nahe, aus der bisherigen gesetzlichen Nichtregelung der Erstreckung von Rechtswirkungen ausländischer Vollstreckungsakte darauf zu schließen, daß vom nationalen Gesetzgeber die Anerkennung ausländischer Forderungspfändungen durch inländische Gerichte nicht vorgesehen ist.

b) Die Pfändung der Lohnforderung des Klägers ist nicht wegen der „Belegenheit” der Forderung am Hauptsitz der Beklagten in den USA anzuerkennen.

aa) Das Reichsgericht hat die Rechtswirkungen ausländischer Forderungspfändungen anerkannt, sofern der Drittschuldner im Ausland wohnte (Reichsgericht, Urteil vom 12. Oktober 1895 – I 180/95 – RGZ 36, 355, 357; Urteil vom 18. Juni 1907, a.a.O.; Urteil vom 3. November 1911 – VII 150/11 – RGZ 77, 250, 252). Das Reichsgericht ist dabei von der Belegenheit der gepfändeten Forderung im Ausland ausgegangen. Nach der Zuständigkeitsvorschrift des § 23 Satz 2, 1. Alternative ZPO gelte das in einer Forderung bestehende Vermögensstück nicht an dem Erfüllungsort, sondern an dem Wohn- oder Verwaltungssitz des Drittschuldners als belegen. Das Schrifttum ist dieser Rechtsprechung weitgehend gefolgt (vgl. Marquordt, a.a.O., S. 87). Rosenbaum (Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im internationalen Rechtsverkehr, 1930, S. 34 f.) hat dazu die Auffassung vertreten, Pfändungen seien stets anzuerkennen, um Doppelleistungen des Drittschuldners zu verhindern. In Aufgabe der noch in der Vorauflage vertretenen Auffassung hat Münzberg (Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 829 Rz. 103) sich dem unter der Voraussetzung angeschlossen, da ß der Drittschuldner im pfändenden Ausland wohne.

bb) Der rechtliche Ausgangspunkt des Reichsgerichts ist abzulehnen. Der Vorschrift des § 23 Satz 2 ZPO kann keine allgemeingültige Fiktion der Belegenheit von Forderungen am Sitz des Drittschuldners entnommen werden.

Die in § 828 Abs. 2 1. Alternative ZPO getroffene Zuständigkeitsregelung, nach der als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht zuständig ist, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, läßt erkennen, daß die Lage der Forderung nicht ohne weiteres anhand der Vorschrift des § 23 Satz 2 ZPO bestimmt werden kann. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, daß mit § 828 Abs. 2 ZPO bewußt eine deutsche internationale Zuständigkeit für Forderungspfändungen geregelt worden ist. Der Abänderungsantrag, der eine Einschränkung der Zuständigkeit wegen der Gefahr von Doppelzahlungen erreichen wollte, ist bei der Beratung durch die Reichstagskommission abgelehnt worden (vgl. Marquordt, a.a.O., S. 12; Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 2 Abteilung 1 S. 846 f.). Daraus ist zu schließen, daß § 828 Abs. 2 ZPO eine internationale Zuständigkeitsregel enthält (vgl. BVerfGE 64, 1, 18). Nach § 828 Abs. 2 1. Alternative ZPO ist somit die deutsche internationale Zuständigkeit begründet, wenn der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat. Soweit der Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners im Ausland liegt, ist die zuständigkeitserweiternde Vorschrift des § 828 Abs. 2 2. Alternative ZPO anzuwenden. Danach ist die internationale Zuständigkeit auch dann begründet, wenn der Drittschuldner nach der in Bezug genommenen Vorschrift des § 23 Satz 2 1. Alternative ZPO seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat. Die Vorschrift des § 23 Satz 2 ZPO dient deshalb der Zuständigkeitserweiterung für die deutsche Gerichtsbarkeit und nicht, wie das Reichsgericht angenommen hat, dem Aufstellen einer allgemeinen Fiktion der Belegenheit von Forderungen. Daher ist die deutsche internationale Zuständigkeit auch dann gegeben, wenn der Drittschuldner seinen Sitz im Ausland, der Vollstreckungsschuldner aber seinen Sitz im Inland hat.

cc) Die im Schrifttum zur Vermeidung von Doppelleistungen des Drittschuldners vorgestellten Lösungen (vgl. Mössle, a.a.O., S. 239) sind rechtspolitischer Natur. Sie sind bemüht, die typischerweise von einer fehlenden Regelung ausgehenden Nachteile auszuschließen. Da gewöhnlich der Beschlagnahmezugriff in mehreren Staaten zulässig ist, bleibt dennoch die mehrfache Inanspruchnahme des Drittschuldners möglich, solange kein völkerrechtlicher Prioritätsgrundsatz gilt.

c) Die Erstreckung der Rechtswirkung der möglicherweise in Georgia (USA) am Hauptsitz der Beklagten bewirkten Pfändung durch die deutschen Gerichte für Arbeitssachen ist abzulehnen, weil für die Pfändung der Forderung des Klägers die deutsche internationale Zuständigkeit gegeben ist. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob insoweit eine ausschließliche Zuständigkeit gegeben ist (vgl. Marquordt, a.a.O., S. 82). Denn nach dem Ergebnis der rechtsvergleichenden Studie von Marquordt (vgl. dort S. 102 f.) werden fremde Pfändungsmaßnahmen in der Regel nicht von anderen Staaten anerkannt, soweit die eigene internationale Zuständigkeit angenommen wird. Fehlt somit eine allgemeine Staatenpraxis, ist keine Grundlage für entsprechendes Völkergewohnheitsrecht gegeben (Mössle, a.a.O., S. 35 f.).

d) Rechtsstaatliche Bedenken gegen die Verweigerung der gerichtlichen Anerkennung der ausländischen Forderungspfändung sind nicht angebracht; denn den ausländischen Vollstreckungsgläubigern wäre nach Anerkennung des Unterhaltsurteils und dessen Vollstreckbarerklärung die Bewirkung der Pfändung nach § 829 Abs. 3 ZPO durch Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Beklagte im Inland möglich. Eine Auslandszustellung brauchte nicht zu erfolgen. Da die Lohnforderung im Betrieb einer inländischen Niederlassung entstanden und zu erfüllen ist, kann die Zustellung eines Pfändungsbeschlusses trotz ausländischen Verwaltungssitzes des Drittschuldners nach § 183 Abs. 1 ZPO an die im inländischen Geschäftslokal anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen.

e) Die Erstreckung der Rechtswirkung der ausländischen Pfändung ist schließlich auch deshalb abzulehnen, weil nur so die Einheit von Zuständigkeit und anwendbarem Sach-Recht bei der Pfändung von Arbeitseinkommen gewahrt wird. Damit die im öffentlichen Interesse liegenden Pfändungsschutzvorschriften eingehalten werden, ist es erforderlich, auf die Verhältnisse am Wohnsitz des Schuldners abzustellen.

4. Die in erster Instanz erklärte Aufrechnung der Beklagten hat nicht nach § 389 ZPO das Erlöschen der Lohnforderung des Klägers bewirkt. Für die Annahme eines zur Aufrechnung geeigneten Gegenanspruches kommt allenfalls ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 2 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, daß der Kläger durch die Weiterleitung der einbehaltenen Lohnteile an die W. County Family Court Services Unterhaltsaufwendungen erspart. Entsprechende Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlen. Die Beklagte ist nicht der Behauptung des Klägers entgegengetreten, er habe die Unterhaltsforderungen bereits erfüllt. Nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO gilt diese Behauptung als zugestanden.

IV.

Die zulässige Widerklage der Beklagten ist unbegründet. Denn durch die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung geleistete Zahlung ist der Beklagten kein Schaden entstanden. Die Beklagte ist zu Recht zur Zahlung des Lohns verurteilt worden.

C.

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Fundstellen

BAGE, 243

BB 1996, 911

JR 1997, 176

JR 1997, 352

NZA 1997, 334

ZIP 1996, 2031

MDR 1997, 71

IPRspr. 1996, 194

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